Für Schopenhauer-Kenner

Servus, Freunde des Gedankens!

Eine der zentralen Probleme mit denen sich Schopenhauer beschäftigte war ja die Frage nach der Freiheit des Willens. Nachdem er angenommen hatte, dass alle Willensakte notwendig geschehen, als eine kausale Folge von konstantem Charakter und erkannten Motiven folgerte er, dass es im Handeln keinerlei Freiheit geben kann.

Nach seiner Theorie müssten die Dinge, wenn man die Zeit zurückdrehen könnte wieder genauso geschehen, wie sie schon zum ersten mal abgelaufen sind. Mit einer solchen Zeitmaschine könnte man seine Theorie endgültig beweisen, beziehungsweise verwerfen. Das ist aber nur eine hypothetische Annahme und eigentlich geht es mir gar nicht mal darum.

In seiner ‚‚Preisschrift über die Freiheit des Willens‘‘ behauptet er nun darüber hinaus, dass die Freiheit nicht im Handeln, sondern im Sein liegt (Freiheit im Esse statt Freiheit im Operare).

Ich frage mich nun, wo diese Freiheit den sein soll?
Meinem Sein liegt doch der Geschlechtsakt meiner Eltern zugrunde und dieser befindet sich im Bereich des Handelns.

Oder meint Schopenhauer vielleicht das gesamte Sein?
Aber das kann ja auch schlecht sein, denn damit es diese Freiheit geben kann, was die Entscheidung Sein oder Nichtsein (im philosophischen Sinne) angeht muss es einen Moment gegeben haben, in dem diese freie Entscheidung stattgefunden haben könnte. Doch diesen kann es nicht gegeben haben, den alles Seiende hat seine Ursache auch im Seienden. Jedenfalls kann ich mir kaum vorstellen, dass es, wie man es auch dreht und wendet, eine Freiheit im Sein geben kann, denn wie man auch zurückdenkt, gelangt man in einen regressus ad infinitum und kommt nie zu einer letzten Ursache.

Wer kann mir in dieser Frage helfen?

Und noch eine weitere Herausforderung an alle, die insbesondere das o.g. Werk kennen:
Schopenhauer hat seine These von der Determiniertheit des Willens von allen Seiten gegen jede mögliche Kritik verteidigt. Wer kann mir einige berechtigte Zweifel an seiner These aufzeigen. Da bin ich recht gespannt!

Und zum Schluss ein kleines Gedankenexperiment für alle Verfechter der Willensfreiheit:
Stellen wir uns mal vor, dass die Motive, d.h. Argumente die für oder gegen eine Entscheidung sprechen, diese Entscheidung nicht notwendig bedingen. Das würde doch bedeuten dass wir Angst haben müssten, dass wir selbst bei den besten Motiven für einen Entschluss auch uns selber zuwider einen anderen Entschluss fassen könnten. Das wäre ja schlimm!

Ich würde mich über Überlegungen diesbezüglich freuen, besonders mit Beispielen um konkreter zu diskutieren.

Cave Canem!

leider nur eine Teilantwort
Hallo,

Ich frage mich nun, wo diese Freiheit den sein soll?

ich kann dir die Frage leider auch nur so beantworten, wie Schopenhauer sie beantwortet - und das leider auch nur sehr kurz -, aber Schopenhauer sieht diese Freiheit im von ihm so genannten „intelligiblen Charakter“. Ich kann das leider auch nicht verteidigen, weil ich seine Überlegungen für nicht stichhaltig halte, aber vielleicht hilft dir das ja schon weiter.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

In seiner ‚‚Preisschrift über die Freiheit des Willens‘‘
behauptet er nun darüber hinaus, dass die Freiheit nicht im
Handeln, sondern im Sein liegt (Freiheit im Esse statt
Freiheit im Operare).

Ich frage mich nun, wo diese Freiheit den sein soll?
Meinem Sein liegt doch der Geschlechtsakt meiner Eltern
zugrunde und dieser befindet sich im Bereich des Handelns.

Mit Sein kann hier nur Sein als kosmisches Prinzip gemeint sein. Die Geburt bringt die Form hervor und das Kosmische Sein ist Ursache für die Beseelung der Form, die ihr das Sein gibt.

Und noch eine weitere Herausforderung an alle, die
insbesondere das o.g. Werk kennen:
Schopenhauer hat seine These von der Determiniertheit des
Willens von allen Seiten gegen jede mögliche Kritik
verteidigt. Wer kann mir einige berechtigte Zweifel an seiner
These aufzeigen. Da bin ich recht gespannt!

siehe All-Wille und Freier Wille von Sri Aurobindo
http://www.odinring.de/ubermensch/trilogie.htm

Und zum Schluss ein kleines Gedankenexperiment für alle
Verfechter der Willensfreiheit:
Stellen wir uns mal vor, dass die Motive, d.h. Argumente die
für oder gegen eine Entscheidung sprechen, diese Entscheidung
nicht notwendig bedingen. Das würde doch bedeuten dass wir
Angst haben müssten, dass wir selbst bei den besten Motiven
für einen Entschluss auch uns selber zuwider einen anderen
Entschluss fassen könnten. Das wäre ja schlimm!

das wäre in der Tat schlimm, gegen seine Überzeugung zu handeln. Jedoch wird es in der Praxis getan und ist Charakter jeder Diktatur. Das Resultat ist eine Unterdrückung menschlichen Wachstums.

mfg
rolf

Hallo Kaschtschej

Deine Frage beschaeftigt mich auch schon seit langem. Eigentlich
teile ich Schopis Ansicht, die in verschaerfter Form auch von Spinoza
formuliert wurde, den ich seit einem halben Jahr sehr langsam lese.

Wenn alles, was auf der Welt geschieht, eine Ursache hat und wenn aus
der gleichen Ursachenkonstellation immer die gleichen Wirkungen
entspringen, wenn die Welt also durch und durch mechanistisch ist,
dann gibt es zwei Moeglichkeiten, die ich mir beide nicht vorstellen
kann, naemlich entweder, dass es eine erste Ursache gab, vor welcher
nichts war, oder dass die Ursachenketten unendlich weit in der Zeit
zurueckreichen.

Die erste Moeglichkeit wird oft Gott genannt, die erste Ursache von
allem, die ohne Ursache auskam. Wenn Gott aber ungefaehr so ist, wie
religioese Menschen glauben, dann haetten die Menschen einen freien
Willen und es waere eben nicht alles notwendige Folge von
Notwendigkeit. So gesehen und oberflaechlich betrachtet, wuerde aus
der Annahme einer voelligen Determiniertheit der Welt folgen, dass
sie nicht voellig determiniert waere, sofern wir eine erste Ursache
annehmen und sofern diese Gott genannte erste Ursache ungefaehr so
ist, wie die Bibel sie beschreibt.

So scheint es, dass sowohl der unfreie Wille als auch der freie Wille
auf die Existenz Gottes hindeuten.
(Eijeijei ich merke, dass ich hier vieles durcheinander bringe und
nicht sorgfaeltig genug bin, aber ich will das auch nicht umsonst
getippt haben. Vielleicht bringt es dich ja auf einen interessanten
Gedanken.)

Vor ein paar Wochen habe ich in der Kneipe mit jemandem diskutiert
und dabei die Unfreiheit des Willens behauptet: Alles, was wir tun
und denken wird bestimmt von unserem gegenwaertigen Gehirnzustand.
Dieser ist bestimmt durch alle gegenwaertigen und vergangenen
Sinnesreize, die von aussen oder von innen auf das Gehirn treffen,
sowie von der genetischen Ausstattung. Letztere zusammen mit den
vergangenen Sinnesreizen (den Erfahrungen) bestimmen Gedaechtnis und
Charakter. Beide sind groesstenteils unbewusst. Somit ist alles, was
wir tun und denken notwendige Folge der Vergangenheit. Dass in einem
so komplexen System wie dem Gehirn viele Strukturen spontan durch
Selbstorganisation entstehen, aendert daran nichts.

Deshalb ist kein Mensch eigentlich dafuer verantwortlich, was er ist
und was er tut und denkt. Weder verdient der wohltaetige und
freundliche Mensch Lob fuer seine Eigenschaften noch der boese oder
faule Mensch Tadel. Denn alle sind aus dem Zusammenspiel der
Umstaende das, was sie sind. Und wenn sich jemand entscheidet, sich
zu bessern und die Disziplin aufbringt, dies zu verwirklichen, dann
ist das eigentlich auch keines Lobes wert, denn die Entscheidung war
Folge seines Gehirnzustandes und seine Disziplin ebenfalls.
Das Lob, wenn es denn ausgesprochen wird, ist ein neuer Sinnesreiz,
der eine Verstaerkung des guenstigen Gehirnzustandes bewirkt, so dass
das Verhalten verstaerkt wird.

Der Lobende freilich, lobt auch nicht freiwillig, sondern Menschen
sind Teile eines sozialen Systems, dessen Selbsterhaltungsbestreben,
das sich durch die Evolution entwickeln musste, dazu fuehrt, das die
Menschen gegenseitig solche Verhaltensweisen verstaerken, die das
System stabilisieren.

So war meine Meinung am Kneipentisch. Mein Gegenueber wollte das
nicht glauben und brachte Argumente, die mich unsicher machten, aber
nur fuer den Moment, denn jetzt kann ich mich gar nicht mehr an sie
erinnern. Es ging in ihnen um Kreativitaet, um das Loesen neuer
Probleme und um einzelne Verhaltensweisen bestimmter Menschen.

Jedenfalls ist die Frage nach der Willensfreiheit eines der ganz
grossen Probleme der Philosophie und viele, viele kluge Koepfe haben
sich bemueht. Trotzdem haben wir heute immer noch keine klare
Antwort, die man in der Schule lernen koennte. Deshalb ist es
unwahrscheinlich, dass eine Theorie, die ich mir zurechtbastele alle
Aspekte konsistent verbinden koennte und dann auch noch wahr waere.

Gruss, Tychi

Hallo, Freund des Gedankens

Danke für dein Interesse, doch leider kann ich mit dem Begriff des ‚‚intelligiblen Charakters‘‘ wenig anfangen. Vielleicht fällt es dir ja nicht so schwer anzudeuten, wie das zu verstehen ist.

Wo du schon zugibst, dass du mit einigen Überlegungen Schopenhauers nicht einverstanden bist, wäre es interessant zu erfahren, welche du meinst.

Cave Canem!

Hallo, Freund des Gedankens

Du hast es gut erfasst, das mancher, der die Theorie Schopenhauers recht verstanden hat, nur mit Mühe da wieder raus kommt. So scheint alles in der Welt notwendig zu geschehen und Begriffe wie Schuld und Verantwortung und Moral, etc. müssen von einer anderen Seite beleuchtet werden. De facto sind Lob, Tadel, moralische Bewertung einer Handlung unnütz, denn der Mensch musste mit Notwendigkeit so Handeln und nicht anders. Doch, wie schon erkannt sind sie genauso notwendig wie die Handlung selber und somit unausbleiblich.

Jedoch hast du selber in einem früheren Beitrag auf die Unschärferelation hingewiesen, die den strengen Determinismus nicht erlaubt.

Bedeutet das eventuell, dass Prozesse auf Quantenebene akausal und daher wirklich frei ablaufen?

Allerdings kann ich mir schwer vorsellen, dass die akausale Quantenwelt keine Auswirkungen auf unsere Makrowelt hat, die sich streng kausal verhält.
Gibt es eine Grenze, die besagen würde, dass ein Objekt von z.B. 0,000000001 mm Durchmesser sich akausal verhält und grössere Objekte wiederrum kausal sind?

Wie stehst du zu diesem Problem?

Cave Canem!

Der intelligible Charakter bei Schopenhauer
Hallo,

Schopenhauer entwickelt die Theorie des intelligiblen Charakters als Sitz der Freiheit im § 10 der „Preisschrift über die Grundlage der Moral“. Er greift auf die Unterscheidung Kants zwischen der Erscheinung einer Sache und dem Ding an sich (in der damals üblichen Interpretation) zurück und wendet diese Differenzierung auf den menschlichen Charakter an.

Während er dem Ding als Erscheinung den empirischen Charakter (der wegen seiner empirischen Eigenschaften dem Satz vom Grunde unterworfen ist) zuordnet, meint er dem Ding an sich eben den intelligiblen Charakter (der dem Satz vom Grunde entsprechend nicht unterliegt und also frei im Sinne einer fehlenden Determinierung ist) zuordnen zu sollen. Das ist auch der Grund dafür, dass er die Freiheit nicht im Handeln [operari] sieht (denn Handeln ist auch empirisch), sondern im Sein [esse], das eben weil es dem Satz vom Grunde nicht untersteht, die eigentliche Freiheit darstellt.

Schopenhauer meint, dass wir demnach also für unsere Motive (die ein Ausdruck des Satzes vom Grunde sind) nur oberflächlich betrachtet verantwortlich sind, weil sich diese Motive eben erst auf der Ebene der Empirie zeigen. Tiefer betrachtet ist nach Schopenhauer die Verantwortung auf der nichtempirischen Ebene zu suchen, also in dem Sein, dass uns für die von uns herangezogenen Motive erst empfänglich macht.

Einfach ausgedrückt: Wenn die Motive schon vorliegen, ist die (empirische) Handlung zwangsläufig, weil sie sich aus der Grundlegung des Satzes vom Grunde als notwendige Folge darstellt. Ob wir allerdings für die Motive, die wir als begründend für unser Handeln verantwortlich - und damit frei - sind, entscheidet sich schon vor dem Eintreten der Motive, nämlich in meiner Hinordnung auf mögliche Motive. Das genau nennt Schopenhauer den intelligiblen Charakter.

Meine Einwände wären, dass Schopenhauer hier erstens den Begriff des „Ding an sich“ bei Kant falsch interpretiert, dass er zweitens allzuviel (schlechte) Metaphysik treibt, indem er zu viele Annahmen macht, die er selbst nicht genügend begründen kann, und dass er drittens eben die sich aus dieser schlechten Metaphysik ergebenden Resultate als Postulate verwendet, zudem ohne dies ausreichend zu kennzeichnen.

Kannst du damit jetzt mehr anfangen?

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo, Freund des Gedankens

Mit Sein kann hier nur Sein als kosmisches Prinzip gemeint
sein. Die Geburt bringt die Form hervor und das Kosmische Sein
ist Ursache für die Beseelung der Form, die ihr das Sein gibt.

Verstehe dich schlecht. Wenn ein Mensch geboren wird ist doch die Ursache für sein Leben eine materielle, d.h. die richtige Beschaffenheit, sowie Funktion aller Organe. Sonst hiesse das, dass es eine vom Leib unabhängige Seele gebe, die nicht den Leib als Ursache hätte. Sie wäre dann aber an sich recht arm, denn sie wäre blind, taub, ohne Geschmack und Gefühl und nicht mal der gedanken oder Phantasie fähig, denn das Gehirn, sowie alle Sinnesorgane wären nicht vorhanden.

Was hältst du von dieser Überlegung?

Cave Canem!

etwas Physik

Hallo, Freund des Gedankens

Du hast es gut erfasst, das mancher, der die Theorie
Schopenhauers recht verstanden hat, nur mit Mühe da wieder
raus kommt. So scheint alles in der Welt notwendig zu
geschehen und Begriffe wie Schuld und Verantwortung und Moral,
etc. müssen von einer anderen Seite beleuchtet werden. De
facto sind Lob, Tadel, moralische Bewertung einer Handlung
unnütz, denn der Mensch musste mit Notwendigkeit so Handeln
und nicht anders. Doch, wie schon erkannt sind sie genauso
notwendig wie die Handlung selber und somit unausbleiblich.

Unnuetz sind sie nicht, Lob und Tadel, denn sie tragen zur
Stabilitaet des sozialen Systems bei. Menschen sind Zellen eines
Organismusses, die mittels Wort und Tat miteinander kommunzieren,
genau wie die Zellen des menschlichen Koerpers mittels Botenstoffe.
Diese Kommunikation dient dem Fortbestand des Organismus’.

Jedoch hast du selber in einem früheren Beitrag auf die
Unschärferelation hingewiesen, die den strengen Determinismus
nicht erlaubt.

Oh, du hast aber gut aufgepasst. Freut mich, dass ich einen Eindruck
hinterlassen habe. Aber dass ich heute etwas schreibe und morgen
schon etwas dazu im Widerspruch stehendes, zeigt nur, dass ich keine
Ahnung habe und selbst noch suche. Ich kenne zahllose Theorien, aber
die Wahrheit kenne ich nicht.

Bedeutet das eventuell, dass Prozesse auf Quantenebene akausal
und daher wirklich frei ablaufen?

Allerdings kann ich mir schwer vorsellen, dass die akausale
Quantenwelt keine Auswirkungen auf unsere Makrowelt hat, die
sich streng kausal verhält.
Gibt es eine Grenze, die besagen würde, dass ein Objekt von
z.B. 0,000000001 mm Durchmesser sich akausal verhält und
grössere Objekte wiederrum kausal sind?

Wie stehst du zu diesem Problem?

Ich, als Physiker, noch dazu mit Spezialisierung auf theoretischer
Physik, sollte ganz genau Bescheid wissen. Aber ich bin eben auch nur
einer von den sogenannten Experten.
Was ich weiss, ist Folgendes: Fuer die Mikrowelt fehlt uns die
Moeglichkeit die Dinge klar zu sehen. Wie Steine fallen oder eine
Dampfmaschine arbeitet, koennen wir genau beschreiben und wir koennen
klare Voraussagen treffen derart: wenn x dann folgt y, z.B., wenn ich
einen Stein mit der Geschwindigkeit v genau nach oben werfe,
dann kommt er nach t sec. wieder herunter. In der Mikrowelt
funktionieren solche Aussagen nicht mehr.
Z.B. Kann ich nicht mit Sicherheit sagen: Dieser Atomkern wird
innerhalb der naechsten Minute zerfallen. Ich kenne nur die
Wahrscheinlichkeit fuer einen Zerfall innerhalb der naechsten Minute.
Nun koennte man ja meinen, das die Menschen zu doof seien und dass es
kluegere Wesen gebe, die sehr wohl wuessten, ob der Kern in der
gegebenen Zeit zerfallen wird oder nicht und sich nicht begnuegen
muessten mit blossen Wahrscheinlichkeitsaussagen. Diese Ansicht
vertrat Einstein und sie ist sprichwoertlich geworden in den Worten:
„Gott wuerfelt nicht.“ Es ist dies die Theorie der verborgenen
Parameter, d.h. man geht von einem deterministischen Weltbild aus und
fuehrt die Tatsache, dass wir nur Wahrscheinlichkeiten kennen, darauf
zurueck, dass wir die verborgenen Parameter nicht kennen. Mit ihrer
Kenntnis wuerde auch die Mikrowelt nach klassischer Mechanik
funktionieren.
Heute glaubt man, dass Einstein sich geirrt hat und dass sein
„Gegner“ Nils Bohr Recht hatte. Es gibt demzufolge keine verborgenen
Parameter, sondern die Mikrowelt ist von Natur aus indeterministisch.
Warum ist es dann aber die Makrowelt nicht? Dazu gibt es
Argumentationen, die ich einmal zur Kenntnis genommen habe, die ich
aber jetzt nicht reproduzieren kann. Stichworte sind: Uebergang von
der Quantenmechanik zur klassischen Mechanik, Ehrenfestsche
Gleichungen, nach denen die Mittelwerte der qm Observablen der
Newtonschen Mechanik genuegen. Oder auch:
Jedem Teilchen ist eine „Materiewelle“ zugeordnet deren Wellenlaenge
umgekehrt proportional zur Masse des Teilchens ist. D.h. je schwerer
das Teilchen, desto kleiner die Wellenlaenge, d.h. der
Wellencharakter (Interferenz, Beugung) wird immer schwaecher. Siehe:
de Broglie-Wellenlaenge.
Zur Diskussion verborgener Parameter siehe Bellsche Ungleichungen.
Eine klare Grenze derart: hier klassisches Verhalten und dort
nichtklassisches Verhalten kenne ich nicht, so mit Laengenangabe.

Gruss, Tychi

Hallo Kaschtschej,

„Hier ist nun der Ort, an die … Darstellung zu erinnern, welche Kant von dem Verhältnis zwischen empirischem und intelligibelm Charakter und dadurch von der Vereinbarkeit der Freiheit mit der Notwendigkeit gegeben hat und welche zum Schönsten und Tiefgedachtesten gehört, was dieser große Geist, ja was Menschen jemals hervorgebracht haben. Ich habe mich nur darauf zu berufen, da es eine überflüssige Weitläufigkeit wäre, es hier zu wiederholen.“
A. Schopenhauer, Preisschrift über die Freiheit des Willens
Zürcher Ausgabe Bd. VI S. 136

Schopenhauer greift in der Tat bei seiner Behandlung des Problems der Willensfreiheit auf Kants Erörterung der Dritten Antinomie zurück und benutzt dabei - wie schon von Thomas erwähnt - auch Kants Unterscheidung zwischen empirischem und intelligiblem Chrakter. Hier ist - wie so häufig - Schopenhauer ohne Kant nicht zu verstehen; nicht zufällig fordert Schopenhauer von seinen Lesern eine Beschäftigung mit Kant als Propädeutik. Wenn ich Dein Posting lese, dann vermute ich, dass Dir diese Voraussetzung (noch) fehlt. Sich mit Kant zu beschäftigen ist unabdingbar, wenn man von Schopenhauer etwas mehr als nur die ‚Aphorismen zur Lebensweisheit‘ lesen und verstehen will. Sorry, da gibt es keine Abkürzung.

Zur Erhellung von Schopenhauers Argumentation und insbesondere der Begriffe ‚empirischer Charakter‘ und ‚intelligibler Charakter‘ scheinen mir folgende Abschnitte der ‚Kritik der reinen Vernunft‘ hilfreich zu sein:
http://gutenberg.spiegel.de/kant/krvb/krvb097.htm
http://gutenberg.spiegel.de/kant/krvb/krvb098.htm
http://gutenberg.spiegel.de/kant/krvb/krvb098b.htm
Wer’s lieber gedruckt mag: die Fundstelle ist B567-587

Weiteren Aufschluss könnte auch noch § 28 der ‚Welt als Wille und Vorstellung‘ geben. Hier ein kurzer Auszug (Zweites Buch, Der Welt als Wille erste Betrachtung - S. 211 in Band 1 der Zürcher Ausgabe):

„Der Charakter jedes einzelnen Menschen kann, sofern er durchaus individuell und nicht ganz in dem der Species begriffen ist, als eine besondere Idee, entsprechend einem eigenthümlichen Objektivationsakt des Willens, angesehn werden. Dieser Akt selbst wäre dann sein intelligibler Charakter, sein empirischer aber die Erscheinung desselben. Der empirische Charakter ist ganz und gar durch den intelligibeln, welcher grundloser, d.h. als Ding an sich dem Satz vom Grund (der Form der Erscheinung) nicht unterworfener Wille ist, bestimmt. Der empirische Charakter muß in einem Lebenslauf das Abbild des intelligibeln liefern, und kann nicht anders ausfallen, als das Wesen dieses es erfordert. Allein diese Bestimmung erstreckt sich nur auf das Wesentliche, nicht auf das Unwesentliche des demnach erscheinenden Lebenslaufes. Zu diesem Unwesentlichen gehört die nähere Bestimmung der Begebenheiten und Handlungen, welche der Stoff sind, an dem der empirische Charakter sich zeigt. Diese werden von äußern Umständen bestimmt, welche die Motive abgeben, auf welche der Charakter seiner Natur gemäß reagirt, und da sie sehr verschieden seyn können, so wird sich nach ihrem Einfluß die äußere Gestaltung der Erscheinung des empirischen Charakters, also die bestimmte faktische oder historische Gestaltung des Lebenslaufes, richten müssen. Diese wird sehr verschieden ausfallen können, wenn gleich das Wesentliche dieser Erscheinung, ihr Inhalt, der selbe bleibt: so z.B. ist es unwesentlich, ob man um Nüsse oder Kronen spielt: ob man aber beim Spiel betrügt, oder ehrlich zu Werk geht, das ist das Wesentliche: dieses wird durch den intelligibeln Charakter, jenes durch äußern Einfluß bestimmt. Wie das selbe Thema sich in hundert Variationen darstellen kann, so der selbe Charakter in hundert sehr verschiedenen Lebensläufen. So verschiedenartig aber auch der äußere Einfluß seyn kann, so muß dennoch, wie er auch ausfalle, der sich im Lebenslauf ausdrückende empirische Charakter den intelligibeln genau objektiviren, indem er seine Objektivation dem vorgefundenen Stoffe faktischer Umstände anpaßt.“

Die Schlüsselstelle in Schopenhauers ‚Preisschrift‘ findet sich mE im Anschluss an mein Eingangszitat aus diesem Text:

„Jenes von Kant dargelegte Verhältnis des empirischen zum intelligibeln Charakter beruht ganz und gar auf dem, was den Grundzug seiner gesamten Philosophie ausmacht, nämlich auf der Unterscheidung zwischen Erscheinung und Ding an sich: und wie bei ihm die vollkommene empirische Realität der Erfahrungswelt zusammenbesteht mit ihrer transzendentalen Idealität; ebenso die strenge empirische Notwendigkeit des Handelns mit dessen transzendentaler Freiheit. Der empirische Charakter nämlich ist wie der ganze Mensch als Gegenstand der Erfahrung eine bloße Erscheinung, daher an die Formen aller Erscheinung, Zeit, Raum und Kausalität, gebunden und deren Gesetzen unterworfen: hingegen ist die als Ding an sich von diesen Formen unabhängige und deshalb keinem Zeitunterschied unterworfene, mithin beharrende und unveränderliche Bedingung und Grundlage dieser ganzen Erscheinung sein intelligibler Charakter, d.h. sein Wille als Ding an sich, welchem in solcher Eigenschaft allerdings auch absolute Freiheit, d.h. Unabhängigkeit vom Gesetze der Kausalität (als einer bloßen Form der Erscheinungen) zukommt. Diese Freiheit aber ist eine transzendentale, d.h. nicht in der Erscheinung hervortretende, sondern nur insofern vorhandene, als wir von der Erscheinung und allen ihren Formen abstrahieren, um zu dem zu gelangen, was außer aller Zeit als das innere Wesen des Menschen an sich selbst zu denken ist. Vermöge dieser Freiheit sind alle Taten des Menschen sein eigenes Werk; so notwendig sie auch aus dem empirischen Charakter bei seinem Zusammentreffen mit den Motiven hervorgehn; weil dieser empirische Charakter bloß die Erscheinung des intelligibeln in unserm an Zeit, Raum und Kausalität gebundenen Erkenntnisvermögen, d.h. die Art und Weise ist, wie diesem das Wesen an sich unsers eigenen Selbst sich darstellt. Demzufolge ist zwar der Wille frei, aber nur an sich selbst und außerhalb der Erscheinung: in dieser hingegen stellt er sich schon mit einem bestimmten Charakter dar, welchem alle seine Taten gemäß sein und daher, wenn durch die hinzugetretenen Motive näher bestimmt, notwendig so und nicht anders ausfallen müssen.

Mit einem Wort: Der Mensch thut allezeit nur, was er will, und thut es doch notwendig. Das liegt aber daran, daß er schon ist, was er will: denn aus dem, was er ist, folgt nothwendig Alles, was er jedesmal thut. Betrachtet man sein Thun obiective, also von außen; so erkennt man apodiktisch, daß es wie das Wirken jedes Naturwesens dem Kausalitätsgesetze in seiner ganzen Strenge unterworfen sein muß: subiective hingegen fühlt Jeder, daß er stets nur thut, was er will.“

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo, Freund des Gedankens

Mit Sein kann hier nur Sein als kosmisches Prinzip gemeint
sein. Die Geburt bringt die Form hervor und das Kosmische Sein
ist Ursache für die Beseelung der Form, die ihr das Sein gibt.

Verstehe dich schlecht. Wenn ein Mensch geboren wird ist doch
die Ursache für sein Leben eine materielle, d.h. die richtige
Beschaffenheit, sowie Funktion aller Organe. Sonst hiesse das,
dass es eine vom Leib unabhängige Seele gebe, die nicht den
Leib als Ursache hätte.

Genau. So sahen es einige.

denn sie wäre blind, taub, ohne Geschmack und Gefühl und nicht
mal der gedanken oder Phantasie fähig, denn das Gehirn, sowie
alle Sinnesorgane wären nicht vorhanden.

Was hältst du von dieser Überlegung?

Sie wäre funktionsuntüchtig, das ist alles. Der Leib ist ihr Instrument, mit dem sie sich ausdrückt. Insich ist sie spirituell. Spiritualität ist ein Bewußtseinszustand, der höher als Geist, Leben und Materie ist.

gruß
rolf

Habe es nochmal gelesen und sehe jetzt, was Du für einen Denkfehler machst. Du verwechselst Belebung mit Beseelung. Das ist der üblich Irrtum westlicher Philosophie.

Die Geburt der Form, als rein materieller Prozess, enthält auch die Belebung als ein Prozess der Natur, incl den Geist. Im Prinzip enthält aber jegliche Form (egal ob belebt oder unbelebt) auch eine Seele, diese ist wie gesagt spiritueller Natur. Davon abgesehen, daß es eine östliche Erkenntnis ist, hat auch Giordano Bruno dies erkannt.

Im Grunde gibt es aber keine unbelebten Formen. Leben findet sich auch in scheinbar ‚toten‘ Formen, wie z.B. Gestein, mit einem Wort in der Materie.

hoffe es ist etwas klarer geworden.

mfg
rolf

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo, Freund des Gedankens

Ich glaube nun dank deiner Erklärung tatsächlich verstanden zu haben, was die Freiheit im Sein wohl darstellt. Damit ist wahrscheinlich gemeint, dass der Charakter eines Menschen nicht notwendig ein solcher sein muss, wie er ist, sondern, dass er auch ein anderer hätte werden können. Damit läge er ausserhalb der Kausalität und seine Entstehung würde sich wirklich frei gestalten.

Ich würde daran kritiesieren, dass Schopenhauer das nur deshalb annimmt, weil er nicht tief genug in die Ursachen des Charakters eindringt und daher auch nicht fähig ist seine mögliche Notwendigkeit aufzuweisen.
Es ist doch offensichtlich, jedenfalls meiner bisherigen Beobachtung nach, dass der Charakter des Kindes durchaus von den Charakteren der Eltern abhängt, und zwar nicht nur aufgrund seiner Erziehung, sondern wegen der Genetik. Zu fragen ist dann allerdings noch, ob da eine strenge Notwendigkeit vorliegt, oder ob es nur ein gewisser Einfluss ist, der nicht kausal ist.
Doch komischer Weise stellt sich Schopenhauer diese Frage nicht. Die Eltern eines Menschen werden mit keinem Wort erwähnt, als er über den Charakter des Menschen nachdenkt. Eben darin liegt die fehlende Gründlichkeit Schopenhauers, dass er wenn es um die Willensakte geht, die Ursachen dafür in penibelster Weise untersucht, während er solche bei der Diskussion des Charakters ausser acht lässt.

Was den Intelligiblen Chrakter, kraft dessen die Verantwortung erfasst wird, angeht, meine ich auch diesen in den Grundzügen zu begreifen. Es mag vielleicht die unmittelbare subjektive Wahrnehmung sein, die dieser Charakter ermöglicht und die daher auch eine Verantwortung zulässt. Während die objektive Wahrnehmung des Menschen der Erkenntnis unterliegt und wegen der erkannten Kausalität die Verantwortung ablehnt. Eine Analogie des intelligiblen und empirischen Charkters bei Kant ist vielleicht das Selbstbewusstsein und das Bewusstsein anderer Dinge bei Schopenhauer.

Allerdings ist mir das genaue Verständnis dieser Dinge verwehrt, weil ich unter dem Vorurteil seiner Trockenheit Kant noch nicht gelesen habe.
Dies muss wohl nachgeholt werden, und nicht zuletzt deshalb, weil sich Schopenhauer nicht einmalig auf diesen seiner Meinung nach tiefsten Denker, den Deutschland je hervorbrachte bezieht.
Im übrigen:

Cave Canem!

Danke, hat mir weitergeholfen
Hallo, Freund des Gedankens

Allerdings glaube ich, dass man eine gewisse metaphysische Veranlagung haben muss, um solche Begriffe, wie Dung an sich und Erscheinung zu begreifen.
Ich jedenfalls, als ein Mensch der vor allem logisch denkt bin noch weit davon entfernt etwas mit transzendentaler Freiheit oder dem Willen an sich anfangen zu können. Doch es mag nur eine Frage der Zeit sein, bis man zu den Urgründen aller menschlichen Erkenntnis gelangt und insofern sehe ich mich nicht als einen in dieser Hinsicht hoffnungslosen Fall.

Cave Canem!

Hallo, Freund des Gedankens

Als jemand der keine Ahnung von Quantenphysik hat, aber nur nebenbei etwas davon gehört hat kann ich mit deiner Gedankenwelt diesbezüglich nicht mithalten. Allerdings habe ich auch hinsichtlich der angeblichen Unvorhersehbarkeit der Quantenprozesse rein intuitiv die Ansicht der verborgenen Parameter vertreten.
Schon alleine deshalb, weil mir irgenetwas, was wirklich zufällig ist völlig absurd erscheint.
Bin aber erstaunt zu erfahren, dass Einstein dieselbe Theorie vertrat.

Es würde mich mal interessieren ob es denkbar wäre, dass die Technik heute oder in der Zukunft fähig sein wird uns die Quantenprozesse zu veranschaulichen.
Ich denke dabei an Superintensive Mikroskope, deren Bilder dann in Zeitlupe angeschaut werden können, falls die Prozesse auf atomarer Ebene sehr schnell ablaufen.

Cave Canem!

Du sagst…
…Spiritualität ist ein Bewußtseinszustand, der
höher als Geist, Leben und Materie ist.

Aber wie kann es sein, dass ein Bewusstsein ohne materielle Struktur als Urheber (wir nennen es Gehirn) möglich ist?

Letztlich ist es Glaubenssache, ob es eine immmaterielle Spriritualität gibt, doch erfahrungsgemäss spricht vieles dagegen, oder kannst du mir etwas angeben, wo du solches sschon mal beobachtet hast?

Wie ist es eigentlich mit der Seele des Steins?
Wie erkennst du diese Seele?
Im übrigen:

Cave Canem!

Hallo

Es würde mich mal interessieren ob es denkbar wäre, dass die
Technik heute oder in der Zukunft fähig sein wird uns die
Quantenprozesse zu veranschaulichen.
Ich denke dabei an Superintensive Mikroskope, deren Bilder
dann in Zeitlupe angeschaut werden können, falls die Prozesse
auf atomarer Ebene sehr schnell ablaufen.

Ach das gibt’s doch alles schon längst. Der Laser, der in allen CD-Spielern ist, hätte nicht gebaut werden können,wenn die Menschen die Physik der Atome, d.h. die Quantenphysik völlig falsch verstanden hätten. Eines der gängigen Mikroskope basiert auf dem Tunneleffekt (siehe z.B. Wikipedia oder irgendein Lexikon), der ein rein quantenmechanisches Phänomen ist. Und Mikrostrukturen sichtbar zu machen, bis hin zu einzelnen Atomen, ist auch schon ein alter Hut. Ferner gibt es viele erfolgreiche Experimente zur Verschränkung (engl. entanglement), einer total bizarren Erscheinung.
Nein nein, die Quantentheorie ist längst keine reine Hypothese mehr, sondern Evidenzen gibt es im Überfluss.

Cave Canem!

Warum soll ich mich eigentlich immer vor dem Hund hüten? Und vor welchem eigentlich?

Gruss Tychi

…Spiritualität ist ein Bewußtseinszustand, der
höher als Geist, Leben und Materie ist.

Aber wie kann es sein, dass ein Bewusstsein ohne materielle
Struktur als Urheber (wir nennen es Gehirn) möglich ist?

Eine gewisse Logik besteht darin zu antworten, daß Materie nur von etwas zur Existenz gebracht werden kann, daß deren Beschaffenheit übersteigt. Man kann kein Auto bauen, ohne die Fähigkeit dazu. So ist es ähnlich mit dem materiellen Universum. Also eine Allmacht, aus der noch ganz andere Sachen hervorgehen, als Materie.

Letztlich ist es Glaubenssache, ob es eine immmaterielle
Spriritualität gibt, doch erfahrungsgemäss spricht vieles
dagegen, oder kannst du mir etwas angeben, wo du solches
sschon mal beobachtet hast?

Das ist eine persönlich zu erfahrende Wahrheit. Wenn man sie anzweifelt, ist es eben ein Zeichen davon, daß man sie noch nicht als Möglichkeit ins Auge gefaßt hat.

Wie ist es eigentlich mit der Seele des Steins?
Wie erkennst du diese Seele?
Im übrigen:

Wenn es vielleicht auch schwer zu verstehen ist, so kann man auch als Materialist nicht leugnen, das zumindest Leben in der Materie existiert. Lassen wir deshalb erst mal die Seele beiseite.

rolf

Hallo,

Ich glaube nun dank deiner Erklärung tatsächlich verstanden zu
haben, was die Freiheit im Sein wohl darstellt. …

ja, das trifft es ungefähr.

Ich würde daran kritiesieren, dass Schopenhauer das nur
deshalb annimmt, weil er nicht tief genug in die Ursachen des
Charakters eindringt und daher auch nicht fähig ist seine
mögliche Notwendigkeit aufzuweisen.

Schopenhauer würde sagen, dass die Verwendung des Begriffes „Ursache“ schon den empirischen Charakter dieser Überlegung zeigt und dieses Argument daher nicht anerkennen.

Es ist doch offensichtlich, jedenfalls meiner bisherigen
Beobachtung nach, dass der Charakter des Kindes durchaus von
den Charakteren der Eltern abhängt, und zwar nicht nur
aufgrund seiner Erziehung, sondern wegen der Genetik.

Schopenhauer hat sich noch kurz vor seinem Tod (1860) noch zu dem Erscheinen der Evolutionstheorie Darwins (1859) geäußert. Er meinte, dass das alles bloß empirisch sei und daher unbedeutend. Die genaue Formulierung könnte ich heraussuchen, wenn du möchtest - würde nur ein bisschen dauern.

Zu fragen ist dann allerdings noch, ob da eine strenge
Notwendigkeit vorliegt, oder ob es nur ein gewisser Einfluss
ist, der nicht kausal ist.

Kausalität ist eine Form des Satzes vom Grunde und daher aus der Sicht Schopenhauers hier eben nicht einschlägig.

Doch komischer Weise stellt sich Schopenhauer diese Frage
nicht. Die Eltern eines Menschen werden mit keinem Wort
erwähnt, als er über den Charakter des Menschen nachdenkt.
Eben darin liegt die fehlende Gründlichkeit Schopenhauers,

Das würde er weit von sich weisen, eher würde er das von den anderen Menschen behaupten, gerade wegen deren Vernachlässigung des Nichtempirischen.

dass er wenn es um die Willensakte geht, die Ursachen dafür in
penibelster Weise untersucht, während er solche bei der
Diskussion des Charakters ausser acht lässt.

Der Wille ist nach Schopenhauer ja gerade akausal, d. h. nur als Erscheinung kausal.

Allerdings ist mir das genaue Verständnis dieser Dinge
verwehrt, weil ich unter dem Vorurteil seiner Trockenheit Kant
noch nicht gelesen habe.

Kant ist nur schwierig, gar nicht trocken - eher vielleicht mit einem trockenen Rotwein zu vergleichen. :smile:

Vielleicht hilft dir die Lektüre von Sekundärliteratur mehr als die Kantlektüre selbst (die eben schwierig ist). Ich denke an Höffe oder Kaulbach/Gerhardt als Einführung (genaue Daten kann ich liefern). Auch im Netz gigbt es eine gute Kantseite, die ich dir auch gerne heraussuche.

Dies muss wohl nachgeholt werden, und nicht zuletzt deshalb,
weil sich Schopenhauer nicht einmalig auf diesen seiner
Meinung nach tiefsten Denker, den Deutschland je hervorbrachte
bezieht.

Damit hat er ja nicht ganz Unrecht, ich bin gerne bei der Lektüre behilflich, wenn es gewünscht wird.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

hi Tychi,

hast du mal auf meiner Seite zum Determinismus gelesen?
Funktionieren tutet das schon ganz gut, der Unschärferelation ist sogar eine gute Voraussetzung.

Gruß
Frank