Hallo Christian,
Aha, nee klar… Zurück zum Thema: Du bist also nicht der
Ansicht, daß die Deutschen dazu neigen, sich auf den Staat zu
verlassen und seini Einschreiten bei jedem kleinen Hindernis
zu fordern? Der Deutsche an sich ist selbständig, kümmert sich
um seinen Kram selbst und nimmt den Staat nur dann in Anspruch
bzw. fordert dies, wenn er in ernsthafte Schwierigkeiten
kommt.
Du meinst den Fall, daß er Opfer von Kriminalität wird? Nicht mal dann, denn da ist der Staat nicht zu gebrauchen. Der staat schützt sich vor den Bürgern, aber nicht die Bürger. 
Puh, dann bin ich froh, dann ist die
Eigenverantwortlichkeit schon voll umgesetzt und ich habe die
letzten zehn Jahre nur geträumt.
Ich farge mich ja auch manchmal, ob wir wirklich beide über den selben Staat reden.
Ich sehe natürlich nicht ganz so viel von der welt wie Du, deshalb ist mein Horizont da deutlich enger. Manchmal kann ich innerhalb meines Horizonts von Dir beschreibene Phänomene aber noch nicht mal ansatzweise erkennen, was mich dann doch wundert.
Was in die Tageszeitung passt, hätte auch im ‚Amtsblatt‘
stehen können. …
Ist das Amtsblatt nicht ein reines Veröffentlichungsinstrument
für Stadt und Land? Da wirst Du kaum journalistische
Aktivitäten finden.
Das stimmt nicht so ganz, der redaktionelle Teil macht über die Hälfte des Umfangs aus. Dazu kommen noch knapp 30% Werbung. …
daß es zu mühselig ist, die wenigen für mich relevanten
Informationen herauszufiltern.
Eigenverantwortung!
Nö. Wegen zwei bis drei interessanter Beiträge / Woche finanziere ich nicht die Sportberichterstattung und den Wirtschftsteil der ‚…‘ mit, der da ja recht groß ist. Dazu kommt, daß jede Zeitung sich einer politischen Richtung zugehörig fühlt, um also ein einigermaßen objektives Bild zu bekommen müßte ich 10 Zeitungen lesen. das wird mir zu teuer. 
Radionachrichten. Sobald die sagen: ‚Wie BILD schreibt …‘
schalte ich ab.
Komisch, sowas höre ich so gut wie nie.
Hast Du ein Glück! Im Saarland gibt es keine Sender, die ‚BILD‘ nicht wenigstens drei mal/Woche zitieren. Die verschiedenen Programme des SR haben identische Nachrichten und außer dem SR gibt’s nur noch einen ‚pseudo-privaten‘ Sender (Mehrheitseigentümer ist der SR.
) der direkt mit BILD zusammen arbeitet. (Gemeinsame Gewinnspiele u.s.w.)
Die Vorschulen? Der Besuch ist Pflicht! das ist praktisch die
‚Nullte Klasse‘ der Schule.
Vorschule ist nicht Pflicht sondern freiwillig. Vollkommen
nutzlos, kann schließlich auch zuhause im kleinen Kreis
erledigt werden.
Komisch. Da hatte ich bei meinem Jüngsten aber einen anderen Eindruck.
Schwimmbäder,
Ist schon geschehen. Da kommst Du zwei Jahre zu spät.
Und, wars schön?
Kann ich nicht behaupten. Mein Sohn kann immer noch nicht schwimmen, wie auch, es gibt ja keine Möglichkeit, es zu lernen. Das hätte für meinen Geschmack eher zur Allgemeinbildung gehört, als ein Theaterbesuch. Die Theaterbesuche gibt es. Den Schwimmunterricht nicht.
Ist doch prima, oder? Wir stellen alle Aktivitäten der
Gemeinden ein, zu denen sie nicht verpflichtet sind.
Ach was, die haben schon Aktivitäten eingestellt, zu denen sie verpflichtet sein sollten. Es fehlt nur noch, daß Mathematik nicht mehr gelehrt wird, weil kein Geld für einen Mathelehrer da ist.
Inzwischen müssen sie allerdings ohne staatliche
Zuschüsse, weswegen man verstärkt nach Mäzenen sucht.
Ohne Worte. 
Wer redet denn von ‚reduzieren‘? Laß es doch den Markt regeln.
Stimmt, alles macht der Markt. Schaffen wir die Bundeswehr ab,
die Landesverteidigung wird sicher auf privater Ebene
fortgesetzt. Ähnliches gilt auch für die Polizei, die Schulen,
Straßenbau, Verwaltungen. Ab auf den Markt, wird schon werden.
Moment!!! Du bist hier der, der ‚mehr Eigenverantwortung‘ fordert. 
Entgegen der landläufigen Meinung bin ich durchaus dafür, daß
der Staat bestimmte Aufgaben übernimmt und dazu gehört auch,
daß er ein funktionierendes Gemeinwesen unterhält. Dazu
gehören auch kulturelle Veranstaltungen bzw. Institutionen,
weil das nun mal einfach dazugehört.
Dazu gehört auch das Sozialsystem.
Wer ‚mehr Einenverantwortung‘ ruft und damit Kürzungen im Sozialsystem meint, muß sich gefallen lassen, wenn ich diese Kürzungen eher für weniger lebensnotwendige Bereiche fordere.
Wieso erweiterst Du das jetzt auf Schulen? Bisher waren wir
bei Theatern, Opernhäusern, Museen u.s.w.
Warum zwischen Bildung in der Freizeit und in der Schule
trennen. Du willst eine konsequnte Streichung der Subventionen
und begründest das im Falle der klassischen Musik mit
fehlendem Interesse. Das muß konsequent weiterverfolgt werden.
Eine Opernaufführung hat mit Bildung zu tun? Das wage ich zu bezweifeln. Bei meinem letzten Opernbesuch habe ich nicht eine einzige Person gesehen. Bei der ich den Eindruck hatte, sie würde die Oper nicht schon kennen. Ich lebe ja erst seit 15 Jahren im Saarland.
Die Staatsoper und die Komishe Oper in Berlin kenn ich schon von innen. 
Das Wort ist nicht nur zu gebrauchen,
um die sozial Schwachen noch etwas mehr zu schröpfen,
Das ist Deine Interpretation und mir ist bisher kein Argument
begegnet, das diese Einschätzung stützen würde. Im Gegentum
geht es eigentlich darum, daß der Staat von Aufgaben entlastet
wird, die er eigentlich gar nicht übernehmen müßte. Das
wiederum würde ihm ermöglichen, den wirklich Bedürftigen
weiterhin gescheit zu helfen und denjenigen, die die Gelder
dafür aufbringen, etwas mehr von ihrem Geld zu lassen.
Wenn jemand laut ‚mehr Eigenverantwortung‘ ruft, geht es seit längerer Zeit meist um private Altersvorsorge und um das Rentensystem, b.z.w. um Arbeitslose, denen vorgeworfen wird, nicht auf eigene Kappe ein Unternehmen zu gründen, statt zum Arbeitsamt zu laufen, ungeachtet der Tatsache, daß das nie funktioniert.
sondern
man kann damit auch bei sich selbst anfangen und den eigenen
Luxus selbst bezahlen.
Welchen Luxus läßt man sich denn vom Staat bezahlen?
Subventionierte Aufführungen antiquierter ‚Kunst‘, Ausstellungen von ‚Kunst‘. … 
Ich für
meinen Teil zahle alles selbst und kann mich auch – mit
einigen wenigen Ausnahmen, zu denen ich heute auch anders
stehe - nicht entsinnen, mir zustehende Leistungen in Anspruch
genommen zu haben.
Ich schon.
Ich habe einige subventionierte Museen besucht, mir subventionierte Theater und Opernaufführungen angesehen, … hätte aber nicht sein müssen. Mit Bildung hatte das nichts zu tun, eher mit ‚Genuß‘ und der gehört in den Bereich ‚Luxus‘. Und das ist der springende Punkt. Wieso wird dieser Luxus subventioniert? Weil er im Normalfall von einem ganz bestimmten Personenkreis konsumiert wird.
Gruß, Rainer