Ethik-Steuer für Konfessionslose?

Hallo,

Prof. Dr. Blum fordert eine Ethiksteuer für diejenigen, die aus der Kirche ausgetreten sind: http://www.derwesten.de/nachrichten/Experte-fordert-…

Da stellt sich doch die Frage, ob die Kirchensteuer tatsächlich sozialen Zwecken dient. Erhalten die genannten Einrichtungen, wie zum Beispiel konfessionsgebundene Krankenhäuser, für ihre Leistungen nicht ebenfalls Geld? Verhalten sich Konfessionslose etwa unsozial, weil sie von ihrer negativen Religionsfreiheit Gebrauch machen?

Gruß
Ultra

Hi, Ultra!

Da stellt sich doch die Frage, ob die Kirchensteuer
tatsächlich sozialen Zwecken dient.

Wieso sollte sie nur das? Sie dient doch auch kirchlichen Zwecken.
Über eine allgemeine „Kultursteuer“ etwa nach italienischem Vorbild (8 Promille vom Einkommen) für einen religiösen/kulturellen/mildtätigen Zweck (je nach Intention des Steuerpflichtigen) wurde hier schon öfters debattiert. (Archiv!)
Vielleicht könnte man auf diese Weise z. B. die Studiengebühren wieder abschaffen oder von Schließung bedrohte Theater erhalten oder den Museen zu einem Anschaffungsetat verhelfen, der diesen Namen verdient, oder … oder … oder … .
Könnte die Einführung einer solchen Kultursteuer nicht ganz gut mit der Abschaffung des Soli verbunden werden? Dann wären wir dieses „Notopfer Ex-DDR“* los, das inzwischen völlig zweckfrei erhoben wird, und bekämen statt dessen etwas Geld gezielt für Kultur.
* Die Briefmarkensammler kennen das „Notopfer Berlin“ aus den Anfangsjahren der BRD.
Gruß!
Hannes

Über eine allgemeine „Kultursteuer“ etwa nach italienischem
Vorbild (8 Promille vom Einkommen) für einen
religiösen/kulturellen/mildtätigen Zweck (je nach Intention
des Steuerpflichtigen) wurde hier schon öfters debattiert.
(Archiv!)
Vielleicht könnte man auf diese Weise z. B. die
Studiengebühren wieder abschaffen oder von Schließung bedrohte
Theater erhalten oder den Museen zu einem Anschaffungsetat
verhelfen, der diesen Namen verdient, oder … oder … oder

Abgesehen davon, dass diese Dinge primär aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden sollten, gäbe es gegen eine solche Kultursteuer wenig einzuwenden - solange alle diese Steuer gleichermaßen tragen müssten. Das bedeutet, eine Steuer, die auch Krichenmitglieder zu zahlen hätten. Schließlich ist deren religiöse Betätigung ja deren private Angelegenheit.

Gruß
Ultra

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Das bedeutet, eine

Steuer, die auch Krichenmitglieder zu zahlen hätten.
Schließlich ist deren religiöse Betätigung ja deren private
Angelegenheit.

Und danke, das ist genau die Antwort auf meinen schrägen Eindruck bei dem Vorhaben!

Zahira

Da stellt sich doch die Frage, ob die Kirchensteuer
tatsächlich sozialen Zwecken dient.

Zunächst geht es nicht nur um Soziale Aspekte. Mit den Kirchensteuern wird letzten Endes ein breites Spektrum an Leistungen finanziert. Sie mag primär in die Bezahlung der Geistlichen fließen, und da mag man sagen: Warum soll ich die bezahlen, wenn ich von denen nichts will. Dabei wird aber gerne übergangen, was die Gemeindearbeit der Pfarrerinnen und Pfarrer an weiteren Spenden (als bare Münze oder in ehrenamtlicher Arbeitszeit) einbringt, die sehr wohl der Allgemeinheit zu Gute kommen:
> Erhalt von Kulturgütern wie Kirchen - nicht nur die kleine Dorfkirche, in die kaum jemand geht, sondern auch die Dome und Bürgerkirchen, die vielerorts das liebgewonnene Stadtbild bestimmen.
> Kulturelle Veranstaltungen wie z.B. Konzerte, die längst nicht über ihre Eintrittsgelder finanziert werden.
> Soziale Angebote wie Tafeln, Beratungsstellen…, die es zwar auch von privat gibt oder geben könnte, die aber nunmal vielerorts von den Kirchen angestoßen und z.T. auch maßgeblich getragen werden.
> Entwicklungshilfe und Katastrophenhilfeprojekte werden zwar mitunter vom Staat refinanziert, die Kirchen als Träger gehen aber in Vorleistung - und die Spendensummen, die z.B. Brot für die Welt aufbringt, wären anders kaum finanzierbar.
> Auch das Engagement von Menschen, die sagen, die Freiwillige Feuerwehr oder die ehrenamtliche Betreuung einer Kindersportgruppe sei ihre Art, christliche Nächstenliebe in die Tat umzusetzen, ist indirekt ein Ergebnis kirchlicher Arbeit.

Erhalten die genannten
Einrichtungen, wie zum Beispiel konfessionsgebundene
Krankenhäuser, für ihre Leistungen nicht ebenfalls Geld?

Das tun sie natürlich. Aber nur für den laufenden Betrieb. Grundstücke und die Bauleistung werden von den Trägern (sprich der Kirche) erbracht und oft mit Spenden und auch Kirchensteuermitteln finanziert. Damit trägt die Kirche (meistens in Form der Diakonie, Caritas, Johanniter…) ein nicht zu unterschätzendes finanzielles Risiko, zumal sie im Gegensatz zu einem privaten Träger nicht ohne weiteres Gewinne erwirtschaften darf.
Klinikseelsorge - nicht nur in kirchlichen Häusern - wird größtenteils von den Kirchen finanziert, obwohl die Mitarbeitenden häufig allen Patienten für Gespräche zur Verfügung stehen, und auch die Gottesdienste in Altenheimen und Krankenhäusern werden nicht nur von Kirchenmitgliedern besucht.

Im Vergleich mit anderen (z.B. Sport-) Vereinen, muß man in der Regel feststellen, daß man kaum irgendwo so viele Angebote nutzen kann, ohne Mitglied zu sein, wie bei den Kirchen.

Verhalten sich Konfessionslose etwa unsozial, weil sie von
ihrer negativen Religionsfreiheit Gebrauch machen?

Nein, wenn sie das Geld, das Andere als Kirchensteuer zahlen, auf andere Weise zum Nutzen Bedürftiger oder für die Allgemeinheit einsetzen, sicher nicht. Aus der Kirche austzutreten, einfach nur um das Geld für sich zu haben, ginge aber schon in diese Richtung. Und das wiederum spricht für eine Ethik- oder Kultursteuer, die diesen finanziellen Vorteil aus der Welt schafft.

Gruß, Martinus…

Schließlich ist deren religiöse Betätigung ja
deren private Angelegenheit

Das ist nicht so, solange eine Kirchensteuer eben eine Steuer ist, vgl. die rechtliche Definition von Steuer als etwas Öffentliches; als privat gilt demgegenüber der Vereinsbeitrag.

Gruss
Mike

Hallo Martinus,

deine Antwort klingt sehr wohlformuliert, fast wie aus einer Imagebroschüre. Vielleicht hast du auch in manchen Dingen Recht, doch alles kann so auch nicht stimmen.

Beispiel Gebäude: Gerne werden die Kirchen irrtümlicherweise dafür gelobt, dass sie durch die Instandhaltung von Kirchen und sonstigen kirchlichen Bauten einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung kulturell bedeutsamer Gebäude leisten würden. Dabei trägt aber alleine in Baden-Württemberg das Land (also der Steuerzahler) die sogenannte Baulast an über 1100 kirchlichen Gebäuden. Um ein Freiburger Beispiel zu nennen: Im März 2008 wurde die Innen- und Außenrenovierung der Kirche St. Johann (auch bekannt als „Johanneskirche“) abgeschlossen. Kostenpunkt: 2,65 Mio. Euro. Hiervon muss die Kirche gerade mal 562.000 Euro übernehmen. Den Rest übernimmt, wie so oft, der Steuerzahler! Quelle: http://www.ibka.org/node/765

Und selbst wenn die Kirchensteuer für die von dir aufgeführten Zwecke verwendet wird, bleibt immer noch ein Haken. Denn es ist wohl offensichtlich, dass die KSt für bestimmte Leistungen gar nicht ausgegeben werden muss, da der Staat dies übernimmt. Zum Beispiel werden ja die Bischöfe (zumindest zum Teil) vom Staat bezahlt. Da fällt es natürlich leicht, einen Teil der Kirchensteuereinnahmen für Soziales auszugeben.

Im Übrigen werden viele Angebote anscheinend auch nicht ohne Hintergedanken von den Kirchen betrieben. Jedenfalls gehe ich nicht davon aus, dass etwa ein konfessioneller Kindergarten nicht auch zur Missionierung genutzt wird.

Gruß
Ultra

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deine Antwort klingt sehr wohlformuliert, fast wie aus einer
Imagebroschüre.

Danke für die Blumen, war aber selbstverfaßt und nicht abgetippt.

Beispiel Gebäude: Gerne werden die Kirchen
irrtümlicherweise dafür gelobt, dass sie durch die
Instandhaltung von Kirchen und sonstigen kirchlichen Bauten
einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung kulturell bedeutsamer
Gebäude leisten würden. Dabei trägt aber alleine in
Baden-Württemberg das Land (also der Steuerzahler) die
sogenannte Baulast an über 1100 kirchlichen Gebäuden.

„Staatliche Baulast“ heißt in der Tat, daß der Staat für z.B. die Instandhaltung von Pfarrämtern zuständig ist. Ob auch Kirchen in größerer Zahl unter staatlicher Baulast stehen, entzieht sich meiner Kenntnis. Was auf den ersten Blick für die Kirche komfortabel klingt, hat den großen Haken, daß der Staat gerade in Zeiten knapper Kassen diese Häuser erst dann renoviert, wenn es wirklich unausweichlich ist. Wer mag, kann sich gerne mal mit Bewohnern solcher Häuser unterhalten. Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Um ein Freiburger Beispiel zu nennen:

Es bringt wohl kaum etwas, Einzelbeispiele gegen Einzelbeispiele zu setzen, da es für beide Seiten (Staat zahlt viel, Kirche zahlt viel) genügend gibt. Wenn schon, dann müßte ein repräsentativer Überblick geboten werden.

…es ist wohl offensichtlich, dass die KSt für bestimmte Leistungen
gar nicht ausgegeben werden muss, da der Staat dies übernimmt.

Da die Kirchen im Gegenzug an vielen Stellen Aufgaben übernehmen, die eigentlich dem Staat zufielen (die dieser aber gar nicht im nötigen Umfang leisten könnte), ist das auch durchaus gerechtfertigt. Jeder Verein, der z.B. Jugendarbeit betreibt, kann dafür öffentliche Gelder zur Förderung beantragen.

Im Übrigen werden viele Angebote anscheinend auch nicht ohne
Hintergedanken von den Kirchen betrieben. Jedenfalls gehe ich
nicht davon aus, dass etwa ein konfessioneller Kindergarten
nicht auch zur Missionierung genutzt wird.

Natürlich wird er das, das steht außer Frage. Macht das der Humanistische Bund etwa anders? Oder der AWO-Kindergarten, der zu St. Martin einen „Fackelumzug“, weil ihm der Martinszug zu christlich ist, veranstaltet? Wer immer Kinder erzieht, tut das mit dem eigenen Glaubens- und Weltanschauungshintergrund - mal mehr mal weniger auffällig oder direktiv. Das läßt sich gar nicht vermeiden.

Gruß, Martinus…

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Hi

Was machen eigentlich andere Länder ohne Kirchensteuer, sprich, die MEISTEN?
(Das ist eine rhetorische Frage, gibt ja google).

Ich finde es schon Frechheit genug, dass ich 65€ bezahlen muss um aus dem Verein auszutreten in den ich nie rein wollte (aber dank Kindstaufe wurde ich gar nicht erst gefragt).

Ich find die Kirchensteuer schon bescheuert, geschweigedenn eine Extrasteuer für Leute, die dem Verein entkommen sind.

Wohltätige Organisationen und Freiwillige Feuerwehrn gibt es anderswo auch ohne. Mir würde nicht ein einziges Beispiel einfallen was nur in D/A/CH existiert nur weil es Kirchensteuer gibt.

Nene, nein Danke.

lg
Kate

Hi

Ich finde es schon Frechheit genug, dass ich 65€ bezahlen muss
um aus dem Verein auszutreten in den ich nie rein wollte (aber
dank Kindstaufe wurde ich gar nicht erst gefragt).

Hole Dir das Geld doch von Deinen Eltern. Die haben Dir den Verein schließlich eingebrockt.

Gruß
Edith

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Hallo Ultra,

Prof. Dr. Blum fordert eine Ethiksteuer für diejenigen, die
aus der Kirche ausgetreten sind:
http://www.derwesten.de/nachrichten/Experte-fordert-…

Da stellt sich doch die Frage, ob die Kirchensteuer
tatsächlich sozialen Zwecken dient. Erhalten die genannten
Einrichtungen, wie zum Beispiel konfessionsgebundene
Krankenhäuser, für ihre Leistungen nicht ebenfalls Geld?
Verhalten sich Konfessionslose etwa unsozial, weil sie von
ihrer negativen Religionsfreiheit Gebrauch machen?

Deine Fragestellung kann man auf ganz unterschiedlichen Ebenen diskutieren. Da Du sie ins Religionsbrett gestellt hast (und nicht unter „Steuer und Versicherungen“ etc.) wäre zu fragen, wie denn nun das christliche Selbstverständnis bzw. der christliche Auftrag im Hinblick auf die Hilfeleistungen gegenüber denen ist, die nicht zu dieser Gemeinschaft gehören.

Das Verhältnis von Kirche und Staat ist in Deutschland schon ein sehr besonderes. Kirche und Staat profitieren davon, dass die Kirche als sozialer Dienstleister auftritt. Das ist nämlich für beide preisgünstiger. Ein Sozialarbeiter (gilt natürlich auch für andere Berufsgruppen) im kirchlichen Dienst bekommt nämlich in der gleichen Gehaltsgruppe weniger als der Sozialarbeiter, der kommunal bezahlt wird. Da die Kirchen der größte Arbeitgeber im sozialen Bereich sind, läppert sich da ganz schön was zusammen.

Kirchliche Sozialarbeit, egal ob von Diakonie oder Caritas wird nämlich zum großen Teil aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Eigentanteile, die eingebracht werden, stehen oft nur auf dem Papier. Beispiel: Kirchengemeinde St. XY „vermietet“ Räume an den Diakonieverein Z. Real geht kein Euro über den Tisch, aber der Diakonieverein weist das als „Eigenmittel“ aus, wenn er Anträge bei öffentlichen Geldgebern stellt. Das, was als Eigenmittel aufgebracht werden muß um öffentliche Fördermittel für kirchliche Sozialarbeit zu erhalten, liegt bei 5 bis 10 Prozent des Etatvolumens.

Dann wäre noch darüber zu reden, daß theologische Fakultäten, Militärseelsorge u.a. über öffentliche Gelder finanziert werden - und auch schulischer Religionsunterricht zu großen Teilen wenn nicht gar ganz.

Ein ökumenisches Frauenzentrum in Berlin, das es seit nach der Wende gibt, beklagt seit genau dieser Zeit, daß sich die Kirche bei diesem Projekt, das mehrere hauptamtlich angestellte Mitarbeiterinnen hat, nicht bei der Finanzierung beteiligt, d.h. die christlich-religiösen Angebote, die da laufen, werden staatlich finanziert.

Ich denke, an diesen paar Beispielen ist hinreichend deutlich geworden, daß der ganz normale Steuerzahler, der keine Kirchensteuer bezahlt, den Löwenanteil der kirchlichen Dienstleistungen im sozialen und kulturellen Bereich finanziert.

Abgesehen vom kirchlichen Auftrag im Hinblick auf das Engagement für soziale Gerechtigkeit, finde ich es deshalb infam, wenn es in dem von Dir zitierten Artikel heißt:

Blum argumentierte: «Schließlich nehmen auch Nicht-Kirchensteuerzahler häufig soziale Dienste oder Seelsorger in Anspruch.» Mit einer Steuer könne die Zahl der Kirchenaustritte möglicherweise gebremst und Trittbrettfahrerverhalten unterbunden werden.

Man kann natürlich argumentieren, dass Kirchensteuerzahler trotzdem nehr Steuern bezahlen als die, die nicht Mitglied sind. Nur: Jede/r kann entscheiden, ob er das will oder nicht.

Und der Eindruck, der durch den verlinkten Artikel erweckt wird, die Nichtmitglieder sind so eine Art Schmarotzer, die kirchlichen Service in Anspruch nehmen ohne dafür zu zahlen (Trittbrettfahrer klingt vornehmer) ist - falsch.

Viele Grüße

Iris

Hallo.

Was machen eigentlich andere Länder ohne Kirchensteuer,
sprich, die MEISTEN?

Nichts. In den meisten anderen Ländern zahlen die Mitglieder von christlichen Gemeinden ihren Beitrag direkt an die Kirche und wird diese nicht vom Staat zusammen mit der Steuer eingezogen. Bezogen auf jüdische Gemeinden wird es in Deutschland sogar ganz kompliziert, da hier manche Gemeinden ihre Beiträge über die Kirchensteuer einziehen lassen, andere direkt und wieder andere sogar beides.

Nicht anders sollte man auch die Kirchensteuer sehen. Es ist alleine nur der Beitrag, welchen Kirchen-, Gemeindemitglieder zahlen und hat mit dem Staat eigentlich nichts zu tun, ausser dass er hier als Dienstleistung als Geldeintreiber auftritt.

Gruss,
Eli

Mal abgesehen davon, daß jeder Verein das Recht hat, von seinen Mitgliedern einen Beitrag zu erheben…:

Ich finde es schon Frechheit genug, dass ich 65€ bezahlen muss
um aus dem Verein auszutreten

Dafür kann aber die Kirche nichts, denn dieses Geld kassiert Vater Staat.

Wohltätige Organisationen und Freiwillige Feuerwehrn gibt es
anderswo auch ohne.

Wie bereits erwähnt sehen viele (wenn auch nicht alle), die sich irgendwo ehrenamtlich engagieren, das als ihren Beitrag zur christliche Nächstenliebe. Also eine Folge der christlichen Erziehung oder Prägung, die u.a. durch die Kirchen erfolgt.

Möglicherweise haben sich die Verhältnisse geändert, aber lange Zeit nach der Wiedervereinigung Deutschlands war zu beobachten, daß ehrenamtliches, soziales Engagement in den „Neuen Bundesländern“, die ja entkirchlicht und atheistisch geprägt worden waren, deutlich geringer ausfiel als im „Westen“. Natürlich gab es hüben wie drüben sehr engagierte Ehrenamtliche in allen Bereichen. Aber der Anteil an der Bevölkerung, die die Verantwortung für die Wohlfahrtspflege beim Staat sahen, lag im Osten deutlich höher als im Westen. Das wurde z.B. bei den Hilfsorganisationen deutlich, die sich im Osten um einiges schwerer taten, Ehrenamtliche zu finden, als im Westen.
Die fehlende allgemeine christliche Sozialisierung muß als ein möglicher Grund dafür durchaus in Betracht gezogen werden.

Mir würde nicht ein einziges Beispiel
einfallen was nur in D/A/CH existiert nur weil es
Kirchensteuer gibt.

Abgesehen davon, daß es Kirchensteuern oder Staatskirchen auch andernorts gibt: Vielerorts stehen kirchliche Einrichtungen (z.B. Alten- oder Pflegeheime, Kindergärten…) nur den Kirchenmitgliedern offen. Wer kein (zahlendes) Mitglied ist, bleibt außen vor.

Das sind durchaus Gründe, die für eine generelle „Kultusteuer“ sprechen, die z.B. Kirchen, anderen Vereinen oder auch dem Staat zufließt und die so der immer weiter um sich greifenden Individualisierung unserer Gesellschaft, unter der wie sooft zuerst diejenigen leiden, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind, entgegenwirken könnte.

Gruß, Martinus…

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Das Verhältnis von Kirche und Staat ist in Deutschland schon
ein sehr besonderes. Kirche und Staat profitieren
davon, dass die Kirche als sozialer Dienstleister auftritt.

Diesen Umstand sollte man auch in den nächsten Absätzen nicht aus dem Blick verlieren.

Ein Sozialarbeiter
(gilt natürlich auch für andere Berufsgruppen) im kirchlichen
Dienst bekommt nämlich in der gleichen Gehaltsgruppe weniger
als der Sozialarbeiter, der kommunal bezahlt wird.

An dieser Stelle würde ich mir nun Belege wünschen, denn meines Wissens trifft das so nicht zu - erst recht nicht in der Generalisierung.

Kirchliche Sozialarbeit, egal ob von Diakonie oder Caritas
wird nämlich zum großen Teil aus öffentlichen Mitteln bezahlt.

Auch das hatten wir schon - für die laufenden Kosten trifft das zu (und es bleibt auch bei den kleinen Beiträgen die Frage, warum die Kirchen aus ihren Mitteln etwas bezahlen sollen, wofür Krankenkassen und Staat Beiträge erhalten haben). Übergangen wird dabei die Vorleistung, die häfig von den Trägern alleine erbracht wurden.

Beispiel: Kirchengemeinde St. XY „vermietet“ Räume an
den Diakonieverein Z. Real geht kein Euro über den Tisch, aber
der Diakonieverein weist das als „Eigenmittel“ aus, wenn er
Anträge bei öffentlichen Geldgebern stellt.

Und wer bezahlt dann Strom, Heizung, Instandsetzung dieser Räume? Die Kirchengemeinde, die dafür in diesem Beispiel kein Geld sieht. Da die Diakonie im Gegensatz zu einem privatwirtschaftlichen Träger, der ähnliche Zuschüsse beantragen kann, keine Gewinne erwirtschaftet, die in privaten Taschen landen, ist die Frage, wo die Allgemeinheit besser fährt.

Dann wäre noch darüber zu reden, daß theologische Fakultäten,

Mit welchem Recht sollte der Staat dann andere Weltanschauungen (wie sie an philosophischen FAkultäten gelehrt werden) unterrichten? Müßte er sich nicht aus allem heraushalten?

Militärseelsorge u.a. über öffentliche Gelder finanziert
werden

…und die dafür den Staat bei der Betreuung der Soldaten, die durch mehr Psychologen erfolgen müßte, entlastet. Sicher kann ein Pfarrer keinen Psychiater ersetzen, wenn dessen Kenntnisse gebraucht werden - im Gegenzug hilft aber der Psychiater auch wenig, wenn das Problem mit einem Seelsorgegespräch gelöst werden kann.

  • und auch schulischer Religionsunterricht zu großen
    Teilen wenn nicht gar ganz.

Wie gesagt, so zu tun, als sei alles eins (was in LER geschieht), ist eine weltanschauliche Entscheidung. Sie ist nicht dezidiert christilch, nicht dezidiert antichristlich, aber sie ist auch nicht neutral, da sie eindeutig die Position „alle sind gleich“ bezieht. Der Staat kommt aus diesem Dilemma kaum heraus - auch nicht, wenn er allen konfessionellen Unterricht abschaffen würde.

Ein ökumenisches Frauenzentrum in Berlin, das es seit nach der
Wende gibt, beklagt seit genau dieser Zeit, daß sich die
Kirche bei diesem Projekt, das mehrere hauptamtlich
angestellte Mitarbeiterinnen hat, nicht bei der Finanzierung
beteiligt, d.h. die christlich-religiösen Angebote, die da
laufen, werden staatlich finanziert.

Überhaupt keine Spenden? Es ist ein wenig einseitig, nur die Gelder als „kirchlich“ anzuerkennen, die unmittelbar aus kirchlichen Haushalten stammen.

Ich denke, an diesen paar Beispielen ist hinreichend deutlich
geworden,…

Es gibt, wie bereits erwähnt, immer Beispiele für die eine oder für die andere Seite. Solange stets eins gegen das andere gereiht wird, statt einen repräsentativen Überblick zu bieten, wird sich nie ein objektives Bild ergeben.

Abgesehen vom kirchlichen Auftrag im Hinblick auf das
Engagement für soziale Gerechtigkeit, finde ich es deshalb
infam, wenn es in dem von Dir zitierten Artikel heißt:

Blum argumentierte: «Schließlich nehmen auch
Nicht-Kirchensteuerzahler häufig soziale Dienste oder
Seelsorger in Anspruch.»

Wieso ist das infam? Stimmt es etwa nicht? wie viele Nichtkirchenmitglieder lassen sich denn von kirchlichen Beratungsstellen z.B: zum Schwangerschaftsabbruch helfen? Der angedrohte Ausstieg der kath. Kirche vor ein paar Jahren hat deutlich gemacht, daß der Staat diese Lücke gar nicht schließen könnte.

Gruß, Martinus…

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Hallo!

Was machen eigentlich andere Länder ohne Kirchensteuer,
sprich, die MEISTEN?
(Das ist eine rhetorische Frage, gibt ja google).

Trotzdem die Antwort eines Österreichers :wink:
Hier zahlen Kirchenmitglieder einen Kirchenbeitrag, der rechtlich betrachtet wie der Mitgliedsbeitrag bei irgendeinem Verein ist. Er ist keine Steuer und wird nicht vom Staat vorgeschrieben oder eingehoben.
Das finde ich auch völlig richtig, weil nicht einzusehen ist, dass ein Staat einerseits Religionsfreiheit garantiert und andererseits öffentlich-rechtliche Regeln aufstellt und Maßnahmen trifft, um bestimmte Religionsgemeinschaften (und nur diese) zu finanzieren. Mir ist die Rechtsgrundlage für die deutsche Kirchensteuer (Art. 140 GG iVm Art. 137 VI WMV) schon bekannt, das ändert aber nichts daran, dass ich sie im Ergebnis für unsachgemäß und gleichheitswidrig halte.
Eine Ethiksteuer für Konfessionslose würde daran nichts ändern, weil ein Kirchensteuerpflichtiger letztlich seine eigene Gemeinschaft und damit seine eigenen Interessen unterstützt, während dies bei einem Ethiksteuerpflichtigen nicht der Fall ist. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Kirchensteuer letztlich zweck- und interessensgebunden ist, was für mich ein gewisses Spannungsverhältnis zur Legaldefinition der „Steuer“ in § 3 I der deutschen Abgabenordnung darstellt (http://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__3.html).
Das Argument, die Kirche würde viele allgemeine und soziale Aufgaben übernehmen, zieht für mich auch nicht, weil sie dies freiwillig tut und natürlich nur ihr genehme Zwecke fördert. Der Staat könnte diese sozialen Aufgaben auch ohne Zwischenschaltung der Kirche wahrnehmen (volkswirtschaftlich vermutlich weitgehend aufwandsneutral und noch dazu ideologiefrei). Außerdem fließen im Gegenzug neben der Kirchensteuer erkleckliche öffentliche Mittel der Kirche zu. Schließlich hat die Kirche kein soziales Monopol, auch außerhalb der Kirche spenden viele Menschen für wohltätige Zwecke.
Als gleichheitsgemäße Lösung würde ich eine generelle Ethiksteuer bei gleichzeitiger Abschaffung der Kirchensteuer oder aber (wie z.B. in Österreich) einen privatrechtlich gestalteten Kirchenbeitrag ansehen.
Grüße, Peter

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Hallo Martinus,

Das Verhältnis von Kirche und Staat ist in Deutschland schon
ein sehr besonderes. Kirche und Staat profitieren
davon, dass die Kirche als sozialer Dienstleister auftritt.

Diesen Umstand sollte man auch in den nächsten Absätzen nicht
aus dem Blick verlieren.

Ein Sozialarbeiter
(gilt natürlich auch für andere Berufsgruppen) im kirchlichen
Dienst bekommt nämlich in der gleichen Gehaltsgruppe weniger
als der Sozialarbeiter, der kommunal bezahlt wird.

An dieser Stelle würde ich mir nun Belege wünschen, denn
meines Wissens trifft das so nicht zu - erst recht nicht in
der Generalisierung.

Ich schlage Dir vor, daß Du Dir eine Gehaltsabrechnung von einem Dir bekannten kirchlichen Sozialarbeiter geben läßt und das dann mit dem „öffentlichen Tarif“ vergleichst. Die Tabellen sind in vielen öffentlichen Bibliotheken oder bei der Gewerkschaft verdi einsehbar.

Die Kirche veröffentlicht ihre Tabellen nicht, aber wenn ein Mitarbeiter es merkt und nachfragt, bekommt er die Antwort seine Bezahlung nach Tarif sei angeglichen an den öffentlichen Tarif (damals BAT heute TvöD). Und da Gehälter im kirchlichen und im öffentlichen Dienst nicht individuell verhandelt werden, sondern nach einem vorgegebenen Gefüge, ist das zu generalisieren.

Ich bitte um Verständnis, dass ich hier keine individuellen Materialien posten kann, denn mein Wissen resultiert aus Supervisions- und Organisationsberatungsprozessen. Und die unterliegen der Vertraulichkeit.

Kirchliche Sozialarbeit, egal ob von Diakonie oder Caritas
wird nämlich zum großen Teil aus öffentlichen Mitteln bezahlt.

Auch das hatten wir schon - für die laufenden Kosten trifft
das zu (und es bleibt auch bei den kleinen Beiträgen die
Frage, warum die Kirchen aus ihren Mitteln etwas bezahlen
sollen, wofür Krankenkassen und Staat Beiträge erhalten
haben). Übergangen wird dabei die Vorleistung, die häfig von
den Trägern alleine erbracht wurden.

Wenn die Kirche beispielsweise ein Jugendzentrum betreibt, dann reicht sie ihre Anträge vorher bei den öffentlichen Geldgebern ein. Es werden dann mit den Geldgebern Verträge abgeschlossen und Bestandteil des Vertrages ist auch, in welcher Stückelung und zu welchen Zeiten die Fördermittel ausbezahlt werden. Ob und inwieweit da eine Vorleistung erbracht wird, ist also auch Verhandlungssache.

Beispiel: Kirchengemeinde St. XY „vermietet“ Räume an
den Diakonieverein Z. Real geht kein Euro über den Tisch, aber
der Diakonieverein weist das als „Eigenmittel“ aus, wenn er
Anträge bei öffentlichen Geldgebern stellt.

Und wer bezahlt dann Strom, Heizung, Instandsetzung dieser
Räume? Die Kirchengemeinde, die dafür in diesem Beispiel kein
Geld sieht.

Das stimmt nicht. Auch für Unterhaltskosten, Renovierung und alles was gemacht werden muss, dass die Räumlichkeiten den Nutzungszweck zugeführt werden und erfüllen können, können Fördermittel beantragt werden.

Da die Diakonie im Gegensatz zu einem
privatwirtschaftlichen Träger, der ähnliche Zuschüsse
beantragen kann, keine Gewinne erwirtschaftet, die in privaten
Taschen landen, ist die Frage, wo die Allgemeinheit besser
fährt.

Du vergleichst Äpfel mit Kohlköpfen. Diakonie / Cariatas „konkurrieren“ nicht mit der Privatwirtschaft, sondern mit den anderen in der LIGA zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbänden, also AWO, Rotes Kreuz, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband und ZWST. Auch die dürfen keine „Gewinne einfahren“.
Abgesehen davon, ist gerade am Beispiel der Diakonie sehr deutlich, daß man bestimmte Formen sozialer Arbeit „auslagert“ (outsourcing) in andere Betriebsformen überführt und dann sehr wohl Gewinne machen kann.

Da, wo diese Strukturen aufgeweicht werden, wird deutlich, daß die kirchliche Trägerschaft nicht deshalb preisgünstiger ist, weil es die Kirche macht (z.B. Altenpflegeheime).

Dann wäre noch darüber zu reden, daß theologische Fakultäten,

Mit welchem Recht sollte der Staat dann andere
Weltanschauungen (wie sie an philosophischen FAkultäten
gelehrt werden) unterrichten? Müßte er sich nicht aus allem
heraushalten?

Eine andere Baustelle! Für mich ist nur die Frage der Gleichbehandlung relevant, das andere muss eine Gesellschaft grundsätzlich entscheiden. Wenn katholische Priester und evangelische Pfarrer an von der Allgemeinheit finanzierten Institutionen ausgebildet werden, dann auch das Personal anderer Religionsgemeinschaften. Erste Schritte in diese Richtung gibt es ja bereits.

Militärseelsorge u.a. über öffentliche Gelder finanziert
werden

…und die dafür den Staat bei der Betreuung der Soldaten, die
durch mehr Psychologen erfolgen müßte, entlastet. Sicher kann
ein Pfarrer keinen Psychiater ersetzen, wenn dessen Kenntnisse
gebraucht werden - im Gegenzug hilft aber der Psychiater auch
wenig, wenn das Problem mit einem Seelsorgegespräch gelöst
werden kann.

Wissen wir nicht - ist eher spekulativ.

  • und auch schulischer Religionsunterricht zu großen
    Teilen wenn nicht gar ganz.

Wie gesagt, so zu tun, als sei alles eins (was in LER
geschieht), ist eine weltanschauliche Entscheidung. Sie ist
nicht dezidiert christilch, nicht dezidiert antichristlich,
aber sie ist auch nicht neutral, da sie eindeutig die Position
„alle sind gleich“ bezieht. Der Staat kommt aus diesem Dilemma
kaum heraus - auch nicht, wenn er allen konfessionellen
Unterricht abschaffen würde.

Durch das Konzept des Laizismus in Frankreich sieht man sehr wohl, dass es auch anders geht. Im französischen Ganztagsschulsystem ist ein Nachmittag - früher war es der Mittwoch - frei. Da kann dann jeder zu seiner religiösen Unterweisung in die Kirche, Synagoge, Moschee oder was auch immer gehen.
Aber das würde einen Systemwechsel voraussetzen.

Für einen Pfarrer oder eine Religionspädagogin, die an öffentlichen Schulen Religionsunterricht erteilen, bekommt die Kirche Gelder von der öffentlichen Hand.

Ein ökumenisches Frauenzentrum in Berlin, das es seit nach der
Wende gibt, beklagt seit genau dieser Zeit, daß sich die
Kirche bei diesem Projekt, das mehrere hauptamtlich
angestellte Mitarbeiterinnen hat, nicht bei der Finanzierung
beteiligt, d.h. die christlich-religiösen Angebote, die da
laufen, werden staatlich finanziert.

Überhaupt keine Spenden? Es ist ein wenig einseitig, nur die
Gelder als „kirchlich“ anzuerkennen, die unmittelbar aus
kirchlichen Haushalten stammen.

Über eine Vereinsstruktur gibt es Mitgliedsbeiträge und Spenden.
Nur weiß ich nicht, was Du damit sagen willst, daß nur das, was aus kirchlichen Haushalten kommt kirchliche Gelder seien.
Was wäre denn das Äquivalent bei AWO- oder Rotkreuzeinrichtungen.

Die Gelder, die von der öffentlichen Hand kommen, sind „öffentlich“, die von der Kirche kommen „kirchlich“ und ansonsten Stiftungen, Spenden, Vereinsbeiträge, sogenannte „Lottomittel“.

Ich halte mich an die üblichen Unterscheidungen, wie sie in Etataufstellungen verwendet werden.

Ich denke, an diesen paar Beispielen ist hinreichend deutlich
geworden,…

Es gibt, wie bereits erwähnt, immer Beispiele für die eine
oder für die andere Seite. Solange stets eins gegen das andere
gereiht wird, statt einen repräsentativen Überblick zu bieten,
wird sich nie ein objektives Bild ergeben.

Ich argumentiere aber nicht „individuell“, sondern „strukturell“ und belege mit Einzelbeispielen. Und da ich in mehreren Bundesländern zugange war und sowohl Einblicke in den katholischen und den evangelischen Bereich hatte, ist das mehr als nur ein individueller
Eindruck.

Abgesehen vom kirchlichen Auftrag im Hinblick auf das
Engagement für soziale Gerechtigkeit, finde ich es deshalb
infam, wenn es in dem von Dir zitierten Artikel heißt:

Blum argumentierte: «Schließlich nehmen auch
Nicht-Kirchensteuerzahler häufig soziale Dienste oder
Seelsorger in Anspruch.»

Wieso ist das infam? Stimmt es etwa nicht? wie viele
Nichtkirchenmitglieder lassen sich denn von kirchlichen
Beratungsstellen z.B: zum Schwangerschaftsabbruch helfen? Der
angedrohte Ausstieg der kath. Kirche vor ein paar Jahren hat
deutlich gemacht, daß der Staat diese Lücke gar nicht
schließen könnte.

Auch diese Beratungsstellen werden aus öffentlichen Geldern mitfinanziert. Die Struktur der katholischen Schwangerschaftskonfliktberatung hat sich übrigens einiges geändert.
Und ob diese Angebote von Pro Familia oder anderen Trägern bei gleicher Finanzierung übernommen werden könnten, ist müssig zu diskutieren.

Ich habe auch nichts dagegen, dass es kirchliche Sozialarbeit gibt. Wer mag, soll auch katholische oder evangelische Sozialarbeit in Anspruch nehmen. Mir geht es nur um die Heuchelei, die den Eindruck erweckt, kirchliche Sozial- und Kulturarbeit würde überwiegend oder ganz aus Kirchensteuern bezahlt und die nicht-kirchlichen Leute, die das in Anspruch nehmen, seien Trittbrettfahrer.

Im Sinne der Vielfältigkeit finde ich es wünschenswert, wenn möglichst viele unterschiedliche Angebote gemacht werden können.

Problematisch wird das Ganze aus meiner Sicht dann, wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen, also in der bayrischen Provinz eine Frau faktisch keinen Schwangerschaftsabbruch in der vorgegebenen Zeit über die Bühne bringen kann, weil für sie nur katholische Einrichtungen in erreichbarer Nähe sind, die sich an die Vorgaben der katholischen Kirche halten.

Viele Grüße

Iris

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Hallo Martinus,

unabhängig von den Einzelfragen sehe ich, ähnlich wie Iris, in Zusammenhang mit der Forderung des Professors das Problem, dass über die Wahl des religiösen Bekenntnisses ein moralisches Urteil gefällt wird. Früher wurde jemandem, der sich von der Kirche abwendet, ewige Verdammnis oder was auch immer angedroht. Heute zieht das nicht mehr so, deswegen kommt jetzt das Argument, man schade der Gemeinschaft.

Selbst wenn dir Kirchensteuer sozialen Zwecken diente, fiele es mir schwer, darin einen großen Vorteil zu sehen. Um mal bei dem von dir angeführten Beispiel zu bleiben: Wenn eine Frau ungewollt schwanger wird und sich in einer verzweifelten Lage befindet, warum sollte sie dann gerade von einer kirchlichen Instanz beraten werden? Wo ist deren ethisch-moralische Kompetenz, wenn die Moralvorstellungen in kompletter Abhängigkeit von einem bestimmten Glaubenssystem gebildet werden, in dem die freie Entscheidung bei bestimmten Fragen willentlich abgelehnt wird?

Gruß + Frohe Weinachten
Ultra

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Hallo,

ich halte es für ein billiges Vorurteil, dass die meisten Leute aus der Kirche austreten, um die Steuer zu sparen.

Ich bin z.B. ausgetreten, weil ich schlicht und ergreifend mit dem Christentum und dem Glauben an irgendeinen Gott nichts anfangen kann. Andere treten aus, obwohl sie an Gott glauben. Sie teilen allerdings nicht unbedingt die konservativen Wertvorstellungen der Kirchen und die daraus resultierende Politik und möchten diese schlicht und ergreifend nicht finanzieren.

Die Steuergründe werden meiner Meinung nach hauptsächlich von den Kirchen unterstellt, um nicht zugeben zu müssen, dass sich viele Menschen nicht mehr mit den Glaubensinhalten und den Werten des Christentums identifizieren können.

Ausserdem nutze ich keinerlei kirchliche Angebote und sogar die meisten Christen besuchen nicht regelmäßig Gottesdienste etc., obwohl sie dafür zahlen. Das Argument, dass auch Nichtchristen die Angebote nutzen würden, halte ich daher für nicht glaubhaft (von Einzelfällen einmal abgesehen).

Gegen sowas wie eine Ethiksteuer hätte ich grundsätzlich trotzdem nichts. Allerdings müsste man dafür erst die Grundlagen schaffen. Ich möchte mir gerne aussuchen können, wessen soziale Angebote ich nutzen und finanzieren möchte. Die kirchensteuerzahlenden Christen unterstützen schließlich auch IHRE Wertegemeinschaft und nicht IRGENDEINE.

Viele Grüße!

Hallo Ultra,

Um mal bei
dem von dir angeführten Beispiel zu bleiben: Wenn eine Frau
ungewollt schwanger wird und sich in einer verzweifelten Lage
befindet, warum sollte sie dann gerade von einer kirchlichen
Instanz beraten werden?

Gegenfrage: Warum nicht - solange es eine Wahlfreiheit gibt und die Frau nicht zu einer kirchlichen Beratungsstelle gehen muss , weil es keine andere in erreichbarer Nähe gibt. Jeder Beratung liegt ein Wertesystem zugrunde, warum sollte also in einer christlich geprägten Gesellschaft ein christlich geprägtes Wertesystem tabu sein.
Jede/r Sozialarbeiterin, Psychologin, Psychotherapeutin etc. hat ein Wertesystem, das er / sie hoffentlich in der Ausbildung zu reflektieren gelernt hat.

Wo ist deren ethisch-moralische
Kompetenz, wenn die Moralvorstellungen in kompletter
Abhängigkeit von einem bestimmten Glaubenssystem gebildet
werden, in dem die freie Entscheidung bei bestimmten Fragen
willentlich abgelehnt wird?

Soziale und psychologische Beratung ist - per definitionem - ein Geschehen, das ergebnisoffen ist. Und auch innerhalb einer Religion gibt es ein Spektrum an Meinungen, Handlungsalternativen zu einer Fragestellung. Beratung ist kein Indoktrinationsprozeß.

Viele Grüße und frohe Feiertage

Iris

Hallo,

ich bin konfessionslos und zahle meinen Obolus an den BfG. Ich würde mich weigern eine Ethik-Steuer zu entrichten.

Konfessonslos heißt übrigens nicht gleich religions-/weltanschauungslos. Nur weil man nicht katholisch oder evangelisch ist, heißt es noch lange nicht, dass man nicht an eine andere Religions-/Weltanschauungsgemeinschaft Mitgliedsbeitrag zahlt, die nicht durch die Kirchensteuer erfasst wird.

Gruß Tanja