Hallo Anuschka,
erstmal möchte ich dir sagen, dass ich es gut finde, dass du dich für diesen Bereich interessierst und auch schon eingelesen hast, was ja nicht für alle gilt, die dir geantwortet haben. Ich hatte bei meiner ersten Antwort nicht in deine Visitenkarte gesehen und daher vielleicht etwas kompliziert geantwortet. Deswegen mache ich jetzt einen neuen Versuch.
Mit deiner Klarstellung:
ersteinmal möchte ich klarstellen, dass Feminismus im Grunde
genommen keine Ideolgie ist. Das ist einfach eine
Verallgemeinerung, die nicht zutrifft. Sicher gibt es Frauen,
die sich unfair gegenübr Männern verhalten, aber genauso oft
gibt es solche Männer.
hast du selbstverständlich ganz Recht. Ich würde nur einwenden, dass du mit der Formulierung diese Kritik doch ernster nimmst, als sie eigentlich genommen werden dürfte. Jeder, der sich ein wenig in die Gender-Fragen eingelesen hat, weiß, dass gerade das nicht gemeint ist, wenn von „feministischer Ethik“ die Rede ist.
Zweitens ist feministische Ethik ein wichtiger Teil, der
gegenwärtigen Philosophie.
Genau, und nur in dieser Bedeutung ist es sinnvoll, über die Berechtigung einer feministischen Ethik überhaupt zu sprechen.
Was wäre unsere Gesellschaft ohne des Ethik?
Die Frage ist interessant und erst in den letzten Jahren eigentlich zu einem Thema der Wissenschaft geworden. Vorher hat man die Bedeutung ethischer Fragen schlicht vorausgesetzt. Wenn dich das Thema näher interessiert, kann ich dir folgendes Buch empfehlen:
Kurt Bayertz (Hg.), Warum moralisch sein?, Paderborn 2002
ISBN: 3-506-99515-4
Frank hat ja die Moral abgelehnt mit dem Hinweis darauf, dass es auf Natur und Vernunft ankomme. Wie allerdings eine Vernunft ohne Ethik aussähe, hat er nicht gesagt, denn das Ergebnis bestünde in einem Zustand, den er eigentlich von seiner Einstellung her bekämpfen müsste, nämlich in einem anarchischen Kapitalismus amerikanischer Prägung. (Aber über Frank möchte ich eigentlich nicht reden. Seine Postings kannst du im Archiv finden, wenn du dir das antun möchtest.)
Nun zur Ethik direkt. Es gibt ja verschiedene Ansatzpunkte zur
feministischen Ethik. Die jahrelange Unterdrückung der Frau
(wir leben ja immernoch ín einem patriachalem System) ist wohl
unumstritten. Dementsprechend waren auch die Frauen in
ethischen Fragen eher nicht gefragt. Ja, gerade Kant ist ein
gues Beispiel.
Abgesehen vom letzten Satz ist das völlig richtig. Ich bestreite allerdings, dass Kant ein gutes Beispiel ist. Es ist sehr einfach, einem Mann des 18. Jahrhunderts die ganze Last aufzubürden, die eine solche Position mit sich bringt. Es ist sogar Kant gegenüber etwas unfair, den dir genannte Satz als Generalablehnung Kants zu nennen, denn erstens stammt er meines Wissens aus dem Jahre 1764, also aus der sog. vorkritischen Zeit, und zweitens wurde er von Kant nicht veröffentlicht, sondern findet sich auf einem sog. „losen Blatt“ im Nachlass. Es handelt sich also erstens um ein Frühwerk und zweitens um einen einfachen beiläufig geschriebenen Notizzettel. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Satz irgendwie richtig ist, relativiert aber seine Bedeutung im Werk Kants schon sehr, meine ich. Im letzten Semester hatte übrigens Ulla Wessels mit diesem Satz an der Universität Leipzig ein Seminar angekündigt ( http://www.uni-leipzig.de/~philos/ws0304.htm ) - er ist eben sehr medienwirksam. Ähnliche Sätze lassen sich selbstverständlich auch bei Männer des 19. oder sogar des 20. Jahrhunderts finden. Kant ist also hier zwar nicht in guter Gesellschaft, aber eben ein Kind seiner Zeit, so dass man ihm nicht anlasten kann, die Emanzipation der Frau nicht auch noch antizipiert zu haben. Dass auch etwa der Marxismus von solchen Irrtümern nicht frei ist, zeigt z. B. diese Seite:
http://www.sjnoe.at/content/content.php?ID=453 .
gerade Kant ist auch ein Beispiel für Dogmatismus:denn der
Teil des kategorischen Imperativs, derzitiert wurde,ist ja
nicht der einzige. Der erste Teil lautet doch so: Handle nur
durch diejenige Maxme, durch die du zugleich wollen kannst,
dass sie ein allgemeines Gesetz wird.
Nanu, der von dir zitierte Passus über die Frauen hat mit dem Kategorischen Imperativ nichts zu tun.
Kant geht ja sogar soweit, dass er sagt, dass dieser Imperativ das
einzig wahre ist und die folgen einer mralishen Handlung egal sind,
wenn sie nur im Ansatz nach diesem Muster moralisch sind.
Das stimmt, allerdings ist das kein Dogmatismus, sondern das Ergebnis einer kritischen Untersuchung, die natürlich auch wieder in ihrer Gültigkeit befragt werden könnte. Dogmatismus liegt vor, wenn man eine bestimmte Position vertritt und davon ohne Gründe nicht lassen will.
Die Berechtigung einer solchen Ethik kantischer Prägung ist seit der Veröffentlichung umstritten. Das Problem ist, dass diese Formulierung eben als allgemeinste Fassung notwendigerweise nicht konkret genug ist, um Missbrauch zu vermeiden. Wenn man allerdings andere Stellen hinzunimmt, wird klar, dass Kant die „Person“ (unabhängig vom Geschlecht) als absoluten Wert betrachtet.
Keine Moralbegrünung, die wir bisher hatten, weder deontologisch
noch teleologisch, konnte uns befriedigen. AuchKant nicht.
Wer ist denn „uns“? Und dass keine Moralbegründung befriedigt, zeigt doch nur, wie schwierig es ist, eine befriedigende Begründung zu finden.
Der Zweite Ansatzpunkt sind die unterschiedlichen Interessen
von Mann und Frau. Daher auch meine Frage. Miller sprach diese
Careethik an (siehe Kohlbergsches Entwicklungsschema, daswill
ich jetzt hier nicht alles aufschreiben.). Frauen haben demnac
ein anderes Ethikinteresse, dass eher Situations gebunden ist.
Dies sein biologisch begründet. So soll ja auch biologisch
begründet sein, dass Frauen schlechter einparken als Männer.
Wäre es da also niht nur fair, wenn Frauen, wenn sie ein Auto
anstuppsen dafür nicht zahlen müssen (übertrieben gesagt)? Die
Frage ist also: müssen wir unsere Ethik nach den
unterschiedlichen Interessen ausbilden oder sollen wir
Gleichmacherei betreiben?
Hier verwechselst du zwei Dinge. Auf der einen Seite steht, was man grundsätzlich machen soll, egal ob man Männlein oder Weiblein ist; auf der anderen Seite steht, ob evt. eine biologische Differenz ein Verhalten entschuldigen kann. Das sind zwei völlig verschiedene Fragestellungen.
Übrigens ist seriöse feministische Ethik darauf aus, das
Zusammenlebn besser zu gestlten und generell gegen
Herrschaftssysteme (egal, ob zwschen Mann und Frau oder Weiß
und Schwarz) abzuschaffen.
Dazu würde aus meiner Sicht gehören, dass man den Herrschaftsbegriff so nicht schlicht voraussetzt, denn es ist zumindest fraglich, ob die Kritik dieser Herrschaftsbegriffs eine Ethik begründen kann. Es wird ja unausgesprochen einfach vorausgesetzt, dass es so ist, dass eine Herrschaft vorliegt. Es wird implizit sogar vorausgesetzt, dass eine solche Herrschaft vorliegen muss, die man dann trotz ihrer Notwendigkeit abschaffen müsse. Es wäre meiner Ansicht nach vielmehr zu fragen, warum und wo in welchen Fällen Herrschaft bzw. ihr Missbrauch vorliegt, um dann zu einem Herrschaftsbegriff zu kommen, der ethisch neutral ist. Denn Herrschaftsfreiheit bedeutet ja nicht notwendig Anarchie (aber das wäre ein Spezialthema).
Zur Care-Ethik und Kohlberg hätte ich noch die Anmerkung zu machen, dass ein Feminimus, der die Wirkung des Schemas auf Frauen einschränken möchte, im Irrtum befindet - das sage ich als dreifacher Vater
. Das Problem an der Care-Ethik sehe ich darin, dass sie sich auf einen dem ethische handelnden Individuum nahen Bereich beschränkt und insofern eine Abgrenzungsethik im Sinne einer Interessenethik wäre. Das halte ich für nicht annehmbar, weil damit derselbe Fehler gemacht würde wie etwa in ethnischen Abgrenzungen.
Aus meiner Sicht muss Ethik allgemein sein und müssen sich aus dieser Ethik Einzelethiken ableiten lassen, damit wir nicht eine Ethik für Männer und Frauen, für Ossis und Wessis, für Philosophen und Nichtphilosophen, für Europäer und Hopis haben, sondern eine Ethik für Menschen (und selbst hier könnte man noch das Tierreich einschließen wollen). Kant hat diesen allgemeinsten Begriff der Ethik erarbeitet (worin seine Leistung besteht), der natürlich aber in seiner jeweiligen Ausgestaltung differieren kann. Es kommt also gerade darauf an, Care-Ethik als universelle Ethik zu entwickeln. Ansätze dazu haben aus meiner Sicht Seyla Behabib (analytikorientiert) und Christine Korsgaard (kantorientiert) gemacht.
Herzliche Grüße
(entschuldige bitte, dass der Text so lang geworden ist!)
Thomas Miller