Denken als Ganzes hinterfragen, nicht nur Teile
Hi.
Ist die Gegenwart nicht eine absurde Sache?
Natürlich. Alles im Leben ist absurd…
So klein es auch zu sein scheint, existiert die Gegenwart doch. Und sie kommt uns auch gar nicht so kurz vor.
Ich denke, die unten erfolgten Beiträge und Verweise haben schon gezeigt, dass eine Mathematisierung des Jetztbegriffs sinnlos ist. Der einzige Jetztbegriff, der im Rahmen unseres Alltagsbewusstseins Sinn macht, ist der von der psychologischen 3-Sekunden-Gegenwart, auf die ich hier im Brett vor mehreren Wochen einmal hinwies.
Darüber hinaus reicht es nicht, den Jetztbegriff isoliert von jenem „Rahmen des Alltagsbewusstseins“ zu thematisieren. Die Begriffe „Jetzt“, „Zeit“ usw. sind Elemente einer Gesamtstruktur, die als Ganzes betrachtet werden sollte. Hinterfragt man nur einzelne Aspekte dieser Struktur und nimmt den Rest unkritisch als gegeben, dann kommt es zu den bekannten Paradoxa der Zeit, die wir kennen. Beispiel: man nimmt Zeit unhinterfragt als linearen Ablauf von Ereignissen und hinterfragt dann kritisch das Jetzt als Gegenwartspunkt. Das führt zum Paradoxon von ausdehnungslosen Gegenwartspunkten, die in der Summe keinen linearen Zeitpfeil bilden können. Man muss also den kompletten Zeitbegriff in Frage stellen sowie - genaugenommen - j e d e n sprachlichen Begriff.
Womit wir beim linguistic turn wären. Der Vater des modernen LiTu war Kant, der unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit als Produkt von Sinnesdaten und begrifflichen Kategorien (z.B. Einheit, Realität, Substanz und Akzidenz, Möglichkeit, Vielheit usw.) sowie der „Anschauungsformen“ Raum und Zeit beschrieb. Unser Bild der Wirklichkeit entsteht also, laut Kant, in unserem Kopf. Wir projizieren diese Anschauungsformen und Kategorien auf das Chaos der Sinnesdaten und erhalten ein künstliches Modell der Realität, das irgendwie funktioniert (wobei „funktionieren“ nicht bedeutet, dass das Modell „wahr“ ist).
ZEIT ist also, wie alle anderen Begriffe, ein Konzept, das der Wirklichkeit von uns übergestülpt wird.
Dass es dabei zu unlösbaren Paradoxa kommen muss, ist klar. Das Mysterium der „Wirklichkeit“ lässt sich nicht in das Raster von starren Begriffen pressen. „Zeit“ ist ein Konzept, keine Realität. Es gibt Zeit ebenso wenig wie es z.B. Zahlen „gibt“. Oder wie es Punkte, Linien, Kreise und Quadrate gibt. Das sind nur abstrakte Konzepte, die in der Alltagspraxis funktionieren, ohne „wahr“ zu sein. Hinterfragt man diese Konzepte, entdeckt man schnell, dass sie nur im Denken existieren.
Ist euch schonmal aufgefallen, dass ein
Gedanke, den man hat in so einer nano(oder was auch
immer)Sekunde kommt.
Schön, dass das noch anderen außer mir aufgefallen ist. Der von dir beschriebene Umstand zeigt, dass Gedanken unbewusst gebildet werden. Wie Lacan sagte, ist es nicht das Ich, das denkt, sondern das Unbewusste. Das Ich registriert das nur, mehr nicht.
Gruß