Hallo!
Du sitzt auf einem hohen Ross und glaubst einen größeren Überblick zu haben als die Neurowissenschaftlern, denen Du Kategoriefehler vorwirfst. In Wirklichkeit bist Du es, der noch nicht die Tragweite der Argumente verstanden hat.
In Deinen
Worten: wir müssen uns damit anfreunden, dass es
nicht-physikalische Ursachen für physikalische Phänomene gibt.
Wenn das so wäre, dann hätte das Metaphysische Gewalt über das Physische. Sämtliche Physiker könnten ihren Beruf an den Nagel hängen und nach Hause gehen. Dieser Satz, den Du so beiläufig hinschreibst, wäre - wenn er stimmen würde - das Ende der gesamten Wissenschaft, wie sie seit Galilei betrieben wird!
Äh… das mit den 400 Jahren Wissenschaftsgeschichte und „in die
Tonne kicken“, kann ich jetzt nicht ganz nachvollziehen. Mit
dem Einbruch der „Moderne“, das meinst Du vielleicht, ist man
etwas physikalisch einseitig geworden. Aber das ist doch
längst überwunden.
Ich weiß, dass viele Menschen, die der Physik kritisch gegenüber stehen, die Quantenmechanik mit ihren Wahrscheinlichkeiten und ihrer Unbestimmtheitsrelation als Strohhalm sehen, der ihrer Meinung nach den Determinismus in seine Schranken verwiesen habe. Das ist aber mitnichten so! Die moderne Physik kann unsere Welt besser beschreiben, als die klassische Physik das je konnte. Sie ist millionenmal präziser. Unser Weltbild wurde durch sie noch viel physikalischer und rationaler. Aber das falsche Bild, das sich in den Geisteswissenschaften von der modernen Physik breit gemacht hat (und an dem die Physiker selbst nicht unschuldig sind) ist nicht aus den Köpfen zu kriegen.
Und nun noch – Du zwingst mich ja geradezu – ein Wort zur
Fliege im Auge. Wer vollständige Determination der Welt
ablehnt, sagt damit keineswegs, dass es Zusammenhänge von
Ursache und Wirkung gibt. Reflexe, zumal unbedingte Reflexe,
gehören dazu. Das Beispiel mit der Fliege taugt also nicht.
Es ging nicht um den Reflex selbst. Ich wollte daran zeigen, dass Prozesse im Gehirn verstanden werden können. Wenn die Neurowissenschaftler recht haben, dann funktionieren die höheren Hirnfunktionen gleich wie dieser unbedingte Reflex. Damit wollte ich zeigen, dass die Übertragung von trivialen Aussagen über einen Reflex auf höhere Hirnprozesse automatisch zu einem Konflikt mit der Idee des freien Willens führt.
Das wäre etwas anders, wenn Du nun auch genau sagen könntest,
wie mein Verhältnis zu dieser Fliege ist. Das ist nämlich gar
nicht mehr determiniert. Werde ich sie hassen? Bin ich stoisch
gleichgültig? Mit welchen Worten werde ich auf das Ereignis
reagieren? Wird es mich zu einer Geschichte inspirieren? Also:
Gute Nacht Determinismus und Kausalkette 
Sorry, aber von der Argumentation bin ich mehr als enttäuscht. Was Du jetzt gesagt hast, ist folgendes: „Das ist nämlich gar nicht determiniert. Es ist nicht determiniert, weil es nicht determiniert ist. Also: gute Nacht Determinismus und Kausalkette.“
Tu mir bitte einen Gefallen: Stell Dir einfach mal vor, dass Dein Gehirn vollkommen autonom, durch physikalische Gesetze rational erklärbar reagiert, und dass es Dir (bzw. Deinem Bewusstsein) nur einen Film vorspielt, in dem Du das Gefühl hast, frei zu handeln. Teil des Films sind nicht nur Deine Handlungen, sondern auch all Deine Erfahrungen, Wünsche, Abneigungen, Wahrnehmungen, … Stell Dir das einfach vor.
So. Und nun finde ein einziges logisches Argument dass es nicht so ist!
Freiheit ist keine
Kategorie der Physik und kann deshalb auch nicht durch sie
widerlegt werden.
Die Philosophie hat sich schon oft darin geirrt, was Kategorien der Physik sind.
Michael
PS: Nur um es noch einmal deutlich zu machen:
- Ich vertrete nicht den harten klassischen Determinismus, demzufolge die gleichen Parameter immer die gleichen Phänomene hervorrufen muss. Meine Definition von Determinismus ist diejenige, dass die beobachtbaren Phänomene nur von den Parametern abhängen und zwar in rationaler Art und Weise.
- Das Bild mit dem Bewusstsein, dem vom Gehirn ein Film vorgespielt wird, entspricht nicht meiner Vorstellung. Es soll hier nur dazu dienen, um mein Argument deutlicher zu machen. Meiner Meinung nach interagieren die Erregungsmuster des Gehirns nicht mit einem davon unabhängigen Bewusstsein, sondern sie sind es.