Ehrlichkeit bei Politikern

Servus,

angeregt durch den Spruch ‚alle Politiker lügen‘ habe ich mich gefragt, ob Ehrlichkeit überhaupt einen Sinn bzw. Zweck in der Politik hat. Damit meine ich nicht Situationen, in denen vor einer Wahl alles Mögliche versprochen wird oder dass ein Politiker lügt, um seine Haut zu reden. Mir geht es eher um Situationen in denen ein Politiker sagt ‚Ich mache xy (nicht)!‘ und dann bei der erstbesten Gelegenheit genau das Gegenteil macht.

Legendäres Beispiel in Ö wäre Bruno Kreisky (SPÖ) der 1978 versprach zurückzutreten, falls die Volksabstimmung zu Zwentendorf negativ ausgeht. Die Abstimmung ging negativ aus, Kreisky trat nicht zurück und holte im Jahr darauf die Absolute.

Ein jüngeres Beispiel wäre Norbert Hofer (FPÖ), der vor der Präsidentschaftswahl 2016 behauptet, dass er sicher nicht antreten werden. Er trat dann doch an und gewann dann auch fast.

Ein ganz aktuelles Beispiel wäre Lindsey Graham (GOP), der vor 2 Jahren noch versprach, dass man 2020 sicher keinen SCOTUS Richter vor der Wahl ernennen würde und jetzt doch dafür ist.

Würdet ihr einen Politiker, der offen lügt, wenn es zu seinem Vorteil ist, „fallen lassen“? Falls nein, ist es dann nicht ein wenig scheinheilig, Politikern bei Lügen einen Vorwurf zu machen, wenn man selber nicht bereit ist, die Konsequenzen daraus zu ziehen?

LG
Penegrin

PS: Falls möglich würde ich Trump gerne aus der Diskussion raus lassen. Der spielt in einer ganz anderen Liga und ich schätze es wird noch Jahre dauern, bis dieses Phänomen auch nur ansatzweise verstanden wird :wink:

Hallo,
fallenlassen, dass er nicht mehr ins Parlament kommt,
das geht oft gar nicht.
Wenn ein Politiker auf seiner Parteien-Liste weit oben steht, kann im Wahlkreis passieren was will, sie koennen ihn (theoretisch) alle nicht-waehlen, er ist doch wieder im Parlament, Stichwort Listenwahl.

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Servus,

Das stimmt natürlich und als einzelner hat man ja sowieso eher wenig Einfluss auf die Wahl. Mir geht es eher darum, ob man so einen Politiker bewusst deswegen nicht mehr wählt, weil er gelogen hat. Welche tatsächliche Konsequenz das dann hat ist, hier eher sekundär.

In der jeweiligen Situation wird man überprüfen, ob man das „als Meinung ändern“ durchgehen lässt oder als „gelogen“ abstraft.

Bei Wahlen mit Zweitstimmen schaue ich mir schon genau an, wem ich da meine Erststimme gebe.

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Ich verstehe was du meinst, aber ich würde das noch insofern präzisieren, dass ich mir auch anschauen würde, wieso die Meinung geändert wurde.

Wenn Politiker so eine Ansage machen, erhoffen sie sich davon in dem Moment ja einen Vorteil. Nehmen den Fall Kreisky, der ja unbestritten mit seiner Rücktrittsdrohung die Volksabstimmung in seinem Sinne beeinflussen wollte. Der Rücktritt vom Rücktritt ist streng genommen natürlich eine Meinungsänderung, aber würdest du das in dem Fall durchgehen lassen?

Ich finde es kommt darauf an was für eine Lüge es war. Also ob sie schwerwiegend ist oder ob es nur eine „kleine“ Lüge war, falls man das so sagen kann. Man kann auf jeden Fall nicht alle Lügen einfach pauschalisieren. Wenn durch Lügen, die Glaubwürdigkeit des Politikers in Frage gestellt wird, finde ich, dass es da schon anzuzweifeln ist, ob man diesen dann noch unterstützt oder vertraut. Zum Beispiel als Strache letztes Jahr gesagt hat, dass er sich komplett aus dem politischen Leben zurückziehen wird, aber jetzt im Oktober trotzdem zur Wien Wahl antritt, war das dann eben anscheinend eine Lüge. Generell sollten meine Werte und Einstellungen einfach mit dem eines Politikers oder einer Partei im Großen und Ganzen übereinstimmen und wenn sich durch eine Lüge nichts daran ändert, gäbe es keinen Grund jemanden dann „fallen zu lassen“.

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Hallo,

wen soll man dann noch wählen?

Gruß,
Paran

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Also mir fallen in Ö spontan vielleicht 3-4 aktuelle Politiker ein, die erwiesenermaßen und für den eigenen Vorteil gelogen haben. Kennst du in D so viele?

Scheuer? Von der -ähm - Leyen? Scholz? Schäuble? Karliczek? Amthor? Guttenberg? Seehofer?

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Das ist ja Sodom und Gomorrha bei euch :upside_down_face:

Guttenberg hatte ich mir auch überlegt, aber sein Titel hatte jetzt ja nicht direkt was mit seiner Arbeit als Politiker zu tun.

Leider ist das so.

Und da sind jetzt noch nicht mal die politischen Lügen dabei. Als Beispiel: vor der „Wahl“ der Europäischen Kommission wurde Wahlkampf betrieben (und kleine Parteien kleingeredet) mit dem Spruch, dass in die Kommission ausschließlich die Spitzenkandidaten gewählt werden sollten. Und nach der Wahl wurde plötzlich vdL als Leiterin bestimmt - die nicht mal kandidiert hatte. Zusammen mit einenm Haufen nachweislich korrupter, ungeeigneter weiterer Mitglieder.

Aber das scheint alles niemanden zu interessieren. Hauptsache, die Frisur ist hübsch und außerdem habe ich schon immer … gewählt.

Guttenbergs Titel war nur eine Lüge. Mittlerweile ist er als Lobbyist für zum Beispiel Wirecard unterwegs. Heimliche Treffen zum Beispiel mit der Kanzlerin, alles gaaaanz transparent.

Hallo,
es muss ja nicht immer die bewusste Lüge sein, Scheinheiligkeit und Populismus ist da schon sehr viel öfter am Start, siehe aktuell Merz und seinen Angriff auf die Bosse des FCB.
Sicher kritsierenswert, was die FCB-Vorstandsetage da im Stadion sich geleistet hat, keine Frage, aber doch nicht als Profilierungsgrund für einen eventuellen zukünftigen CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidat
Gruss
Czauderna.

Gerade bei Populismus habe ich einiges an Verständnis für Politiker. Oft genug geht es darum, seinen Standpunkt kurz und prägnant rüber zu bringen und da ist Populismus ein beliebtes Vehikel. Aber wie so oft macht die Dosis das Gift und es gibt halt überall bestimmte Politiker bzw. Parteien, die quasi nur mit Populismus operieren. Interessanterweise sind das aber gerade die Politiker bzw. Parteien, denen Lügen von ihren Anhängern am ehesten nachgesehen werden.

Was den Populismus zur Lüge macht, ist ja das Fehlen von Belegen. Wenn man vorhandene Fakten unterschiedlich interpretiert, ist das eine Sache. Wenn man aber Dinge behauptet ohne dafür auch nur den Anschein eines Belegs zu bringen, ist das (für mich) eine ganz klare Lüge.

Alle seriösen Fact Checker, die ich kennen, verwenden ja auch ein mehrstufiges System. Die WaPo vergibt 1 bis 4 Pinocchios und Politifact hat sogar 6 ‚Noten‘. Diese Unterscheidung ist imho richtig und wichtig.

Hallo,

erwiesenermaßen gelogen haben etliche, ob für den eigenen Vorteil oder den der Partei / einem Freund oder einer Firma ist mir dabei wurscht. Der Steuerzahler zahlt am Ende die Folgen plus den Lohn und etliches mehr der Lügner.

Ich schätze, die meisten Lügen werden nicht oder erst sehr viel später bekannt. Das, was man erfährt, dürfte nur die Spitze eines ziemlich ekligen Eisbergs sein (manche können halt geschickter lügen, als andere und ab und zu wird wohl auch einer rausgemobbt, indem dessen Lügen bekannt gemacht werden).

Also trau schau wem?

Gruß,
Paran

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Hallo,
habt ihr euch eigentlich schon mal Gedanken darüber gemacht was das für ein Menschenschlag ist, der „Politiker“ wird? Kennt ihr einen aus eurer Jugend zum Beispiel? Das waren doch die, die auf dem Schulhof immer nur gehänselt wurden (mit wenigen Ausnahmen). Leute, die im normalen Leben nichts erreicht haben, die keiner geregelten Arbeit nachgegangen sind (wieder ein paar Ausnahmen), die nie einen Bezug hatten zum Volk. Das sind die Leute, die sich immer nur mit Reden und Sprüchen ihren Vorteil verschafft haben (auch hier wieder die ganz wenigen Ausnahmen).
Ich wage mal zu behaupten, dass in den letzten 15 Jahren nicht ein einziger Politiker mit einem sauberen Charakter die Bühne der Spitzenpolitik in Deutschland betreten hat. Die Köpfe mit Format haben alle das Handtuch geworfen, sind zu alt oder tot.
Ich sehe hier nur noch ein riesiges, von dem Steuerzahler finanziertes Kasperletheater. Es kommt hier vorne und hinten nichts mehr gescheites raus.
Ich halte das für einen gefährlichen Zustand. Denn es düngt den braunen Boden. Vor Links haben sie alle Angst (warum auch immer, probiert haben wir es noch nicht). Die Mitte bringt gar nichts zustande, weil sie alle nur nach ihren eigenen Vorteilen buhlen und der Wirtschaft hörig sind. Die Rechten labern Stuss nach Stammtischart und gewinnen immer mehr Wähler. Beängstigend ist das, sehr beängstigend.
Gruß

Das ist falsch. Es kommt genau das raus, was für eine einflussreiche Gruppe von Lobbyisten dabei raus kommen soll. Es ist nur nicht das, was du und ich uns wünschen würden.
Wobei das vermutlich auch nicht deckungsgleich wäre.

Hallo,
ja , genau - Menschen wie wir sollten in die Politik, denn all das, was wir den heutigen Politikern vorwerfen, würde es doch bei und mit uns nicht geben, das steht schon mal fest. :smile:
Es gibt dazu sicher viele Phrasen, z.B. „jedes Volk bekommt die Politiker/innen, die es verdient“
Am besten trifft es noch die Aussage von Herrn Müntefering seinerzeit, der sinngemäß ausführte, wer glaubt, was Politiker (im Wahlkampf) sagen oder versprechen, dem ist nicht mehr zu helfen.
Aber trotz allem, ich selbst unterstelle einem Großteil unserer Politiker, angefangen von der kommunalen Ebene bis hin zum Bundestag schon einen grundsätzlichen Hang zur Ehrlichkeit. Ob diese Ehrlichkeit aber auch immer so gut bei den Bürgern ankommt, das ist eine andere Frage.

Gruss
Czauderna

Hallo,
grad aktuell sprach Lisa Fitz zum Lohn von Politikern. Gerade deswegen erwartet der ehrliche Steuerzahler geradezu absolut saubere Arbeit … fuer das Volk.

Hallo,
wer ist das den, der „ehrliche Steuerzahler“ ? - und was ist mit den ehrlichen Menschen die keine Steuer zahlen (müssen) - dürfen die nichts erwarten ?.
PS. Lisa Fitz finde ich klasse, hoffentlich bleibt sie der Bühne noch lang erhalten.
Gruss
Czauderna

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ja, kenn ich. Der ist zwar nur Bürgermeister einer größeren Stadt gewesen, war aber beileibe nicht der Gehänselte auf dem Schulhof, eher der Hänseler. Hat auch jahrelang normal und hart gearbeitet.
Sein Vorteil: er glaubt, was er sagt bzw. ihm erzählt wurde (keine Ahnung, warum), kann sehr gut delegieren (!) und ist von sich selbst absolut überzeugt. Kann natürlich auch immer gut labern, dass müssen Politiker halt können.
Inzwischen hat der einen guten Job in der Industrie, hatte nach der kurzen Politikerkarriere freie Auswahl. Bezahlt wird er vor allem für seine guten Kontakte (Lobbyarbeit halt).
Und nein, ihr werdet Euch wohl nicht an ihn erinnern, er wird auch als Lobbyist nie öffentlich erwähnt.

In diesem Fall absolut falsch. Ich kenne auch die Familie, alles völlig normales Volk und der Typ selbst hat auch so angefangen und u. A. lange für die Gewerkschaft draußen gearbeitet.

Was ist denn ein „sauberer Charakter“?

Jo, das tuts sicher. Warum nicht den Roten ist mir auch ein Rätsel.

Gruß,
Paran