Forderung nach 'Klarheit'

Hallo Oliver,

deine Kritik ist ernstzunehmen, aber ich meine sie abweisen zu können, indem ich darauf hinweise, dass ich ja zwischen Inhalt und Form unterschieden habe. Ich versuche zu präzisieren.

Meine Absicht war zu sagen, dass Klarheit und Tiefe den Inhalt einer Erkenntnis nicht betreffen, sondern nur deren Form. Hier geht es um die Erkenntnis und den Status, den man ihr zubilligt. Ein Beispiel: Wenn Heidegger den Satz „Nichts ist ohne Grund “ umdeutet zu „(Das) Nichts ist ohne Grund“, dann ist das aus der Sicht der Gegner Heideggers ein Missbrauch, weil dieser Satz nicht klar ist, etwa weil das Wort „(das) Nichts“ nichts bedeutet.

Wer aber Heideggers Lesegewohnheiten folgt, der merkt, dass hier doch eine Bedeutung zu erkennen ist, die freilich erst zu explizieren wäre. Wenn der Satz aber eventuell auch nicht klar im Sinne sprachlicher Bedeutungsexaktheit ist, so ist er aber tief, weil er auf einen anderen Kontext verweist, den man erst einmal ins Blickfeld bekommen muss. Die Klarheit betrifft die Form des Satzes, aber nicht dessen Inhalt. Die Vertreter der Klarheit als inhaltliches Kriterium für Erkenntnis beschneiden sich selbst die inhaltliche über die Form hinausgehende Erkenntnismöglichkeit, weil sie die Form mit dem Inhalt identifizieren.

Wenn ich auf der anderen Seite von einem „inhaltlichen Gegenteil“ spreche, dann betrifft das den Begriff und seine Bedeutung, nicht die Erkenntnis, die mit diesem Begriff in Verbindung steht. Der Begriff „Klarheit“ hat als formales Gegenteil seine Negation „Unklarheit“. Aber der betrifft eben nicht den Inhalt, denn der Inhalt des Satzes „(Das) Nichts ist ohne Grund“ ist wegen der (möglichen) metaphorischen Sprechweise nicht ausschließlich an logischen, also formalen Kriterien messbar. Der Inhalt des Satzes, seine Bedeutung, deutet auf einen zusätzlichen Inhalt, der als Form eben die Tiefe hat.

Zudem denke ich, daß manche Verwender „dunkler“ Worte das
Verhältnis zwischen einem formal anspruchsvollen und einem
inhaltlich substanziellen Text nicht begriffen haben. Aus dem
formalen Aufbau eines Textes läßt sich nicht unbedingt ableiten,
wie gehaltvoll er ist.

Ich denke, dass wir hier übereinstimmen, denn genau das, was du im letzten Satz sagst, wollte ich eigentlich sagen. Worte sind nur dunkel, wenn man sie auf ihre formalen Kriterien zusammenstutzt. Es wäre natürlich schön, wenn man Heideggers Umdeutung „klarer“ sagen könnte. Popper aber (und vorher Carnap) verwirft Heidegger, weil er meint, aus der formalen Unzulänglichkeit des Heideggerschen Textes, der neue Bedeutungen schaffen möchte, auf dessen inhaltlich Unzulänglichkeit schließen zu müssen. Und genau das ist nicht zulässig oder zumindest unklug, weil man damit eine ganze Erkenntnisebene negiert.

Habe ich mich erklären können?

Gruß

Bona

P. S. Übrigens meine herzlichen Glückwünsche zum bestandenen Rigorosum! Es war hoffentlich nicht allzu stressig. :smile:

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Hallo Franz,
Da kennst du dich offenbar besser aus als ich, was ist deine Antwort?
(übrigens: oben gut gekontert!)
Gruß
oranier

über die Mystik der Worte
Hallo Bona

Die Vertreter der
Klarheit als inhaltliches Kriterium für Erkenntnis beschneiden
sich selbst die inhaltliche über die Form hinausgehende
Erkenntnismöglichkeit, weil sie die Form mit dem Inhalt
identifizieren.

Deinen Satz sollte man in die Sammlung ‚Musterbeispiele für in jeder Hinsicht unklare Sätze‘ aufnehmen … das ist kein Satz, sondern eine verknotete Angelschnur.

Wenn ich auf der anderen Seite von einem „inhaltlichen
Gegenteil“ spreche, dann betrifft das den Begriff und seine
Bedeutung, nicht die Erkenntnis, die mit diesem Begriff in
Verbindung steht.

Welche Erkenntnis bitteschön wohnt denn einem Begriff inne, die von seiner Bedeutung verschieden ist.

Der Begriff „Klarheit“ hat als formales
Gegenteil seine Negation „Unklarheit“. Aber der betrifft eben
nicht den Inhalt, denn der Inhalt des Satzes „(Das) Nichts ist
ohne Grund“ ist wegen der (möglichen) metaphorischen
Sprechweise nicht ausschließlich an logischen, also formalen
Kriterien messbar. Der Inhalt des Satzes, seine Bedeutung,
deutet auf einen zusätzlichen Inhalt,

Du bist aber scheinbar nicht in der Lage irgendetwas über den zusätzlichen Inhalt auch nur anzudeuten.

der als Form eben die Tiefe hat.

??? abstrus !

Zudem denke ich, daß manche Verwender „dunkler“ Worte das
Verhältnis zwischen einem formal anspruchsvollen und einem
inhaltlich substanziellen Text nicht begriffen haben. Aus dem
formalen Aufbau eines Textes läßt sich nicht unbedingt ableiten,
wie gehaltvoll er ist.

Ich denke, dass wir hier übereinstimmen, denn genau das, was
du im letzten Satz sagst, wollte ich eigentlich sagen. Worte
sind nur dunkel, wenn man sie auf ihre formalen Kriterien
zusammenstutzt.

Ich glaube Du irrst wenn Du Dich mit Oliver einer Meinung wähnst. Dunkel ist hier die Bedeutung des Wortes ‚das Nichts‘.

Es wäre natürlich schön, wenn man Heideggers
Umdeutung „klarer“ sagen könnte.

Was wäre denn daran schön ? Das was Dich fasziniert ist doch die von Oliver kritisierte Dunkelheit des Begriffes ‚Das Nichts‘. In dieser Dunkelheit vemutest Du Tiefe … ja gar eine ganze Erkenntnisebene, bist aber nicht in der Lage uns Deine Erkenntnis mitzuteilen, etwas über diese Erkenntnisebene zu sagen.

Du entlarvst Dich zunehmend als Wortmystiker … der hinter Worten einen verborgenen Sinn … ja ganze Welten vermutet.

Gruss Jacobias

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Form und Inhalt

Die Vertreter der
Klarheit als inhaltliches Kriterium für Erkenntnis beschneiden
sich selbst die inhaltliche über die Form hinausgehende
Erkenntnismöglichkeit, weil sie die Form mit dem Inhalt
identifizieren.

Deinen Satz sollte man in die Sammlung ‚Musterbeispiele für
in jeder Hinsicht unklare Sätze‘
aufnehmen … das ist
kein Satz, sondern eine verknotete Angelschnur.

Nach dem zehnten Lesen habe ich die Form Deines Satzes dann noch begriffen … somit erschloß sich für mich auch der Inhalt.

Was ist für Dich Form und was der Inhalt. Ich werde das Gefühl nicht los, Du mischt diese Begriffe dauernd.

Welche Erkenntnis steckt denn in der Form eines Satzes … ausser, das man über das Begreifen der Form den Inhalt des Satzes erkennt. Wenn dem so ist, was soll dann ein Satz von Dir wie : über die Form hinausgehende Erkenntnismöglichkeit

oder : weil sie die Form mit dem Inhalt identifizieren.

Wenn Form grammatikalischer Aufbau eines Satzes ist … wie bitteschön könnte man dann Form mit Inhalt verwechseln ?

Gruss Jacobias.

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Beschimpfungen
Hallo Jacobias,

ich erlaube mir, auf deine Beschimpfungen nicht einzugehen, sondern antworte nur, wo es mir sinnvoll erscheint.

Welche Erkenntnis bitteschön wohnt denn einem Begriff inne,
die von seiner Bedeutung verschieden ist.

Ich verweise auf die grundlegende Unterscheidung zwischen Begriff und Urteil, deren Explizierung hier etwas zu umfangreich ausfallen dürfte.

Dunkel ist hier die Bedeutung des Wortes ‚das Nichts‘.

Das ist nur so, weil du als Leser die formale Ebene nicht verlassen möchtest. Im übrigen scheinst du ja lernfähig zu sein, wie dein zweiter Beitrag andeutet.

Gruß

Bona

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Hallo nochmal,

Deinen Satz sollte man in die Sammlung ‚Musterbeispiele für
in jeder Hinsicht unklare Sätze‘
aufnehmen … das ist
kein Satz, sondern eine verknotete Angelschnur.

Nach dem zehnten Lesen habe ich die Form Deines Satzes dann
noch begriffen … somit erschloß sich für mich auch der
Inhalt.

dieser Satz zeigt doch, dass du zu Schnellschüssen neigst, oder?

Was ist für Dich Form und was der Inhalt. Ich werde das Gefühl
nicht los, Du mischt diese Begriffe dauernd.

Die Form ist alles, was mit dem zu tun hat, was man traditionell „Logik“ nennt, also alles rund um die Begriffe „Begriff“, „Urteil“ und „Schluss“. Der Inhalt ist das, was Wittgenstein „Sachverhalt“ nennt.

Welche Erkenntnis steckt denn in der Form eines Satzes …
ausser, das man über das Begreifen der Form den Inhalt des
Satzes erkennt.

Die Form kann verschieden sein. Zum Beispiel ist in dem genannten Heideggersatz die logische Funktion der Begriffe eine andere, je nachdem, wie man ihn versteht. Durch diese Formänderung ändert sich auch der Inhalt, aber er verschwindet nicht. Natürlich kann er verschwinden, wenn man unsinnige Sätze formuliert, aber Sätze werden nicht notwendig dadurch sinnlos, dass man deren Form ändert.

Wenn dem so ist, was soll dann ein Satz von

Dir wie : über die Form hinausgehende
Erkenntnismöglichkeit

Eine metaphorische zum Beispiel.

Wenn Form grammatikalischer Aufbau eines Satzes ist … wie
bitteschön könnte man dann Form mit Inhalt verwechseln ?

Das frage ich diejenigen, die es tun. Natürlich ist der genannte Heideggersatz sinnlos, wenn man ihn auf der Begriffsebene belässt. Wechselt man aber auf die Urteilsebene, hat er durchaus eine Bedeutung. Dieser Schritt aber wird von den Gegnern Heideggers bewusst gemieden.

Gruß

Bona

Du entlarvst Dich zunehmend als Wortmystiker … der hinter
Worten einen verborgenen Sinn … ja ganze Welten vermutet.

Wobei ja 1. gegen Mystiker nichts zu sagen ist. Ich zitiere hier mal Willigis Jäger:
„Die mystische Erfahrung bringt den Menschen dahin, dass er sich nicht mehr mit diesem vordergründigen ICH identifiziert und dadurch frei wird für eine Wirklichkeit, in der das ICH nicht mehr dominiert.“
2. Ist nicht hinter (vielen) Worten ein verborgener Sinn?
Gruß,
Branden

Hallo Branden,

gegen Mystiker nichts zu sagen ist.

in diesem Falle doch, denn es geht bei dem Problem um kommunizierbare Erkenntnisse. Mystik aber ist ein religiöses Erlebnis, das nicht vermittelbar ist. Daher wäre der Vorwurf gerechtfertigt, wenn die Theorie Heideggers nicht vermittelbar wäre. Da sie es aber ist, ist der Vorwurf falsch oder zumindest nicht einschlägig.

Ich sage nichts gegen mystische Erfahrungen, nur gegen deren Relevanz an dieser Stelle.

Gruß

Bona

Hallo Jacobias,

Du entlarvst Dich zunehmend als Wortmystiker … der hinter
Worten einen verborgenen Sinn … ja ganze Welten vermutet.

was vermutest Du selbst „hinter den Worten“?

Viele Grüße
franz

Hallo!

was ist Klarheit?

Geht es um Erkenntnis oder um eine Aussage?
Eine Erkenntnis ist klar, wenn sie im Geiste gegenwärtig und offenkundig ist! Bei einer Aussage könnte man das selbe annehmen,
(Probleme der Semiotik oder der Syntax einmal ausgeschlossen)
da aber eine klare Aussage nicht von dem selben Geist, wie hier gefordert, angenommen wird, stellt sich die Sache schon schwieriger!
Die kommunikativen Probleme, wie wir sie hier immer wieder finden, belegen das! Was dem Postenden klar und offenkundig ist, muss das
dem Lesenden noch lange nicht sein! Aus den diversesten Gründen!

warum Klarheit?

Die Frage würde imho besser: wann Klarheit heissen!
Eine Frage der Kasuistik! Wäre es verwerflich ein Problem, dessen Lösung man sich nur allmählich nähern kann, unklar zu umschreiben,
weil die Komplexität der Strukturen es nicht anders zulässt?
z.B. die Unschärferelation, in der Heuristik etc.
Oder gezielte Unklarheit als stilistisches Mittel!
Als Beispiel, die Mäeutik des Sokrates!
Wäre es da nicht eher umgekehrt, von seinen Schülern, verwerflich gewesen, Klarheit zu fordern?
In der Gesetzgebung hingegen scheint mir Klarheit eine berechtigte Forderung, aber wie man in der Praxis sieht ist es selbst dort nicht immer möglich!

für wen Klarheit(für den Hegelianer ist Hegel ganz bestimmt
nicht allzu „unklar“!)?

Auch der Hegelianer hat mal staunend angefangen, eine Frage der Inkubationszeit, eine Philosophie kann einem klar werden und muß
dies nicht a priori sein! Ein schönes Beispiel für den praktischen Effekt! Der menschliche Geist ist kein statisches, sondern ein dynamisches Phänomen!

Stellt die Forderung nach „Klarheit“ wirklich nur Anforderung
an den Schreibstil, oder ist sie nicht auch eine
inhaltliche Anforderung?

Ist das jetzt eine Frage oder eher eine Antwort?

Ich hoffe, klar und schlicht genug gewesen zu sein!

Gruß
HC

Hallo,

nachdem Du Deinen Standpunkt eingehender erläutert hast, kann ich größtenteils zustimmen. In manchen Punkten sehe ich aber auch noch Dissens, so z.B. zu Deiner These, daß die Forderung nach leichterer Verständlichkeit in einer Einschränkung der Erkenntnismöglichkeiten mündet. Ich bin durchaus der Meinung, daß der Versuch, eine Aussage leichter verständlich zu formulieren, lohnenswert ist und nicht unbedingt zu einer beschränkten Erkenntnismöglichkeit führt. Manchmal ist es nämlich so, daß sehr kompliziert formulierte Sätzen relativ einfache Aussagen beinhalten und nur die Form den Anschein der Bedeutungsschwere erweckt, obwohl der Inhalt relativ banal ist. Ich bin eher ein Freund der einfacheren Worte und mich beeindruckt mehr das, was gesagt wird, als das, wie es gesagt wird (Ausnahme ist vielleicht die Lyrik). Daß aber andererseits relativ schwierig zu lesende Texte (mein Schlüsselerlebnis war das Lesen einiger Passagen von Kierkegaards „Die Krankheit zum Tode“) nicht nur Wortgeklingel sein müssen, ist unbestritten.

P. S. Übrigens meine herzlichen Glückwünsche zum bestandenen
Rigorosum! Es war hoffentlich nicht allzu stressig. :smile:

Danke für die Glückwünsche. Stressig war´s zwar schon, aber dafür war die Zeit als Doktorand überschaubar.

Grüße,

Oliver Walter

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Hallo Oliver,

nachdem Du Deinen Standpunkt eingehender erläutert hast, kann
ich größtenteils zustimmen.

schön.

In manchen Punkten sehe ich aber
auch noch Dissens, so z.B. zu Deiner These, daß die Forderung
nach leichterer Verständlichkeit in einer Einschränkung der
Erkenntnismöglichkeiten mündet.

Das habe ich nicht gesagt bzw. nicht gemeint. Ich denke, dass dieses Argument in meinen und entsprechender Berühmtheiten Argumente oft hineingelesen wird. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass man prinzipiell geneigt ist, die eigene Position über Gebühr zu betonen. Aus meiner Sicht ist der Streit obsolet, weil beide Seite wichtige Argumente haben, die sich nicht widersprechen müssen. Und die Forderung nach Klarheit kann ich prinziell auch unterstützen, nur würde ich zusätzlich sagen, dass es Sachverhalte gibt, die nicht einfach darstellbar sind bzw. bei Überbetonung der Klarheit ein Vielfaches an (didaktisch verwendetem) Raum benötigen würden.

Ich bin durchaus der Meinung,
daß der Versuch, eine Aussage leichter verständlich zu
formulieren, lohnenswert ist und nicht unbedingt zu einer
beschränkten Erkenntnismöglichkeit führt.

Ich bin ganz einverstanden, dass das nicht zwingend der Fall sein muss. Im Falle der Kritik Carnaps an Heidegger oder der von Popper an Adorno führt es aber aus meiner Sicht leider schon dazu. Und schlimm daran finde ich, dass diese Einschränkung unnötig ist, weil aus meiner Sicht Beides vereinbar ist. Dass die Rede von Wortmystik dann sich immer weiter ausbreitet, weil es ja so leicht ist, dem, was man (zunächst) nicht versteht, generell Unverständlichkeit zu unterstellen, damit man sich selbst nicht der hermeneutische Mühe unterziehen muss, verschärft den Gegensatz nur, ist aber im Grunde doch oberflächlich.

Manchmal ist es
nämlich so, daß sehr kompliziert formulierte Sätzen relativ
einfache Aussagen beinhalten und nur die Form den Anschein der
Bedeutungsschwere erweckt, obwohl der Inhalt relativ banal ist.

Das stimmt auch, aber nicht immer. Ich erinnere mich im Moment nicht mehr wörtlich genau an die Kritik, die Popper an Adorno (und/oder Horkheimer?) gerichtet hat. Ich denke an dieses berühmte Beispiel, wo links der ellenlange Satz Adornos steht und links daneben jeweils die Kurzfassung Poppers. Ich meine mich aber zu erinnern, dass die Verkürzung nicht gänzlich dem entsprach, was der Kritisierte sagen wollte, sondern nur so in etwa, also quasi als vereinfachender Kommentar. Das ist zulässig, aber keine Eins-zu-eins-Übersetzung.
Nun kann man natürlich sagen, dass die Verkürzung das Wesentliche sei, aber das ist in philosophischen Dingen oft trügerisch, weil meistens doch noch ein Problem im Detail steckt.

Gruß

Bona

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Hallo Bona,

Das stimmt auch, aber nicht immer. Ich erinnere mich im Moment
nicht mehr wörtlich genau an die Kritik, die Popper an Adorno
(und/oder Horkheimer?) gerichtet hat. Ich denke an dieses
berühmte Beispiel, wo links der ellenlange Satz Adornos steht
und links daneben jeweils die Kurzfassung Poppers. Ich meine
mich aber zu erinnern, dass die Verkürzung nicht gänzlich dem
entsprach, was der Kritisierte sagen wollte, sondern nur so in
etwa, also quasi als vereinfachender Kommentar. Das ist
zulässig, aber keine Eins-zu-eins-Übersetzung.
Nun kann man natürlich sagen, dass die Verkürzung das
Wesentliche sei, aber das ist in philosophischen Dingen oft
trügerisch, weil meistens doch noch ein Problem im Detail
steckt.

Beispiele für diese „Übersetzungen“ findet man z.B. hier:
http://www.pinselpark.org/philosonst/10widerkau.html

Eines davon sei etwas weiter ausgeführt:

Adorno: Sie [die gesellschaftliche Totalität] produziert und reproduziert sich durch ihre einzelnen Momente hindurch.

Popper: Die verschiedenen Beziehungen produzieren irgendwie die Gesellschaft.

Möglicherweise ist ja Adornos Satz ziemlich sinnarm (ohne den Kontext kann ich das nicht überprüfen), Poppers „Übersetzung“ aber wird dadurch keineswegs sinnreicher.

Zum anderen wird in der „Übersetzung“ das dialektische Verhältnis von „Produktion und Reproduktion“ unterschlagen, stattdessen wird von Popper eine akteurstheoretische Perspektive eingenommen (methodischer Individualismus, welchem Adorno eben gerade ablehnend gegenübersteht) und von bloßer Produktion der Gesellschaft durch gesellschaftliche Beziehungen gesprochen (eben das meint Adorno n i c h t);

Darüberhinaus unterschlägt Popper die Information „durch ihre einzelnen Momente“, welche im Kontext der Hegelschen Wesenslogik eben sehr wohl Informationsgehalt besitzt, und spricht, weil er selbst diese Sicht nicht einnehmen möchte (was ja durchaus statthaft ist!), von „irgendwie“.

Insgesamt gesehen, handelt es sich aus meiner Sicht hier also weder um „Übersetzung“ noch um stilistische Vereinfachung oder gar um Ent-Mystifizierung, Ent-Elitarisierung, etc., sondern um die Übertragung einer Aussage, welche auf der Folie eines bestimmten theoretischen Hintergrundes getroffen wurde, in ein Denksystem, welches diesen Hintergrund, ob zu Recht oder zu Unrecht ist völlig nebensächlich, ablehnt.

Wohlverstanden: Damit bringe ich keine Einwände gegen Poppers Kritik an Adorno vor, sondern lediglich den Einwand, dass eine solche Kritik auf der Ebene der Zurückweisung theoretischer Annahmen geführt werden soll, und nicht auf der absolut lächerlichen Ebene von klarer Verständlichkeit, einfachen Worten, nicht-schwülstigen Stils, etc.

Viele Grüße
franz

@ Oliver: Herzlichen Glückwunsch auch von mir!

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Hallo Franz,

danke für den Link. Genau solche Beispiele meinte ich. Die Übersetzungen Poppers geben den Sinn zwar wieder, aber verkürzen ihn doch um die eine oder andere Nuance, deren Bedeutung vielleicht im Einzelzitat nicht unbedingt so auffällig ist, im ganzen Kontext gesehen aber doch wichtig erscheinen kann.

Gruß

Bona

P. S. Ich kann jetzt endlich Sternchen vergeben. Eines ist für den von dir hier gegebenen Link, der für meine Argumentation hilfreich war.

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Hallo,

Das habe ich nicht gesagt bzw. nicht gemeint. Ich denke, dass
dieses Argument in meinen und entsprechender Berühmtheiten
Argumente oft hineingelesen wird.

ich habe Deine Worte schon richtig verstanden, denn Du hast geschrieben

„Das Problem aus der Sicht derjenigen, die eine solche Tiefe fordern, ist, dass die Vertreter der Klarheit per definitionem durch ihre Voraussetzung eine über die Klarheit hinausgehende Tiefe grundsätzlich ablehnen und damit sich prinzipiell gewissen Denkmöglichkeiten verweigern, sich eine mögliche Erkenntnis abschneiden“

Das Problem ist also nicht die falsche Auslegung Deiner Worte, sondern der zu radikale Impetus.

Manchmal ist es
nämlich so, daß sehr kompliziert formulierte Sätzen relativ
einfache Aussagen beinhalten und nur die Form den Anschein der
Bedeutungsschwere erweckt, obwohl der Inhalt relativ banal ist.

Das stimmt auch, aber nicht immer.

Deshalb schrieb ich „manchmal“.

Zu Popper und Konsorten kann ich an dieser Stelle nichts sagen.

Grüße,

Oliver Walter

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Hallo Oliver,

Das Problem ist also nicht die falsche Auslegung Deiner Worte,
sondern der zu radikale Impetus.

diesen falschen Impetus finde ich gerade bei den angesprochenen Vertretern. Dein Beispiel des Kierkegaardtextes legt ja nahe, dass du damit nicht gemeint sein konntest. Die Radikalität findet man übrigens auf beiden Seiten, was dann natürlich auch auf beiden Seiten als Fehler bezeichnet werden muss.

Ich betone noch einmal, dass ich meine, dass beide Seiten in gewisser Weise Recht haben, in gewisser Weise Unrecht. Wo genau nun der eine oder der andere stimmig oder unstimmig ist, wäre eine eigene Diskussion wert, die aber vermutlich den Rahmen hier sprengen würde. Ich halte Wittgenstein und Heidegger für vereinbar, übrigens nicht nur auf die Weise, wie Karl-Otto Apel das versucht hat. Ich meine, dass man die Originaltexte beinahe ohne Abstriche (naja nicht ganz, aber weitgehend) nebeneinanderlegen könnte und dabei echte Erkenntnisse erwarten dürfte.

Die Gegensätze entstehen erst, wenn man die Lektüre der Originale durch die Schüler beider Philosophen ersetzt. Diese Schüler haben zwar auch in dem einen oder anderen Punkt nicht Unrecht, wohl aber verzerren sie (auf beiden Seiten) den eigentlichen Impetus der Originale, weil sie den einen oder anderen Punkt ihres „Meisters“ überinterpretieren bzw. zu stark in den Vordergrund rücken.

Gruß

Bona

Was ist für Dich Form und was der Inhalt. Ich werde das Gefühl
nicht los, Du mischt diese Begriffe dauernd.

Hallo Bona

Welche Erkenntnis steckt denn in der Form eines Satzes …
ausser, das man über das Begreifen der Form den Inhalt des
Satzes erkennt.

Die Form kann verschieden sein. Zum Beispiel ist in dem
genannten Heideggersatz die logische Funktion der Begriffe
eine andere, je nachdem, wie man ihn versteht. Durch diese
Formänderung ändert sich auch der Inhalt, aber er verschwindet
nicht. Natürlich kann er verschwinden, wenn man unsinnige
Sätze formuliert, aber Sätze werden nicht notwendig dadurch
sinnlos, dass man deren Form ändert.

Ist das so schwer ? Ich meine der Satz besteht doch nun wirklich aus fünf Worten: Das Nichts ist ohne Grund.

Nun erkläre doch mal anhand dieses Satzes was Deiner Interpretation nach Form und was Inhalt ist.

Wenn dem so ist, was soll dann ein Satz von
Dir wie : über die Form hinausgehende
Erkenntnismöglichkeit

Eine metaphorische zum Beispiel.

Aha : Der Satz Geld stinkt nicht hätte demnach also als Form die Bedeutung Geld riecht nicht und als Inhalt die Bedeutung Geld nimmt jeder ? Wenn dem so wäre : welch absurde Definition von Form Inhalt … und wo hast Du die denn aufgeschnappt ?

Wenn Form grammatikalischer Aufbau eines Satzes ist … wie
bitteschön könnte man dann Form mit Inhalt verwechseln ?

Das frage ich diejenigen, die es tun. Natürlich ist der
genannte Heideggersatz sinnlos, wenn man ihn auf der
Begriffsebene belässt. Wechselt man aber auf die Urteilsebene,
hat er durchaus eine Bedeutung. Dieser Schritt aber wird von
den Gegnern Heideggers bewusst gemieden.

Meine Güte … statt großer Worte erklär doch einfachmal die Sinnlosigkeit die sich auf der Begriffsebene ergibt und die Sinnhaftigkeit die sich auf der Urteilsebene ergibt.

Gruss Jacobias.

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gegen Mystiker nichts zu sagen ist.

in diesem Falle doch, denn es geht bei dem Problem um
kommunizierbare Erkenntnisse. Mystik aber ist ein
religiöses Erlebnis, das nicht vermittelbar ist.

Du erweckst doch aber die ganze den Eindruck als wäre es Dir nicht möglich den zusätzlichen Inhalt jenes Satzes zu kommunizieren.

denn der Inhalt des Satzes „(Das) Nichts ist
ohne Grund“ ist wegen der (möglichen) metaphorischen
Sprechweise nicht ausschließlich an logischen, also formalen
Kriterien messbar. Der Inhalt des Satzes, seine Bedeutung,
deutet auf einen zusätzlichen Inhalt,

Weist man Dich darauf hin, fühlst Du Dich sogar beschimpft.

Mithin hat man als unvoreingenommener Leser doch den sicheren Eindruck : der Satz erwecke bei Dir ein nicht vermittelbares religiöses Erlebnis.

Gruss Jacobias

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Du entlarvst Dich zunehmend als Wortmystiker … der hinter
Worten einen verborgenen Sinn … ja ganze Welten vermutet.

was vermutest Du selbst „hinter den Worten“?

Hallo Franz,

für mich erhalten Worte ihre Bedeutung über den Gebrauch der Worte. Sofern haben sie gewisse Ähnlichkeit mit Werkzeugen, hinter denen ich aber ebenfalls nichts vermute.

Gruss Jacobias.

ignorieren: Nonsense-Beitrag

P. S. Ich kann jetzt endlich Sternchen vergeben. Eines ist für
den von dir hier gegebenen Link, der für meine Argumentation
hilfreich war.

Ach Du Ärmster … nun, dann kann es ja endlich losgehen mit der
Sternchenkuschelei.

Gruss Jacobias.

[Team: anstoessiger Begriff geloescht]