Freuds Ödipuskomplex bei Homosexualität?

Liebe Wissenden,

Angeregt durch einen Thread in einem anderen Brett stellt sich mir plötzlich eine Frage, mit der ich mich als heterosexuelle Frau bisher noch nie auseinander setzen musste: wie erklären eigentlich Anhänger der Freudianischen Psychotherapie der Gegenwart den Ödipuskomplex bei Homosexualität?

Geht man einfach davon aus, dass sich z.B. bei einem Sohn die Anziehung statt auf die Mutter einfach auf den Vater richtet?

Und um die Frage vielleicht auf die Spitze zu treiben: wie sieht es denn bei weiteren, nennen wir sie ‚nicht-normativen‘ Sexualitäten aus? Etwa Fetischen, die sich nicht auf den menschlichen Körper beziehen oder gar Asexualität?

Würde mich über Aufklärung sehr freuen,

Gruss,

S.

Hi Semiramis

wie erklären
eigentlich Anhänger der Freudianischen Psychotherapie der
Gegenwart den Ödipuskomplex bei Homosexualität?

Ein bißchen ist das das Pferd am Schwant aufgezäumt - die Homosexualität wird durch eine problematisch ablaufende ödipale Phase nach Freud ausgelöst; heute würde man eher sagen: verstärkt bzw. wahrscheinlicher gemacht. Die ödipale Phase wird ja „gestört“, wenn die Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil nicht gelingt und/oder die Liebesbeziehung zum gegengeschlechtlichen Elternteil auch nicht gelingt.

Und um die Frage vielleicht auf die Spitze zu treiben: wie
sieht es denn bei weiteren, nennen wir sie ‚nicht-normativen‘
Sexualitäten aus? Etwa Fetischen, die sich nicht auf den
menschlichen Körper beziehen oder gar Asexualität?

Dieses ödipale Nichtgelingen kann dann in den hysterischen Charakter, den Fetischismus und die Homosexualität führen, wenn entsprechende Dispositionen hinzu kommen.
Gruß,
Branden

Hallo Branden,

Herzlichen Dank für Deine schnelle Antwort!

Ein bißchen ist das das Pferd am Schwant aufgezäumt - die
Homosexualität wird durch eine problematisch ablaufende
ödipale Phase nach Freud ausgelöst; heute würde man eher
sagen: verstärkt bzw. wahrscheinlicher gemacht. Die ödipale
Phase wird ja „gestört“, wenn die Identifikation mit dem
gleichgeschlechtlichen Elternteil nicht gelingt und/oder die
Liebesbeziehung zum gegengeschlechtlichen Elternteil auch
nicht gelingt.

Gut, das leuchtet mir als Erklärung ein. Bedeutet das dann aber nicht auch, dass Freudianer generell davon ausgehen, alle Menschen kämen heterosexuell zur Welt? Und dass Heterosexualität als ‚der normale Entwicklungsschritt‘ betrachtet wird, während alles andere sozusagen in einen Topf geworfen wird und als deviant und eben ‚gestört‘ gilt?

Hättest Du mir dazu (sprich: ‚nicht-normativen‘ Sexualitäten) vielleicht einen Lesetipp?

Nochmals Danke und Gruss,

S.

wie erklären eigentlich Anhänger der Freudianischen Psychotherapie der Gegenwart den Ödipuskomplex bei Homosexualität? … mehr auf http://w-w-w.ms/a4bm78

Indem angenommen wird, dass es in diesem Komplex auch bei den sog. Heterosexuellen nicht um genitale Konkurrenz, sondern um narzißtische Eifersucht geht. D.h dies Thema gehört eigentlich der Oralphase an (als der Säugling auf die Liebe seiner unmittelbarsten Bezugsperson angewiesen ist, unabhängig von deren Geschlecht) und schleppt sich von dort durch alle weiteren Entwicklungsstufen, sofern es zu einer pathologischen Fixierung an die Emotionalität der ersten 3 Lebensjahre kommt.
Freuds Anleihe beim Ödipusmythos darf also nicht wortwörtlich genommen werden.

Hi Semiramis

Gut, das leuchtet mir als Erklärung ein. Bedeutet das dann
aber nicht auch, dass Freudianer generell davon ausgehen, alle
Menschen kämen heterosexuell zur Welt? Und dass
Heterosexualität als ‚der normale Entwicklungsschritt‘
betrachtet wird, während alles andere sozusagen in einen Topf
geworfen wird und als deviant und eben ‚gestört‘ gilt?

Jein. :wink: Freud hat versucht, die „Angst vor dem Weibe“ zu erklären und natürlich auch die evolutionär „normale“ Entwicklung im Vergleich zur irritierten gesehen, hat sich aber entschieden gegen eine Diskriminierung der Homosexuellen gewandt.

Hättest Du mir dazu (sprich: ‚nicht-normativen‘ Sexualitäten)
vielleicht einen Lesetipp?

Es gibt derartig viele Publikationen hierzu, dass ich nicht wagen würde, eine einzige zu nennen. :wink:
Gruß,
Branden