Das Steuersystem als solches - eine Grundsatzrede
Hallöchen,
Gezwungen? Gibt es in der Nähe Deines Arbeitsplatzes keine
Wohngebäude?
Wirds schon geben. Ist auch für Singles alles kein Problem.
Jetzt stell dir aber mal ne Familie mit Kindern vor.
Gibts da auch nen Job für die Frau?
Ne ordentliche Schule für die Kids?
ne ordentliche Stammkneipe, einen guten Supermarkt, gute Luft, schönes Wetter…
Wir reden hier gerade über das größte Problem, das Deutschland hat: Der Staat solls richten.
Jeder kann da wohnen, wo er es für richtig hält. Aufm Land, in der Stadt, im Gebirge, im Tal oder auf dem Mond. Aber der Staat hat damit nichts zu tun. Er hat nicht die zu fördern, die bei niedrigeren Mieten aufm Land wohnen und nicht die, die bei höheren Mieten zu Fuß zur Arbeit gehen. Er hat nicht die zu fördern, die gerne im Auto sitzen, mit der S-Bahn fahren oder morgens im Park frische Luft atmen wollen.
Das ist alles überkommener Kram, der sich in den deutschen Hirnen als Anspruchsdenken festgesetzt hat. Von wegen Grundrechte und so: So ist die Steuergesetzgebung nie gedacht gewesen. Irgendwo um 1920 rum wurde das deutsche Steuergesetz reformiert. Es gab einige wenige Steuersätze und keine Ausnahmen. Hitler und Konsorten haben dann im Sinne von Judendiskriminierung und Kriegswirtschaftsförderung etliche Sonderbestimmungen geschaffen, die sich bis heute gehalten, verselbständigt und vermehrt haben, darunter Steuerfreiheit der Nachtzuschläge und viele andere Gimmicks, für die heute gestreikt wird.
Aber ich habe den Eindruck, dass du das zu sehr aus
Singlesicht siehst.
So ein Quatsch. Ich habe von diesen Regelungen schon erheblich profitiert. Darum geht es mir gar nicht.
Wenn man sich mit der Sache mal beschäftigt, geht einem auf, was es an inoffiziellen und offiziellen Pauschalen, Freibeträgen und Sonderregelungen so alles gibt. Das kann einfach alles nicht sein. Jede Regelung schafft neue Probleme. Ich kann ein völlig privat genutztes Buch über Anlagestrategien absetzen, aber nicht meine Anzüge, die ich nur dienstlich trage. Die Tatsache, daß die Dinger - wie niemals nicht bei einer privaten Nutzung - im Jahr x-fach gereinigt werden müssen, was natürlich auch nicht absetzbar ist, weil die Absetzbarkeit der Folgekosten an der Absetzbarkeit für die Anschaffungskosten hängt, spielt dabei keine Rolle. Ich kann kein Arbeitszimmer absetzen, dafür aber ohne jeden Beleg bis zu 100 Euro Büromaterial.
2000 gebührenfreie Kontoumsätze nebst Porto für die Auszüge sowie jegliche Kontoüberziehung zu vergünstigten Konditionen bei meinem Arbeitgeber sind pauschal (durch Reduzierung des Freibetrags von DM 2400 auf 1800) berücksichtigt, übersteigt aber die Zahl meiner Wertpapierumsätze ein gewisses Maß, muß ich den geldwerten Vorteil versteuern.
Die meisten Abzüge in der Steuererklärung erreiche ich derzeit über ausländische Kapitalerträge, nicht aber über die zigtausend Euro, die ich an Vorsorgeaufwendungen leiste. Mein Kollege hat sich aufgrund der steuerlichen Bevorzugung von Gasheizungen vor zwei Jahren eine solche zugelegt, nun ist diese Bevorzugung wieder gestrichen worden. Firmenfahrzeugsleasingkonstruktionen wurden verkauft wie Sauerbier, nun soll das ganze wieder zurückgedereht werden.
Verlustzuweisungen aus nicht vermietbaren Buden in Ostdeutschland oder auf Mauritius sind absetzbar, nicht aber die privaten und kleinen Gefälligkeiten, die dafür sorgen, daß Omma nicht auf Staatskosten ins Heim kommt.
Das ganze Leben, ob von Privatleuten oder Unternehmen, dreht sich nur noch darum, wie man am besten staatlichen Belastungen aus dem Weg geht und wie man am besten in den Genuß von Förderungen vom Staat kommt. Da werden wirtschaftlich notwendige Entscheidungen nicht getroffen, weil der Steuerberater keinen Termin hat, da werden Unternehmen nicht verkauft, weil die steuerlichen Auswirkungen generell unbekannt sind, schon gleich gar nicht dem ausländischen Investor verständlich gemacht werden können und die Ausnahmegenehmigung des Unterstaatssekretärs zwei Monate dauern.
Das ganze Land ist vom Steuersystem wie gelähmt. Es gehört entrümpelt, gekürzt, vereinfacht. Natürlich sollte diese Streichung von Abzugsmöglichkeiten mit einer generellen Steuersenkung einher gehen. Das ist aber gar nicht der entscheidende Punkt. Der ist vielmehr, daß es den Staat nicht zu interessieren hat, ob jemand hier oder da wohnt, oder jetzt aufs Klo geht oder später.
Die Verantwortlichkeit für die banalen Dinge des Lebens hat der Bürger selbst zu tragen. Ob er lieber hier oder da wohnt, hier oder da investiert, bei diesem oder jenem Unternehmen arbeitet, was pleite geht oder nicht, ob er mit dieser und jener Fluggesellschaft verreist, telephoniert oder deren Produkte kauft: All das gehört zum Lebensrisiko und das matschige graue Ding zwischen den Ohren kann dazu benutzt werden, selbständig Risiken und Chancen der vorhandenen Alternativen abzuwägen.
Um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Schulen, Landschaft, Fahrtstrecke, Kosten, all das ist bekannt, wenn man sich dazu entscheidet, aufs Land zu ziehen oder in die Stadt. Wer für eine gute Schule und ein paar Felder vor der Tür jeden Tag x Stunden gerne von der Familie getrennt ist: Immer nur zu. Wer lieber zu Fuß zur Arbeit geht, sich dabei über eine verbaute Landschaft ärgert, dafür aber 25 Schulen für die Blagen und 100 Geschäfte für die Gattin zur Auswahl hat: Auch gut.
Nur bitte laßt den Staat aus dem Spiel.
Gruß,
Christian