Fäkalsprache

Hallo!

Der Gebrauch der Fäkalsprache im persönlichen Umgang ist für mich etwas, mit dem ich - glücklicherweise - nicht sehr häufig konfrontiert werde.

Was mich dennoch interessiert ist, was manche Menschen dazu veranlasst, Fäkalsprache und Fäkalsprache-Beschimpfungen zu gebrauchen, ohne in Erwägung zu ziehen, dass man sich auch etwas gewählter ausdrücken könnte.

Ist das nun ein Hinweis darauf, wo diese Menschen herkommen (Elternhaus mit niedrigem Bildungsniveau, sonstige Vorbilder), wo sie sich befinden („falscher“ Umgang, evtl. Szene etc., Stress) oder wo sie hin wollen (raus aus dem anstrengenden Anstand)?
Machen bestimmte (Lebens)Umstände anfällig? Was kann die Hemmschwelle soweit sinken lassen?

Gibt es evtl. ein entsprechendes „Krankheitsbild“ und Therapiemöglichkeiten?

Ist es – gerade in der heutigen Zeit – falsch, auf jeden Fall die Etikette/Netiquette zu wahren? Oder muss man sich manchmal auf das Niveau des Gegenübers herab begeben?
Falls ja, um was zu erreichen?

Was meint Ihr?

Liebe Grüße
Birgit

Hallo Birgit!

Zunächst: Die Fäkalsprache ist eine Agressionsform. Jeder Mensch findet seinen persönlichen Umgang mit Agression - sicher auch abhängig von der Sozialschicht. Ob über die Verwendung der Fäkalsprache schon Studien angefertigt wurden, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.
Weiters wurde das erste Erziehungsziel „angepasstes Verhalten“ von „Selbstentfaltung“ und „Durchsetzungsvermögen“ abgelöst.
War früher die Erziehung zu streng, schlägt jetzt das Pendel in die andere Richtung aus.

Ich denke nicht, dass man sein hohes Niveau verlassen muss (habe da gute Vorbilder, die das auch nie nötig hatten).

Zu Deiner Frage wegen des Krankheitsbildes:
Ja, es gibt so eine Krankheitsform, mir ist der Name nur gerade entfallen, diese Menschen müssen in kurzen Abständen (oft nur eine Minute Pause) Schimpfwörter ausstoßen und können das nicht unterbinden, mit aller Selbstbeherrschung nicht. Man sagt sogar Mozart nach, dass er daran gelitten habe, und nimmt ein Gute-Nacht-Lied (ich habe den Titel vergessen, ich frage aber mal im Musikbrett nach) zum Beweis. Es gibt auch Therapieansätze, doch haben sie, soweit ich weiß, bis jetzt noch nicht zu durchschlagendem Erfolg verholfen.

Soweit meine semiprofessionellen Gedanken.

Hanna

Hallo, Birgit,

Gibt es evtl. ein entsprechendes „Krankheitsbild“ und
Therapiemöglichkeiten?

Der Fachbegriff dafür heißt Koprolalie (von grch „kopros“ = Kot „lalein“=schwätzen) beziehungsweise Scatologie
Ist wohl meist ein Zeichen dass jemand auf einer gewissen Entwicklungsstufe stehengeblieben ist. Hat auch etwas mit Exhibitionismus zu tun. Mehr dazu sagen Dir sicher die Fachleute.

Ist es – gerade in der heutigen Zeit – falsch, auf jeden
Fall
die Etikette/Netiquette zu wahren? Oder muss man sich
manchmal auf das Niveau des Gegenübers herab begeben?
Falls ja, um was zu erreichen?

(ich spreche jetzt mal nicht von krank-/zwanghaftem, sondern von fahrlässigem Verhalten)
Keinesfalls. Ich muß mich als Erwachsener nicht auf pubertärem Niveau unterhalten. Wenn es ein „Ausrutscher“ ist (wer sagt schon nie „Scheiße“) dann kann man das überhören. Wenn es überhand nimmt, muß man sich schon überlegen, was mit dem Gegenüber los ist.
Bei Erwachsenen kann ich diese Ausdrucksweise nicht tolerieren. Entweder das wird eingestellt, oder ich kann mich mit diesen Leuten nicht weiter unterhalten. Je nachdem wie wichtig mir das Gegenüber ist, mache ich entweder eine entsprechende Bemerkung oder lasse ihn einfach stehen.
Muß ich mir ja nicht antun.

Grüße
Eckard.

Hallo,

Ja, es gibt so eine Krankheitsform, mir ist der Name nur
gerade entfallen, diese Menschen müssen in kurzen Abständen
(oft nur eine Minute Pause) Schimpfwörter ausstoßen und können
das nicht unterbinden, mit aller Selbstbeherrschung nicht.

Ein Bekannter von mir leidet daran. Es heißt Tourette-Syndrom.

Gruß
Kreszenz

1 Like

Man
sagt sogar Mozart nach, dass er daran gelitten habe, und nimmt
ein Gute-Nacht-Lied (ich habe den Titel vergessen, ich frage
aber mal im Musikbrett nach) zum Beweis.

Originaltext: Wien, 2. Sep. 1788
Bona nox!
bist a rechta Ochs;
bona notte,
liebe Lotte;
bonne nuit,
pfui, pfui;
good night, good night,
heut müßma noch weit;
gute Nacht, gute Nacht,
scheiß ins Bett daß’ kracht;
gute Nacht,
schlaf fei’ g’sund und
reck’ den Arsch zum Mund.

Hanna

Man sagt sogar Mozart nach, dass er daran gelitten habe,

Hallo, Hanna,
Naja, damals hat man sich vielleicht auch ein wenig derber ausgedrückt.
In seinen Briefen an’s „Bäsle“ findet sich auch:
„Verzeihen sie mir meine schlechte schrift,
die feder ist schon alt,
ich scheisse schon wirklich bald 22 jahr
aus den nemlichen loch,
und ist doch noch nicht verrissen! -
und hab schon so oft geschissen - -
und mit den Zähnen den dreck ab-bissen.“

Daraus eine „krankhafte“ Veranlagung herzuleiten halte ich aber doch für etwas gewagt. Ist halt schon ein Unterschied wer zu wem was sagt.
Grüße
Eckard.

Hallo Eckard!

Daraus eine „krankhafte“ Veranlagung herzuleiten halte ich
aber doch für etwas gewagt.

Das war auch nicht meine Behauptung - ich weiß zu wenig über die ganze Sache (wie sich z.B. die Mehrheit der Zeitgenossen auszudrücken pflegte), um mir selbst darüber ein Urteil bilden zu können - ich habe es einmal in einem Fernsehbericht gehört. Deshalb habe ich auch keine Lust, darüber zu diskutieren :wink:

Gruß

Hanna

Ob über die
Verwendung der Fäkalsprache schon Studien angefertigt wurden,
entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.

hi hanna,

ich glaube, es gibt sowas aus den späten siebzigern.
war es rühmkorf? jedenfalls eine sammlung am arsch des volkes,
sozusagen…

ichkommnochdraufichkommnochdrauf…
bis dahin gruß,
frank

hallo und guten morgen

habe eure auführung beobachtet und habe nun eine frage zu diesem tuorette syndrom. welche menschen leiden darunter, wie kann eine solche krankheit entstehen?. wenn ein kind eine solche krankheit bekommt und man"hält es fern von schimpfwörtern" oder zumindest grösstenteils, welche ausdrücke gibt die person dann von sich? ich meine damit wenn das vokabular des betreffenden keine oder fast keine schimpfwörter beinhaltet wie äussert sich dann dieses syndrom?

grüsse

markus

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Tourette Gesellschaft Deutschland e.V.
Hallo Markus,

hier findest Du Antworten auf Deine Fragen: http://www.tourette.de/wasist/fragen_antw.shtml#11

Viele Grüße
Diana

Hallo Markus,

zur wissenschaftlichen Erläuterung hast du ja bereits einen Link bekommen; ich kann dir nur beschreiben, was ich über den von mir erwähnten Fall weiß.
Es handelt sich um einen jungen Mann (inzwischen 20 Jahre alt).
Die Ursache der Störung wird auf Komplikationen bei seiner Geburt zurückgeführt. Er wurde von klein auf in jeder erdenklichen Weise gefördert, hat mit 19 Abitur gemacht. Er ist musisch sehr begabt, spielt Klavier, schreibt Gedichte … Besonders eine (hochgebildete) Tante kümmerte (und kümmert) sich sehr intensiv um ihn.
Aber so behütet ein Kind auch aufwachsen mag, es lässt sich nicht vermeiden, dass es solche „Ausdrücke“ mitbekommt. Das gehört gewissermaßen zum natürlichen Spracherwerb - es sei denn, der Betreffende wächst in Kaspar-Hauser-artiger Isolation auf. Der Junge bedient sich in „normalen“ Phasen einer augesprochen geschliffenen Sprache. Wenn aber diese Anfälle auftreten, beginnt er zu fluchen, zu beleidigen und zu drohen.
Was er im Einzelnen dabei sagt, ist ihm anschließend meist nicht mehr bewusst. - Leider ist es inzwischen aber auch vorgekommen, dass er seine Tante und seinen Vater tätlich angegriffen hat. Das ist der Grund, warum er vor einem halben Jahr in einem Heim untergebracht werden musste - wo er sehr leidet, weil er dort natürlich bei weitem nicht so viel Zuwendung erfährt wie in seinem bisherigen Leben. Eine traurige Geschichte!

Gruß
Kreszenz

1 Like

Hallo Kreszenz,

Was er im Einzelnen dabei sagt, ist ihm anschließend meist
nicht mehr bewusst.

Klingt nach kontrollierender, liebloser Nähe.

warum er vor einem halben Jahr in einem Heim untergebracht
werden musste - wo er sehr leidet,

Sagt er das selbst?

weil er dort natürlich bei weitem nicht so viel
Zuwendung erfährt wie in seinem bisherigen Leben.

An Zuwendung welcher Art denkst du dabei besonders? Er ist neunzehn, sagst du. Will er ein eigenes Heim?

Gruß

Kreszenz

Biggi

Hallo Biggi,

Was er im Einzelnen dabei sagt, ist ihm anschließend meist
nicht mehr bewusst.

Klingt nach kontrollierender, liebloser Nähe.

Der Zusammenhang ist mir nicht klar.
Kontrollierend in gewisser Weise schon, aber als lieblos habe ich es nie erlebt.

warum er vor einem halben Jahr in einem Heim untergebracht
werden musste - wo er sehr leidet,

Sagt er das selbst?

Ja.

weil er dort natürlich bei weitem nicht so viel
Zuwendung erfährt wie in seinem bisherigen Leben.

An Zuwendung welcher Art denkst du dabei besonders? Er ist
neunzehn, sagst du. Will er ein eigenes Heim?

Er hatte sich bisher stets wahrgenommen, ernst genommen und angenommen gefühlt. Die Tante war immer für ihn da, wenn er reden oder etwas unternehmen wollte. Im Heim arbeitet er, ist aber anscheinend nicht in eine Gruppe integriert bzw. hat keine Bezugsperson.
Den Wunsch nach einem eigenen Heim (falls du damit Wohnung, Freundin …)meinst, hat er, soviel ich weiß, bisher nicht geäußert.

Gruß
Kreszenz

… daß jemand deshalb schon „krank“ ist. Vielmehr hängt der Gebrauch von Wörtern davon ab, ob sie in der Umwelt, in der sich der Sprecher aufhält, zielführend sind. Jedes Milieu ist auch ein Sprachmilieu. Nichtbenutzung der milieutypischen Sprache mit ihren Eigenheiten kann auf nicht allzu lange Sicht zu einer Sonderstellung in der Gruppe führen. Wenn Fäkalsprache benutzt wird, dann ist dies ein Hinweis darauf, daß sie für den Sprecher in einer bestimmten Umwelt vorteilhaft ist oder war. Der Vorteil kann sogar in der Kommunikationsfähigkeit selbst liegen: In bestimmten Milieus wird man gar nicht verstanden, wenn man nicht Fäkalsprache benutzt. Die meisten von uns dürften die Abhängigkeit der Kommunikationsfähigkeit vom Gebrauch bestimmter Wörter kennen: Wer z.B. „Aufpassen“ mit Coitus interruptus bezeichnet, bekommt in bestimmten Milieus die Reaktion „Hä?“ zu spüren. Nicht in das Milieu passende Wörter können auch zu einer anderen Reaktion führen, dem Lachen. Von diesem Lachen zum Ausgelachtwerden ist es dann oft kein großer Schritt mehr. Ob der Gebrauch einer bestimmten Sprache in einem Milieu sinnvoll ist, hängt also von der Gemeinschaft der Sprecher ab. Ein von der Sprechergemeinschaft losgelöstes Urteil (z.B. Fäkalsprache ist immer angebracht oder sie ist es nie) vernachlässigt die Milieuabhängigkeit des Sprachgebrauchs. So ist doch gerade das Unanständigkeitfinden bzw. Nichtunanständigfinden von Fäkalsprache Zeichen davon, daß man in einem bestimmten Milieu sozialisiert wurde.

Gruß,

Oliver Walter

selbstbestimmt leben - einzeln & frei
Hallo Kreszenz,

Den Wunsch nach einem eigenen Heim (falls du damit Wohnung,
Freundin …)meinst, hat er, soviel ich weiß, bisher nicht
geäußert.

Ist der Heimplatz kostengünstiger für ihn?
Von wem ist er wirtschaftlich abhängig?

Gruß

Kreszenz

Biggi

Probleme gibt’s …
Hallo,

Was kann die Hemmschwelle soweit sinken lassen?

wie wäre es mit Verärgerung ? Oder normalen Sprachgebrauch.

Gibt es evtl. ein entsprechendes „Krankheitsbild“ und
Therapiemöglichkeiten?

Glaube ich kaum. Es handelt sich einfach, um eine Form
der Ausdrucksweise die von Dir als „schlecht“ empfunden wird.

Ist es – gerade in der heutigen Zeit – falsch, auf jeden
Fall
die Etikette/Netiquette zu wahren?

Das war seit jeher falsch. Nicht nur heute.

Oder muss man sich manchmal auf das Niveau des Gegenübers
herab begeben? Falls ja, um was zu erreichen?

Um _verstanden_ zu werden - was immer das in diesem Zusammenhang
auch heißt.

Gruss
Enno

Anpassungsfähigkeit
Hallo Oliver,

danke! Was Du geschrieben hast klingt einleuchtend.

Wenn Fäkalsprache benutzt wird, dann ist dies ein Hinweis darauf, daß sie für den Sprecher in einer bestimmten Umwelt vorteilhaft ist oder war.

So gesehen kann ich es verstehen, dass man die für das Umfeld typische oder vorteilhafte Sprache benutzt und zwar in diesem Umfeld.

Ob der Gebrauch einer bestimmten Sprache in einem Milieu sinnvoll ist, hängt also von der Gemeinschaft der Sprecher ab.

Täuscht mich mein Eindruck oder ist das Ablegen der milieutypischen Sprache und die Anpassung an eine gemäßigte Sprache einer anderen Gemeinschaft für manche sehr schwer oder gar unmöglich? Was kann man in solchen Fällen tun?

Liebe Grüße
Birgit

Toleranz
Hallo Eckard,

danke für Deine Antwort. Nach den Fachbegriffen werde ich mal ein wenig googlen. :wink:

… Ich muß mich als Erwachsener nicht auf pubertärem Niveau unterhalten. […] Bei Erwachsenen kann ich diese Ausdrucksweise nicht tolerieren. Entweder das wird eingestellt, oder ich kann mich mit diesen Leuten nicht weiter unterhalten. […] Muß ich mir ja nicht antun.

So habe ich es bisher auch gehalten und ich glaube, das ist die beste Möglichkeit, damit umzugehen. Bekehren oder belehren kann man diese Menschen vmtl. sowieso nicht.

Liebe Grüße
Birgit

Problematisch
Hallo Enno,

… Oder normalen Sprachgebrauch.

Hmmm.

Es handelt sich einfach, um eine Form der Ausdrucksweise die von Dir als „schlecht“ empfunden wird.

Von Dir nicht?

Oder muss man sich manchmal auf das Niveau des Gegenübers
herab begeben? Falls ja, um was zu erreichen?

Um _verstanden_ zu werden - was immer das in diesem
Zusammenhang auch heißt.

Da stelle ich mir die Frage, ob ich Wert darauf legen soll, von diesen Menschen verstanden zu werden?

Liebe Grüße
Birgit

Erziehung
Hallo Hanna,

auch Dir danke!

War früher die Erziehung zu streng, schlägt jetzt das Pendel
in die andere Richtung aus.

Den Eindruck habe ich auch. Auch wenn ich das ganze Thema Kinder/Erziehung nur aus der Ferne betrachte. *g*

Liebe Grüße
Birgit