Fremdsprachen als erwachsenen lernen

Hallo WWW-lers,
neulich war ich im Restaurant mit Freunden und es kam zu einer Diskussion, die ich gerne mal hier ebenfalls zur Diskussion stellen möchte. Über viele Meinungen würde ich mich freuen!

Also:
Ein Mensch A fängt mit 30 Jahre an eine Fremdsprache zu lernen. Diese Sprache kennt er gar nicht, nicht einmal ein Wort. Diese gehört nicht zur Sprachfamilie seiner Muttersprache und sie hat sogar ein anderes Alphabet. Die Grammatik ist sonst auch ganz eine andere, als die die er gewöhnt ist.

Wieviel Zeit er sich für das Lernen der Fremdsprache nimmt, steht auch nicht zur Debatte. Also er nimmt sich soviel Zeit wie ihr wollt.

So meine Frage:
Was meint ihr? Ist es möglich, dass Herr A innerhalb eines bestimmten, nicht näher genannten Zeitraums, diese Fremdsprache so spricht, dass Muttersprachler es nicht merken und denken A ist ebenfalls einen Muttersprachler? (Bitte nicht über den Akzent reden, denn für diese Diskussion spielte keine Rolle). Ist es möglich eine so verschiedene Sprache so fehlerfrei zu beherrschen, wenn man sie als Erwachsener erst lernt?

Vielen Dank für Eure Meinungen!

Schöne Grüße,
Helena

Hallo Helena,

möglich erscheint es mir.
Meine Tante (im Iran aufgewachsen, Muttersprache Farsi, in der Schule rudimentär englisch gelernt) spricht fließend Deutsch; sie ist seit ca. 25 Jahren in Deutschland. Gelernt hat sie Deutsch tatsächlich erst in Deutschland, zuvor hatte sie auch keinen Kontakt zu dieser Sprache.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sie für eine Deutsch-Muttersprachlerin halten und den noch ganz leicht vorhandenen Akzent dem Unterdrücken eines Dialektes zuordnen.

Viele Grüße,
Nina

Hallo

Was meint ihr? Ist es möglich, dass Herr A innerhalb eines bestimmten, nicht näher genannten Zeitraums, diese Fremdsprache so spricht, dass Muttersprachler es nicht merken und denken A ist ebenfalls einen Muttersprachler?

Da verstehe ich eigentlich nicht, wieso dann der Akzent keine Rolle spielen soll. Aber gut, wenn es nur um Richtigkeit der Sprache geht, dann sage ich ja. Auf jeden Fall, wenn es um eine Sprache geht, die z. B. so unterschiedlich ist wie Russisch zu Spanisch. Allerdings ist die Grammatik da nicht völlig anders, nur ziemlich anders, ebenso nur die Schrift.

Bei Chinesisch könnte ich es nicht beurteilen, aber bei normal schweren Sprachen würde ich ja sagen.

Viele Grüße

Hallo,

ich habe mal ein Semester lang Schwedisch gelernt und mir ging es auf die Nerven, dass als Eselsbrücke für die Grammatik immer wieder der Satz fiel: „Das ist wie im Deutschen.“ Mir hätte viel mehr geholfen, wenn irgendwas „wie im Englischen“ oder „wie im Französischen“ gewesen wäre, weil das meine beiden Referenzen für Fremdsprachen sind. Meine Muttersprache spreche ich unbewusst, bei Fremdsprachen habe ich ein grammatisches Konzept im Hinterkopf, was umso mehr in den Hintergrund tritt, je besser ich die Sprache spreche. Aber es ist da.
Meiner Ansicht nach lernt Herr A die Sprache also dann relativ gut und flott, wenn sie einen ähnlichen Aufbau besitzt wie eine andere Sprache, die er gelernt hat und mit der er gut zurecht gekommen ist. Wenn er z.B. schon eine agglutinierende Sprache gelernt hat, wird er mutmaßlich mit einer zweiten agglutinierenden Sprache besser zurecht kommen als mit einer flektierenden.

Gruß
Yvette

Hallo,

ich halte es insbesondere dann für möglich, wenn die Sprache dort gelernt wird, wo sie gesprochen wird. Wenn ich mir unsere Au-Pairs der letzten Jahre so ansehe, die normalerweise erst in der Uni mit Deutsch angefangen haben, dann sind da drei dabei, die nach den sechs Semestern Uni und dem Jahr hier (mit zwei bis drei sehr anspruchsvollen Sprachkursen) schon verdammt gut waren/sind. Mit denen kannst Du Dich absolut flüssig und in schneller Sprache unterhalten. Die haben zwar eine gewisse Sprachfärbung, die hat aber nichts mit dem zu tun, was man normalerweise als russischen Akzent wahrnimmt.

Letzte Woche meldete sich zudem nach langer Zeit mal wieder unser erstes Au-Pair, gemeldet, die ich jetzt nicht dazu zähle. Die hat aber in der Zwischenzeit in Deutschland studiert und macht gerade ihr Examen in Erwachsenenbildung, und arbeitet jetzt bereits seit einem Jahr in dem Bereich. Da war jetzt auch kaum noch heraus zu hören, dass sie Russin ist. Und ihre Schwester, die vor ein paar Jahren als Au-Pair nach Deutschland kam, inzwischen hier Familie hat, und ebenfalls in der Erwachsenenbildung arbeitet, kannst Du auch nicht von der Sprache her als Russin identifizieren.

Gruß vom Wiz

Hallo Nina,

Vielen Dank für Deine Antwort! :o)))

möglich erscheint es mir.

Meine Tante (im Iran aufgewachsen, Muttersprache Farsi, in
der Schule rudimentär englisch gelernt) spricht fließend
Deutsch; sie ist seit ca. 25 Jahren in Deutschland. Gelernt
hat sie Deutsch tatsächlich erst in Deutschland, zuvor hatte
sie auch keinen Kontakt zu dieser Sprache.

Das ist so ein Beispiel wie ich ihn haben wollte! Schön! Vielen Dank!

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sie für eine
Deutsch-Muttersprachlerin halten und den noch ganz leicht
vorhandenen Akzent dem Unterdrücken eines Dialektes zuordnen.

Um Akzent ging es mir kein bißchen.
Meine Frage ist ob du als Muttersprachlerin der deutscher Sprache, mal grammatikalischen Fehlern bei ihr hörst. Manchmal sind eben grammatikalischen Fehlern, manchmal nur Nuancen, die einem nicht-Muttersprachler eben nicht bewußt sind.

Was meinst Du?

Also nochmals vielen Dank und auch einen schönen Gruß,
Helena

Hallo Simsy,

Vielen Dank für deine Antwort! :o))

Da verstehe ich eigentlich nicht, wieso dann der Akzent keine
Rolle spielen soll.

Weil es mir nur um den grammatikalischen korrekten Deutsch ging.

Aber gut, wenn es nur um Richtigkeit der Sprache geht, dann sage ich
ja.

Wie kannst du das begründen? Warum ist es so, deiner Meinung nach?

Auf jeden Fall, wenn es um
eine Sprache geht, die z. B. so unterschiedlich ist wie
Russisch zu Spanisch.

Das Beispiel passt mir sehr gut. zB. Russisch ist eine Sprache bei der allem dekliniert wird, was Buchstaben hat ;o)) (persönliche, nicht ernstgemeinte Einschätzung). Wenn ich mich richtig erinnere, haben sie 6 Deklinationen (zB lokativ, akkusativ, dativ, genitiv, ablativ,…) und die Verben haben auch verschiedene infinitiven, je nachdem ob diese Aktion schon abgeschlossen ist oder nicht (so zumindest habe ich es so in Erinnerung). Auch für Ausländer scheint die Betonung der Wörter recht willkürlich zu sein.

Wie dem auch sei, ich kann mir eben NICHT vorstellen, dass einen Erwachsenen, ab ca. 30 Jahre, in der Lage ist, das alles so zu lernen, dass er, mitte in Omsk für einen Russen aus Kaliningrad gehalten wird. Ich bin der Meinung, dass einen Russen, der diese Sprache seine Muttersprache nennt und auch beherrscht, früher oder später einen Ausdruck, einen (komplizierten) Satz oder eine Deklination heraushören wird, die falsch ist.

Wie du bestimmt weiß, Spanisch hat keine Deklinationen. Ich erfuhr erst was Deklinationen sind, als ich mit 16 Latein in der Schule hatte. Und das war mir mehr als fremd.

Auch ungarische Freunde von mir haben gesagt, dass sie in der Lage sind einen Ausländer zu erkennen, nachdem diese 5 normale Sätze eines (alltäglichen, normalen) Gesprächs gesprochen hat. Da sollen anscheinend die Verben so verzwickt sein, dass dies im späteren Jahren zu lernen völlig unmöglich sei…

Allerdings ist die Grammatik da nicht
völlig anders, nur ziemlich anders, ebenso nur die Schrift.

Na ja. Das ist Ansichtssache. Ich weiß, dass es Sprachen gibt, die noch viel unterschiedlicher sind als „nur“ Russisch zu Spanisch, aber ich behaupte hier zu sagen „ziemlich“ anders ist eine deutliche Untertreibung ;o))

Bei Chinesisch könnte ich es nicht beurteilen, aber bei
normal schweren Sprachen würde ich ja sagen.

Es ging mir um den Grundsatz.

Also, nochmals vielen Dank und einen schönen Gruß,
Helena

Hallo Yvette,

Auch dir vielen herzlichen Dank für Deine Antwort! :o)))

ich habe mal ein Semester lang Schwedisch gelernt und mir
ging es auf die Nerven, dass als Eselsbrücke für die Grammatik
immer wieder der Satz fiel: „Das ist wie im Deutschen.“ Mir
hätte viel mehr geholfen, wenn irgendwas „wie im Englischen“
oder „wie im Französischen“ gewesen wäre, weil das meine
beiden Referenzen für Fremdsprachen sind.

Mir geht es nicht genauso, aber ich kann das nachempfinden.

Meine Muttersprache
spreche ich unbewusst, bei Fremdsprachen habe ich ein
grammatisches Konzept im Hinterkopf, was umso mehr in den
Hintergrund tritt, je besser ich die Sprache spreche. Aber es
ist da.

Da sind wir uns völlig einig.

Meiner Ansicht nach lernt Herr A die Sprache also dann
relativ gut und flott, wenn sie einen ähnlichen Aufbau besitzt
wie eine andere Sprache, die er gelernt hat und mit der er gut
zurecht gekommen ist. Wenn er z.B. schon eine agglutinierende
Sprache gelernt hat, wird er mutmaßlich mit einer zweiten
agglutinierenden Sprache besser zurecht kommen als mit einer
flektierenden.

Vielen Dank, Yvette. Dass jeder egal im welchen Alter durchaus in der Lage sein kann, eine Fremdsprache sehr gut zu reden ist mir klar und da habe ich überhaupt keinen Zweifel.
Mir ging es um einen (oder mehreren?) Schritt weiter, nämlich:
Ist es ab ca. 30 Jahren möglich eine Sprache so zu beherrschen, dass selbst Muttersprachler nicht erkennen, dass sie vor einem nicht-Muttersprachler stehen? Kann einen Erwachsenen ab ca. 30 Jahren all die Nuancen, Zwischendeutungen, aber auch die möglichen Deklinationen, Konjugationen oder Satzbau so lernen, dass es einem Muttersprachler es nicht auffällt?

Ich kenne einen Mann, der schon lange in Spanien lebt. Er selber meint sogar auf Spanisch zu träumen. Er spricht fließend und ausgezeichneten Spanisch. Aber hin und wieder konjugiert er Verben, bei denen ich mir sage: „Nein. So sage ich das nicht und so würde ich das auch nicht tun.“ Das merke ich aber nur, wenn ich richtig zuhöre und aufpasse. Dann früher oder später passiert so etwas.

Nochmals vielen Dank und einen schönen Gruß,
Helena

Hallo Wiz,

Auch dir vielen Dank für deine Antwort! :o)))

ich halte es insbesondere dann für möglich, wenn die Sprache
dort gelernt wird, wo sie gesprochen wird.

Mir geht e, wie ich schon unten sagte, um bestimmte Nuancen, Nebenbedeutungen, etc… die wirklich nur einen Muttersprachler kennt. Es hat nicht mit dem Sprachfluss der nicht-Muttersprachler.
Es gibt Leute die sehr fliessend eine Sprache reden und trotzdem grammatikalisch falsch.

Wenn ich mir unsere
Au-Pairs der letzten Jahre so ansehe, die normalerweise erst
in der Uni mit Deutsch angefangen haben, dann sind da drei
dabei, die nach den sechs Semestern Uni und dem Jahr hier (mit
zwei bis drei sehr anspruchsvollen Sprachkursen) schon
verdammt gut waren/sind.

Aber ir geht es um weiter: Hast Du an ihre grammatik erkennen können, dass sie deutsch (zwar fantastisch) „nur“ gelernt haben und ihre Muttersprache eine andere ist?

Mit denen kannst Du Dich absolut
flüssig und in schneller Sprache unterhalten.

Mit mir auch! Und trotzdem…

Die haben zwar
eine gewisse Sprachfärbung, die hat aber nichts mit dem zu
tun, was man normalerweise als russischen Akzent wahrnimmt.

Mir geht es nicht um den Akzent, sondern nur um die Grammatik.

Da
war jetzt auch kaum noch heraus zu hören, dass sie Russin ist.

…und genau um diesem „kaum“ ging es mir! Wonach hast du das erkennen können? An der Verbenkonjugation? An die Deklinationen?..?

kannst Du auch nicht von der
Sprache her als Russin identifizieren.

Die Frage lautet: Hättest du sie, als deutsch-Muttersprachler für eine Muttersprachlerin deiner eigener Sprache gehalten, wenn du sie nicht vorher gekannt hättest? Oder hättest du hin und wieder einen Verb,oder dort mal eine Deklination entdeckt, die „Du sie so nie gesagt hättest“?

Darum ging es mir!

Nochmals vielen Dank und einen schönen Gruß,
Helena

Hallo helena,

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sie für eine
Deutsch-Muttersprachlerin halten und den noch ganz leicht
vorhandenen Akzent dem Unterdrücken eines Dialektes zuordnen.

Um Akzent ging es mir kein bißchen.

ich hatte dies nur erwähnt, da dies das einzige ist, das noch davon zurückgeblieben ist, Deutsch nicht als Muttersprache zu haben.

Meine Frage ist ob du als Muttersprachlerin der deutscher
Sprache, mal grammatikalischen Fehlern bei ihr hörst. Manchmal
sind eben grammatikalischen Fehlern, manchmal nur Nuancen, die
einem nicht-Muttersprachler eben nicht bewußt sind.

Sie macht durchaus mal (!) grammatikalische Fehler, jedoch keinesfalls in höherem Maße, als dies bei den Deutsch-Muttersprachlern gleicher Bildung (Abitur und Studium), die ich kenne, der Fall ist.
Umgangssprachliche Ausdrücke und Sprichwörter verwendet sie genauso wie dies bei Deutsch-Muttersprachlern üblich ist.

Viele Grüße,
Nina

Nachtrag:
Ihr sind auch etwas heiklere Nebenbedeutungen (z.B. dass manches Wort nebenbei auch eine anzügliche Bedeutung hat) bekannt; sie geht damit nicht anders um als Deutsch-Muttersprachler.

Viele Grüße,
Nina

Hallo Helena,

wenn ich es richtig verstehe, vertrittst Du ja die These, dass es für den Erwachsenen möglich sei, die Fremdsprache (nahezu) perfekt zu sprechen und suchst primär eine Bestätigung. Deshalb zunächst ganz kurz und knapp: Das vermutlich beste Beispiel für diese These sind die Hebräischkenntnisse vieler in der Diaspora geborenen und später nach Israel eingewanderten Juden.

Um das jetzt noch etwas aufzudröseln: Hebräisch unterscheidet sich sowohl in der Schrift als auch in der Grammatik deutlich von den Mutter- bzw. Alltagssprachen der meisten Einwanderer. Klar, die Grundzüge der Schrift sowie einige biblische Phrasen kennen/kannten die meisten der Einwanderer schon vor ihrer Ankunft im Land. Zudem müsste man auch eine gewisse Einschränkung im Fall der mizrachim (d.h. der „orientalischen“ Juden) machen, da deren arabische Muttersprache ja relativ nah mit dem Hebräischen verwandt ist. Dennoch sind diese Vorkenntnisse meines Erachtens mehr oder weniger zu vernachlässigen. Denn ich hatte z.B. damals auch Araber in meinem Ulpan, die bisweilen einfachste grammatikalische Konstruktionen im Hebräischen nicht verstanden haben, obwohl es diese eins-zu-eins auch im Arabischen gibt. (Dass gerade die Nähe zur Muttersprache nicht immer von Vorteil ist, kenne ich persönlich auch vom Schwedischlernen.)

Warum ist es nun gerade beim Hebräischen so, dass es sich – trotz der totalen „Fremdheit“ – so leicht lernt? Meiner Meinung nach, weil es ein zwei grundlegende Faktoren erfüllt, die wichtig sind, wenn man eine Fremdsprache (nahezu) perfekt lernen will:

Ort/Art des Sprachenlernens: Vor Ort, muttersprachliche Lehrer, (in der Regel) ausgezeichnete Lehrmaterialien – dadurch lernt es sich zweifellos besser als z.B. im Schulunterricht daheim.

Motivation: Viele (wenn auch bei weitem nicht alle) olim chadashim kommen aus religiösen/ideologischen Gründen ins Land, haben also eine deutlich klarere Motivation, die Sprache ihrer neuen Heimat zu lernen, als so mancher Gastarbeiter, der primär in ein anderes Land geht, um Arbeit zu finden. Die gemeinsame „ethnisch“-religiöse Zugehörigkeit zum „jüdischen Volk“ erleichtert zudem die Integration und verstärkt somit die Motivation, die Sprache zu lernen und oftmals sogar als neue „Muttersprache“ anzunehmen.
Die These lässt sich insofern durch Falsifizierung bestätigen, als dass es in Israel gerade die sich oft in ihre jeweilige Subkultur/Parallelgesellschaft zurückziehenden amerikanischstämmigen charedim und „nicht-jüdischen Juden“ aus der ehemaligen Sowjetunion sind, denen man ihre Fremdsprachigkeit am deutlichsten anhört.

Um diese beiden Faktoren allgemein auszuweiten: Die Chancen, dass man auch als Erwachsener eine Fremdsprache einwandfrei lernt, stehen natürlich immer besser, wenn man eine klare Motivation hat. Das kann z.B. das Leben in einem anderssprachigen Umfeld sein, aber auch der/die Lebensgefährte/-in, dessen Muttersprache man lernen möchte.

Zurück zum Hebräischbeispiel. Da gibt es noch zwei, drei rein sprachliche Aspekte, die einem helfen können, die Nichtmuttersprachlichkeit zu verbergen:

Zum einen wurde die Sprache bei ihrer „Wiederbelebung“ Ende des 19. Jahrhunderts im Vergleich zum biblischen Hebräisch durchaus vereinfacht (bzw. hat sich diese Vereinfachung im Laufe der ersten Jahrzehnte allgemein durchgesetzt). So dekliniert man beispielsweise in der Regel Verben im Präsens nicht „richtig“, sondern hilft sich mit Gerundiumformen, die man nur in Genus und Numerus an die Person anpassen muss.

Hinzu kommt, dass selbst viele Muttersprachler sehr faul sind, was gewisse Aussprache-/Grammatikphänomene angeht. Folglich würde man sich nicht automatisch als Nichtmuttersprachler outen, wenn man diesbezüglich Fehler macht. Man könnte auch noch erwähnen, dass es im Hebräischen ein paar Ethno- bzw. Soziolekte gibt, die einem beim Kaschieren der Fremdsprachlichkeit helfen könnten.

Hoffe, durch die Ausführungen ein paar Anregungen zur Diskussion beigetragen zu haben.

Gruß,
Stefan

Hallo nochmal,

vor lauter Erläuterungen zum Hebräischen hatte ich Deine Antworten auf die anderen Postings noch nicht so genau gelesen. Da ich das mittlerweile getan habe, würde ich Dich gerne noch ein wenig provozieren. :wink:

Meiner Meinung nach können (zu) gute Grammatikkenntnisse durchaus auch verräterisch sein, wie ich das schon beim Hebräischen angedeutet hatte. Denn gerade wenn man eine Sprache und ihre grammatikalischen Strukturen bewusst als Fremdsprache erlernt, kann es vorkommen, dass man deren Regeln besser beherrscht als so mancher Muttersprachler, der sie unbewusst gelernt hat. Ergo: Wenn man z.B. in der Lage ist, den Imperativ Singular stets korrekt zu bilden, unterscheidet man sich von gefühlten 95 Prozent der Deutschen. Und so habe ich dann schon so manchen Nichtmuttersprachler gerade deshalb „enttarnt“, weil er nicht zu schlecht, sondern „zu gut“ Deutsch gesprochen hat. :wink:

Gruß,
Stefan

Moin,

Was meint ihr? Ist es möglich, dass Herr A innerhalb eines
bestimmten, nicht näher genannten Zeitraums, diese
Fremdsprache so spricht, dass Muttersprachler es nicht merken

es mag Menschen geben, die binnen eines bestimmten Zeitraumes eine Sprache auf muttersprachlichen Niveau erlernen können, es gibt aber sicher auch solche, die es nicht hinkriegen werden.

Nach meiner Erfahrung sind die so begnadeten aber nicht sehr dicht gesäht. Ein früherer Kollege, geborener Pole, der als Erwachsener nach D kam und dort Deutsch lernte, spricht ein nahezu perfektes Deutsch, aber irgendwann macht er einen Fehler bei der Artikelauswahl, und zwar einen solchen, den ein Muttersprachler nicht machen würde.
Ein Freund hat eine Chinesin geheiratet und spricht Chinesisch auf einem sehr hohen Niveau, aber er macht auch irgendwann (kleine) Fehler, die einem Muttersprachler so nicht machen würde.

Dann kenne ich aber auch einen Japaner der (vom Aussehen abgesehen) rein sprachlich als Deutscher durchgehen würde.

Also ein bestimmtes:
Kommt darauf an.

Gandalf

Meiner Meinung nach können (zu) gute Grammatikkenntnisse
durchaus auch verräterisch sein, wie ich das schon beim
Hebräischen angedeutet hatte. Denn gerade wenn man eine
Sprache und ihre grammatikalischen Strukturen bewusst als
Fremdsprache erlernt, kann es vorkommen, dass man deren Regeln
besser beherrscht als so mancher Muttersprachler, der sie
unbewusst gelernt hat.

And when at last the dance was done,
He glowed as if he knew he’d won!
And with a voice to eager,
And a smile too broad, He announced to the hostess
That she was a fraud!

Her English is too good, he said,
Which clearly indicates that she is foreign.

Whereas others are instructed in their native language
English people aren’t.
And although she may have studied with an expert
Di’lectician and grammarian, I can tell that she was born
Hungarian! *

Sangoma

lyrics of „You did it!“ from My fair lady, of course

2 Like

Hallo Helena,
du sagst, der Akzent spielt in der Diskussion keine Rolle. Aer wenn es um gesprochene Sprache geht, kann man ihn noch nicht wegdenken, oder?

Konkret zu deiner Frage:
Ich denke, wenn ein Mensch intensiv lernt, sich bewusst mit der Sprache in allen Nuancen beschäftigt und mehrere Jahre im Zielland lebt - und dort auch in unterschiedlichen Umfeldern unterwegs ist, also z.B. unterschiedliche „Slangs“ kennenlernt - dann kann er die Sprache schon annähernd perfekt beherrschen.

Aber Forschungen und auch die Erfahrung sagen: An seinem Akzent werdet ihr ihn erkennen… den kriegt man nämlich kaum weg.
Ich weiß, das wolltest du nicht hören, aber das musste noch raus :smile:

Liebe Grüße, Bixie

Hallo,

Mir geht e, wie ich schon unten sagte, um bestimmte Nuancen,
Nebenbedeutungen, etc… die wirklich nur einen
Muttersprachler kennt. Es hat nicht mit dem Sprachfluss der
nicht-Muttersprachler.

Es gibt Leute die sehr fliessend eine Sprache reden und
trotzdem grammatikalisch falsch.

Ich erlebe das eher umgekehrt. Es gibt Ausländer, die die deutsche Sprache mit allen grammatikalischen und Vokabel-Nuancen perfekt beherrschen, die Du aber trotzdem sofort als Ausländer erkennst. Beispiel: Asfa-Wossen Asserate http://en.wikipedia.org/wiki/Asfa-Wossen_Asserate , der spricht und schreibt Deutsch absolut perfekt, ohne Fehler. Aber er spricht und schreibt wie jemand, der Deutsch wie eine Wissenschaft gelernt hat. Und er hat keinen lokalen Akzent - er klingt immer wie ein Ausländer.

Cheers, Felix

Lieber st-p,
nachdem das Hebräische wegen naheliegender Gründe ziemlich akzent-unauffällig ist, gebe ich ein Gegenbeispiel - das Englische. Es wird überall auf der Welt gesprochen, und es ist vergleichsweise sehr leicht, es so weit zu lernen, dass man es fließend sprechen und verstehen kann. Aber es so zu sprechen, dass man von britischen Muttersprachlern für einen britischen Muttersprachler gehalten wird, wäre ein kleines Wunder. Auf diesem Niveau ist Englisch eine äußerst schwierige Sprache, voller Sayings und Finessen. Das gelingt nur einem Menschen mit gutem Gespür für die eigene Sprache, feinem Gehör und perfektem Einfühlungsvermögen in die fremde Kultur. Da merkt man, dass Sprache nicht nur aus Grammatikregeln, Vokabeln und Lautschrift besteht. Ich würde die Eingangsfrage mit „für einen Erwachsenen eher nicht“ beantworten.
Bumi

Hallo Bumi,

Ich würde die Eingangsfrage mit „für einen Erwachsenen eher nicht“ beantworten.

dass wir uns nicht falsch verstehen: Im Grunde genommen gebe ich Dir recht. Meiner Meinung nach trifft das auf praktisch alle Sprachen und potentiellen Probanten zu.

Dennoch (bzw. gerade deshalb) finde ich Hebräisch ein interessantes Beispiel, da es eben eine so krasse Ausnahme zur Regel darstellt (bzw. darstellen kann) und dadurch besonders verdeutlicht, welche Faktoren wichtig sind, um allen Widrigkeiten zum Trotz eine Fremdsprache nahezu perfekt zu erlernen.

Gruß,
Stefan

Hallo Felix,

Auich dir vielen Dank für Deine Antwort! :o))

Ich erlebe das eher umgekehrt. Es gibt Ausländer, die die
deutsche Sprache mit allen grammatikalischen und
Vokabel-Nuancen perfekt beherrschen,

Dann stelle ich die Frage WANN sie die Sprache gelernt haben. Wie ich schon sagte, geht es darum, dass sie nicht vor dem jeweiligen 30. Geburtstag damit angefangen hätten.

Beispiel: Asfa-Wossen Asserate
http://en.wikipedia.org/wiki/Asfa-Wossen_Asserate , der
spricht und schreibt Deutsch absolut perfekt, ohne Fehler.

Ja, kann schon sein. Und deshalb weil er, wie ich in deinem Link lese, die deutsche Schule in Äthiopien besuchte.

Ich zitiere: „Asfa-Wossen went to the German school in Addis Abeba.“
Also es fällt durch den Raster. Mein Sohn, als Spanier, der er nunmal ist, wird höchstwahrscheinlich auch mit 30 perfekt deutsch schreiben…

Und auch die Uni in Tübingen wird er wohl nicht als 30-jähriger besucht haben…

Aber er spricht und schreibt wie jemand, der Deutsch wie eine
Wissenschaft gelernt hat. Und er hat keinen lokalen Akzent -
er klingt immer wie ein Ausländer.

Sehr interessant… Von dem was ich gelesen habe (nur aus deinem Link, sonst kenne ich diesen Menschen nicht), hätte ich gedacht, dass er so’nen süßes schwäbischen Akzent hat…

Nochmals danke für deinen Beitrag und einen schönen Gruß,
Helena