Hallo
Er scheint jemand zu sein, der sagt, was er denkt. Was ist
dagegen einzuwenden?
Überhaupt nichts. Die Wortwahl sagt aber viel darüber aus, was jemand denn erreichen will bzw. lässt doch berechtigter Weise danach fragen, was denn jemand überhaupt will (und ich hoffe, das darf ich). Wie unser Ursprungsposter scheinst Du auch die Macht der Kirchen zu kritisieren. Die Wortwahl zeigt an, ob ihr dabei jemanden überzeugen wollt oder einfach nur draufhauen auf den, der anders denkt. Welche Reaktion erwartet ihr denn von jemanden, der vielleicht als guter Katholik durchaus nicht unkritisch ist, aber dem seine Kirche am Herzen liegt? Er kann entweder zurückbrüllen oder sich angewidert abwenden.
Das deutsche nachmittägliche Talkshowunwesen funktioniert allerdings auch so: Da wird gebrüllt, was das Zeug hält, und um so fäkalreicher die Sprache, desto mehr Jubel vom Publikum. Ich werde mir Mühe geben, ab jetzt diese Sendungen als Produktionsstätte zukünftiger Helden zu sehen…
Ich lese gerade zum x-ten Mal den
„Schwejk“. Der Autor, Jaroslav Hasek, verteidigt im Epilog zum
ersten Teil die offene Ausdrucksweise: Menschen, die über
einen starken Ausdruck ungehalten sind, sind Feiglinge, denn
das wirkliche Leben überrascht sie, und gerade schwache
Menschen sind die größten Schädlinge für die Kultur und den
Charakter… Deftige Worte, aber dir würde ich die Lektüre
dieses Romans aus anderen Gründen (s.u.) empfehlen.
Vielen Dank, der Roman ist bekannt. Dennoch muss ich dem zitierten Satz kaum recht geben. Weder bei Mahatma Gandhi, Dietrich Bonhoeffer, Martin L. King kann ich mich an eine deftige, „starke“ Ausdrucksweise erinnern - und auch, wenn Du deren jeweils religiöse Motivation ablehnst, kann man sie kaum für Feiglinge halten noch für größte Schädlinge ihrer Kultur und des Charakters…
Einer „stakren“ Ausdrucksweise hat sich aber beispielweise Johannes Chrysostomos in seinen Reden gegen die Juden bedient. Wer sie zu lesen versteht, weiß zwar, dass er nicht die Ermodung und Entrechtung von Juden im Sinn hatte, sondern lediglich eine deutliche Meinungsäußerung. Nun, seine „starke“, überaus mutige Ausdrucksweise hat dann eben die von uns beiden beklagte Wirkungsgeschichte gehabt. Vielleicht wäre es doch gut, sich seine Wortwahl zu überlegen, man könnte mal aus dem Kontext gerissen zitiert werden.
Sollten nicht alle Deutschen
nie wieder etwas zur Weltpolitik sagen angesichts der
Verbrechen, die in ihrem Namen begangen wurden?
Sollte nicht die christliche Kirche angesichts ihrer
Geschichte voll von Unmenschlichkeiten in den Medien und in
der Schule etwas anders behandelt werden? Wenn du schon
einforderst, aus der Geschichte zu lernen, solltest du das
vielleicht auch tun.
„Etwas anders“ als was? Religion (und in Europa dann die christliche) wie Ideologie allgemein als Rechtfertigungsgrundlage nicht nur von Krieg und Unmenschlichkeit, sondern auch einer Gesellschaftsstruktur zu kennen und zu hinterfragen, zähle ich zum notwendigen Gut des Allgemeinswissens.
Immerhin: Der gute Pius hat ja damals nichts gesagt zu den
Verbrechen der Nazis - Du solltest vielleicht hier etwas
deutlicher machen, warum das den nun richtig war.
Das Schweigen der katholischen Kirche bloß als Untätigkeit zu
interpretieren, ist wohl ziemlich falsch. Was ist mit der
Unterstützung des Faschismus? Was ist mit den vielen Christen,
die begeistert der Ideologie gefolgt sind? Was ist mit den
Bischöfen, die ihren Arm zum Hitler-Gruß erheben? Die Fotos
müsstest du vielleicht kennen, auch wenn sie im Allgemeinen
streng unter Verschluss gehalten werden.
Diese Fotos findest Du nicht nur in den Schulbüchern für den Geschichtsunterrichts, sondern auch in denen für den Religionsunterricht, sowie in den populärwissenschaftlichen Kirchengeschichtsbüchern (in denen mit Bildern). Was also jedem Schüler zugänglich ist, ist für dich streng unter Verschluss???
Hier beginnt dann wirklich ein Schwachsinn, bei dem eine starke Ausdrucksweise erforderlich zu sein scheint:wink:
Zudem hat unser Ausgangsposter „Schweigen“ gefordert. Christen, auch katholische, sind Menschen, die für jeglichen Unsinn sowie jedes Verbrechen genauso anfällig sind, wie alle anderenn auch. Es herrscht hier die Annahme vor, alle(!) Verbrechen wären nie passiert, ohne „die Kirche“. Dass es „Die Kirche“ nicht gibt, dass eine Institution kaum für jeden einzelnen die volle Verantwortung übernehmen kann, dass, um bei dem Beispiel drittes Reich zu bleiben, der Nationalsozialismus klar atheistisch und kirchenfeindlich von seiner Ideologie her war, wird tapfer ignoriert, Hauptsache, man hat einen Schuldigen.
Das Suchen nach einem Sündenbock - ist das das Lernen aus der Geschichte, das Du mir anrätst???
Die Deutschen haben sich ihren Hitler gewählt, der mit Unterstützung der Bürgerlichen an die Macht kam. Es ist falsch, dass der Papst geschwiegen hat, denn er hätte zu dieser Zeit höchstwahrscheinlich etwas verhindern können. Die Geschichte des dritten Reichs ist auch die Geschichte des Versagens sämtlicher christlicher Kirchen. Und zwar gerade nicht da, wo ein Bischof oder Präses hinter der Ideologie der Nazis stand, sondern da, wo man aus Feigheit schwieg. Anders als bei den Kreuzzügen ist hier das eigentlich Entsetzliche: Sie haben es besser gewußt! Aber sie haben „ihre Fresse gehalten“ (mit wenigen Ausnahmen). Ich weiß immer noch nicht, waurm teaser dies nun als vorbildliches Verhalten darstellt.
Interessant ist, dass teaser das Dritte Reich überhaupt nicht
erwähnt hat. Das muss man noch nicht mal, denn die gesamte
Geschichte des Christentums ist eine Geschichte des
Verbrechens.
Das ist das Problem, wenn man seinen Mut durch „starke Ausdrücke“ zu beweisen sucht: Es fehlt (vielleicht ja nur sprachlich) die Fähigkeit zu differenzieren. Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte des Verbrechens, die Geschichte Europas ist die eines auch christlich legitimierten Verbrechens. Die Tatsachen, dass eben auch die Kritik an diesen Verbrechen bis ins 19. Jh. durchweg christlich motiviert war, dass unsere Vorstellung von Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, zwar mittlerweile säkularisiert, aber dennoch geistesgeschichtlich nicht denkbar ohne das Christentum sind, dass unser Begriff von dem, was unmenschlich ist - wie Du die christliche Kirche bezeichnest, christlich ist, all das gehört auch zum christlichen Europa.
Aus der Geschichte zu lernen, heißt, als guter Historiker sich erst einmal jeder WErtung zu entziehen, man hat Geschichte erst einmal festzustellen. Klar, ich kann Geschichte betreiben und fragen: Woran ist alles das Christentum schuld, woran alles die Deutschen, die Franzosen, der Nationalgedanke, der Kommunismus etc. Was ich suche, werde ich dann auch finden - tolles Lernen aus der Geschichte.
Guck dir zum Beispiel mal den ersten
Weltkrieg an. Es wurden Waffen gesegnet und dafür gebetet,
dass möglichst viele Engländer oder Franzosen elendig sterben
mögen. Wie gesagt, lies mal den Schwejk.
Um das zu wissen, muss ich nun wirklich nicht den SChwejk lesen (auch hier reicht schon ein schulisches Religionsbuch:wink:
Entschuldige bitte, dass ich ein wenig persönlich werde, aber
eine Kirchenhistorikerin, die scheinbar nicht das kleinste
bisschen aus der Geschichte ihrer Kirche gelernt hat, sollte
sich mit solchen Aussagen zurückhalten.
Ehrlich gesagt verstehe ich diesen persönlichen Angriff nicht, noch verstehe ich, warum das Erforschen der Geschichte der christlichen Kirchen mich auf „meine Kirche“ derart reduzieren sollte.
Aus der Geschichte selbst habe ich allerdings sicherlich schon einiges gelernt:
- Simplifizierungen sind immer gefährlich
- Das Suchen nach Schuldigen ist ein allgemein menschliches Bedürfnis und ebenfalls gefährlich
- nichts ist so einfach wie es aussieht
- Texte haben eine lange Wirkungsgeschichte
Und ganz allgemein: Selbst bei der freiwilligen Mitgliedschaft in einem Verein / einer Institution o.ä. hat niemand, weder von außen noch innen, das Recht, „Schweigen“, erst recht nicht wieder besseres Wissen, zu fordern.
„Wer nicht für die Juden schreit, darf auch nicht gregorianisch singen“ hat Bonhoeffer (der Feigling von oben) gefordert, Deiner Ansicht nach hat er nicht aus der Geschichte gelernt, hätte er doch seinen Mund halten müssen angesichts der Geschichte des Christentums, aber immerhin: Er hat eine Menge vom Christentum gewußt.
Grüße,
Taju