Einander

Was hat wohl das schöne Wort „einander“ uns böses angetan, daß es so gemieden wird?
„Wir lieben uns“ oder „sie lieben sich“ könnte ebenso „wir lieben einander“ bedeuten wie „beide sind selbstverliebt“.
Ich vermute, das Wort ist wohl nicht USA-hörig genug.
Heute aber sah ich es wieder -hizashiburi oder long time no see! Mitten in der „Süddeutschen Zeitung“. Da wird über die Therme Erding, ein gigantisches Spaßbad, berichtet, es würde bisweilen als Kontakthof für Swinger mißbraucht; darum habe man Aufpasser eingestellt, die dafür sorgen, daß Paare „einander“ nicht zu nahekommen. Die Paare dürfen demnach sehr wohl „sich“ näherkommen, problematisch sind die Vierer-, Sechsergruppen usw… Muß ich echt mal hinfahren, da scheint ja die Post abzugehen.
Überhaupt, je älter ich werde, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, daß die Tageszeitung einen großen Anteil belangloses Zeug bietet, und insbesondere die SZ recht häufig gebrochen Deutsch stammelt.

Moin,

Überhaupt, je älter ich werde,

genau, das ist es.
Auch er in Ehren ergraute Herr Geheimrath klagte zum Ende hin über den Verfall der teutschen Sprache. Da seid ihr einander gleich! :wink:

Gandalf

P.S.
Der größte Fehler der Jugend ist, daß ich nicht mehr dazugehöre
(Salvatore Dali)

Vermutlich, wenn wir gedanklich wieder zur deutschen Tageszeitung kommen, haben wir, die Rentner, derzeit eine etwas ungewöhnliche Situation im demographischen Wandel.
Als ich jung war, hielt ich eine Tageszeitung (im Ausland), die den größeren Teil des Inhalts aus den USA bezog. Der Altersdurchschnitt der amerikanischen Autoren dürfte bei gut 60 gelegen haben, es kam öfter mal vor, daß jemand starb. Jüngere, ansässige Autoren durften dann den Polizeibericht übersetzen usw.
In Deutschland ist man die alten Alten losgeworden und hat sich jugendfrische Kräfte gesichert, solange noch überhaupt welche zu greifen sind. So sind die Zeitungsschreiber, diese Tobiasse, Patricks, Leas, Sarahs, nicht mehr mindestens (wie noch vor wenigen Jahrzehnten), sondern nur noch höchstens so alt wie die meisten Leser.

Überhaupt, je älter ich werde, desto mehr komme ich zu der
Überzeugung, daß die Tageszeitung einen großen Anteil
belangloses Zeug bietet, und insbesondere die SZ recht häufig
gebrochen Deutsch stammelt.

Das hat mit Deinem Alter weniger zu tun als damit, dass der SZ die handwerkliche Qualität am betriebswirtschaftlichen Arsch vorbeigeht. Was hier

http://de.wikipedia.org/wiki/Korrektor

steht, trifft auf meine - über Jahrzehnte unverzichtbare - ‚Süddeutsche‘ leider vollinhaltlich zu.

Gruß

Kai Müller

Ich vermute, das Wort ist wohl nicht USA-hörig genug.

Das Bewundernswerte am Deutschen ist, dass er immer einen Arsch findet, in den er kriechen kann.

Welcher das in der jeweiligen Epoche war, erkennt man an den Fremdwörtern, die übernommen wurden.

Wie sich die Grammatik dadurch verändert hat, kann man nicht so gut erkennen, momentan wird sie allerdings geradezu furchtbar versimpelt.

mfg

„Wir lieben uns“ oder „sie lieben sich“ könnte ebenso „wir
lieben einander“ bedeuten wie „beide sind selbstverliebt“.
Ich vermute, das Wort ist wohl nicht USA-hörig genug.

Kannst du mir/uns bitte erklären, was an der Vermeidung von „einander“ und an der missverständlichen Benutzung von „sich“ USA-hörig ist? Im Englischen, auch im AE ist ja gerade keine Mißdeutung möglich.

Gruß
Jo

Wie sich die Grammatik dadurch verändert hat, kann man nicht
so gut erkennen, momentan wird sie allerdings geradezu
furchtbar versimpelt.

Ähm. Nein. Definitiv nicht.
Das mag für Laien so aussehen, weil man da nur einzelne kleine Konstruktionen bemerkt, die man selbst für „schön“, „treffend“ und „normal“ hält, die dann durch scheinbar „hässliche“, „ungenaue“ und qualitativ schlechtere ersetzt werden. Das ist aber rein subjektiv, aber wissenschaftlich nicht haltbar.

Nein, das Deutsche ist nicht simpler geworden in den letzten 50 Jahren. Auch nicht in den letzten 500 oder 5000 Jahren. Objektiv betrachtet werden Sprachen nicht komplexer oder simpler. Nur kleinere Teilbereiche werden das, während andere Teilbereiche das automatisch ausgleichen und simpler oder halt komplexer werden.
Was die Grammatik angeht, naja, das System der Grammatik ist so unglaublich komplex, dass diese winzigen Veränderungen, die du während deiner Lebzeit festgestellt zu haben glaubst, überhaupt nicht ins Gewicht fallen. Und auch in der Grammatik gibt es Teilbereiche, die sich einander ausgleichen — geht an der einen Stelle ein Genitiv verloren, kommt halt eine Präposition hin oder eine andere Stelle in der Syntax wird komplizierter um den – wie gesagt nur scheinbaren – Verlust der Ausdruckskraft wieder auszugleichen. So gesehen verändert die Grammatik sich leicht, aber sie wird dadurch nicht unbedingt einfacher, und auf gar keinen Fall irgendwie „schlechter“, „ungenauer“ oder „schwerer verständlich“.

Gruß,

  • André
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Na ist doch logisch!
Wenn man nach 1 Minute Nachdenken nicht auf einen Grund dafür kommt, dass irgendwas so aussieht als ob es schlimmer wird oder wurde, dann kann es ja nur an der USA-Hörigkeit der Deutschen liegen. In den USA ist ja, wie wir wissen, alles schlecht und sonst nicht. Sprachkontakt gibt es ja auch nur mit dem US-Amerikanischen, sonst mit keiner Sprache (am wenigsten ja mit dem britischen Englisch). Der einzige Faktor, der unsere schöne Sprache (die früher ja viel besser war als heute) verändern kann, ist ja eben das amerikanische Englische (das seinerseits ja auch viel schlechter ist als britisches Englisch). Es ist also nur ein logischer Schluss, die USA für die Verrohung unserer Sprache, die Verziehung unserer Kinder und den Untergang des Abendlandes allgemein verantwortlich zu machen.

Spaß beiseite: Die USA sind ja leider immer der Sündenbock. Manchmal zurecht, oft aber völlig unberechtigterweise. Grad bei Veränderungen in der Sprache scheint es für viele „schick“ zu sein, die Schuld in Nordamerika zu suchen, statt sich zu fragen, ob und warum hier überhaupt eine qualitative Verschlechterung vorliegt. Da braucht man dann nicht weiter nachdenken und kann den Anschein erwecken, sich mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben. Ich find sowas immer sehr schade. War das früher auch schon so, dass die Leute einfach ohne viel Nachdenken einen Sündenbock gesucht haben?
Vielleicht liegt’s ja an der USA-Hörigkeit der Deutschen. :wink:

Irgendwie werde ich zunehmend zynischer bei diesem alten Thema. Nicht gut…

Gruß,

  • André
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Irgendwie werde ich zunehmend zynischer bei diesem alten
Thema. Nicht gut…

Ich find’s ganz verständlich.

Gruß
Jo

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Hallo Odehans,
Liegt es auch an der USA-Hörigkeit, dass du auf einen Gruß verzichtest?

Nein, ernsthaft.

Was hat wohl das schöne Wort „einander“ uns böses angetan, daß
es so gemieden wird?

Nichts. Oder genauer gesagt: doch, es gibt immer einen Grund, warum ein Wort weniger häufig als ein anderes gleichbedeutendes verwendet wird. Meist ist der Grund nicht außerhalb der Sprache zu suchen, sondern innerhalb. „Sprachökonomie“ ist oft ein Grund. Und das hat nichts mit einer scheinbaren (nichtexistenten) Simplifizierung der Sprache zu tun, sondern mit ihrem stetigen Wandel. Wenn zwei Konstruktionen mit identischer Bedeutung existieren, „kämpfen“ beide um die Vorherrschaft. Was wirklich passiert, ist, dass die beiden Konstruktionen im Wettstreit stehen und sich nach einiger Zeit abzeichnet, was besser ins Sprachsystem passt. Das kann an der Kürze oder Einfachheit einer Konstruktion liegen, am Maß der Eindeutigkeit, daran, wie gut es sich in die Syntax einfügt, an der Aussprechbarkeit, der Deutlichkeit (i.S.v. „leicht raushörbar“) und vieles mehr. Es spielen da immer mehrere Faktoren mit rein.
Deswegen ist das auch sehr schwer zu sagen, woran es nun liegt, dass man häufiger ein Verb reflexiv benutzt als mit einander (reziprok). Ein reflexives Verb lässt sich so missverstehen, wie deine Beispiele ja zeigen. Feststellen lässt sich aber auch, dass im wahren Leben solche Missverständnisse praktisch nie auftauchen, auch ohne die Verwendung des Wortes einander. Manchmal benutzt man gegenseitig oder jeweils um den Unterschied klarer zu machen, aber oft kommt man ohne aus. Der Kontext gibt hier so viel Informationen… deswegen ist der (scheinbare) Verlust erstmal nichts Schlimmes.

Oft stellt man fest, das etwas Praktisches aus der Sprache verschwindet und zieht dann den (falschen) Schluss, die Sprache würde dadurch schlechter, weil mehrdeutig oder unexakt. Das ist aber nie der Fall, da sich immer gleichzeitig in einem anderen Bereich etwas verändert, der diesen Verlust wieder wettmacht. Wenn eine Sprache ihre Kasus verliert, benutzt sie mehr Präpositionen (z.B. das Buch von Hubert statt Huberts Buch). Verliert eine Sprache ihre Tempora, macht sie das durch häufigere Adverbien oder die Entwicklung eines Aspektsystems (abgeschlossen vs. nicht-abgeschlossen) wieder wett. Meist schafft so ein Verlust dadurch viel weniger Missverständnisse als man vermuten könnte.

„Wir lieben uns“ oder „sie lieben sich“ könnte ebenso „wir
lieben einander“ bedeuten wie „beide sind selbstverliebt“.

Genau, das Beispiel meinte ich weiter oben. Aber im Kontext solcher Aussagen und durch unser Weltwissen ist die Chance, dass ein Missverständnis auftritt, gleich null.

Ich vermute, das Wort ist wohl nicht USA-hörig genug.

Das kann nicht sein. Gerade einander wird in der Form each other im Englischen viel häufiger verwendet. Dort heißt es „We love each other.“ und nicht etwa „We love us.“ (ich weiß gar nicht, wie man diesen Satz verstehen würde).
Das Englische kann hier also nicht als Sündenbock herhalten.

Heute aber sah ich es wieder -hizashiburi oder long time no
see! Mitten in der „Süddeutschen Zeitung“.

Hizashiburi? Was soll das heißen? Das ist sicher kein Englisch, sondern eher Japanisch. Das kenn ich auch nicht als trendigen Nipponismus.

Gruß (zu meiner Zeit galt das noch als höflich, und ich bin erst 26, hmm…),

  • André

OT Tageszeitungen, Nachrichten & Co.

Überhaupt, je älter ich werde, desto mehr komme ich zu der
Überzeugung, daß die Tageszeitung einen großen Anteil
belangloses Zeug bietet, und insbesondere die SZ recht häufig
gebrochen Deutsch stammelt.

http://www.bild.de/
http://s14.directupload.net/file/d/2760/6kzkljyi_jpg…
http://2.bp.blogspot.com/_DC-d8WTt94w/SJig9RfqbcI/AA…
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http://images.dailydawdle.com/black-women-invisible.jpg
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mfg,
Ché Netzer

Nein, das Deutsche ist nicht simpler geworden in den letzten
50 Jahren. Auch nicht in den letzten 500 oder 5000 Jahren.

Genau, im Vergleich zu dem Deutsch, das vor 5000 Jahren im heutigen Deutschen Raum gesprochen wurde, ist das jetzige Deutsch sogar unendlich komplizierter geworden!

mfg,
Ché Netzer

belangloses Zeug bietet, und insbesondere die SZ recht häufig
gebrochen Deutsch stammelt.

… schreibt jemand, der grob hingesehen 6 Fehler in einem Absatz gemacht hat. Nicht nur nach der neuen Schreibung! :smile:

Grüße Bellawa.

benutzt sie mehr Präpositionen (z.B. das Buch von Hubert statt
Huberts Buch). Verliert eine Sprache ihre Tempora, macht sie

Entschuldigung, wenn ich erstmal nur auf diesen Teilaspekt eingehe. Dieses „von“ ist m.E. bayrisch. Die Umgangssprache bajuvarisiert sich schön langsam a bissi.

Where is the beef?

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Dieses „von“ ist m.E. bayrisch. Die Umgangssprache
bajuvarisiert sich schön langsam a bissi.

Jessas - jetzt sind die Bayern dran.

Bin gespannt, wer noch alles schuld ist am Sprachverderb :wink:

Gruß
Kreszenz

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Schade

Where is the beef?

dass du auch mit englischen Redensarten nicht umgehen kannst.

Gruß, noi

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Schade

Where is the beef?

dass du mit englischen Redensarten auch nicht umgehen kannst.

Gruß, noi

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Jessas - jetzt sind die Bayern dran.

Bisweilen nimmt das wahnhafte Züge an.

Bin gespannt, wer noch alles schuld ist am Sprachverderb :wink:

Außer Amerikanern und Bayern fallen mir da spontan ein:
Jugendliche, Das Fernsehen, Migranten, Comics, Computer, Mobiltelefone(SMS-Sprache), Politiker, Lehrer, Juristen, Beamte, Die Duden-Redaktion, Dichter, Werbefuzzis, Schlagersänger…die heutige Zeit
Früher war alles besser. Sogar die Nostalgie.

Gruß
Jo

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Bajuvarisierung
Sag bloß, Du hast es net gemerkt in diesem Forum.
Und dieses Phänomen würde ich gar nicht einen Sprachverderb heißen.
Oda.