Geht das in allen Dörfern so ab

Warum müssen die Dorfbewohner Neubürgern erst mal zeigen, dass sie was besseres sind?

Habe hier als Neubürger im Dorf erleben müssen, dass die Altbürger fremden erst einmal zeigen müssen, dass sie was besseres sind. Zur Geschichte: habe meine Frau kennengelernt, und weil sie vom Vater ein Haus hatte, bin ich zu ihr gezogen. Bei den ersten Kontakten kam immer rüber, was sie zu kritisieren haben. So die soziale Kontrolle am Dorf. Z.B. dass es nicht akzeptabel ist, unverheiratet zusammenzuleben. Das kam von Leuten gleichen Alters. Dass die auf dem Dorf da noch alte Ballast mit sich rumtragen und weil es ein sehr christliches Dorf ist, hätte ich das ja noch verstanden.

Aber als mich meine Schwiegermutter bat, dem Nachbarn beim Hausbau zu helfen, hat mich die aggressive Art doch sehr gewundert. Hatte zu dieser Zeit gerade angefangen zu studieren. Als ich beim Nachbarn ankam, nahm mich seine Mutter erst einmal zur Seite, ich solle ihr schnell helfen. Sie hatte eigentlich nicht viel zu tun, das einzige was sie von mir wollte war, dass sie mich übers Studium ausfragen konnte. Habe nicht aufgetragen sondern einfach ihre Fragen beantwortet. Meinte sie abfällig: „Ha, werrn scho net lauter oinser sei!“ Nachdem ich am ersten Tag saqh, dass ich hier und da mit Werkzeug aushelfen kann, habe ich auch sieses geholt. Als ich am nächsten Tag, als alle Brotzeit machten um die Ecke kam, hörte ich gerade noch wie einer sagte: „Machen wir doch alle abwechselnd Brotzeit, dann haben wir ihn bis heute Abend aufgearbeitet!“ Da alle ausser mir anwesend waren, konnte nur ich gemeint sein. Habe dann nicht spontan gehandelt, sondern mir das überlegt, habe am Abend mein Werkzeug wieder mitgenommen und bin danch nicht mehr hingegangen. Wurde hinter meinem Rücken geredet: „Ha, da ist er zwei Tage gekommen, dann ist ihm die Arbeit zu viel geworden!“ Daraufhin habe ich die angesprochen, was das soll. Meinten sie, sie müssen mir das arbeiten beibringen. Es gab keinerlei Anzeichen, dass dies nötig wäre, habe schließlich von meinem selbst verdienten Geld gelebt.

Einmal ließ der Bürgermeister vor versammeltem Dorf den spruch vom Stapel: „Wir mögen die Fremden hier nicht so!“

Solche Geschichten kenne ich zur Genüge. Was ich nicht verstehen kann ist, warum müssen die das so raushängen lassen? Habe denen schließlich nichts getan! Da höre ich, ich soll auf Augenhöhe auf die zugehen, und die lassen mich bei jeder Gelegenheit wissen, dass sie was besseres sind. Als ich finde derartiges Verhalten voll daneben. Wie ist das in anderen Dörfern? Wie geht ihr damit um?

Hallo

Was ich nicht verstehen kann ist, warum müssen die das so raushängen lassen?
Habe denen schließlich nichts getan!

Das ist einfach Revierverhalten, das haben fast alle Säugetiere an sich, und dazu zählt ja auch der Mensch. Wer neu ist, muss sich seinen Platz erobern. Alle anderen versuchen, ihn zu dominieren. Da die anderen schon lange da sind und deswegen gegen einen Neuen alle zusammenhalten, müsstest du da schon geschickt mit denen umgehen.

Wie genau, weiß ich auch nicht, aber natürlich nicht auf alles eingehen, was die wollen, aber auch nicht ablehnend denen gegenüber auftreten. Also sich nicht ausnutzen oder verarschen lassen, aber denen gegenüber möglichst gelassen und freundlich bleiben (und das geht ja schlecht, wenn man man sich ausnutzen und verarschen lässt). Ansonsten einfach dein Ding machen, die Zeit arbeitet für dich. Irgendwann hat sich das erledigt.

Viele Grüße

Hi

Ja, das ist in allen „Dörfern“ so, und mit „Dörfern“ meine ich Kleingemeinden, die abgeschiedenen, natürlich gewachsenen Stadtteile der „suburbs“ sind nämlich auch nicht anders (Meine Mutter ist hier seit 40 Jahren „die Fremde“).

Wahrscheinlich hat das was mit Gruppenidentifikation zu tun. Stell deine Frage doch nochmal im Soziologiebrett, ich denke, da kann man dir eher helfen.

lg
Kate

Hallo,

als Dörflern: Ja, es ist so, das erst die 3. Generation sowas ähnliches wie ein eventuelles Lebensrecht innerhalb der Dorfgrenzen erhält. Hat man es aber erstmal, schützen einen die Eingeborenen unter Einsatz von Leib umd Leben.

Die Alternative ist die Anonymität der Großstadt.

Ich (auf dem Dorf aufgewachsen) kenne beides und kann mich nicht enscheiden, was ich bevorzuge.

Mein Rat: Durchhalten für die Enkel!!!

Barbara

Hallo,

nein.

Grüße

fribbe

P.S.: Deine Familienverhältnisse dürften auch eine Rolle spielen

hallo,

nein, das kommt sehr auf das eigene verhalten an. natürlich sind die alteingesessenen erst einmal neugierig bis skeptisch, wenn man neu in eine gewachsene gemeinschaft kommt. wenn man aber offen auf sie zugeht, die geltenden regeln akzeptiert und nicht so tut, als würde man alles besser wissen, wird man schnell in die dorfgemeinschaft aufgenommen.

meine situation ist ähnlich wie deine, meine partnerin ist im ort aufgewachsen und hat mich nach ein paar jahren in der großstadt sozusagen mitgebracht. ich bin hier aber noch nie angefeindet worden oder hatte sonstige probleme.

gruß

m.i.g.

Moin,

wir sind vor nunmehr knapp 20 Jahren in ein Dorf gezogen (ca. 3000 Einwohner) und hatten von Anfang an keine Probleme.
Vielleicht lag es mit daran, daß ich schon vorher Mitglied in der freiwilligen Feuerwehr war und auch im Dorf sofort aktiv in der dörflichen Löschgruppe aktiv wurde.
Andere Aktivitäten haben wir nie betrieben, außer der üblichen Aktivitäten, die sich mit Kindern in der Grundschule und Dorf ergeben.
Auch nach der Scheidung hatten wir keine Probleme.

Gandalf

meine situation ist ähnlich wie deine, meine partnerin ist im
ort aufgewachsen und hat mich nach ein paar jahren in der
großstadt sozusagen mitgebracht. ich bin hier aber noch nie
angefeindet worden oder hatte sonstige probleme.

Hi,

kann ich auch nur bestätigen, auch für Orte in Bayern. Meine Großeltern sind von Berlin in ein 12-Häuser-Dorf in Bayern gezogen. Ich war dort das erste ledige Kind von einer minderjährigen Mutter. Nie hat mich das einer im Dorf spüren lassen. Meine Großeltern sind gut im Dorf integriert, mittlerweile sind beide um die 80 und die Nachbarn helfen ungefragt.

Ich bin zu meinem Mann in einen 4.000 Einwohnerort gezogen und auch dort läßt man mich nicht spüren, das ich auswärtig bin. Ich spreche auch kein baierisch.

Ich denke es kommt zum einen auf den Ort an und zum anderen darauf, wie man sich gibt.

Vielleicht hat der UP auch Dinge auf sich bezogen, die so nicht gemeint waren.

Gruß
Tina

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Hallo,

meinem Eindruck nach können Orte sehr unterschiedlich sein darin, wie leicht oder wie schwer es ist, in die soziale Gemeinschaft hineinzukommen.

Ganz kleine Dörfer kenne ich nicht, aber ein größeres Dorf mit sehr offenem Charakter, wo ich von vielen Zugezogenen gehört habe, dass es so leicht sei, dort anzukommen - und eine Kleinstadt mit sehr fest geprägter Struktur, in der viele Zugezogene es schwer haben, mehr als oberflächlichen Zugang zu finden.

Und was ich so aus der Ortsgeschichte jeweils weiß, passt gut ins Bild. Das offenere Dorf war immer auf den Austausch mit der Umgebung angewiesen, während die jetzige Kleinstadt (früher auch Dorf) durch ihre spezielle Situation von der Umgebung sehr abgegrenzt war. Das scheint sich als Tendenz zu halten.

Dass das nur eine Seite der Sache ist, brauche ich nicht zu erwähnen, oder?

Viele Grüße,

Jule

hallo,

nein, das kommt sehr auf das eigene verhalten an. natürlich
sind die alteingesessenen erst einmal neugierig bis skeptisch,
wenn man neu in eine gewachsene gemeinschaft kommt. wenn man
aber offen auf sie zugeht, die geltenden regeln akzeptiert und
nicht so tut, als würde man alles besser wissen, wird man
schnell in die dorfgemeinschaft aufgenommen.

Bei mir war es genau andersrum.

Erst haben mich alle überallhin eingeladen. Später fingen sie an (?) sich untereinander zu zoffen, zu tratschen und fremde Kinder zu bestechen.

Anfangs versuchte ich noch zu vermitteln, dann fiel auch bei mir das Fallbeil…

Je alteingesessener, desto Zank.

Die neuen stehen da eher ratlos daneben oder kriegen es nicht mit.

Tilli

Hi,

wir sind vor nunmehr knapp 20 Jahren in ein Dorf gezogen (ca.
3000 Einwohner) und hatten von Anfang an keine Probleme.

Keine Probleme haben ist das eine. Dazugehören das andere. Darf man nicht verwechseln.

Barbara

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Moin,

Keine Probleme haben ist das eine. Dazugehören das andere.
Darf man nicht verwechseln.

das tue ich schon nicht.
Allerdings strebe ich das auch nicht an.

Gandalf

Hallo,

ich wohne hier im Ruhrgebiet . Also Ballungsraum pur. Bin in derselben stadt in einen anderen Stadtteil gezogen, der vor 50 Jahren eingemeindet wurde und gelte hier als zugezogen.

Da wir weder im Schützenverein sind noch in der Feuerwehr oder der passenden Partei engagiert, hat man uns das lange spüren lassen.

Unser Sohn geht hier in den Fussballverein, seitdem ist es besser, er wurde da auch sofort aufgenommen, für uns war das anfangs eher schwierig, und hat gedauert.

Daher denke ich, das hat weniger mit dem Dorf zu tun als mit der Mentalität der Bewohner.
Kann dir nur raten, steh da drüber, sei freundlich und lass dir nichts anmerken, das wird irgendwann.

lg

brenna

Hallo,

in sehr kleinen, alten Dörfern (so etwa unter 500 Einwohner, wo jeder jeden seit der Geburt kennt) bist Du als Neuer sehr lange Neu und sehr lange Fremd.
Als Student nochmal ganz besonders, falls nicht etliche Studierte dort leben oder viele Dörfler studierende Kinder haben.
Die Leute denken, jemand der von weit weg kommt, wird sich für etwas Besseres halten - der kennt ja quasi die Welt, könnte viel schlauer sein und ist ihnen daher nicht geheuer.
Die gehen erstmal auf Abstand und zeigen Dir, was sie alles können, weil sie verunsichert sind und auch Angst haben, Du könntest sie für zu doof halten.

Mach ihnen ordentlich Komplimente für leckeres Essen, gutes Handwerk, gärtnerische Erfolge usw., lass Dir helfen und sei der unbeholfene, aber dankbare und lernwillige Student.
Hilf natürlich umgekehrt auch, nimm aber Kritik oder Verarschung möglichst humorvoll - kann nicht jeder, hängt auch davon ab, ob man die Leute an sich überhaupt mag.

Und gehe davon aus, dass jeder Deiner Schritte registriert und diskutiert wird. Auf so einem Dorf passiert nicht viel, Du bist verm. lange Hauptgespächsthema, einfach weil es sonst nichts Neues gibt.

Überlege auch ruhig, ob ihr nicht woanders wohnen könntet. Wenn man die Nachbarn nun einfach garnicht mag, tut man sich keinen Gefallen mit Dableiben.

Ich würde vage mutmaßen, dass es im Norden etwas weniger streng zugeht, als Du es beschreibst - aber das gilt auch nur für die paar Dörfer, die ich da kenne und die überwiegend mehr als 600 Einwohner haben - das sorgt dann schon für weniger Interesse am Einzelnen.

Gruß, Paran, großgeworden deutlich außerhalb eines Dorfes - das war nett.

Derbe Sprache
Hallo,

und weil sie vom Vater ein Haus hatte, bin ich zu ihr gezogen.

Ein angeheirateter gehört eigentlich nicht zu den Fremden. Klar, er ist nicht „von hier“, aber er ist „der Resi“ ihr Mann

Als ich […] als alle Brotzeit machten um die Ecke kam,
hörte ich gerade noch wie einer sagte: „Machen wir doch alle
abwechselnd Brotzeit, dann haben wir ihn bis heute Abend aufgearbeitet!“

Ich habe ja keine Ahnung von der Situation. Aber wer weiss ob der Satz davor nicht z.B. folgender war:
Der Barney haut richtig rein für einen Studenten… Machen wir doch alle abwecheselnd …

Es war nicht für Deine Ohren bestimmt, veilleicht ein Scherz, vielleicht Respekt, vermutlich harmlos! Das würde auch ihre Reaktion auf Deinen Ausstieg erklären.

Einmal ließ der Bürgermeister vor versammeltem Dorf den spruch
vom Stapel: „Wir mögen die Fremden hier nicht so!“

Da hast Du es immer mit: In Bayern muss sich jedes Dorf früher oder später die Frage stellen, ob sie Tagesgäste, Touristen oder sogar Zugezogene wollen. Das ist eine strategische, weitreichende Entscheidung. In manchen Orten melkt man halt lieber Kühe, das hat Vor- und Nachteile. Und Dein Bürgermeister hat sich da positioniert. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er angeheiratete meint!

Ich kenne es nur so, wer irgendwo selbstlos zum Gemeindeleben beiträgt, ist willkommen, auch als Fremder.

Meines erachtens ist es ein schwieriger Pfad, Essen oder Handwerk zu loben oder einzustecken, um sich beliebt zu machen. Erst wenn man die Qualitäten und Besonderheiten des Dorflebens wirlich erkennt, kann der Respekt authentisch sein. Wichtiger ist m.E. fünfe gerade sein zu lassen. Man sieht sich halt nicht wie in der Großstadt immer zweimal, sondern täglich.

Gruß
achim

Hallo,

Frage: Geht das in allen Dörfern so ab?

Antwort: Nein!

Für mich klingt es eher typisch nach Süddeutschland.

Die Norddeutschen sind anfangs unterkühlter und
wenig gesprächig, beobachten aber genau.
Wer sich hilfsbereit und willig zeigt, sammelt schnell Pluspunkte
und wird dann freundlich aufgenommen.

Anders sein und fremd sein führt zu manchem Kopfschütteln und Verwunderung.
‚umerziehen‘ will man aber kaum und so ‚christlich‘ sind die evangelischen Dörfer
ganz sicher nicht - hier lebt sogar der Pastor ohne Trauschein mit seiner Freundin.

Ist nicht unbedingt eine Frage der Dorfbewohner, sondern vielmehr eine Frage
der örtlichen Mentalität.

Es grüßt
Yvisa

Hallo Simsy Mone,

Da die anderen schon lange da sind und deswegen gegen einen Neuen alle zusammenhalten, müsstest du da schon geschickt mit denen umgehen.

Also ich habe als Kind gelernt, dass ich andere nicht einfach ausgrenzen darf, und erst mal zu Jedem freundlich sein soll. Mit diesem Verhalten habe ich also aufgrund meiner Erziehung schon ein Problem. Was ist da ein geschickter Umgang?

Ausnutzen lasse ich mich nicht, das hast Du ja daran gemerkt, dass ich meine sieben Sachen eingepackt habe und von dannen gezogen bin. Aber die haben das ja gar nicht verstanden. Auch auf Nachfrage hin meinten die, ihr Verhalten sei voll in Ordnung! Oder gilt da für die „Angriff ist die beste Verteidigung!“

Hallo Peluche,

schützen einen die Eingeborenen unter Einsatz von Leib umd Leben.

Kann mir vorstellen, dass das einiges erklärt. Hatte nämlich schwere Konflikte mit meiner Schwiegermutter. Was mich aber wundert ist, dass da keiner nachgefragt hat, was da los ist. Da war offensichtlich automatisch ich der Böse. Meinst Du das mit dem obigen Zitat? Schuld ist automatisch der Fremde? Vorher gab es ja da keine Konflikte? Meine Schwiegermutter ist nun schon seit Jahren tot, aber das gehacke hört nicht auf!

Hallo Mephisto,

wenn man aber offen auf sie zugeht, die geltenden regeln akzeptiert und nicht so tut, als würde man alles besser wissen,

Eigentlich sollte die Geschichte zeigen, dass ich offen auf die zugegangen bin, sogar hilfsbereit. Es gab ja keine Bezahlung. Gegen welche Regeln könnte ich verstoßen haben? Weiß ich alles besser, wenn ich sehe, dass so manche Arbeit mit den geeigneten Maschinen, die ich dann bei mir holte, einfacher und besser machen kann? Ich ordne das unter „hilfsbereit“ und „selbstlos“ und „freundlich“ usw. ein. Es ist mir also ein Rätsel, wie die so auf mich regieren können! Ganz ehrlich, das hat mich richtig geschockt und geärgert! Da hatte ich in meinem Leben bis dahin andere Erfahrungen gemacht. Da haben die Leute anders auf mich reagiert!

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Hallo Gandalf,

Als manche merkten, dass meine heutige Frau und ich damals unverheiratet zusammenleben, haben die Kontakt mit uns aufgenommen, und haben viele Dinge mit uns unternommen, natürlich haben die auch teilweise so in Richtung Kirche gezogen. Da da auch ein Floriansjünger dabei war, habe ich so nebenbei Interesse bekundet, bei der Löschtruppe mitzumachen. Da bin ich aber nicht auf Gegenliebe gestoßen. Eines Tages saßen die dann bei uns am Tisch, incl. Pfarrer. Die sind so rüde geworden, dass sich hinterher sogar der Pfarrer entschuldigt hat.