Hallo,
Es geht nicht nicht um die begründeten Ausnahmen, sondern um
eine geänderte Kultur.
Klar hat sich die Kultur geändert, aber dafür können die einzelnen Familien ja auch nichts. Die Leute bekommen ihre Kinder und stellen dann fest, dass ihr leben sich geändert hat. Dann kommen die Kinder irgendwann in die Schule und die Eltern stellen fest, dass sich ihr Leben nochmal ändert. Und dann reagieren sie auf die Situation, die sie um sich herum vorfinden.
Zu den gesellschaftlichen Änderungen gehört dann schon mal, dass die Mütter heute meistens arbeiten und also auch zu einer bestimmten Zeit aus dem Haus sein müssen (und nicht wie früher dann duschen und frühstücken können, wenn die anderen endlich weg sind).
Dann brauchen auch die Kinder heute wesentlich länger als früher, um durchs Badezimmer zu kommen. (Ich bin früher um 7 geweckt worden, ca. 5 Minuten später aufgestanden, an Hygiene gerade die Hände gewaschen und die Zähne geputzt und dann den Bus um 7:25 genommen. - Das ist heute nicht mehr so.)
Die Schulwege sind oft objektiv länger geworden (weil die Eltern stärker die Schule auswählen, z.B. nicht die mit dem 70% Anteil ohne Deutschkenntnisse oder eine Schule in der Nähe ihres eigenen Arbeitsplatzes).
Die Eltern haben mehr Angst vor Verkehrsunfällen (oft unterschwellig, nicht als Hauptgrund: Aber wenn die Mutter ohnehin gegen halb 8 im Auto zu ihrer Arbeit aufbricht und der Schulweg an einer belebten Hauptstrasse entlangführt, hat sie wohl den Eindruck ihren Filius geradezu im Stich zu lassen, wenn sie ihn nicht mitnimmt und denkt dann den ganzen Tag darüber nach, ob er wohl heil angekommen ist).
Angst vor Sexualdelikten und Entführungen wird meistens nicht laut ausgesprochen. Da aber viel darüber berichtet wird, dürfte auch dies unterschwellig nachwirken.
Angst der Kinder vor Mitschülern: Die gab es schon immer. Ich hatte zu meiner Grundschulzeit eine Gruppe von Mitschülerinnen, denen ich ausweichen musste, damit sie mich nicht hingestossen und mir meine Sachen weggenommen haben. Meine Mutter erzählt, dass sie in den 50er Jahren regelmässig von Mitschülern verprügelt wurde, mein Vater erzählt von Phasen, wo man die Schule nur in einer Gruppe anderer Mitschüler sicher verlassen konnte. Die Kinder meiner Cousine in einer normalen hessischen Kleinstadt erzählen heute wieder das Gleiche. Der grosse Bruder patroulliert vor dem Klassenzimmer des Jüngsten und die Mädchen gehen nur gruppenweise durch die Gänge. Die Grösseren sagen schulterzuckend „da muss man durch“.
OK, welches sind Beweggründe, warum die Kinder nicht alleine
zur Schule gehen, sondern gefahren werden?
Die Gründe sich ein Sammelsurium aus allem, was ich beschrieben habe. Die häufigste Konstellation ist wohl:
Morgens ist grosse Hektik, weil alle geregelt durch das einzige Badezimmer müssen. Deshalb versucht man den oder die kleinsten möglichst lange schlafen zu lassen, damit die Eltern und die grösseren vorher fertig sind. Dadurch wird es für die dann aber etwas spät um noch zu Fuss zur Schule zu kommen. Und da die Eltern ohnehin mit dem Auto zur Arbeit fahren und ihnen der Schulweg unterschwellig gefährlich scheint, ist es das Einfachste, sie gleich mitzunehmen. Den Kindern ist es auch recht, weil sie dann länger schlafen können und ihnen die Grossen aus der 8c so nicht in die Quere kommen können (die ihnen vielleicht ihr Handy wegnehmen wollen) und der beste Freund ohnehin einen anderen Schulweg hat.
Oder: Die Kinder trödeln morgens zu lange. Da man selbst zur Arbeit muss, hat man nicht den Nerv, sie dauernd zu ermahnen, sich endlich fertig zu machen (da man ja selbst in den fraglichen Minuten mit Tisch abräumen, Sachen zusammensuchen, nochmal aus Klo gehen beschäftigt ist). Bis sie dann endlich fetrig sind, ist man selbst auch fertig und da sie jetzt anders zu spät kommen würden, nimmt man sie schnell mit. Nach dem 3. mal haben die Kids dann auch gemerkt, dass 10 Minuten später sowieso ein Auto fährt und haben auch keinen Grund mehr sich zu beeilen.
Tja, das sind so die Strukturen, in denen die Leute drinstecken. Was schlägst du vor, wie man die durchbricht?
Mit vielen Grüssen,
Walkuerax