Determinismus
Hallo Friedhelm
Ein Würfel könnte sich aber nicht absichtlich selbst zinken.
Meine Behauptung ist nun, dass ein Mensch sich ebenfalls nicht selbst
aendern kann, ausser die physischen Grundlagen seiner Gedanken
erlauben ihm dies, oder vielmehr bestimmen ihn dazu. Physische
Grundlagen sind hier Erinnerungsmuster (die sich im Charakter
aeussern), Hormonspiegel, Neurotransmitterkonzentrationen u.s.w.
Entscheidet ein Mensch, immer die 4 zu wählen, dann haben
Veränderungen seines Gehirnzustandes dazu geführt. Es kann
z.B. sein, dass der Experimentator den Probanden aufgefordert
hat, immer die 4 zu wählen. Diese Aufforderung entspricht dem
Zinken, d.h. eine äußere Kraft hat den Gehirnzustand
verändert.
Ohne Zweifel gibt es etwas derartig Spiritistisches zwischen
menschlichen Hirnen.
Als recht neues Thema der Philosophie untersucht man
derartigen unmittelbaren Einfluß auch der Sprache auf einen
anderen Menschen als Illukation (Illucation), durch Rhetorik,
Befehl, Schreien des Baby, Bitten usw…
In einem weiteren und konkreteren Punkt muß ich Dir scheinbar
nun doch entgegenkommen. Denn auch die nicht spiritistische
und nicht illukative unmittelbare Wirkung aufs Gehirn erleben
wir ganz unreflektiert beim „automatischen“ Verstehen der
Sprache.
Ich meine keineswegs etwas Spiritistisches (vielleicht morphische
Felder, sechster Sinn, Telepathie etc.), sondern folgendes: Der
Experimentator produziert Schallwellen bestimmten Musters (=Sprache).
Diese Schallwellen treffen auf das Nervensystems des Probanden und
veraendern so seinen Gehirnzustand. Daraufhin hat er andere Gedanken
und handelt anders als ohne die Schallwellen. Ich spreche also von
Materie-Materie-Wechselwirkung, ganz ohne ein geistiges Element.
Während Du nämlich versuchst, dieses alles, auch das Geistige,
als empirisch und physisch aufzufassen und der Kausalität
unterzuordnen und dabei meinen freien Willen und selbst mein
Bewußtsein, mein Leben aufzugeben und zu opfern,
Warum opfern? An deinem Leben aendert sich gar nichts. Eines der
Raetsel des Determinismus ist naemlich: Warum verschwindet das
Gefuehl eines freien Willens auch dann nicht, wenn ich rational
einsehe, dass es ihn nicht gibt? Also auch als Determinist fuehle ich
mich so frei wie du. Der praktische Vorteil des Determinismus liegt
darin, dass ich keinen echten Zorn auf Menschen mehr habe, die sich
anders verhalten als ich es will. Mein Zorn geht hoechstens soweit
wie der Zorn ueber schlechtes Wetter. Beidem liegt keine eigentliche
Boshaftigkeit zugrunde und nur diese koennte echten Zorn wecken.
Freilich sehe ich auch einen guten Charakter nicht als Verdienst der
Person, die ihn hat. Auch dieser entstand aus Zufall und
Notwendigkeit, so wie schoenes Wetter.
muß ich jetzt
darauf bestehen, uns von Aristoteles und seiner Materie kurz
ganz zu verabschieden. Denn diese Materie gibt es nicht
wirklich in jener geistlosen aristotelischen vom Geist
unabhängigen Auffassung, wie Du weißt, sondern ist mit seiner
Härte, seiner Farbe und Temperatur ein Artefakt, ein Konstrukt
unseres Erkennens. Das heißt, alle diese Wechselwirkungen,
auch die Gesetzmäßigkeit des Würfelns (mit ungezinktem Würfel
natürlich) sind somit rein geistige Natur, und unterliegen nur
deswegen auch den logischen Gesetze unseres Verstandes.
Dies heißt ja nicht, als wolle ich behaupten, es gäbe es diese
Physis nicht, zumindest gibt es sie ja real als Deine
Behauptung und meine Erfahrung.
Diesen Absatz verstehe ich nicht. Die Welt, so wie wir sie
wahrnehmen, ist sicherlich teilweise ein Artefakt unseres
Wahrnehmungs- und Verarbeitungsapparates. Aber deshalb kann man doch
nicht sagen, sie sei rein geistig (obwohl es Leute gab, die dies
taten, z.B. Berkeley).
Jetzt kann der Proband sich natürlich über diese Aufforderung
hinwegsetzen und 5 wählen. Das hat seine Ursache in einem
trotzigen Charakter (für den der Proband sich nicht frei
entschieden hat), in einem zu hohen Testosteronspiegel oder im
zufälligen Erscheinen eines Gedanken (der ein Einfluss aus der
Vergangenheit ist, also sich aus Erinnerungen zusammensetzt).
Viele andere Ursachen sind denkbar.
Richtig!
Dazu gehört eben auch die Möglichkeit des freien Entschlusses.
Wo soll der denn herkommen?
Jedenfalls: Wenn der Mensch immer das gleiche wählt, dann ist
er wie ein gezinkter Würfel.
Es steht ihm ja frei. Wieso ist er gezinkt?
Nochmal: Woher soll in einer Welt, die von Zufall und Notwendigkeit
bestimmt ist, die Freiheit kommen?
Wenn der Mensch sich bald so,
bald anders entscheidet, dann ist er wie ein normaler Würfel.
eben nur scheinbar.
Würfel und Mensch verhalten sich im Grunde kausal oder
zufällig.
Für den Außenstehenden und für ein Meßgerät wie auch für die
Statistik und letztendlich für die Mathematik erscheint nur
Letzteres so.
Wie willst Du einen Gedanken beweisen? Und Du
wirst ja kaum die Möglichkeit, die Wirklichkeit eines Gedanken
bestreiten.
Wie willst du beweisen, dass die Welt anders ist als sie uns
erscheint? Das koennte man nur mit logischen Argumenten, die
empirischen Beobachtungen nicht widersprechen. Und eben solche
fuehren zum Determinismus. Empirische Grundlagen sind, dass die Welt
sich nach Zufall und Notwendigkeit verhaelt und daraus ziehe ich (mit
dem Induktionsproblem behaftet) den Schluss, dass auch unsere
Gedanken und Handlungen von diesen beiden Einfluessen bestimmt sind
und setze noch hinzu, dass sie allein davon bestimmt sind.
Gruss, Tychi