Hallo Melli,
ich weiß nicht recht, wie ich ausdrücken soll, was mir durch den Kopf geht. Zum Teil trifft es das, was Maralena geschrieben hat, schon ganz gut. Allerdings glaube ich, kann es auch gut sein, dass du deiner Tochter gegenüber tatsächlich nicht so empfindest, wie Maralena vermutet. Dass du kein Mitleid mit ihr hast, weil du sie als benachteiligt empfindest o. ä. Aber dass du (und/oder ihr weiteres Umfeld) ihr das trotzdem unbewusst so vermittelt. Ich glaube, dass es sehr schwer ist, das zu vermeiden, weil eben die Gefahr tatsächlich groß ist, in der Gesellschaft benachteiligt zu sein, wenn man nicht so gut aussieht. Und auch wenn du das bei deiner Tochter vielleicht gar nicht so empfindest, weil sie für dich wunderschön ist, geht es dir vielleicht manchmal mit anderen Menschen, die du nicht so gut kennst, so. Dass du Mitleid mit ihnen hast, aufgrund ihres Aussehens.
Deshalb meine ich, dass es gut wäre, wenn du zusätzlich zu dem, was Maralena vorschlägt (deine Tochter täglich spüren zu lassen, wie viel sie dir wert ist), versuchst, deine grundsätzliche Einstellung zum Aussehen von Menschen zu ändern/überdenken. Versteh mich nicht falsch. Ich will dir damit nicht unterstellen, dass du ein oberflächlicher Mensch bist, der nur auf Äußerlichkeiten schaut. Ich denke, jeder von uns, kann da noch dazulernen, mehr auf den ganzen Menschen zu schauen und weniger von dessen Äußerem auf sein Inneres schließen.
Bei Menschen, die man gar nicht wirklich kennt, ist das natürlich noch viel schwieriger, weil man da halt zunächst mal nur das Äußere wahrnimmt. Aber ich glaube, je öfter man bewusst diese Erfahrung macht, wie wertvoll auch die Menschen sind, die auf den ersten Blick vielleicht benachteiligt wirken, desto weniger geht man automatisch auch bei neuen Kontakten davon aus, jemanden bemitleiden zu müssen. Mir kommt da die Idee, mit Behinderten zu arbeiten. (Auch wenn das vielleicht in eurer Situation ein bisschen übertrieben wirkt.)
Das hat nun alles nicht mehr viel mit deiner Tochter direkt zu tun, aber ich glaube, dass dein Weltbild, dein Menschenbild ganz großen Einfluss auf die Entwicklung deiner Kinder hat.
Schiel-Op hatte mit 5 welches sehr gut gelungen
ist und man das nicht weiter bemerkt. Sie trägt daher auch
keine Brille mehr. Hat volle Sehkraft. Dann hat sie eine
Gräser-Allergie . Und letztens meinte sie , dass ihre
Dauerröhrchen - die sie schon seit 4 Jahren hat - immernoch
nicht rausgefallen sind, was ja auch stimmt weil wir beim HNO
waren. Sie macht sich soviele Gedanken und jetzt das! Sie hat
von der Kinderärztin noch Einlagen für die Füße verschrieben
bekommen, das hat ihr natürlich auch nicht gepasst.
Was mir dazu einfällt, ist auch wieder schwer auszudrücken und ich hoffe, dass du mich nicht missverstehst. Ich denke nicht, dass es besser gewesen wäre, keine „Gegenmaßnahmen“ zu ergreifen, aber irgendwie erscheint es mir einfach logisch, dass ein Kind, dass schon viele „Optimierungen“ des eigenen Körpers mitmachen musste, viel eher zu solchen Gedanken neigt, wie du sie bei deiner Tochter nun feststellst. Wenn ein Kind dagegen erlebt, dass es zwar in bestimmten Dingen nicht einer „allgemeinen Norm“ oder so entspricht, es aber trotzdem geliebt wird, ohne dass man da was ändern oder verbessern muss, gibt das glaub ich ganz viel innere Stärke. Mir ist klar, dass das bei euch wohl nicht anders möglich war. All das, was sie da schon an Korrekturen mitmachen musste, war wahrscheinlich auch notwendig. Ich will nur sagen, dass es deshalb umso mehr nötig ist, ihr zu vermitteln, dass es nicht nötig ist, Dinge die nicht so gut oder toll sind, wie bei anderen, unbedingt zu verbessern, damit sie wertvoll ist.
Ich hoffe nur dass sie sich da nicht reinsteigert. Ich weiß
nicht so recht wie ich reagieren soll wenn das öfter
vorkommt. Die Sache kleinreden oder lächerlich finden wirds
sicher nicht besser machen. Gar nichts sagen, nur zuhören?
Mag mal jemand was dazu sagen?
Ich finde es schonmal sehr wichtig und richtig, dass du erkannt hast, dass Kleinreden nichts bringt. Mit einer Antwort wie: „Deine Nase ist doch wunderschön!“ nimmst du sie nicht ernst. Und vor allem vermittelst du damit, dass es eben wichtig ist, dass ihre Nase schön ist. Ich würde mich bei einem solchen Gespräch wahrscheinlich auch total hilflos fühlen. Ich kann dir nicht recht einen Rat geben, wie du da am besten reagierst. Zuhören und Verständnis haben, ist wahrscheinlich schon sehr gut. Allerdings würde ich auch befürchten, dass das noch nicht wirklich viel gegen die Selbstzweifel helfen wird. Vermutlich kann ein solches Gespräch gar nicht viel dazu beitragen, weil alles drumherum, was sonst noch passiert und was sie erlebt, auch möglichst geeignet sein muss, sie zu stärken. Aber ich meine, das sollten nicht (oder nicht hauptsächlich) irgendwelche (geplanten) Aktionen sein, die ihr vor Augen halten sollen, was für ein toller Mensch sie ist. Wenn sie das durchschaut (und ich bin ziemlich sicher, das würde sie), bekommt sie dadurch womöglich erst recht das Gefühl, bemitleidenswert zu sein. Es wirkt, als müsste man bei ihr besonders sorgfältig suchen, um das Schöne und Besondere an ihr zu entdecken. Deshalb denke ich, dass es besser ist, dass sie (zusätzlich zu der Wertschätzung ihr gegenüber) ganz allgemein erlebt und erfährt, dass die Menschen nicht nach „schöner“ und „weniger schön“ eingeteilt werden u. ä. Dass das häufig so ist, diese Erfahrung könnt ihr ihr leider nicht ersparen. Und wie sehr sie das mitnimmt, darauf habt ihr auch nur bedingt einen Einfluss. Darum halte ich es auch für wichtig, dass ihr euch nicht zu sehr verantwortlich dafür fühlt. Wenn sie durch diese Selbstzweifel durchmuss, dass muss sie da eben durch. Vielleicht verhelfen ihr auch grade diese Selbstzweifel als Teenager, zu einem viel befreiteren Umgang als Erwachsene damit. Ich glaube nämlich auch, dass jemand, der immer nur suggeriert bekommt, du bist wunderbar, du bist toll, du bist der Beste, der Schönste, der Größte, dass dessen Selbstwertgefühl, gar nie was zu tun hatte und sich im Grunde gar nicht bilden konnte. Der kann gar nicht damit umgehen, wenn dann früher oder später doch irgendwas ist, was nicht so toll ist, weil er nie gelernt hat, sich trotz bestimmter Macken nicht minderwertig zu fühlen.
Ich hoffe, du kannst mit diesen (hoffentlich nicht zu wirren) Gedanken etwas anfangen und wünsche euch alles Gute
Liebe Grüße
M.