Gefährliche Übertreibung
Hallo, Du Rabauke,
„Wer dies und jenes technologisch Mögliche nicht gutheißt oder es auch nur anzweifelt, der sähe uns am liebsten wieder mit der Keule ums Feuer 'rum sitzen!“
Diese Einschätzung als Rechtfertigung für was-auch-immer einzusetzen, halte ich für ein billiges argumentatives Täuschungsmanöver; ich darf dies begründen:
1.
Die Frage nach der Sinnfälligkeit der ISS von Fritz war per se nur eine Frage, wenngleich sie einen bestimmten Zweifel nicht kaschiert. Dieser Zweifel aber ist nur eine Annahme! (Sonst handelte es sich nicht um einen Zweifel, sondern um eine [kritische] Behauptung.)
Aufgrund also nur einer solchen konkreten Annahme hin deren Urheber über die pauschale (sic!) Notwendigkeit teurer Forschung zu belehren, ist antizipatorisch und unsachlich. Mit dieser vorauseilenden Apologie mußt Du es Dir gefallen lassen, wenn man Dir stichhaltigere Argumente für die „kostspielige Forschung“ nicht zutraut…
2.
Dein Vergleich mit Tastatur (= Computer), Zentralheizung und Internet setzt in dieser Manier noch einen drauf, denn gerade jene Annehmlichkeiten sind beileibe nicht das Ergebnis kostspieliger und ergebnisoffener Forschung!
Seit der Transistor als (nicht kostenspielige) Weiterentwicklung der zufällig entdeckten Diode zur Verfügung stand, waren alle wesentlichen Bestandteile zur Herstellung von Computern gegeben und auch die Entwicklung kostengünstiger Herstellungsverfahren, die dann Dinge wie das Internet ermöglichten, waren gemessen am bereits vorher zu erwartenden Ergebnis keineswegs kostspielig.
3.
Deiner Ausführung fehlt aber vor allem ein wichtiger Punkt: Es fehlt ein Beispiel eines früheren kostspieligen Forschungsprojekts, das wie die ISS ergebnisoffen war und das die Zivilisation, ähnlich fundamental wie Computer, Internet und Zentralheizung weitergebracht hat.
Mit ergebnisoffen meine ich hier, daß die ISS Grundlagenforschung betreibt, die kein bestimmtes Forschungsziel vor Augen hat und damit ihre hohen Kosten vermutlich niemals durch konkrete Resultate wird rechtfertigen können, die anders nicht zustandegekommen wären.
Dein Ansatz, daß die Wissenschaft hierbei interdisziplinär also ganzheitlich zu sehen ist, halte ich für richtig und insofern Teile ich auch Deinen Standpunkt, daß wissenschaftliches Know-how nicht allein durch Auftragsarbeiten zu erlangen ist. Gerade die Forschung ins Blaue hinein hat viele interessante und oft genug auch nützliche Erkenntnisse geliefert.
Aber wir reden hier nicht vom Blick ins All am Mt. Palomar (VLT), der - teuer genug - keine greifbare Verbesserung unserer Lebensqualität hervorbringt, dafür aber den menschlichen Wissensdurst stillt. Wir reden auch nicht von Geldfressern wie CERN und DESY. Es geht hier vielmehr um Kosten, die um Größenordnungen höher sind und damit auch eine neue Größenordnung von Rechtfertigungsnotwendigkeit mit sich bringen. Zumindest solange, wie wir einige näher liegende, irdische Probleme mit dem gleichen Geld wenigstens noch hätten lindern können.
Es wäre jetzt aber auch falsch anzunehmen, ich würde mich gegen das ISS-Projekt aussprechen, denn da ich längst nicht alle Fürs und Widers kenne, erlaube ich mir auch nicht mehr, als zweifelnd zu fragen: „Was erwartet man noch für Vorteile für uns Menschen, in nächster Zukunft, mit diesem kostspieligen Experiment?“
Es grüßt ;o)
R o b.
[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]