Hallo Thorshammer,
es stimmt, Aristokratie heißt wörtlich: „Herrschaft der Besten“, und ich nehme an, Du hast ähnliches im Sinn wie etwa Platon in „Der Staat“.
Ich will eine ernsthafte Antwort versuchen.
Mir fällt als erstes die Rangdynamik von Raoul Schindler ein, ihre Aussage ist, es gibt notwendig und immer vier Positionen in Gruppen (die wechseln können), ich benenne sie der Kürze halber mit nur einem Schlagwort:
-Alpha, der Führer
-Beta, der Berater
-Gamma, der Arbeiter
-Omega, der Sündenbock
Schindler hat diese Positionen vor etwa 50 Jahren erforscht, den Originaltext kenne ich nicht. Ich unterstelle eine Gültigkeit der Rangdynamik auch für größere Gruppen, etwa die Gesellschaft eines Landes.
Das hieße, es gäbe auch dort notwendig und immer diese vier Positionen:
-Alpha, eine herrschende Schichte
-Beta, eine Schichte von Intellektuellen
-Gamma, die große Masse
-Omega, bestimmte Gruppen in der Rolle des Sündenbocks
Ohne allzuviel von Geschichte zu verstehen, behaupte ich, diese vier Positionen lassen sich tatsächlich in jeder bekannten Gesellschaft finden (wer widerspricht?).
All diese Einleitung bringe ich nur, um die Aussage zu machen: Irgendeine herrschende Schichte gibt es immer, egal, ob wir nun eine Gesellschaft Feudalsystem, aristokratisch oder demokratisch oder sonstwie nennen. Die Herrschaft mag offen erkennbar oder ein wenig subtiler sein.
Wie könnten wir es nun schaffen, daß in dieser herrschenden Schichte tatsächlich die Besten vertreten sind, was immer man darunter verstehen mag?
Ich fürchte, gar nicht.
Denn als zweites fällt mir dazu der Kainsmythos ein. Seine Aussage ist etwa: der Wunsch, nicht zurückzustehen, etwas zu bedeuten, Ehrgeiz - das sind starke Kräfte der menschlichen Natur, ihre Existenz verweist Vorstellungen wie Deine und Entwürfe wie Platons Staat ins Reich der Utopie. Und die Herrschenden sind nicht die „Besten“, sondern nur die Durchsetzungsstärksten, manchmal mit guten Motiven, aber nicht immer.
Tja, was nun?
Grüße,
I.