Hallo Stefan,
natürlich geht weder die Welt unter, wenn man 0^0=1 (verzeih den Tippfehler im letzten Beitrag) nicht so definiert, noch hängen daran weltbewegende Erkenntnisse.
Dennoch ist das hier…
Nunja, das wage ich zu bezweifeln, denn es gibt sicher auch
gute Mathematiker, die etwas ernsthafter an die Sache
rangehen.
…eine starke Aussage, die förmlich nach einer Widerlegung schreit.
Ich sprach ja auch von „guten“ Mathe-Büchern
Ich habe eben
selbst ein paar Bücher durchgekramt und im Inet ein bisschen
gesucht. Dort steht fast immer, dass a^0=1 ist, für a ungleich
0!!!
Zum einen ist der inzwischen emeritierte Prof. Harro Heuser ein sehr ehrenwerter Mann, der sehr gute Mathe-Bücher schreibt. Zum anderen bedeutet das Fehlen dieser Notierung nicht, dass der Autor nicht implizit an anderer Stelle 0^0=1 verwendet, wie wir weiter unten sehen werden. Ich würde also eher die Behauptung (a la Oliver) aufstellen, dass diejenigen, die es nicht explizit erwähnen, nachlässig sind. Mit Sicherheit liegen aber die anderen, die es so defnieren, richtig.
Nur, weil ein paar Mathematiker solche Fehler machen und 0^0=1
setzen, müssen es ja nicht alle machen
Du kommst nur in
Dann solltest Du vielleicht mal eine Umfrage starten. Ich habe nur meinen Büronachbarn, immerhin ein gestandener C4-Mathematik-Professor, angesprochen (mehr Leute zu fragen war mir damit einfach zu peinlich) und die Antwort kam (natürlich) wie aus der Pistole geschossen: 0^0=1.
Schwierigkeiten, wenn du 0^0 zulässt, weil viele Regeln dann
Ausnahmen brauchen. Ich habe gelernt, dass 0^0 nicht definiert
ist, weil keiner von den beiden Grenzwerten
a) 1 = lim( a^0 ) für a von oben gegen 0
b) 0 = lim( 0^a ) für a von oben gegen 0
Eine sehr schlechte Begründung. Offenbar wusste der Lehrer nicht, dass es auch unstetige Funktionen gibt.
Im Gegenteil, die Schwierigkeiten sind wesentlich größer, wenn man die besagte Defnition 0^0=1 nicht macht. Zunächst aber vielleicht ein paar Zitate, ich habe mir die Mühe gemacht in unserer Bibliothek ein paar Analysis-Bücher durchzuforsten.
-
Harro Heuser, Analysis I hatten wir schon erwähnt, definiert 0^0=1.
-
Jänich, Mathematik 1 (für Physiker) schreibt (1. Aufl., S.10), dass x^0 die konstante Funktion 1 soll (auf den reellen Zahlen). Dies impliziert 0^0=1.
-
Rudin, Analysis. Die Angelsachsen nehmen alles etwas lockerer, zumindest habe ich keine explizite Definition von 0^0 gefunden. Trotzdem formuliert er die geometrische Reihe explizit für 0 sum_{n=0}^unendlich x^n = 1 / (1-x).
Der Wert x=0 eingesetzt liefert links 0^0, rechts 1.
-
Barner/Flohr, Analysis I, wörtlich (Auflagen 2.-5., S.23)
„insbesondere wird also auch 0^0=1 gesetzt“.
-
Walter, Analysis 1 (6. Aufl, S.26), „a^0=1 für reelle a“.
-
Königsberger, Analysis I. In der dritten Auflage habe ich auch hier keine explizite Definition gefunden. Trtozdem verwendet er, wie Rudin, sowohl die geometrische (s.o.) als auch die Exponential-Reihe in der Summen- („Sigma“-) Schreibweise, die eindeutig 0^0=1 impliziert.
-
Der Klassiker himself: Otto Forster, Analysis 1. Definiert zunächst das leere Produkt =1 (analog zum großen Sigma, hierfür wird ja ein großes Pi verwendet) mit der Erklärung:
"Das leere Produkt wird deshalb als 1 definiert, da die Multiplikation mit 1 dieselbe Wirkung hat wie wenn man überhaupt nicht multipliziert. (6. Aufl., S.3).
Auf Seite 6 findet man dann für reelle a: „a^0=1 gemäß der Definition als leeres Produkt“, insbesondere also auch für a=0.
- Der altehrwürdige Bronstein/Semendjajew (Taschenbuch der Mathematik, ich habe 24. Aufl.). Unter 2.2.2.2 (S.106) und 2.4.1.3 (S.122) jeweils in den Fussnoten findet man
„Bei gewissen Betrachtungen ist es zweckmäßig, auch für x=0 zu fordern: x^0=1.“
Neben den besagten Reihen ist diese Festlegung tatsächlich in vielen Schreibweisen enthalten (wie und für welche x schreibst Du, wenn überhaupt, die geometrische Reihe?)
Z.B. wird der Binomialkoeffizient „n über k“ allgemein gerne auch als das Produkt von j=1 bis k über (n-j+1)/j definiert (das erlaubt auch Binomialkoeffizienten mit allgemeinen reellen n). Für k=0 erhält man dann das leere Produkt, entsprechend der sonst üblichen Festlegung „n über 0“ =1. Wenn das leere Produkt =1 ist, kann nur (wie Forster es macht)
a^n = prod_{k=1}^n a = 1, wenn n=0
für alle reellen a sein.
akzeptieren, dass 0^0 eben nicht 1 ist. Vielleicht fragst du
einfach mal deinen Taschenrechner? Der rechnet nämlich
0^0 = exp( 0*ln(0) )
und wird sich etwas schwer tun, den exakten Wert von ln(0) zu
bestimmen 
Taschenrechner können auch nicht rechnen. Übrigens werden sie von Mathematikern programmiert (die es geworden sind, um Rechnungen zu vermeiden…)
In der Praxis (denn für Praktiker werden Taschenrechner ja gebaut) braucht man natürlich 0^0 nicht, weshalb man es über die exp-Funktion implementiert und für den Exoten kein Bit verschwendet.
Nichtsdestotrotz wirst Du vermutlich stur an Deiner Weigerung bleiben. Kein Problem, aber es ist schlicht falsch denjenigen, die es sinnvollerweise wie die besagten Buchautoren und Universitäts-Professoren machen, mangelnde Seriosität oder gar Qualität zu unterstellen. Das, mein lieber Stefan, grenzt an Ignoranz.
Dennoch viele Grüße,
Martin