Hallo!
Wenn ich mich
irren sollte, korrigiere mich bitte NICHT, sonst gerät mein
Weltbild und mein Vertrauen in deutsche Ermittlungsbehörden
aus den Fugen. Ich (nicht als angehender Jurist, sondern als
Staatsbürger) erwarte von unseren Polizisten sehr viel mehr.
Aus der Praxiserfahrung sage ich dir, dass du deine Erwartungen nicht zu hoch schrauben solltest. Dies war zumindest eine harte Erfahrung, die ich gemacht habe:wink: Ich denke, das wird in Deutschland nicht viel anders sein als bei uns (soweit ich mit der deutschen Verwaltung zu tun hatte, habe ich jedenfalls nicht den Eindruck, dass das anders ist)
Bei allem was man so organisatorisch in den Bereich der Staatsgewalt „Verwaltung“ unterordnen kann trifft man überdurchschnittlich oft auf vollkommene juristische Inkompetenz gerade dort, wo man juristische Kompetenz erwarten würde und eigentlich auch notwendig wäre, also gerade in der ersten Instanz. Da erlassen Leute Bescheide, die weder das Materiengesetz geschweige denn das Verwaltungsverfahren auch nur ansatzweise beherrschen - irgendeine rechtliche Diskussion ist dann sowieso sinnlos, weil man dann auf die unbestreitbare Gegenbegründung stößt: Wir haben das immer schon so gemacht und wenn du dann noch als Rechtsvertreter intervenierst, ist das allenfalls verdächtig.
Also ich wollte mal einer Verwaltungsbehörde erklären, dass der Unterhaltsanspruch eine zivilrechtliche Frage ist, die als Vorfrage im Verwaltungsverfahren durch die Verwaltungsbehörde selbstständig zu prüfen ist (die Fremdenbehörde hatte nämlich in einem Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels abstruse Vorstellungen davon, von welchem Unterhalt auszugehen ist). Die einfache Antwort der Behörde: „Wir sind eine Verwaltungsbehörde, daher gilt bei uns das ABGB nicht. Deswegen haben wir eigene Vorschriften.“ Das kam aber nicht von irgendeiner Person, sondern von der, die die Bescheide unterschreibt.
Ein anderes Amt teilte mir dafür mit, dass sie als Verwaltungsbehörde keine zivilrechtlichen Vorfragen lösen - die Antwort war tatsächlich richtig, sie lösten tatsächlich keine zivilrechtlichen Vorfragen - sie hätten es aber nach dem Gesetz tun sollen:wink:
Juristische Kreativität kommt allerdings dann vor, wenn es Gründe zu suchen gilt, weshalb der Sachbearbeiter gerade nicht zuständig ist oder aber wenn es darum geht, einem Antragsteller etwas zu verwehren, was ihm eigentlich zusteht, das ihm der zuständige aber nicht geben will. Da erfand zum Beispiel doch glatt ein Amtsleiter eine Novelle zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz (die nicht im BGBl kundgemacht wurde), um eine Begründung dafür zu haben, dass die Akteneinsicht gerade jetzt nicht möglich ist.
Da ist die Polizei teilweise auch sehr kreativ, Offizialdelikte zu Privatanklagedelikten umzudefinieren, wenn es darum geht, irgendwann in der Nacht zu Unzeiten eine Anzeige in den Computer tippen zu müssen. Oder eine Ruhestörung wird da in der Nacht auch ganz schnell mal zum „ausschließlich zivilrechtlichen Problem.“
Der Grundsatz der „Arbeitsschonendsten Gesetzesinterpretation“ ist überhaupt einer der wichtigsten Interpretationsgrundsätze in der Verwaltung - da darf man sogar contra legem interpretieren!
Andererseits muss man natürlich Erfolge hervorheben, ohne lächerlich zu wirken: da berichtet dann eine Polizeiinspektion irgendwo in Hintertupfing an die Staatsanwaltschaft, dass sie einen Drogenring ausgehoben hat, weil sie eine (!) Person mit ein paar Ecstasy Tabletten erwischen konnte (ich hatte das Vergnügen diesen Drogenring zu verteidigen).
Dafür sagte ein Polizist, der einem Verdächtigen ein Schweizer Taschenmesser abgenommen hatte, in einer meiner letzten Verhandlungen als Zeuge voller Stolz (ungefragt) aus: „Also wissen Sie Frau Vorsitzende, ich bin seit zwanzig Jahren Polizist. Ich weiß daher, was ein Messer ist.“ - dieser Aussage wäre sicher Glauben geschenkt worden, leider war sie für das Verfahren nicht relevant.
In einer anderen Hauptverhandlung konnte ein Polizist als Zeuge dafür den Angeklagten vollkommen eindeutig als denjenigen identifizieren, der in einem Geschäft etwas gestohlen hat. Allerdings hatte der gleiche Polizist den Angeklagten eine Stunde vorher selbst verhaftet. Wie jemand, der zum Tatzeitpunkt in Haft saß die Tat begangen haben konnte, konnte er dann doch nicht so ganz aufklären:wink:
Die möglicherweise Betroffenen mögen mir dieses Posting nicht böse nehmen, das ist natürlich übertrieben und ich bin nunmal ein Fan von Ironie. Ich weiß schon auch, dass in der Verwaltung auch sehr gute Leute arbeiten, die selbst überhaupt nichts davon haben, dass andere ihre Arbeit nicht so gut machen. Mir ist auch bewusst, dass der Personalmangel ein Problem ist.
Trotzdem ist keine dieser Geschichten erfunden und ich hätte noch einige mehr auf Lager:smile:
Gruß
Tom