Freud: zwangsneurotische Verhaltensweisen?

Hi Horst,

Keiner hat irgendwen aus dem Konzept gebracht. Ich versuchte
nur, eine zu Ralfs Verständnis alternative Interpretation des
Zitats zu begründen, von der ich glaube, dass sie dem von
Freud Gemeinten näher steht.

Eben.

Es geht hier aber nicht um Freuds ambivalente Haltung zur
Religion, sondern um die Frage der Relation von Zwangsneurose
und Religion bei Freud.

Eben. :smile: Das ist doch Teil des Ambivalenten. Ich habe
doch nicht Lotterie gespielt und das erstbeste
Googlergebnis gepostet, sondern eine religionspsychologische
Interpretation einer theologischen und keines
religionsfeindlichen Verfassern gewählt,
es geht mir keinesfalls um religiöse Diskreditierung by the way.
Lies dir doch mal die Buchempfehlung durch!

Ich meine, Freud ging klar über das
rein Analogische hinaus.

Damit hast du Recht!

In einer zumindest hypothetischen
Weise setzte er Religion und Zwangsneurose identisch, das geht
jedenfalls aus dem zentralen Zitat von der „universellen
Zwangsneurose“ hervor.

Ganz genau, man muss jetzt ein wenig Freudsches
Basisdenken einbringen und die Diskussion um
eine gewisse praktische Relevanz bereichern,
will man sich nicht in linguistischen Haarspaltereien
verlieren, sondern wirklich stringent vorgehen.
Die Übergänge zwischen Normalität und Pathologie
sind fließend und die Grenze zum krankhaften Zwang
wird da überschritten, wo Angst entsteht.

Man muss also auch zwischen individueller und kollektiver
Neurose differenzieren. Es bleibt aber trotzdem schwierig
stringent beim Thema zu bleiben, wenn man dauernd gewungen
oder versucht wird, zwischen dem modernen Status Quo psychologischer, religionspsychologischer, soziologischer,
religionssoziologischer Positionen und Freudscher Praxis der
Zeit um 1907 zu fluktuieren.

Der Fragesteller fragt doch explizit:

Nun wollte ich fragen, welche zwangsneurotischen
Verhaltensweisen der Mensch hat in einem
Gottesdienst zum Beispiel???

Zwischen den verschiedenen Religionen, den
fundamentalistischen oder gemässigten, reformierten
Formen muss man ohnehin differenzieren.
Autopoietische Systeme, die sich
kommunikativ-sebstreferenziell schaffen usw.
Und dieses selbstreferenzielle ggf. angstgesteuert
transformieren…
Aber damit entfernt man sich natürlich wieder
von Freud. Schwierig genug, da ärgert es mich
halt immer, wenn man seine Intelligenz und
Eloquenz obendrauf nur dazu benützt, sich in Sophisterei
zu üben und altbekanntes zu relativieren,
nur um eine Position zu verteidigen, die
ohnehin nicht angeriffen wurde!

Schade! Dabei könnte diese Medium durchaus
fruchtbar wirken.

Gruß
Powenz

Lieber Horst!

Ich habe meine wesentlichen Argumente für die
Identitäts-Interpretation schon an Ralf gepostet.

Ich hatte mitgelesen.

Hinzufügen
kann ich hier noch, dass man in der Sekundärliteratur, gleich
ob pro oder contra Freud, von der Identität von Neurose und
Religion ausgeht, was Freud diesbezügliche Auffassung
betrifft.

Ich glaube nicht, dass man hier die Freud-Scholastik über einen Kamm scheren kann :wink:

Auch Paul Ricoeur versteht Freud so, hält ihm
allerdings entgegen, dass der Vergleich Neurose vs. Religon
mehr als Analogien nicht hergibt.

Willst du damit sagen: Entweder Identität (Freud und die Sekundärliteratur) oder Analogie (Ricoeur)?
Tertium non datur?

Ein nettes Bindeglied, das Freud etwa in der
„Massenpsychologie“ heranzieht, ist das Konzept der
„Schiefheilung“. Das meint, dass durch libidinöse Bindung an
Großgemeinschaften, darunter eben die Religionsgemeinschaften,
einer individuell ausgeprägten Neurose vorgebeugt werden kann.
Also: Religion statt Neurose(ausbruch)

Nein, nicht „Religion statt Neurose“, sondern „Kollektive
Neurose statt individueller Neurose“, d a s war Freuds
Auffassung. Die Makro-Neurose Religion erspart dem Individuum
sozusagen die Mikro-Neurose.

Ich versteh nicht ganz, worauf die hier hinweisen möchtest.
Natürlich haben diese organisierten Massenbewegungen wie eben die Religiösen Bewegungen oder auch der Nationalismus usw. etwas „Pathologisches“. Der Neurose-Begriff ist bei Freud auch unscharf genug, dass man hier genauso unscharf von „Makro-Neurosen“ sprechen kann, wenn man das denn partout will.

Die (Teil-)Diskussion geht aber doch streng um die Frage nach der Identität von individueller Neurose und Religion. Und hier ist eine einfache Identität eben ganz offensichtlich nicht gegeben.

  1. Weder wird hier, um deine Begrifflichkeit zu übernehmen, eine Mikro-Neurose in eine Makro-Neurose übersetzt, ohne dabei selbst einer Transformation zu untergehen (ich hatte mich auf die „Massenpsychologie“ bezogen, wo Freud die Mechanismen der Massenbildung zeigt, und vor allem zeigt, dass es Mechanismen sui generis sind).

  2. Noch ist, auch für Freud nicht, das religiöse Gefühl als solches ähnlich klinisch relevant wie es die Neurose ist.

Damit ist die Frage der „Identität“ doch vom Tisch, weil das hier zwei wesentliche Differenzen sind.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Frankl über Freud
Hi Candide.

Hinzufügen
kann ich hier noch, dass man in der Sekundärliteratur, gleich
ob pro oder contra Freud, von der Identität von Neurose und
Religion ausgeht, was Freud diesbezügliche Auffassung
betrifft.

Ich glaube nicht, dass man hier die Freud-Scholastik über
einen Kamm scheren kann :wink:

Dieser Kamm kämmt aber, wie gesagt, auch das Haar der Freud-Kritiker. Viktor Frankl z.B. interpretiert Freud dahingehend, „Religion sei nichts anderes als die kollektive Zwangsneurose der Menschheit.“

Quelle:

http://books.google.de/books?id=pqjiK2NAnIkC&pg=PA16…

Im gleichen Text wird Frankl mit einem Freud-Zitat zitiert, dessen Quelle mir nicht bekannt ist: (Frankl): „Wenn Freud sagt: ´Religion ist die allgemeine menschliche Zwangsneurose usw.´…“

Quelle:

http://books.google.de/books?id=pqjiK2NAnIkC&pg=PA16…

Willst du damit sagen: Entweder Identität (Freud und
die Sekundärliteratur) oder Analogie (Ricoeur)?
Tertium non datur?

Was das Verhältnis von Neurose und Religion betrifft? Das sicher nicht. Aber es geht hier ja um Freuds Haltung, und die scheint mir auf eine Identitätsthese zwingend hinzudeuten.

Nein, nicht „Religion statt Neurose“, sondern „Kollektive
Neurose statt individueller Neurose“, d a s war Freuds
Auffassung. Die Makro-Neurose Religion erspart dem Individuum
sozusagen die Mikro-Neurose.

Ich versteh nicht ganz, worauf du hier hinweisen möchtest.

Nun, eben darauf, dass Freud meinte, die kollektive Neurose Religion „erspare“ dem Menschen die individuelle Neurose. Die genaue Stelle dieser Äußerung könnte ich noch nachreichen.

Die (Teil-)Diskussion geht aber doch streng um die Frage nach
der Identität von individueller Neurose und Religion. Und hier
ist eine einfache Identität eben ganz offensichtlich nicht
gegeben.

Eine einfache sicher nicht, aber beides gehört für Freud unter dem Oberbegriff Neurose. Religion ist für ihn eine besondere Form der Neurose, eben eine kollektive. Was sie von der individuellen unterscheidet, ist der Umstand, dass sie auf der Verdrängung egoistischer Impulse beruht statt, wie die individuelle Variante, auf der Verdrängung sexuller Impulse. Das schreibt Freud ganz klar am Schluss der „Zwangshandlungen und Religionsausübungen“.

  1. Noch ist, auch für Freud nicht, das religiöse Gefühl als solches ähnlich klinisch relevant wie es die Neurose ist.

Nicht klinisch relevant, aber symptomatisch für einen regressiven (und damit pathologischen) Zustand. Auf Romain Rollands Hinweis auf das „ozeanische Gefühl“ reagierte er bekanntlich mit dem Verdacht auf infantile Vatersehnsucht und infantiles Verschwimmen der Ich-Grenzen usw. Der berühmte Freuds Reduktionismus eben.

Damit ist die Frage der „Identität“ doch vom Tisch, weil das
hier zwei wesentliche Differenzen sind.

Freuds Sentenzen von der universellen bzw. kollektiven Zwangsneurose können aber nicht vom Tisch gewischt werden, die stehen unverwüstlich in den Originaltexten.

Gruß

Horst

Schaumschlägerei oder hermeneutisches Unvermögen?
Hallo Horst,
entgegen der großartigen Ankündigung im Titel Deiner Antwort wird hier mit keiner Silbe etwas über "Pathologisches im Religiösen " geschrieben. Das ist - mit Verlaub - nichts als ein geistiger Kurzschluss Deinerseits. Tran, nicht Freud.

„… das Zeremoniell und die Verbote des Zwangsneurotikers nötigen uns zum Urteil, er habe sich eine Privatreligion geschaffen, und selbst die Wahnbildungen der Paranoiker zeigen eine unerwünschte äußere Ähnlichkeit und innere Verwandtschaft mit den Systemen unserer Philosophen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier der Kranke in asozialer Weise doch dieselben Konflikte und Beschwichtigung ihrer drängenden Bedürfnisse unternehmen, die Dichtung, Religion und Philosophie heißen, wenn sie in einer für eine Mehrzahl verbindlichen Weise ausgeführt werden.“

Es ist also von äußerer Ähnlichkeit zum einen und von innerer Verwandtschaft zum anderen die Rede. Und zwar zwischen dem Zeremoniell und den ‚Verboten‘ des Zwangsneurotikers sowie paranoiden Wahnbildungen einerseits und Dichtung, Religion und Philosophie andererseits.

Selbstverständlich steht da nirgendwo, diese „Ähnlichkeit“ bzw. „Verwandtschaft“ (dass auch hier eindeutig nicht von einer ‚Identität‘ die Rede ist, übersiehst Du natürlich geflissentlich) bestünde nun gerade im Pathologischen. Vielmehr hat Freud den „Eindruck“ (persönliche Eindrücke haben den Vorteil, dass man sie nicht stringent und nachvollziehbar begründen muss), dass „Ähnlichkeit“ und „Verwandtschaft“ hier darauf beruhen, dass „dieselben Konflikte“ verarbeitet und dieselben „drängenden Bedürfnisse“ beschwichtigt werden - im Falle der Zwangsneurose durch den Kranken"in asozialer Weise", im Falle der Kulturleistungen Dichtung, Religion und Philosophie „in einer für eine Mehrzahl verbindlichen Weise“.

Etwas deutlicher wird dies unmittelbar vor der zitierten Passage, wo es heisst: „… dass die einzelnen Formen der Neurose die stärksten Anklänge (sic!) an die höchstwertigen Schöpfungen unserer Kultur erkennen ließen“. Hast Du tatsächlich den Eindruck, Freud wolle das, was er gerade als „die höchstwertigen Schöpfungen unserer Kultur“ bezeichnet hat, ein paar Nebensätze später als ‚pathologisch‘ denunzieren?

Wie gehabt. Weder wird hier eine Identität von Religion (wobei - diesen Fall gesetzt - Dichtung und Philosophie gleich noch in Mithaft genommen würden) und Zwangsneurose behauptet, noch irgendetwas über „Pathologisches im Religiösen“ behauptet.

Ich verweigere mich einer Fortsetzung dieser unfruchtbaren Diskussion nach dem Beispiel des Apostels Paulus, zitiert nach R. Gernhardt:

„Paulus schrieb den Irokesen:
Euch schreib ich nichts, lernt erst mal lesen.“

Freundliche Grüße,
Ralf

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Um eine schon eingangs dieser Diskussion geäußerte Anregung zu wiederholen: Lesen, nicht lesen lassen. Auch nicht von einer Lehrstuhlinhaberin an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Ein Professorentitel in Praktischer Theologie und Religionspsychologie bewahrt einen nicht davor, Unsinn zu verzapfen. Böswillige sollen ja gar der Ansicht sein, dies prädestiniere im Gegentum gerade dazu …

SCNR,
Ralf

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Freud über Religion
Lieber Horst!

Viktor Frankl

bei dem bin ich nicht fit genug um mitreden zu können

Willst du damit sagen: Entweder Identität (Freud und
die Sekundärliteratur) oder Analogie (Ricoeur)?
Tertium non datur?

Was das Verhältnis von Neurose und Religion betrifft? Das
sicher nicht. Aber es geht hier ja um Freuds Haltung, und die
scheint mir auf eine Identitätsthese zwingend hinzudeuten.

klar meinte ich Freuds Haltung, nicht die deine …

Ich versteh nicht ganz, worauf du hier hinweisen möchtest.

Nun, eben darauf, dass Freud meinte, die kollektive Neurose
Religion „erspare“ dem Menschen die individuelle Neurose. Die
genaue Stelle dieser Äußerung könnte ich noch nachreichen.

Musst du nicht, das ist ja zwischen uns beiden unbestritten.

Kollektive Neurose …
Was sie von der
individuellen unterscheidet, ist der Umstand, dass sie auf der
Verdrängung egoistischer Impulse beruht statt, wie die
individuelle Variante, auf der Verdrängung sexueller Impulse.
Das schreibt Freud ganz klar am Schluss der „Zwangshandlungen
und Religionsausübungen“.

Eben!
Aber damit (also dadurch, dass sie auf gänzlich anderen Mechanismen beruht) ist sie eben gerade nicht wie die individuelle Variante, außer eben im Sinne der Strukturgleichheit.

Nichts anderes in der „Massenpsychologie“, auf die ich hingewiesen hatte.

  1. Noch ist, auch für Freud nicht, das religiöse Gefühl als solches ähnlich klinisch relevant wie es die Neurose ist.

Nicht klinisch relevant, aber symptomatisch für einen
regressiven (und damit pathologischen) Zustand.

Eben!
Eine Zwangsneurose ist kein Symptom mehr dafür, sondern es ist dieser Zustand selbst.

Damit ist die Frage der „Identität“ doch vom Tisch, weil das
hier zwei wesentliche Differenzen sind.

Freuds Sentenzen von der universellen bzw. kollektiven
Zwangsneurose können aber nicht vom Tisch gewischt werden, die
stehen unverwüstlich in den Originaltexten.

Ganz klar, aber der von mir herangezogene Mechanismus der „Schiefheilung“ beispielsweise steht eben auch im Originaltext, genauso wie Sätze über ‚Religion und Triebverzicht [= anti-regressiv; während doch offensichtlich die Neurose in erster Linie als Regression definiert werden kann]‘, etwa im „Mann Moses“, oder auch im „Unbehagen in der Kultur“ stehen.
Übrigens schreibt er ja auch an einer Stelle von „Kultur als kollektiver Neurose“, ohne dass wir jetzt hier seine überaus komplexe Sicht auf ‚die Kultur‘ (sicher sehr viel komplexer und ambivalenter als seine Sicht auf die Religion) auf diesen Satz reduzieren würden.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Lieber Tychiades,

Um eine schon eingangs dieser Diskussion geäußerte Anregung zu
wiederholen: Lesen, nicht lesen lassen.

Glaubst du denn ich hätte Freud nicht gelesen? :smile:

Auch nicht von einer
Lehrstuhlinhaberin an der Evangelisch-Theologischen Fakultät
der Universität Wien.

Eine von der Gegenposition(!) verfasste, unterstützende
Arbeit sehe ich nicht als „Lesen lassen“, sondern eher
als vorverurteilungsfreies Vorgehen!

Ein Professorentitel in Praktischer
Theologie und Religionspsychologie bewahrt einen nicht davor,
Unsinn zu verzapfen.

Das ist natürlich völlig richtig! Aus neutraler und
möglichst objektiver Sicht heraus, stellt sich mir
aber die Frage, ob ich deiner Interpretation oder der einer
anerkannten Fachkraft mehr Gewicht geben soll!?
Ich kenne deine Qualifikation ja nicht und
bisher habe ich wenig sachliches von dir zu
lesen gekriegt, nur Behauptungen.
Freud sagt ganz klar: „Analogien UND Identitäten“,
dazu meine eigene Einschätzung und Lesart als
vierten Faktor.

Böswillige sollen ja gar der Ansicht
sein, dies prädestiniere im Gegentum gerade dazu …

So böswillig mag das gar nicht sein! :wink:
Jede dogmatische Sicht trägt ja apriorisch
eine Prämisse in sich, die nur zu entsprechenden
Konklusionen führen kann.

SCNR,

Nichts zu entschuldigen, ich würde mich über
weitere, vielleicht sachlichere Diskussionen
mit dir freuen.

Gruß
Powenz

Hallom Powenz,

Glaubst du denn ich hätte Freud nicht gelesen? :smile:

das steht hier nicht zur Debatte - aber zur Debatte steht, was Freud geschrieben hat und nicht, was Andere über ihn schreiben.

Eine von der Gegenposition(!) verfasste, unterstützende
Arbeit sehe ich nicht als „Lesen lassen“, sondern eher
als vorverurteilungsfreies Vorgehen!

Gerade das, was diese Dame da so vollmundig behauptet, erweist sich doch bei genauerer Analyse der Zitate, die solche Thesen angeblich stützen sollen, als aus der Luft gegriffen. Wenn sie sich auf andere Texte Freuds beziehen sollte, dann hält sie diese in ihrem
Aufsätzlein jedenfalls geheim.

Aus neutraler und
möglichst objektiver Sicht heraus, stellt sich mir
aber die Frage, ob ich deiner Interpretation oder der einer
anerkannten Fachkraft mehr Gewicht geben soll!?

Aus „neutraler und möglichst objektiver Sicht heraus“ sollte Dir eigentlich nicht entgangen sein, dass ich die von Horst zur Stützung seiner These beigebrachten Freud-Zitate nicht interpretiert , sondern analysiert habe. Vertraue doch schlicht auf Dein eigenes Urteil. Die entscheidenden Formulierungen Freuds haben wir ja hier als Zitate vorliegen. Versuche doch einfach einmal, da nichts hineinzulesen sondern einfach das herauszulesen, was da auch tatsächlich steht.

Ich kenne deine Qualifikation ja nicht und
bisher habe ich wenig sachliches von dir zu
lesen gekriegt, nur Behauptungen.

Dann frage ich mich , was Du da überhaupt gelesen hast. Ich habe lediglich für Begriffsstutzige erläutert, wie man einen Satz richtig liest und versteht. So jedenfalls nicht:

Freud sagt ganz klar: „Analogien UND Identitäten“,

  • eben das steht bei Freud schlicht und einfach nicht. Du fantasierst interpretierst - und zwar ohne hinreichend durch den Text gestützt zu sein. Es ist vielmehr ganz konkret von
  • Übereinstimmungen
  • Analogien
  • äußerer Ähnlichkeit und
  • innerer Verwandtschaft
    die Rede. Nichts weiter. Wobei die „Übereinstimmungen“ wie auch die „Analogien“ lediglich partiell sind - nämlich vor allem auf das ‚neurotische Zeremoniell‘ bezogen. Von Identität ist hingegen NIRGENDWO die Rede.

Jede dogmatische Sicht trägt ja apriorisch
eine Prämisse in sich, die nur zu entsprechenden
Konklusionen führen kann.

Es geht hier auch nicht um Dogmatik, es geht schlicht und einfach um das, was bei Freud steht. Die Prämisse, werter Powenz, um die es hier geht, ist die fixe Idee, Freud hätte Religion für eine pathologische Angelegenheit gehalten, für eine Massenzwangsneurose. Aus eben dieser fixen Idee resultieren die grotesken und abwegigen Über- und Fehlinterpretationen, deren Zeugen wir hier geworden sind.

Eben diese Prämisse erweist sich jedoch bei einigermaßem genauen Lesen der beigebrachten Zitate als falsch - Zwangsneurosen und Religion sind vielmehr laut Freud beides Reaktionen auf dieselben Stimuli; die Zwangsneurose die individuelle Reaktion eines psychisch Kranken, die Religion hingegen eine kollektive Kulturleistung. Zu diesem Schluss wiederum kommt Freud aufgrund der erwähnten Übereinstimmungen und Analogien. Genau das lässt sich den beigebrachten Zitaten entnehmen, wenn man ohne ‚Prämissen‘ an sie herangeht. Der Rest ist Kaffesatzleserei.

Nichts zu entschuldigen, ich würde mich über
weitere, vielleicht sachlichere Diskussionen
mit dir freuen.

Sachlichkeit heisst hier - wo es um Freuds Religionsbegriff geht - schlicht, Freuds Aussagen zu analysieren und zu verstehen, WAS da eigentlich ausgesagt wird und was nicht. Ich halte mir zugute, eben das hier in dieser Diskussion geleistet zu haben. Wer trotz meiner Hilfestellungen und Hinweise diese Aussagen immer noch missversteht, dem ist schlicht nicht zu helfen. „Behauptungen“ - und zwar absolut haltlose oder jedenfalls durch die beigebrachten Zitate nicht zu stützende - habe ich hier vor allem von Horst gelesen.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Neurose und religiöse Praxis
Hi Ralf,

Freud sieht Religion als Zwangsneurose

das ist so reichlichst vergröbert bzw. Unsinn. Es wäre hilfreich, Freud selbst zu lesen und nicht lesen zu lassen. Freud vergleicht neurotische Zwangshandlungen und liturgisch-religiöse zeremonielle Handlungen und meint, dabei Ähnlichkeiten feststellen zu können. Er schließt daraus, dass Ergebnisse, die aus der Untersuchung des ‚neurotischen Zeremoniells‘ gewonnen werden können, Analogieschlüsse auf religiöse Befindlichkeiten zulassen (Zwangshandlungen und Religionsübungen, 1907).

ich bewundere schon die ganze Zeit deine Ausdauer im hiesigen Kampf gegen Windmühlen. Ich frage mich ebenfalls, wie man Freuds o.g. Abhandlung, wenn man sie denn ganz gelesen hätte und nicht nur das hier diskutierte überspitzte Zitat daraus am Ende des Textes, noch „interpretieren“ kann, daß Freud zwischen Zwangsverhalten und bestimmten religiösen Zeremoniellen (und keineswegs Religion allgemein!) mehr als strukturelle"Entsprechung" und „Analogie“ zum Ausdruck gebracht hätte.

Seine Theorie der Zwangsneurose war 1907 schon viel zu weit entwickelt, und seine Kenntnisse der jüdischen und christlichen Religion (andere kannte er eh nicht) viel zu gering, als daß er sich hätte leisten können, Darüberhinausgehendes in Richtung „Identität“ zu behaupten.

Daß andererseist bestimmte Elemente religiöser (genauer: jüdischer und christlicher) Praxis und Dogmatik (Triebverzicht, Schuldzurechnung usw.) Auslöser für individuelle neurotische Konfliktszenarien sein können, war zu dieser Zeit ja schon hinreichend belegt.

Gru0
Metapher

Kategorienverwechslung?
Hi Candide.

Kollektive Neurose …
Was sie von der
individuellen unterscheidet, ist der Umstand, dass sie auf der
Verdrängung egoistischer Impulse beruht statt, wie die
individuelle Variante, auf der Verdrängung sexueller Impulse.

Eben!
Aber damit (also dadurch, dass sie auf gänzlich anderen
Mechanismen beruht) ist sie eben gerade nicht
wie die individuelle Variante, außer eben im Sinne der
Strukturgleichheit.

Ein prima facie naheliegendes Argument, wobei aber die Frage im Raum bleibt, ob der „Neurose Religion“ (wohlgemerkt immer bezogen auf Juden-/Christentum) als Teilursache a u c h die Verdrängung sexueller Impulse zugesprochen werden muss. Eigentlich muss es das auf jeden Fall, nichts ist ja evidenter als die Sexualfeindschaft des Christentums.

In „Zwangshandlungen und Religionsausübungen“ schreibt Freud:

„Es sind aber nicht wie bei der Neurose ausschließlich sexuelle Komponenten, sondern eigensüchtige, sozialschädliche Triebe, denen übrigens ein sexueller Beitrag meistens nicht versagt ist. Das Schuldbewußtsein in der Folge der nicht erlöschenden Versuchung, die Erwartungsangst als Angst vor göttlichen Strafen sind uns ja auf religiösem Gebiete früher bekannt geworden als auf dem der Neurose.“

Womit dein Argument deutlich relativiert ist. Verdrängte Sexualität hat in der Makroneurose eben doch ihren Platz, was die These „Religion = Neurose“ unterstützt.

  1. Noch ist, auch für Freud nicht, das religiöse Gefühl als solches ähnlich klinisch relevant wie es die Neurose ist.

Nicht klinisch relevant, aber symptomatisch für einen
regressiven (und damit pathologischen) Zustand.

Eben! Eine Zwangsneurose ist kein Symptom mehr dafür, sondern es
ist dieser Zustand selbst.

Jenes Gefühl ist ein Symptom der Makroneurose, nicht diese selbst. Du vergleichst hier zwei unterschiedliche Ebenen, nämlich ein Symptom der Makroneurose mit der Mikroneurose im ganzen. Das ist eine Kategorienverwechslung.

Mikroneurosen können ebenfalls Gefühlszustände hervorbringen, die für sich genommen nicht pathologisch erscheinen. Erst der Kontext zeigt, was sie (negativ) bedeuten. Ein manisch Depressiver z.B. kennt euphorische Zustände, die an sich nicht auf Funktionsstörung hinweisen, erst im Kontext der Stimmungsschwankungen offenbart sich ihr pathologischer Charakter.

Gruß

Horst

Bitte nur ein einziges Gegenbeispiel nennen
Hi Ralf.

entgegen der großartigen Ankündigung im Titel Deiner Antwort
wird hier mit keiner Silbe etwas über "Pathologisches im
Religiösen " geschrieben. Das ist - mit Verlaub - nichts als
ein geistiger Kurzschluss Deinerseits. Tran, nicht Freud.

Ich verweise auf meine Argumente gegenüber Candide, hier nur noch der Hinweis darauf, dass in der Freud-Rezeption, gleich ob pro oder contra, Freuds Auffassung über die Relation Religion / Neurose ganz überwiegend so verstanden wird, wie ich es darstelle. Präsentiere doch bitte nur ein einziges Gegenbeispiel (außer deiner eigenen Ansicht).

Danke und Gruß

Horst

zum letzten Mal
… selbst lesen und nicht lesen lassen. Die Freud-Rezeption ist mir völlig schnurz und die ist auch nicht Thema hier. Ich kann selbst lesen. Z.B. das hier:

„Die Religiosität führt sich biologisch auf die lang anhaltende Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit des kleinen Menschenkindes zurück, welches, wenn es später seine wirkliche Verlassenheit und Schwäche gegen die großen Mächte des Lebens erkannt hat, seine Lage ähnlich wie in der Kindheit empfindet und deren Trostlosigkeit durch die regressive Erneuerung der infantilen Schutzmächte zu verleugnen sucht. Der Schutz gegen neurotische Erkrankung, den die Religion ihren Gläubigen gewährt , erklärt sich leicht daraus, dass sie ihnen den Elternkomplex abnimmt, an dem das Schuldbewusstsein des einzelnen wie der ganzen Menschheit hängt, und ihn für sie erledigt, während der Ungläubige mit dieser Aufgabe allein fertig werden muss.“

(Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci, 1910)

Hallo!

verzeiht mir die Einmischung:

Ich kann selbst lesen. Z.B. das hier:

„Die Religiosität führt sich biologisch auf die lang
anhaltende Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit des kleinen
Menschenkindes zurück, welches, wenn es später seine wirkliche
Verlassenheit und Schwäche gegen die großen Mächte des Lebens
erkannt hat, seine Lage ähnlich wie in der Kindheit empfindet
und deren Trostlosigkeit durch die regressive Erneuerung der
infantilen Schutzmächte zu verleugnen sucht. Der Schutz
gegen neurotische Erkrankung, den die Religion ihren Gläubigen
gewährt
, erklärt sich leicht daraus, dass sie ihnen den
Elternkomplex abnimmt, an dem das Schuldbewusstsein des
einzelnen wie der ganzen Menschheit hängt, und ihn für sie
erledigt, während der Ungläubige mit dieser Aufgabe allein
fertig werden muss.“

(Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci, 1910)

Schon klar, wenn du aber „selbst lesen“ kannst, dann kannst du genau so gut die Fortsetzung dieses Gedankens bei Freud lesen, wie er ihn z.B. im „Unbehagen in der Kultur“ (1930) so formuliert:

Um diesen Preis, durch gewaltsame Fixierung eines psychischen Infanitilismus und Einbeziehung in einen Massenwahn gelingt es der Religion, vielen Menschen die individuelle Neurose zu ersparen.

Womit sich diese Aussage von 1907 doch ziemlich relativiert.

Oder wenn man partout keine Sekundärliteratur zulassen will, vielleicht mag man es wenigstens Freud selbst erlauben, seine Schriften zu kommentieren:

Im meiner Schrift „'Die Zukunft einer Illusion“ handelt es sich weit weniger um die tiefsten Quellen des religiösen Gefühls, als vielmehr um das, was der gemeine Mann unter seiner Religion versteht, um das System von Lehren und Verheißungen.

Vielleicht kann man dann wenigsten Freud selbst glauben, dass seinen sog. „religionskritischen Schriften“ zu großen Teilen ein anderer Religionsbegriff zu Grunde liegt als in Passagen wie der von dir zitierten, wo die Religiosität als eine Art ‚anthropologischer Konstante‘ dargestellt wird.

Ein dritter Religionsbegriff bei Freud übrigens (neben dem religiösen Gefühl und seinen infantilen Quellen sowie der Religion als System von Lehren und Verheißungen) wäre dann v.a. der der Religionsgemeinschaft als ‚Masse‘, wie ich das oben eingeführt habe.

Hier zu differenzieren kann man nur mit einem umfassenden Blick auf sein Werk - und dafür ist Sekundärliteratur sinnvoll, weshalb mich dieses wiederholte „selbst lesen!“ ziemlich befremdet.
(dieses Befremden war auch der einzige Anlass, hier meine Stimme zu erheben)

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Hallo Candide,
es ist zwar schon eine Weile her, aber zumindest für mich geht es hier immer noch um die Aussage des UP:

Freud sieht Religion als Zwangsneurose und als infantile Illusion.

… was ich nun wiederum als „reichlichst vergröbert bzw. Unsinn“ bezeichnet habe und auch immer noch so bezeichne. Das ist das Thema der Diskussion hier - nicht, ob irgendwelche Freud-Exegeten das dem Publikum so unterjubeln möchten und auch nicht Freuds Religionsbegriff generell, sondern ob sich die Aussage des UP durch Zitate von Freud selbst belegen lässt. Was offensichtlich nicht der Fall ist.

Um trotzdem auf Dein Zitat einzugehen - eine ‚Weiterentwicklung‘ sehe ich da nicht, eher denselben Gedanken breiter ausgeführt. „Regressive Erneuerung der infantilen Schutzmächte“ 1910, „gewaltsame Fixierung eines psychischen Infantilismus“ 1929. Das ist mE eher eine Vergröberung als eine Fortsetzung (und btw in beiden Fällen etwas anderes als eine „infantile Illusion“). Neu scheint nun hier die etwas polemische Bezeichnung ‚Massenwahn‘ für dieses Phänomen (was nun auch wieder etwas anderes ist als eine Zwangsneurose). Was darunter zu verstehen ist, erläutert Freud wie folgt:

„Energischer und gründlicher geht ein anderes Verfahren vor, das den einzigen Feind in der Realität erblickt, die die Quelle alles Leids ist, mit der sich nicht leben läßt, mit der man darum alle Beziehungen abbrechen muß, wenn man in irgendeinem Sinne glücklich sein will. Der Eremit kehrt dieser Welt den Rücken, er will nichts mit ihr zu schaffen haben. Aber man kann mehr tun, man kann sie umschaffen wollen, anstatt ihrer eine andere aufbauen, in der die unerträglichsten Züge ausgetilgt und durch andere im Sinne der eigenen Wünsche ersetzt sind. Wer in verzweifelter Empörung diesen Weg zum Glück einschlägt, wird in der Regel nichts erreichen; die Wirklichkeit ist zu stark für ihn. Er wird ein Wahnsinniger, der in der Durchsetzung seines Wahns meist keine Helfer findet. Es wird aber behauptet daß jeder von uns sich in irgendeinem Punkte ähnlich wie der Paranoiker benimmt, eine ihm unleidliche Seite der Welt durch eine Wunschbildung korrigiert und diesen Wahn in die Realität einträgt. Eine besondere Bedeutung beansprucht der Fall, daß eine größere Anzahl von Menschen gemeinsam den Versuch unternimmt, sich Glücksversicherung und Leidensschutz durch wahnhafte Umbildung der Wirklichkeit zu schaffen. Als solchen Massenwahn müssen wir auch die Religionen der Menschheit kennzeichnen.“

So wird das später im Text folgende Zitat von Dir etwas deutlicher. Und wenn man es noch etwas erweitert, wird auch der Bezug zur Schrift von 1910 deutlicher:

„Als letzte Lebenstechnik, die ihm wenigstens Ersatzbefriedigungen verspricht, bietet sich ihm die Flucht in die neurotische Krankheit, die er meist schon in jungen Jahren vollzieht. Wer dann in späterer Lebenszeit seine Bemühungen um das Glück vereitelt sieht, findet noch Trost im Lustgewinn der chronischen Intoxikation, oder er unternimmt den verzweifelten Auflehnungsversuch der Psychose. Die Religion beeinträchtigt dieses Spiel der Auswahl und Anpassung, indem sie ihren Weg zum Glückserwerb und Leidensschutz allen in gleicher Weise aufdrängt. Ihre Technik besteht darin, den Wert des Lebens herabzudrücken und das Bild der realen Welt wahnhaft zu entstellen, was die Einschüchterung der Intelligenz zur Voraussetzung hat. Um diesen Preis, durch gewaltsame Fixierung eines psychischen Infantilismus und Einbeziehung in einen Massenwahn gelingt es der Religion, vielen Menschen die individuelle Neurose zu ersparen.“

Ich sehe hier inhaltlich keine wesentlich andere Aussage als in dem Zitat aus „Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci“.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Tychiades,

abschließend:

wo habe ich mich ausschließlich auf die von dir
so arg strapazierten Zitate berufen? Ich gehe vom
ganzen Freud aus, nicht nur dem Aufsatz, „Zwangshandlungen
und Religionsübungen“, sondern auch die danach verfassten
Schriften und Essays „Totem und Tabu“, oder „Die Zukunft
einer Illusion“ etc. Dabei bin davon ausgegangen,
dass du Freud gelesen hast und nicht nur [Edit: Name entfernt]s
Zitate auseinandergenommen hast!

Und es geht NICHT darum, ob Freud Recht hat oder nicht
und schon gar nicht wie Metapher hier meint um Freuds
Religionskenntnis, sondern darum was Freud gedacht hat!
Es ist hier nicht die Frage gestellt, ob Religion
Neurose IST!

Wenn du oben schon [Edit: Name entfernt] kritisierst, dass er
nur einzelne Zitate aus seinem Kontext reisst und
diese dann analysierst(!), dann halte dich auch
nicht dauernd an diesen auf!

Und das Lesen bitteschön brauchst mir weder du, noch
sonstwer beizubringen!

Wenn wir unterschiedliche Auffassungen haben,
dann kann ich damit leben!

Nur solche primitiven Beleidigungen wie Schaumschläger
oder Begriffsstutzigkeit solltest du nicht nötig haben!
Du bist weder der Nabel der Welt, noch hast du die
Allweisheit für dich gepachtet!

Gruß
Powenz

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Hi Metapher,

ich bewundere schon die ganze Zeit deine Ausdauer im hiesigen
Kampf gegen Windmühlen.

Diese Windmühlen sind gängige Auslegungen,
aber selbstverständlich sind die hehren
Experten bei www schlauer!
Ganz sicher ist die Lektüre der Primärliteratur
unumgänglich aber Sekundärliteratur erweitert
den eigenen Horizont, nur scheinen mir einige
Leute hier dagegen resistent zu sein.
Es wird wohl auch nichts bringen, weitere Lektüre
zu empfehlen, die eine andere als eure „dogmatische“
Anschauung beinhalten!?

Ich frage mich ebenfalls, wie man
Freuds o.g. Abhandlung, wenn man sie denn ganz gelesen
hätte und nicht nur das hier diskutierte überspitzte Zitat
daraus am Ende des Textes, noch „interpretieren“ kann, daß
Freud zwischen Zwangsverhalten und bestimmten religiösen
Zeremoniellen (und keineswegs Religion allgemein!) mehr als
strukturelle"Entsprechung" und „Analogie“ zum Ausdruck
gebracht hätte.

Wie ich unten schon erläutert habe grundsätzliches:

Die Übergänge zwischen Normalität und Pathologie
sind fließend und die Grenze zum krankhaften Zwang
wird da überschritten, wo Angst entsteht, so Freud.
Wieso also erkläre mir mal, sollte er denn ausgerechnet
bei den Religionen von einer Ausnahme ausgehen?

Seine Theorie der Zwangsneurose war 1907 schon viel zu weit
entwickelt, und seine Kenntnisse der jüdischen und
christlichen Religion (andere kannte er eh nicht) viel zu
gering, als daß er sich hätte leisten können,
Darüberhinausgehendes in Richtung „Identität“ zu behaupten.

Weder ist gefragt, welche rel. Kenntnisse Freud hatte, noch
ob er es sich leisten kann, sondern was er sich geleistet
hat! Was du natürlich RICHTIG aussagst und wo ich dir
Recht gebe, ist aber nicht gefragt und ein anderes
Thema!

Daß andererseist bestimmte Elemente religiöser (genauer:
jüdischer und christlicher) Praxis und Dogmatik
(Triebverzicht, Schuldzurechnung usw.) Auslöser für
individuelle neurotische Konfliktszenarien sein können,
war zu dieser Zeit ja schon hinreichend belegt.

Na also und darum geht es doch!
Wo ist dein/euer Problem?

Gruß
Powenz

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Zum allervorletzten Mal - weitere Freud-Zitate
Hi Ralf.

zumindest für mich geht
es hier immer noch um die Aussage des UP:

Freud sieht Religion als Zwangsneurose und als infantile Illusion.

… was ich nun wiederum als „reichlichst vergröbert bzw.
Unsinn“ bezeichnet habe und auch immer noch so bezeichne.

Ich will die im www wohl beispiellose Zitierorgie hier mit weiteren Belegen für meine Interpretation fortsetzen .

Ges. W., Bd. 14 (Die Zukunft einer Illusion), 367:

„Es stimmt dazu auch gut, daß der Frommgläubige in hohem Grade gegen die Gefahr gewisser neurotischer Erkrankungen geschützt ist; die Annahme der allgemeinen Neurose überhebt ihn der Aufgabe, eine persönliche Neurose auszubilden.“

Ist der letzte Satz nicht deutlich genug?

Ges. W., Bd. 9 (Totem und Tabu), 91:

„Man könnte den Ausspruch wagen, eine Hysterie sei ein Zerrbild einer Kunstschöpfung, eine Zwangsneurose ein Zerrbild einer Religion … Diese Abweichungen führen sich … darauf zurück, daß die Neurosen asoziale Bildungen sind; sie suchen mit privaten Mitteln zu leisten, was in der Gesellschaft durch kollektive Arbeit entsteht.“

Auch hier sagt der letzte Satz eigentlich alles.

Zum Thema „Religion als Illusion“:

Ges. W., Bd. 14 (Die Zukunft einer Illusion), 335:

„Das vielleicht bedeutsamste Stück des psychischen Inventars einer Kultur hat noch keine Erwähnung gefunden. Es sind ihre im weitesten Sinne religiösen Vorstellungen, mit anderen später zu rechtfertigenden Worten, ihre Illusionen.“

Gruß

Horst

Freud über Religion als ‚allgemeine Neurose‘
Hi Metapher.

Ich frage mich ebenfalls, wie man
Freuds o.g. Abhandlung, wenn man sie denn ganz gelesen
hätte und nicht nur das hier diskutierte überspitzte Zitat
daraus am Ende des Textes, noch „interpretieren“ kann, daß
Freud zwischen Zwangsverhalten und bestimmten religiösen
Zeremoniellen (und keineswegs Religion allgemein!) mehr als
strukturelle"Entsprechung" und „Analogie“ zum Ausdruck
gebracht hätte.

Es geht ja wirklich nicht nur um diese eine Stelle. Freud hat sich mehrfach in dieser Richtung geäußert, und zwar nicht nur konjunktivisch. Hier nur e i n Beispiel, das auch weiter unten in „Zum allervorletzten Mal - weitere Freud-Zitate“ erwähnt ist:

Ges. W., Bd. 14 (Die Zukunft einer Illusion), 367:

„Es stimmt dazu auch gut, daß der Frommgläubige in hohem Grade gegen die Gefahr gewisser neurotischer Erkrankungen geschützt ist; die Annahme der allgemeinen Neurose überhebt ihn der Aufgabe, eine persönliche Neurose auszubilden.“

Ich sehe nicht, wo der letzte Satz eine Analogie formuliert. Vielmehr wird darin das Religiöse unmissverständlich als „allgemeine Neurose“ bezeichnet, ohne konjunktivische Verschleierung.

Gruß

Horst

Hi Horst,

immerhin stimmt M. der möglichen Herausbildung
einer individuell geprägten religiösen Neurose
zu. So dass wenigstens die Ursprungsfrage nicht
abschlägig, wie geschehen, zu beantowrten ist.
Solch eine individuelle Neurose könnte beispielsweise
eine narzisstische Persönlichkeitsstörung sein,
die so seltsame Blüten treibt, wie wir sie
gelegentlich in Diskussionen vorfinden.
Und bevor sich jemand aufregt, verweise ich
prophylaktisch schon einmal auf die Analyse des
Tychiades, das konjunktivistische Zitat Freuds
betreffend: Man könnte, d.h. nicht, dass ich das
tue!

Gruß
Powenz

immerhin stimmt M. der möglichen Herausbildung einer individuell
geprägten religiösen Neurose zu.

Dass es ekklesiogene Neurosen (der Begriff stammt allerdings nicht von Freud selbst) gibt, ist nun allerdings nichts Neues und war auch nirgends in Abrede gestellt.

So dass wenigstens die Ursprungsfrage nicht
abschlägig, wie geschehen, zu beantowrten ist.

Und das wiederum ist beispielhaft für grundsätzliche Schwierigkeiten, einen geschriebenen Text zu verstehen, geschweige denn daraus einen logischen Schluss zu ziehen. Die „Ursprungsfrage“ lautete nämlich:

welche zwangsneurotischen Verhaltensweisen der Mensch hat in
einem Gottesdienst zum Beispiel

Und die (alles andere als „abschlägige“) Antwort war:

Es gibt sicherlich Menschen, deren rituelle gottesdienstliche
Handlungen Ausdruck einer Zwangsneurose sind.

  • womit ich bereits auf religiös induzierte Neurosen hingewiesen hatte, und zwar 6 Tage vor Metapher und 8 Tage, bevor Du Schnellmerker meinst, das als großartige Einsicht verkaufen zu müssen.

Das heisst nicht, dass das grundsätzlich so ist. Da Du angibst,
den „Freud’schen Standpunkt“ derzeit zu behandeln, empfehle ich Dir
dringend die Lektüre der oben erwähnten Abhandlung von 1907
(Gesammelte Werke, 4. Auflage 1966, Bd. VII, S. 127 - 139). Sie ist
nicht sehr umfangreich und kann Dir besser und präziser Auskunft
geben als man es hier im Brett könnte.

Damit war die Frage des UP beantwortet, nachdem er darauf hingewiesen wurde, dass seine Fragestellung - da auf einer grob simplifizierten Auffassung von Freuds Religionsbegriff beruhend - korrekturbedürftig ist, weil Freud in dem angegenen Essay nämlich nicht „Verhaltensweisen“ „in einem Gottesdienst“ als zwangsneurotisch bezeichnet, sondern sie vielmehr mit dem ‚zwangsneurotischen Zeremoniell‘ vergleicht und dabei strukturelle Übereinstimmungen und Analogien feststellt.

Dass Freud mit manchen pointierten Formulierungen einem vergröbernden Missverständnis seiner Ideen Vorschub leistet, ist hoffenlich zumindest anderen Mitlesenden klar geworden. Wenn man sich allerdings einmal die Mühe macht nachzulesen, wie Freud zu diesen Formulierungen kommt und seine Argumentation nachvollzieht, dann hat man die Chance, zu einem differenzierten Bild von Freuds Auffassung zu kommen, statt sich einfach aus polemischen Schlagworten ein Zerrbild zurechtzuzimmern und mit abstrusen Eigengewächsen á la ‚Makroneurose‘ und ‚Mikroneurose‘ zu garnieren.

Deswegen würde ich Dir die Lektüre des o.g. Aufsätzleins auch gerne zur Erhellung ans Herz legen - müsste ich nicht befürchten, dass das reine Zeitverschwendung wäre.

Freundliche Grüße und endgültiges Plonk,
Ralf