Fachbegriff für psychologisches Phänomen gesucht

Hi.

Ich will mal eine psychologische Fragestellung hier posten, da mir das Psychobrett eher laienhaft erscheint.

Ich suche nach Fachbegriffen für ein gewisses psychologisches Phänomen, das nicht einfach zu beschreiben ist. Vielleicht so:

Jemand kann anderen gegenüber sehr überzeugend (weniger intellektuell, eher emotional) das reine Gegenteil dessen darstellen (verbal), was eigentlich Fakt ist. Z.B. stellt sich jemand mit Verve als Superchecker dar, dem kein Problem zu kompliziert ist, und ist aber de facto ein Totalversager und Loser. Oder jemand ist innerlich komplett verknallt, ja besessen von einer anderen Person, zeigt sich dieser aber mit direktem Kontakt gleichgültig oder aggressiv und verächtlich ablehnend. Der Punkt ist, dass in solchen Momenten diese Personen so echt wirken, dass man kaum glauben kann, dass die psychologische (oder soziale) Wahrheit eine völlig andere ist, diametral entgegengesetzt.

Zur Illustration nenne ich J. Edgar Hoover (früherer FBI-Chef), der ein gefürchteter Schwulenjäger war, selbst aber an Homogruppensex aktiv teilnahm (Details sind bekannt).

Wichtig bei meiner Fragestellung ist der Punkt, dass die in Frage stehende Person a) ungemein überzeugend wirkt und b) zumindest in diesen Moment auch selbst davon überzeugt ist (hier dürfte Angst ein Motiv sein). Es geht NICHT um eine bewusste Show, sondern um ein zwanghaftes, unbewusst gesteuertes Verhalten.

Vielleicht finden sich im Dunstkreis von Zwangsneurose, Psychose oder Schizophrenie irgendwelche klinischen Begriffe, die solche Phänomene beschreiben.

Gruß

Hi Horst

Ich will mal eine psychologische Fragestellung hier posten, da
mir das Psychobrett eher laienhaft erscheint.

Der Sinn dieser Vorrede bleibt (mir) dunkel, dennoch…

Der Punkt ist, dass in solchen Momenten diese
Personen so echt wirken, dass man kaum glauben kann, dass die
psychologische (oder soziale) Wahrheit eine völlig andere ist,
diametral entgegengesetzt.

Diese Phänomene kannst du bei veschi8edenen Persönlichkeitstypen anreffen, z.B. beim hysterisch akzentuierten Persönlichkeitstyp, aber auch bei einem ganz anderen, z.B. der schizoid akzentuierten Persönlichekt, welche durch Abspaltung diese Gegensätze bei sich trennen kann.
Gruß,
Branden

Hi, danke. Ich postete das ursprünglich im Sozialbrett, die schoben das dann hierhin. Auch gut. Natürlich gibt es beim geschilderten Phänomen viele Spielarten und Nuancen, grob gesagt, von rein suggestiver Manipulation bis zur klassischen Bewusstseinsspaltung. Wie aber könnte man das Phänomen - vor allem in seinen extremeren Ausprägungen - genauer bezeichnen oder beschreiben? Das Kernmotiv hinter dem Phänomen ist ja die Angst, dass der Andere Kenntnis der Fakten bekommen könnte (in den Beispielen: Versagertum, besessene Verliebtheit, eigene Homosexualität). Also wird ihm - und in jenen Momenten auch sich selbst - ein völlig anderer Sachverhalt vorgespielt, das aber so täuschend echt, dass der Verdacht auf Bewusstseinsspaltung mehr als naheliegt. Gibt es einen terminus technicus für diesen Psychomechanismus?

Gruß

Gibt es einen
terminus technicus für diesen Psychomechanismus?

Nicht wirklich. Vielleicht meinst du das „Münchhausen-Syndrom“, aber ich fürchte, dass es in der seriösen Psychopathologie keinen zusammenfassenden Begriff für die vielen Aspekte, die du anführst, gibt.
Gruß,
Branden

Abwehrmechanismen
Hi,

da mir das Psychobrett eher laienhaft erscheint.

Deine beiden Beispiele haben die Signatur eines sog. „Abwehrmechanismus“. Das ist ein Begriff, besser: ein Konzept, aus der Psychoanalyse, das einem Laien allerdings notwendig unüberschaubar ist.

Indem ich es unter Abwehrmechanismus subsumiere, will ich keineswegs Brandens Vorschlag widersprechen. Würde es, wenn schon, dann aber eher unter die histrionische oder noch eher die narzißtische Persönlichkeit einordnen, als unter die schizoid akzentuierte.

Das Angedeutete ist allerdings eh weniger eine Signatur einer generellen Persönlichkeitsstruktur, als vielmehr eine thematisch oder situativ induzierte Verhaltensart.

Dein Beispiel von Abwehr:

stellt sich … mit Verve als Superchecker dar … ist aber de facto ein Loser.

würde ich spezieller bei einer narzißtischen (= narzißtisch verletzten) Persönlichkeit suchen und dann als „Verleugnen“ oder „Repression“ interpretieren. Vielleicht aber auch unter „Suppression“, die allerdings nicht unter die Abwehrmechanismen zählt. Unterscheiden kann das ein ungeübter Beobachter allerdings nicht, und aus der bloßen interaktionslosen Beobachtung heraus sowieso nicht.

Das andere Beispiel:

innerlich komplett verknallt, ja besessen von einer anderen Person, zeigt sich dieser aber … gleichgültig oder aggressiv und verächtlich ablehnend.

dürfte dagegen eine sog. „Reaktionsbildung“ („aggressiv“, „verächtlich ablehnend“) sein oder eine sog. „Verneinung“ („gleichgültig“ oder „ignorierend“). Beides deutet deutet jedoch erst recht nicht in die Richtung einer generellen Persönlichkeitsstruktur (oder Persönlichkeitsstörung), sondern dürfte einfach eine person- oder problembezogene Bewältigungsstrategie der (offenbar verhinderten) positiv überwältigenden affektiven Impulse sein.

Der Punkt ist, dass in solchen Momenten diese
Personen so echt wirken, dass man kaum glauben kann, dass die
psychologische (oder soziale) Wahrheit eine völlig andere ist, diametral entgegengesetzt.

Genau das ist die Eigenschaft einer bestimmten Gruppe von Abwehrmechanismen.

Zur Illustration nenne ich J. Edgar Hoover (früherer
FBI-Chef), der ein gefürchteter Schwulenjäger war, selbst aber
an Homogruppensex aktiv teilnahm (Details sind bekannt).

Das ist ja nun ein völlig anderer Typ von Beispiel. Hier dürfte wohl eher eine politische Opportunismus-Taktik oder eine Intrigenstrategie eine Rolle spielen.

Wichtig bei meiner Fragestellung ist der Punkt, dass die in
Frage stehende Person … zumindest in diesen Moment auch selbst davon überzeugt ist

Das kann ein ungeschulter Beobachter gar nicht entscheiden.

(hier dürfte Angst ein Motiv sein). Es geht NICHT um eine
bewusste Show, sondern um ein zwanghaftes, unbewusst gesteuertes Verhalten.

Mit neurotischem Zwang haben alle deine Beispiel nichts zu tun. Und ob es unbewußt ist, läßt sich eh nicht sagen ohne ein ganz spezifisches Interaktions-Setting. Nur, falls das Verhalten unbewußt ist (was wir aber aus den Beispielen allein nicht entscheiden können, auch du nicht), sind es Abwehrmechanismen. Wenn sie nicht unbewußt sind, sind es schlicht sozialinteraktive Taktiken.

Vielleicht finden sich im Dunstkreis von Zwangsneurose,
Psychose oder Schizophrenie irgendwelche klinischen Begriffe,
die solche Phänomene beschreiben.

Damit hat das Ganze nun wiederum überhaupt nichts zu tun.

Gruß
Metapher

Gibt es einen
terminus technicus für diesen Psychomechanismus?

Ich würde an dieser Stelle spontan das „Dr. Jackel&Hide“-Syndrom erfinden. Ansonsten dürfte Branden wahrscheinlich recht haben. Was mich interessiert: Wozu benötigst Du einen Fachbegriff? Viel interessanter wäre (wie Du ja auch Dir wünscht), die Einzelheiten und Hintergründe solch unheimlichen Verhaltens zu durchleuchten; dazu sollte man sich einen speziellen Fall herausgreifen, zunächst alles sammeln was von ihm bekannt ist und dann überlegen, was die Ursache der ganzen Symptomatik darstellen könnte. Am allerbesten wäre, von demjenigen Träume zu kennen und ihn dazu bewegen zu können, Freie Assoziationen über die Symbole anzustellen - man erhielte dadurch einen Einblick ins Un- und Vorbewusste, die sehr viel mehr aussagen, als sich über eine Gesprächs- und Verhaltensanalyse herausfinden ließe. Vermutlich dürfte aber sehr schwer sein, das dazu benötigte Vertrauen solcher Person zu gewinnen.