Hallo Hendrik,
das war ein interessanter Ausflug in den Bereich der modernen
Legenden - denn um nichts anderes handelt es sich bei der
Diskussion um rückwärtig vermittelte Satansbotschaften. Das
hat m.E. die gute alte Joan Baez schön ironisch auf den Punkt
gebracht: „You don’t have to play me backwards / To get the
meaning of my verse / You don’t have to die and go to hell /
To feel the devil’s curse…“
Ich kenne zu wenig von ihr - den Textteil übrigens nicht - aber es überrascht mich doch ein wenig, dass selbst sie sich damit auseinandergesetzt hat…
Um aber auf Deine ursprüngliche Frage zurückzukommen: ich
glaube, Herrn Miller zustimmen zu können, wenn auch ich Heavy
Metal und Klassik nicht als die extremsten Pole des
Musikspektrums ansehe. Zumindest was die Wirkungsabsichten
anbetrifft, dürften tendenziell „synthetischere“
Musikrichtungen wie Drum&Bass, House usw. noch weiter von der
Klassik entfernt sein.
Es war auch nicht meine Meinung! Es ist nur so, dass fast jeder, der meine CD-Sammlung sieht, mich etwas verwirrt ansieht, wenn er zwischen dem ganzen Metalzeug auf einmal Beethoven, Chopin oder Wagner findet. Deshalb auch mein „augenscheinlich“ - viele Bekannte von mir (auch Musiker) verurteilen HM als Krach.
Du magst schonmal das Schlagwort gehört haben, Richard Wagner
sei im Grunde der erste Metaller gewesen (& Mozart der erste
Punk) - so blöd das ausgedrückt ist, so verkehrt ist es
vielleicht nicht.
Kam das Zitat mit Wagner nicht von Justus Franz? Er war zumindest der erste, von dem ich es gehört (oder gelesen?) habe.
Wenn man als Indizien z.B. das
Selbstverständnis der Musiker (hier wohl vor allem der
Komponisten) nimmt, ihre Wirkungsabsichten und die Effekte,
mit denen sie gearbeitet haben bzw. arbeiten, kann man
durchaus die ein und andere Verwandtschaft vorstellen (& denk
mal an das, was Alex aus „Clockwork Orange“ am liebsten hört,
wo man vielleicht eher frühen Heavy Metal vermutet hätte -
ausgerechnet Beethovens 9.!).
Der gute alte Ludwig van…
Während ich immer das Gefühl habe (sorry, Ihr Fans: ich muß
mangels intimer Kenntnis etwas pauschalisieren), daß Hiphop
und Drum&Bass, Techno vor allem auf die Hypnose, den Ingroup-
& Szenecharakter als primäre Wirkungsebenen setzen (bei gutem
Rap kann es wohl viel eher noch eine textliche Message sein),
hat gute Klassik eine ähnliche Wirkung wie guter* Heavy Metal:
ich nenne es mal das
Vorne-Hineingehen-und-Hintenwiederherauskommen, oder besser:
es ist Musik, die ich bewußt „durchschreiten“ kann.
Ich sehe das ähnlich. Es gibt auch sehr gute Pop-Sachen, die ich mir im Hintergrund anhöre. Aber so richtig ZUHÖREN kann ich da eigentlich nur sehr selten.
[*ich meine nicht jenen schlechten Fließband-Metal, der
ebenfalls nur per Zudröhnung zu wirken vermag. Massenware
gibt’s schließlich in jedem Genre. Umgekehrt gibt es
sicherlich auch bei Hiphop, Techno usw. besonders positive
oder hochwertige Ausnahmen]
Gerade im Metalbereich ist es (seit er sich gut verkauft) leider so, dass man von 100 neuen Veröffentlichungen ca. 80 am besten umweltverträglich entsorgt…
Ich fühle mich intensiver, wenn ich solcherlei Musik höre,
wobei mir - in Klassik & HM - durchaus bewußt ist, daß die
Unmittelbarkeit der Musik zu einem großen Teil genau geplant
und inszeniert ist — im Falle z.B. der Orchestermusik, weil
das bei 100 Musikern gar nicht anders geht, im HM, weil auch
der nunmal im Schatten gewisser Vermarktungszwänge steht. Das
muß die Musik nicht schlechter machen. Ich kann sie dennoch
genießen (früher hätte man evtl. von einem läuternden bzw.
„kathartischen Effekt“ gesprochen).
Mir fällt da spontan eine Band namens „Haggard“ ein. Die haben (wie ich finde: Sehr gut) versucht, wirklich düsteren Metal mit Kammermusik und mittelalterlichen Elementen zu verbinden. Neider haben das damals als aussichtslos verspottet. Es war auch etwas komisch, 16 Musiker auf der winzigen Bühne in der Bochumer Zeche zu sehen, aber es funktioniert. Zumal sie nichts von Klassikern „gecovert“ haben, sondern alles selbst komponiert und arrangiert!
Für mich ist gute Musik - sei’s HM oder Klassik - eine Musik,
die mich aufnimmt, aber auch wieder abkühlt - nicht nur
aufpeitscht, sondern auch wieder zurechtsetzt. Tut Techno das?
Ich weiß nicht. Sonst benötigte man wohl keine Chillout-Zones,
oder wie das heißt.
Bei TechNo habe ich das Problem, dass dort die „Musik“ vom Computern „gemacht“ wird. Mit entsprechenden Programmen bedarf es nicht viel, um so etwas zu produzieren.
Jeder, der einmal den Versuch unternommen hat, ein Instrument zu spielen, weiß, wieviel Schweiß dahinter steckt (bis das die Finger bluten - hat mal ein Gitarrist gesagt).
Ich persönlich werde nach dem „Genuss“ von Techno immer furchtbar leicht reizbar…
By the way: meine drei persönlichen Orchestermusik-Klassiker
sind Mussorgskis „Nacht auf dem Kahlen Berge“ (wovon es -
nicht ganz zufällig - auch eine HM-Version gibt; von Mekong
Delta, meine ich), die „Symphonie No. 10“ von Shostakovich und
die Suite zum „Feuervogel“ von Strawinsky (Letztere würde ich
allerdings weniger dem HM als dem Progressive Rock verwandt
sehen).
Danke für die drei Tipps - ich kenne nichts davon, werde aber beim nächsten Besuch meines heimischen CD-Geschäfts mal reinhören…
Grüße Guido