Hallo Ayse,
Auch du bist nicht schuld an dem, was dir passiert ist!
Das ist mir klar, er soll aber auch nicht darunter leiden!
Es ist nicht deine Aufgabe, sein „drunter leiden“ zu verringern, sondern dein „drunter leiden“. Ich denke, es ist der falsche Weg, zu meinen: „Es reicht ja, wenn ich leide, da muss ja nicht er auch noch leiden.“ Solang du drunter leidest, wird er mitleiden (müssen). Es bringt nichts, da was für ihn tun zu wollen, dass er nicht unter dir zu leiden hat. Es geht nur auf dem Weg, was für dich zu tun, damit du nicht mehr so viel oder so stark oder so oft drunter leiden musst.
Er kennt meine Vergangenheit. Er weiß wie und was diese bei
mir bewirkt.
Ich war von Anfang an offen zu ihm. Er auch zu mir!
Er gibt sich auch die größte Mühe, dass es für mich zumindest
in dieser Zeit etwas lebbarer ist…
Unfair finde ich eben, dass er, der nun wirklich nichts dafür
kann, darunter leiden muss.
So ganz verinnerlicht hast wohl doch doch nicht, dass du auch nichts dafür kannst.
Es ist genauso unfair, dass du drunter leiden musst, du kannst nämlich genauso „wirklich nichts dafür“.
Er muss sich schon auf mich einlassen. Er hat es ja
willentlich getan.
Eben. Er hat sich freiwillig auf dieses Leid eingelassen. Du nicht. Dir wurde es aufgebürdet. In diesem Sinn kannst du sogar noch weniger dafür. Du hast dir das nicht ausgesucht. Er schon. Vielleicht kannst du ja versuchen, diese seine Entscheidung zu akzeptieren.
Schon klar. Dennoch will ich nicht, dass er sich komplett auf
eine verkorkste Person wie mich „einstellen“ muss.
Ich will einfach endlich ein normales Leben führen, so dass
auch er ein normales Leben hat.
Ja, das kann ich verstehen, aber ich glaube, das ist falsch. Es ist unsinnig, für ihn ein normales Leben führen zu wollen. Das ist der falsche Weg. Tus für dich.
Er beschwert sich ja nicht, aber ich spüre, dass es ihm nicht
gut dabei geht.
Aus Rücksicht zu mir, sagt er nichts.
Und wie geht es dir damit? Bist du froh über seine Rücksicht, oder wäre es dir lieber, wenn er seinen Frust auch mal öfter rauslassen könnte?
Ich bin nicht schuld an meiner Vergangenheit, aber schuld
daran, dass ich es immer noch nicht überwunden habe schon…
Hm… auch das seh ich nicht so. Zum einen denke ich, dass du das vergleichsweise sehr gut überwunden hast und alles tust, was du kannst. Zum anderen, was würdest du jemandem sagen, der ähnliches durchgemacht hat, wie du aber noch viel stärker drunter zu leiden und viel weniger überwunden hat? Würdest du so jemandem tatsächlich die Schuld dran geben, dass er/sie das noch nicht so weit überwunden hat, wie du? Ich halte es für komplett falsch hier in Schuldkategorien zu denken. Wenn man das tun würde, müsste man auch deinem Mann eine Teilschuld dran geben, dass du das „immer noch nicht“ überwunden hast. Wenn du jetzt denkst „Er tut doch eh schon alles, was in seiner Macht seht.“, dann hast du da bestimmt recht. Aber du tust auch alles was in deiner Macht steht!
Das kann ich nicht sagen. Das ist eben meine Angst. Er soll
nicht aus lauter RÜcksicht auf mich, sich selbst vergessen!
Ich will eben auch nicht zuviel verlangen!
Du hast Recht, er soll nicht aus Rücksicht auf dich, sich selbst vergessen. Das seh ich ganz genau so. Aber das liegt nicht in deiner, sondern in seiner Verantwortung. Was du tun kannst, ihm klar zu machen, dass seine Bedürfnisse genauso wichtig sind, und okay sind. Dass er da auch frustriert sein darf und das auch mal zeigen darf. Dass er eben nicht ständig zurückstecken muss, aus Rücksicht auf dich. Mach ihm klar, dass es okay ist, wenn er dir seinen Frust auch mal zumutet, und dass er da keine Schuldgefühle haben muss. Er wird das aber wohl nur annehmen können, wenn er merkt, dass du dich ihm auch ohne Schuldgefühle zumuten kannst.
Ich kann nicht recht ausdrücken, was ich
meine… Es geht nicht um eine Erwartungshaltung, dass man von
seinem Partner erwartet, dass er dieses oder jenes
selbstverständlich aushält und mitmacht.
Ich erwarte das auch nicht. Er macht es, weil er mich liebt.
Aber wieviel darf man seinem Partner zumuten??
Das ist ganz deutlich, dass du das nicht erwartest. Ich hab mich da vielleicht missverständlich ausgedrückt. Mir gings nur darum, klar zu machen, dass ich das nicht meine, wenn ich gegen deine Rücksicht argumentiere.
Dein Versuch, ihn möglichst wenig davon
spüren zu lassen, macht es glaub ich nicht einfacher. Im
Gegenteil, ich könnte mir vorstellen, dass es für ihn sogar
leichter ist, wenn du ihn so viel wie möglich daran teilhaben
lässt. Trau ihm zu, damit umgehen zu können.
Da scheitert es glaub ich dran. Er ist ein sehr ruhiger
Vertreter!
Wenn ich merke, dass er nachts wieder schlecht schläft und
keine Gründe nennen kann, dann denke ich mir, dass es an den
Umständen liegt. Seine Schlaflosigkeit fällt nämlich immer in
meine depressiven Phasen!!
Siehst du? Er macht dasselbe wie du. Er will dir seine Probleme so wenig wie möglich zumuten. Versteh ich dich richtig, dass du es gut finden würdest, wenn er dir seine Probleme damit mehr zumuten würde? Wenn er nicht nur versuchen würde, dass aus Rücksicht auf dich, mit sich allein auszumachen? Wenn ja, dann mach dir das mal klar, dass du genau das mit ihm auch machst. Höchstwahrscheinlich gehts ihm ganz genauso. Ich denke, es wäre wichtig, dass ihr darüber mal redet. Und versucht, daran zu arbeiten, euch gegenseitig eure Befindlichkeiten mehr zuzumuten. Ich hab den Eindruck, dass ihr das sehr gut macht, wie ihr mit deiner Vergangenheit umgeht. Diese Offenheit und Rücksichtnahme ist etwas sehr Gutes. Aber vielleicht ist es an der Zeit, da noch einen Schritt weiter zu gehen, dass jeder von euch dem anderen zutraut, mit den Problemen und Bedürfnissen umgehen zu können.
Wenn es deinem Mann wegen irgendwas
schlecht geht, würdest du es gut finden, wenn er das aus
Rücksicht vor dir verheimlichen und nur mit sich selber
ausmachen würde?
Das würde ich natürlich nicht gut finden. Ich verheimliche es
aber nicht. Ich sage nur (vielleicht zu sachlich), dass ich
wieder mal in eine schlechten Phase bin. Meistens kann ich die
Gründe dafür nennen.
Verheimlichen war vielleicht das falsche Wort. Dass du es ihm sagst, hab ich schon so verstanden. Aber du versuchst ihn möglichst wenig damit zu belasten und das hauptsächlich mit dir allein auszumachen, oder? Und das ist genau das, was du (wenn ich dich richtig verstehe) auch nicht möchtest, dass er macht.
Er hilft mir schon sehr damit, dass er mir zuhört und
irgendwie schafft er es auch mich zum Lachen zu bringen. Man
soll nicht glauben, wie das Lachen hilft!! Ich kann ihm ganz
offen sagen, dass ich nun gerne z.B. den Rest des Tages
alleine sein möchte usw.
Er macht keine Probleme deswegen. Trotzdem macht er sich
Gedanken, das will ich halt nicht!
Ich weiß, das ist schwer, aber ich glaube, es wäre wichtig, dass du sein Opfer auch innerlich annimmst. Es ist wunderbar, wenn du ihm ganz offen sagen kannst, wenn du z. B. allein sein willst. Damit nimmst du sein Opfer ja praktisch schon an. Aber anscheinend sträubst du dich innerlich noch dagegen? Versuche zu akzeptieren, dass du dieses Opfer nötig hast. Ich bin sicher, dass du es nicht öfter forderst als nötig. Du machst auf mich ganz und gar nicht den Eindruck, dass bei dir die Gefahr von Egoismus besteht.
Ich halte es für falsch, wenn du meinst,
deine depressiven Phasen, bzw. die sexuelle Unlust für ihn
möglichst schnell überwinden zu müssen. (Du musst das für dich
überwinden.)
Eben, hauptsächlich für mich. Es geht mir aber nicht schnell
genug.
Geduld ist halt nicht meine Stärke. (Sagt er mir auch immer)
Das versteh ich gut. 
Was aber, denke ich,
auch klar sein musst, ist, dass er deine Unlust nicht aus
Rücksicht auf dich einfach stillschweigend ertragen muss. Er
darf damit auch seine Schwierigkeiten haben und darf die auch
zeigen und kommunizieren.
Zeigt er eben nicht wirklich eindeutig. Wenn ich frage, sagt
er, dass man da ohnehin nichts machen kann und wir jetzt durch
müssen!!
Na ja, damit hat er ja eigentlich auch Recht. Es ist ja auch gut, wenn er damit meistens so sachlich cool umgehen kann. Aber wenn er es manchmal nicht kann (Und ich bin sicher, er kann es nicht immer.), dann muss das eben auch okay sein dürfen. Vielleicht kannst du ihm das ja klar machen. Und zwar nicht nur, indem du es ihm sagst, sondern auch durch dein Vorbild, indem du versuchst, es dir auch selber nicht übel zu nehmen, wenn DU nicht sachlich und cool damit umgehen kannst.
Womöglich fühlt er sich schuldig
weil er diese Bedürfnisse hat und meint, dass er zu wenig
Rücksicht auf deine Vergangenheit nimmt. Aber seine
Bedürfnisse sind genauso okay und berechtigt, wie deine
Abneigung. Ich denke, es muss euch beiden gelingen, zuzulassen
und anzunehmen was ist, ohne Schuldgefühle.
Da liegt das Problem. Er fühlt sich schuldig und ich auch!
Genau! Und jeder von euch fühlt sich eben deshalb noch mehr schuldig, weil der andere sich schuldig fühlt! Merkst du was? Vielleicht könnt ihr ja versuchen, zusammen an euren Schuldgefühlen zu arbeiten.
Liebe Grüße
M.