Glaube an Gott

Hallo zusammen!
Ich hatte gestern mit einem Kollegen eine kleine Diskussion, bei der mich Eure Meinung interessieren würde. Er war (zusammengefasst) der Meinung, dass je schlechter es einer Gesellschaft geht, desto wichtiger für sie die Religion werden würde. Ich konnte dieser Behauptung nicht ganz zustimmen, weil ich persönlich die Beobachtung gemacht habe, dass sich Menschen nach schweren Schicksalsschlägen von Gott und der Religion abwenden („Warum sollte ein Gott so etwas zulassen?“). Wie seht Ihr das?

Hallo
Ich denke, er meinte die Gesellschaft an sich.(Menschen die schockiert sind vom Geschehen,selber aber nicht direkt betroffen sind) Oft suchen die Menschen „Zuflucht“ in der Religion wenn sich eine Katastrophe anbahnt oder wenn ein Unglück geschehen ist.
Die Betroffenen selber wenden sich oft ab und fragen sich :warum kann ein Gott das zulassen? Das ist auch meine Erfahrung.
Ich kann hier aber nur für mich selbst schreiben. Finde die Frage aber auch interessant und bin gespannt wie andere das sehen!
Grüße
Roland

Hallo.

Ich denke diese Frage ist nicht gerade sehr einfach zu beantworten.
Es ist schon richtig, dass sich Menschen die schwere Schicksalsschläge erleiden oft von ihrem Galuben abwenden. Andererseits kann, gerade wenn es jemandem schlecht geht, die Religion, und somit der Glaube daran das ein allmächtiges Wesen schon alles richten wird, wenn man ein guter Mensch ist, ein gewisser Fluchtpunkt sein. Man könnte also auch sagen das man in so einem Fall die Erfüllung seiner Hoffnungen und Wünsche von besagter höherer Macht abhängig macht.

Ob dies nun richtig ist, ist wieder eine andere Frage :wink:

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo,

Ich konnte dieser Behauptung nicht ganz zustimmen, weil
ich persönlich die Beobachtung gemacht habe, dass sich
Menschen nach schweren Schicksalsschlägen von Gott und der
Religion abwenden („Warum sollte ein Gott so etwas
zulassen?“). Wie seht Ihr das?

Es ist doch ein Unterschied ob man einen Schicksalschlag
hinnehmen muss oder ob einen das Schicksal schon in
fatalen Situationen oder Lebensbedingungen aufwachsen lässt.
Letztere kommen wohl besser mit solchen Dingen zurecht.
Man hat nichts verloren, es kann also nur besser werden.
Während jemand der etwas verliert andere Referenzen besitzt.

Gruss

P.

Es ist doch ein Unterschied ob man einen Schicksalschlag
hinnehmen muss oder ob einen das Schicksal schon in
fatalen Situationen oder Lebensbedingungen aufwachsen lässt.
Letztere kommen wohl besser mit solchen Dingen zurecht.
Man hat nichts verloren, es kann also nur besser werden.
Während jemand der etwas verliert andere Referenzen besitzt.

Das macht sicherlich einen Unterschied. Aber meines Erachtens ist es auch für einen Menschen, der von Geburt an in Elend udn Armut lebt und weiss, wie viel besser es andere haben, nicht ganz einfach, an einen Gott zu glauben, der für die Situation ja irgendwo auch verantwortlich gemacht wird.

Hi,

Das macht sicherlich einen Unterschied. Aber meines Erachtens
ist es auch für einen Menschen, der von Geburt an in Elend udn
Armut lebt und weiss, wie viel besser es andere haben, nicht
ganz einfach, an einen Gott zu glauben, der für die Situation
ja irgendwo auch verantwortlich gemacht wird.

„Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den
Himmel kommt.“
Wäre eine temporäre Beeinträchtigung nicht besser als eine
ewige Verdammnis? Es ist eine Frage des Glaubens.
Aus deiner Sicht hast du natürlich Recht! Ich sehe das auch so,
aber die Unbegrentztheit des Glaubens läßt alles überwinden.
Auch Neid und Missgunst kann man herrlich uminterpretieren.
Deshalb kann an der Behauptung deines Bekannten schon etwas
wahres sein! Not macht erfinderisch oder sie zerstört einen,
je nachdem.
Nur darf man das nicht verallgemeinern, vielleicht ist es
eine Tendenz.

Gruss
P.

Hallo,

ich sehe das so, dass es einzig und allein davon abhängt was der politische Wille der Führung eines Landes ist.

Regierungen mit unzufriedenen Bürger tendieren dazu Religion zu förden (Opium des Volkes).

In kommunistischen Ländern wurde Religion aber nicht gefördert, weil von allzu religösen Bürgern ein negativer Effekt ausgeht, der dem Ziel, des Wohlstands und Entwicklung entgegensteht.

Leider standen diesem Ziel auch die kommunistischen staatlichen Strukturen im Wege und die Missachtung wesentlicher Menschenrechte.

Geschichtlich kannst Du ja auch für Deutschland gut sehen, dass es nicht so sehr die persönliche Entscheidung war, ob nun Katholik oder Protestant, sondern dies quasi von der Regierung (dem König oder Fürst) vorgegeben wurde.

Wo man aber Religion wegnimmt, braucht es unbedingt etwas anderes, dass den Zweck von Religion erfüllt.

Der ein oder andere hat ja schon mal vom Fussballgott gehört, oder? :wink:

Brot und Spiele sag ich nur.

„Religion“ ist überall wichtig, nur muss man sich genau überlegen, wie man diese organisiert bzw. welche Organisationen man zulässt.

Eencockniedo

würde. Ich konnte dieser Behauptung nicht ganz zustimmen, weil
ich persönlich die Beobachtung gemacht habe, dass sich
Menschen nach schweren Schicksalsschlägen von Gott und der
Religion abwenden („Warum sollte ein Gott so etwas
zulassen?“). Wie seht Ihr das?

Zu! Zuwenden, nicht abwenden. Oder hat einer der Trottel, die nach dem Knochenbruch Gott in Zweifel stellen vorher jemals nach IHm gefragt?

Erst kommt man ohne Gott aus, nachher ist er an allem Schuld. Wenn das mal kein Gottesbeweis ex negativo par excellence ist weiss ich auch nicht mehr…

Unwissend
Schorsch

Hi!

Ich hatte gestern mit einem Kollegen eine kleine Diskussion,
bei der mich Eure Meinung interessieren würde. Er war
(zusammengefasst) der Meinung, dass je schlechter es einer
Gesellschaft geht, desto wichtiger für sie die Religion werden
würde. Ich konnte dieser Behauptung nicht ganz zustimmen, weil
ich persönlich die Beobachtung gemacht habe, dass sich
Menschen nach schweren Schicksalsschlägen von Gott und der
Religion abwenden („Warum sollte ein Gott so etwas
zulassen?“). Wie seht Ihr das?

Ich für mich halte von Religion gar nichts. Besonders nicht von einer Religion, in der Gott ein übergeordnetes, eigenständig handelndes und denkendes Wesen ist, das dem Menschen mal belohnend, mal strafend gegenüber auftritt (siehe Judentum, Christentum, Islam, aber auch viele Alt-Religionen mit polytheistischer Struktur). Ein Satz wie „Warum sollte (ein) Gott so etwas zulassen?“ ist eine eindeutige Aussage in Richtung „Gott ist ein übergeordnetes Wesen“.

Interessanter wird es für mich, wenn man unter „Gott“ eine Art Lebensprinzip versteht. Einen vernunftbetonten Umgang der Menschen untereinander. Ein Prinzip der Erkenntnis von bestimmten universalen Grundwerten im Menschsein. Das hat dann aber nichts mehr mit einem denkenden, handelnden, übergeordneten Wesen zu tun. Das ist auch kein Gott, zu dem man beten kann in der Hoffnung, dass da jemand zuhört und eventuell hilft. Das ist auch kein Gott, der belohnt oder bestraft, sei es in der Gegenwart oder im Jenseits.

Die Antwort auf die Frage, warum viele Menschen Gott als übergeordnetes Wesen sehen, liegt m.E. darin, dass Menschen sehr häufig die Verantwortung für ihr eigenes Leben, für ihr Denken und Tun aus Bequemlichkeit oder Not auf jemand anderen abschieben wollen. Die Ohnmacht, in einer bedrohlichen Situation nicht helfen zu können, wird mit dem Willen Gottes begründet, anstatt das Unabänderliche als gegeben hinzunehmen. Gleichzeitig dient „der Wille Gottes“ als Entschuldigung für Taten gegen andere Menschen, z.B. im Rahmen von Eroberung, Tötung, Intoleranz usw. Nicht der Mensch selbst tötet in so einem Falle einen anderen aus eigenem Antrieb und mit den Bewusstsein um die Verantwortung über sein eigenes Tun, sondern weil es im Auftrag eines Gottes geschieht. Das ist ein recht simples Entschuldigungsverhaltensmuster.

Religiöses Handeln, basierend auf einem Gottesbegriff des übergeordneten Wesens, zudem noch manifestiert in schriftlicher und unabänderlicher Form als „das Wort Gottes“, ist mir deshalb zutiefst suspekt.

Grüße
Heinrich

Zu! Zuwenden, nicht abwenden. Oder hat einer der
Trottel, die nach dem Knochenbruch Gott in Zweifel
stellen vorher jemals nach IHm gefragt?

Derlei „Trottel“ gibt es zur Genüge…

*sternchen*
Hallo Heinrich!

Absolut auf den Punkt gebracht! Gut, dass es noch Menschen gibt, die in dieser Beziehung logisch denken können.

Michael

Hi,

ich schließe mich dem gern an. Auch von mir ein *.

Viele Grüße
WoDi

Hallo,
nun ja, Du bist für Deine Logik gelobt worden - ich verstehe nur nicht ganz, was daran logisch ist, eine eigene Definition vom Glauben anderer Menschen zu geben und diese dann abzulehnen?

Ich für mich halte von Religion gar nichts. Besonders nicht
von einer Religion, in der Gott ein übergeordnetes,
eigenständig handelndes und denkendes Wesen ist, das dem
Menschen mal belohnend, mal strafend gegenüber auftritt (siehe
Judentum, Christentum, Islam, aber auch viele Alt-Religionen
mit polytheistischer Struktur). Ein Satz wie „Warum sollte
(ein) Gott so etwas zulassen?“ ist eine eindeutige Aussage in
Richtung „Gott ist ein übergeordnetes Wesen“.

Der letzte Satz ist doch auch häufig ein Satz von Religionskritikern - haben die dann nicht vielleicht eine falsche Vorstellung? Jedenfalls bezweifle ich diese Verallgemeinerung eines lohnenden und strafenden Gott, das ist den meisten gläubigen Menschen schlicht zu simpel.

Interessanter wird es für mich, wenn man unter „Gott“ eine Art
Lebensprinzip versteht. Einen vernunftbetonten Umgang der
Menschen untereinander. Ein Prinzip der Erkenntnis von
bestimmten universalen Grundwerten im Menschsein. Das hat dann
aber nichts mehr mit einem denkenden, handelnden,
übergeordneten Wesen zu tun. Das ist auch kein Gott, zu dem
man beten kann in der Hoffnung, dass da jemand zuhört und
eventuell hilft. Das ist auch kein Gott, der belohnt oder
bestraft, sei es in der Gegenwart oder im Jenseits.

Du ersetzt jetzt also Dein Vorurteil von der Gottesvorstellung anderer mit Deinem eigenen, besseren, „interessanten“. Universale Grundwerte nennst Du das - wie begründest Du sie also gegen vorfindliche Rationalitäten. Sind diese Grundwerte nicht höherstehend als kurzfristige Entscheidungen, müssen Entscheidungen nicht an ihnen geprüft werden, auch wenn sie vielleicht spontan unbequem sind (nehmen wir das Leben Demenzkranker - es ist teuer und vielleicht auch irrational, sie gut zu versorgen, wenn wir es doch tun (und das tun ja nicht nur Gläubige im landläufigen Sinn) - nicht in der Überzeugung höherer Werte?).
Wenn Du also aufgrund der Überzeugung von höherstehenden abstrakten Grundwerten einen unbequemen Weg gehst - dann tust Du nichts anderes, als Menschen, die Ihren Werten eine transzendente Begründung zuschreiben und dementsprechend handeln (zu handeln versuchen). Warum ist dann Deine Haltung (aufgrund der Überzeung einer universalen menschlichen Vernunft) in irgendeiner Form interessanter als die anderer Menschen (die sich vielleicht von einem Gott aufgefordert sehen, den anderen Menschen zu achten). Beide Haltungen sind mißbrauchbar, die, die ihre Plausibilität aus der Transzendenz bezieht, die, die sie aus der Plausibilität des „gesunden Menschenverstands“ bezieht.

Die Antwort auf die Frage, warum viele Menschen Gott als
übergeordnetes Wesen sehen, liegt m.E. darin, dass Menschen
sehr häufig die Verantwortung für ihr eigenes Leben, für ihr
Denken und Tun aus Bequemlichkeit oder Not auf jemand anderen
abschieben wollen. Die Ohnmacht, in einer bedrohlichen
Situation nicht helfen zu können, wird mit dem Willen Gottes
begründet, anstatt das Unabänderliche als gegeben hinzunehmen.
Gleichzeitig dient „der Wille Gottes“ als Entschuldigung für
Taten gegen andere Menschen, z.B. im Rahmen von Eroberung,
Tötung, Intoleranz usw. Nicht der Mensch selbst tötet in so
einem Falle einen anderen aus eigenem Antrieb und mit den
Bewusstsein um die Verantwortung über sein eigenes Tun,
sondern weil es im Auftrag eines Gottes geschieht. Das ist ein
recht simples Entschuldigungsverhaltensmuster.

Nein, Du hast ein recht simples Vorurteil gegen andere Menschen. Zivilcourage ist ein seltenes Gut, ein viel zu seltenes. Siehst Du Die die wenigen Beispiele aus der Zeit des 3. Reiches an, wirst Du feststellen, ob Gläubiger oder „Un“-Gläubiger (womit gemeint sein soll, dass das Handeln nicht religiös reflektiert wurde): Es geschah immer in der Grundüberzeugung von höheren Werten und der Überzeugung, dass es für Nichts-Tun keine Entschuldigung war. Ich verstehe nicht, warum ein Mensch, der sich hier für eine universale Vernunft stark macht, sich dermaßen Vorurteile gönnt.

Religiöses Handeln, basierend auf einem Gottesbegriff des
übergeordneten Wesens, zudem noch manifestiert in
schriftlicher und unabänderlicher Form als „das Wort Gottes“,
ist mir deshalb zutiefst suspekt.

Auch hier wieder ein Vorurteil: Anstatt sich anzuschauen, wie ein Gläubiger bzw. eine entsprechende Gruppe den Begriff „Wort Gottes“ defininiert, wird denen natürlich keine Eigendefinition gegönnt, sondern assoziiert: „Wort Gottes“ = Wörtlichnehmer (natürlich nur und ausschließlich von „negativen“ Sätzen) = suspekt(e Fundamentalisten?).

Und natürlich wird mir jetzt wieder einer kommen und erzählen, dass er einen Christen / Juden / Moslem ganz persönlich kennt (ich kenne selbst solche aus diesem Forum), der ein dummer Gläubiger ist, der alles wörtlich nimmt und seine eigene Lebensunfähigkeit dahinter versteckt.
In diesem Forum tummeln sich auch Religionskritiker, die in ihrem Fundamentalismus dem in nichts nachstehen, vielleicht sind das ja auch Grüne-Wähler. Sind also alle Grüne-Wähler vorurteilsbeladene Fundamentalisten?
Nicht nur Rede und Gegenrede gehört zu einem Diskurs, sondern auch die Bereitschaft, vorurteilsfrei an Dinge heranzugehen.

Grüße,
Taju

4 „Gefällt mir“

Liebe Taju,

habe lange nichts gepostet hier in diesem Brett, will auch niemandem meine Ansicht aufdrücken. Aber zum Handeln im 3. Reich muss ich doch was sagen:

… Siehst Du Die die wenigen Beispiele aus der Zeit des
3. Reiches an, wirst Du feststellen, ob Gläubiger oder
„Un“-Gläubiger …: Es geschah immer in der
Grundüberzeugung von höheren Werten und der Überzeugung, dass
es für Nichts-Tun keine Entschuldigung war.

  1. Von Bonhoeffer ist in letzter Zeit viel die Rede, Bischoff Huber lobt ihn natürlich in höchsten Tönen. Aber war Bonhoeffer in der evangelischen Kirche nicht bis weit in die 50er Jahre hinein eine gemiedene, totgeschwiegene Person?
  2. Ist es eine „Grundüberzeugung von höheren Werten“, wenn Kardinal Faulhaber sagt „Der Führer ist ein Abbild des Glanzes Gottes und hat Teil an seiner ewigen Autorität“?
  3. Ebenso, wenn Otto Dibelius die Machtübernahme der Nationalsozialisten emphatisch begrüßt?

Fragende Grüße, Stucki

Hallo stucki,

habe lange nichts gepostet hier in diesem Brett, will auch
niemandem meine Ansicht aufdrücken. Aber zum Handeln im 3.
Reich muss ich doch was sagen:

… Siehst Du Die die wenigen Beispiele aus der Zeit des
3. Reiches an, wirst Du feststellen, ob Gläubiger oder
„Un“-Gläubiger …: Es geschah immer in der
Grundüberzeugung von höheren Werten und der Überzeugung, dass
es für Nichts-Tun keine Entschuldigung war.

  1. Von Bonhoeffer ist in letzter Zeit viel die Rede, Bischoff
    Huber lobt ihn natürlich in höchsten Tönen. Aber war
    Bonhoeffer in der evangelischen Kirche nicht bis weit in die
    50er Jahre hinein eine gemiedene, totgeschwiegene Person?
  2. Ist es eine „Grundüberzeugung von höheren Werten“, wenn
    Kardinal Faulhaber sagt „Der Führer ist ein Abbild des Glanzes
    Gottes und hat Teil an seiner ewigen Autorität“?
  3. Ebenso, wenn Otto Dibelius die Machtübernahme der
    Nationalsozialisten emphatisch begrüßt?

Wir sind da in keinster Weise unterschiedlicher Meinung. Ich habe doch in keiner Weise behauptet, dass kirchliche /christliche Menschen aufgrund ihrer „höheren Werte“ Widerstandskämpfer waren. Sondern: Wer Zivilcourage gezeigt hat, der hat dies getan, weil er Werte (unabhängig davon, ob diese Person sie selbst nun „christlich“, „humanistisch“, „kommunistisch“ etc. bezeichnet hat) für höherwertiger als i.d.R. sein eigenes Leben angesehen hat. Die Erfahrung des 3. Reiches zeigt: Egal mit welcher Überzeugung, Zivilcourage und glaubwürdiges Leben der postulierten Werte ist seltenst.
Die Nationalsozialisten waren eine dezidiert antichristliche und vor allem -kirchliche Bewegung (auch ein Grund für die panische Bejubelung seitens der Kirchen): Jetzt stell Dir mal vor, ich würde jeden, der sich selbst als Christentums- und Kirchenkritisch zeigt, ständig selektiv derartig negative Beispiele vorhalten, um gleich die gannze Grundhaltung zu diskreditieren, ja mehr noch, pauschal behaupten: Wer nicht kirchlich / christlich / religiös ist, ist eigentlich ein dumpfer Nationalist, der sein Selbstwertgefühl aus einer diffus begründeten allgemeinen Vernunft bezieht, die er persönlich natürlich einzig wahrhaftig defininiert?
Stellen wir uns mal vor, Du würdest sagen, Du wärest „Humanist“, ja, und dann komme ich, und halte Dir Erasmus vor, dessen antijüdischen Aussagen das übelste sind, was ich aus der Zeit historisch kenne, und damit den Schuh umdrehen und sagen: Ja, Ihr Humanisten, Ihr seid an allem schuld… Was ist mit all den Genetikern Anfang des 20. Jh., die nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, USA, England, in Weiterführung Darwins die Überlegenheit der europäischen Menschen „wissenschaftlich“ begründet haben - vielleicht ein lustiges Argument, Darwin doch aus den Schulen zu verdammen…
Es ist schlicht unfair, einen Christen von heute (wie einen Deutschen von heute) mit Menschen gemein zu machen, die nach seiner Überzeugung geirrt, gefehlt oder Verbrechen gemacht haben. Ob Du nun Atheist, Agnostiker, Christ oder was auch immer Du bist: Hoffen wir, daß jeder von uns bereit wäre, seine Werte nicht nur zu postulieren, sondern auch zu leben, wenn es darauf ankommt. Wer aber selektiv eine ganze Gruppe verdammt, dem scheint es m.E. an der Bereitschaft zu fehlen, die klar geäußerten Werte anderer Menschen zu respektieren, sondern er möchte sie offensichtlich, egal, was der andere sagt, diskreditieren.
Ich habe nicht behauptet, daß Christen in irgendeiner Weise ihre eigenen postulierten Werte mehr oder besser leben als andere. Ich behaupte aber, daß die Unfühigkeit dazu ein allgemein menschliches Problem ist.
Ich behaupte aber, daß jeder, der sein Leben gemäß höherer Werte zu führen versucht, es sich damit alles andere als einfach macht. Bonhoeffer wäre dafür ein geeignetes Beispiel.

Grüße,
Taju

PS: Noch zu Bonhoeffer: Deine Kritik teile ich, auch der derzeitige Hype ist mir suspekt und es widerspricht mir zutiefst, wenn mein Lieblingsbischof ihn auch noch aus Heiligen bezeichnet: Denn damit wird er zu jemanden gemacht, der unendlich höher steht, ja unerreichbar ist. Seine historische Leistung ist nicht hoch genug einzuschätzen, aber sein Leben und seine Lebensführung sollten etwas sein, was für jeden Christen (zumindest mit seinen Möglichkeiten) selbstverständlich sein sollte.
Otto Dibelius hat sich noch 1933 von seiner Rede als Irrtum distanziert, hatte ab 1934 Redeverbot und war Mitglied der Bekennenden Kirche, verantwortlich u.a. für die Information der Kirchen in England über die Verbrechen in Deutschland gegen die Juden. Du wirst wenige Widerstandskämpfer im 3. Reich finden (außer Sozialdemokraten und Kommunisten), die 1933 nicht im deutschnationalen Sinn die Nazis begrüßt hätten, zumindest vor der Machtergreifung (davor war auch die erwähnte Rede Dibelius’).

1 „Gefällt mir“

Moin Taju,

Wir sind da in keinster Weise unterschiedlicher Meinung.

Sage ich nach dem Lesen Deines Postings auch. Nur die Bewertung der Vorgänge ist bei uns wohl etwas unterschiedlich: Eine Kirche, die so tief verstrickt ist in den Dingen … was soll ich da erwarten, was kann sie mir sagen? Dass Kommunisten gegen Hitler gekämpft haben, ehrt sie, aber deswegen muss ich sie ja nicht lieben. Unberührt davon ist natürlich der Respekt und die Würdigung der Arbeit vieler Pfarrer, die sich um die Benachteiligten unserer Gesellschaft kümmern - Alte, Kranke usw. Stutzig werde ich aber, wenn unser Pfarrer uns die Geschichte von David und Bathseba als ein wunderbares Beispiel des Wirken Gottes und seiner besonderen Gnade erzählt, ich aber nur eine Geschichte von Ehebruch und Mord schön eingekleidet sehe. Aber das nur nebenbei, ist vielleicht mein Problem.

Die Nationalsozialisten waren eine dezidiert antichristliche
und vor allem -kirchliche Bewegung …

Sie waren gegen alles Organisierte, das nicht zu ihnen gehörte, das sie nicht kontrollieren konnten. Auch studentische Verbindungen z.B., die äußerst konservativ, um nicht zu sagen, reaktionär waren, sind verboten worden.

Jetzt stell Dir mal
vor, ich würde jeden, der sich selbst als Christentums- und
Kirchenkritisch zeigt, ständig selektiv derartig negative
Beispiele vorhalten, um gleich die gannze Grundhaltung zu
diskreditieren, …

Nein, jetzt übertreibst Du, ich habe oben versucht („Arbeit der Pfarrer“), das zu erläutern.

Stellen wir uns mal vor, Du würdest sagen, Du wärest
„Humanist“, ja, und dann komme ich, und halte Dir Erasmus vor,
… und sagen: Ja, Ihr Humanisten, Ihr seid an allem schuld.

„Die Humanisten sind des Teufels, sie haben den Menschen in den Mittelpunkt gestellt und nicht Gott!“ Aussage eines „Pfarrers“ bei einer Veranstaltung der so genannten Liebenzeller Mission - aber die sind ja auch nicht die Kirche.

Wer aber selektiv eine ganze Gruppe
verdammt, dem scheint es m.E. an der Bereitschaft zu fehlen,
die klar geäußerten Werte anderer Menschen zu respektieren,
sondern er möchte sie offensichtlich, egal, was der andere
sagt, diskreditieren.

Hier stimmen wir nicht im Geringsten überein, wenn Du mich oder meine Aussagen meinst. Das habe ich nicht gesagt und auch nicht gedacht.

Ich behaupte aber, daß jeder, der sein Leben gemäß höherer
Werte zu führen versucht, es sich damit alles andere als
einfach macht. Bonhoeffer wäre dafür ein geeignetes Beispiel.

Märtyrer werden immer als besondere Leute angesehen. Leider hat nur die Nachwelt etwas von ihnen, weil sie sich so schön auf sie berufen kann. Ich habe da manchmal meine Zweifel. Bonhoeffer ist eindringlichst gewarnt worden, nach D zurück zu kehren. Er hätte besser für D gelebt als den Märtyrertod zu sterben.

Otto Dibelius hat sich noch 1933 von seiner Rede als Irrtum
distanziert, hatte ab 1934 Redeverbot und war Mitglied der
Bekennenden Kirche, verantwortlich u.a. für die Information
der Kirchen in England über die Verbrechen in Deutschland
gegen die Juden.

Danke für die Info, nehme ich gern zur Kenntnis.

Gruß, Stucki

Hallo stucki,

Wir sind da in keinster Weise unterschiedlicher Meinung.

Sage ich nach dem Lesen Deines Postings auch. Nur die
Bewertung der Vorgänge ist bei uns wohl etwas unterschiedlich:
Eine Kirche, die so tief verstrickt ist in den Dingen … was
soll ich da erwarten, was kann sie mir sagen? Dass Kommunisten
gegen Hitler gekämpft haben, ehrt sie, aber deswegen muss ich
sie ja nicht lieben. Unberührt davon ist natürlich der Respekt
und die Würdigung der Arbeit vieler Pfarrer, die sich um die
Benachteiligten unserer Gesellschaft kümmern - Alte, Kranke
usw. Stutzig werde ich aber, wenn unser Pfarrer uns die
Geschichte von David und Bathseba als ein wunderbares Beispiel
des Wirken Gottes und seiner besonderen Gnade erzählt, ich
aber nur eine Geschichte von Ehebruch und Mord schön
eingekleidet sehe. Aber das nur nebenbei, ist vielleicht mein
Problem.

Ist dann die Grundfrage nicht auch die nach dem Umgang mit Institutionen? Die Erfahrung aus der Geschichte macht Dich offensichtlich misstrauisch gegen hier speziell die Institution Kirche. Kirchlicherseits steht z.B. Otto Dibelius für eine größmögliche Distanz zwischen Kirche und Staat (womit er sich bekannter Maßen nicht durchgesetzt hat), da Dibelius klar sah, daß sich gerade im 3. Reich beide zu sehr verstrickt hatten.
Zurück zur Kirche und ganz persönlich: Ich gehöre dazu, auch mit Überzeugung, weil Kirche mir etwas bietet, wofür ich bereit bin, zu zahlen. Ich erlebe (als Theologin) Kirche auch positiv als eine Institution, die gerade aufgrund historischer Erfahrung (wobei ich als Kirchenhistorikerin immer wieder beklagen muß, daß zuwenig auf uns gehört wird:wink: um Glaubenssätze und Wertdefinitionen ringt. Es ist dann eine Diskursgemeinschaft, in der ich stehe, bei der mir vieles nicht gefällt - aber ich bin auch von meinen Eltern zu einer verfassungstreuen Bürgerin erzogen worden - und mir gefällt in D auch nicht alles, was ich sehe.
Ich habe keinerlei Problem mit Kritik an Kirche(n), aber ich erwarte historische Fairness - die (zu wenigen) Mitglieder der Bekennenden Kirche haben sich gerade mit der Barmer Theologischen Erklärung als „eigentliche“ Kirche verstanden, die „Deutschen Christen“ verdammt. Die Institution hat beide hervorgebracht, man sollte also einen Christen von heute nicht in die Falle laufen lassen nach dem Motto: Deine Kirche ist automatisch eine Organisation, die Dich zum Verbrecher macht.

Jetzt stell Dir mal
vor, ich würde jeden, der sich selbst als Christentums- und
Kirchenkritisch zeigt, ständig selektiv derartig negative
Beispiele vorhalten, um gleich die gannze Grundhaltung zu
diskreditieren, …

Nein, jetzt übertreibst Du, ich habe oben versucht („Arbeit
der Pfarrer“), das zu erläutern.

Das wollte ich auch:wink: Aber warum nur wird immer die positiv bewertete Arbeit eines Pfarrers „vor Ort“ von der Kirche getrennt? Er gehört dazu und läßt sich auch von der bezahlen.
Gleich dazu: Mit Pfarrern, die ständig erklären, sie hätten ja mit der Institution nichts zu tun, habe ich auch meine Schwierigkeiten, denn ich verstehe weder, warum sie sich dann davon bezahlen lassen noch, waum sie - zumindestens im protestantischen Bereich, wo es möglich ist - nichts daran ändern.

Stellen wir uns mal vor, Du würdest sagen, Du wärest
„Humanist“, ja, und dann komme ich, und halte Dir Erasmus vor,
… und sagen: Ja, Ihr Humanisten, Ihr seid an allem schuld.

„Die Humanisten sind des Teufels, sie haben den Menschen in
den Mittelpunkt gestellt und nicht Gott!“ Aussage eines
„Pfarrers“ bei einer Veranstaltung der so genannten
Liebenzeller Mission - aber die sind ja auch nicht die Kirche.

Und von derartigen Äußerungen halten wir beide nichts. Ebenso wie ich gegen das Ausgangsposting dieser Teildiskussion protestiere, wenn behauptet wird (vereinfacht): Gläubige Menschen scheuen Verantwortung und sind nicht fähig zu allgemein menschlicher Vernunft. Ich denke, wir müssen uns gegen Pauschalisierer auf allen Seiten wehren.

Wer aber selektiv eine ganze Gruppe
verdammt, dem scheint es m.E. an der Bereitschaft zu fehlen,
die klar geäußerten Werte anderer Menschen zu respektieren,
sondern er möchte sie offensichtlich, egal, was der andere
sagt, diskreditieren.

Hier stimmen wir nicht im Geringsten überein, wenn Du mich
oder meine Aussagen meinst. Das habe ich nicht gesagt und auch
nicht gedacht.

Dafür kennen wir uns ja auch schon gut genug! GEmeint damit ist der, auf den ich zunächst antwortete bzw. ein durchaus häufig zu sehendes Argumentationsmuster gegen andere Ideen / Werte etc. Karl-Heinz Deschner ist ein Beipiel dafür: Er hat gut, aber eben selektiv, recherchiert. Die Sache mit Dibelius kenne ich z.B. aus einem Aufsatz von ihm: Aber tut man hier nicht einer historischen Person Unrecht, wenn ich nur auf eine Rede hinweise ohne auf das, was in den 11 1/2 Jahren später passierte?
Auf kirchlicher Seite passiert dasselbe (da hat man manchmal den Eindruck, Kirche im 3. Reich war eigentlich eine Märtyrerkirche). Du wirst verstehen, warum mein kirchliches und berufliches Leben im großen Maße daraus besteht, Geschichte als genuinen Teil theologischer Ausbildung gegen abstruse Sparzwänge zu verteidigen.

Märtyrer werden immer als besondere Leute angesehen. Leider
hat nur die Nachwelt etwas von ihnen, weil sie sich so schön
auf sie berufen kann. Ich habe da manchmal meine Zweifel.
Bonhoeffer ist eindringlichst gewarnt worden, nach D zurück zu
kehren. Er hätte besser für D gelebt als den Märtyrertod zu
sterben.

Bonhoeffer ist wieder nach D gegangen, weil er Christ, aber vor allem auch Patriot war. Du kennst sein berühmtes Wort vom gregorianischen Singen? Er hat Verantwortung übernommen, nach besten Wissen und Gewissen. Wichtig, auch für heutige Diskussionen, ist: Er hat mit seinem Leben, nicht mit seinem Tod ein Zeichen setzen wollen.

Grüße,
Taju

Hi, hat sich noch nicht herumgesprochen, dass wir im 21.Jhdt leben und dass es „das Schicksal“ nicht gibt ? Wir sind doch keine Fatalisten mehr ! Es kommen Dinge im Laufe des Lebens auf uns zu, denen wir nicht ausweichen können.
Und Schlechtes, Böses, aber auch Gutes gibt es deswegen, weil Gott uns die Freiheit gegeben hat, Gutes und Schlechtes zu erkennen und auch zu tun !
Und „bestraft“ von Gott werden wir nie und nimmer, lest doch endlich mal Imanuel Swedenborg. Gruß

Hi,

hat sich noch nicht herumgesprochen, dass wir im 21.Jhdt
leben und dass es „das Schicksal“ nicht gibt?

Nun gut, wie bennenst du es denn, wenn jemand mit
schwerem Gebrechen geboren wird?
Ein Kind in den Slums georen, auf Müllhalden
leben oder sexuell missbraucht wird?
Dagegen die wohlhabenden, die gesunden,
die wohlbehüteten. Wie nennst du das dann?

Wir sind doch
keine Fatalisten mehr !

Was „WIR“ sind kann ich nicht beantworten, weil ich schon
Probleme damit habe, was ich bin.

Es kommen Dinge im Laufe des Lebens
auf uns zu, denen wir nicht ausweichen können.

Ja klar sehr weise beobachtet, nur trifft es eben
nicht alle gleich, sondern nur manche.

Und „bestraft“ von Gott werden wir nie und nimmer, lest doch
endlich mal Imanuel Swedenborg.

Wer sagt, dass wir von Gott bestraft werden?
In Anbetracht all der Ungerechtigkeiten
wäre es ohnehin besser, wenn es keinen
verantwortlichen Gott gäbe.

Wer ist das? Ein Geistlicher?

Gut ich google mal

Gruss
P.

Hallo Taju,

nicht dass du denkst, ich hätte keine Lust mehr zu antworten, aber mir fehlt ein bisschen die Zeit - du weisst ja: „Rentner sein ist ein Vollzeitjob“ :wink:)
Daher nur kurz einige Meinungen:
Nie würde ich die heutigen Christen persönlich verantwortlich machen für das, was im Namen der Christen/Kirche in den vergangenen Jahrhunderten geschehen ist. Wie du sagst, die heutigen Deutschen auch nicht persönlich für das, was vor Jahrzehnten passiert ist.
Aber es gibt da für mich einen kleinen Unterschied: Die Kirche/das Christentum hat seit etwa 2000 Jahren eine „Verfassung“, die ziemlich gut sagt, wo es lang gehen sollte. Daran gehalten hat sich von den maßgebenden Leuten fast niemand, keine Kirche hat die mittelalterlichen Folterungen, die europäisch/christlichen Raubzüge durch die ganze Welt, den Jahrhunderte, Jahrtausende währenden Antijudaismus (wir wissen, wie das endete) verhindert oder auch nur angeprangert. Daher frage ich mich: Was soll’s? Daher macht mich

… Die Erfahrung aus der Geschichte … misstrauisch gegen
hier speziell die Institution Kirche.

Arno Schmidt sagte mal, „die Herren haben ihre Chance gehabt!“

Die Sache mit Dibelius
kenne ich z.B. aus einem Aufsatz von ihm: Aber tut man hier
nicht einer historischen Person Unrecht, wenn ich nur auf eine
Rede hinweise ohne auf das, was in den 11 1/2 Jahren später
passierte?

Ja, ein bisschen. Späte Erkenntnis ist auch Erkenntnis. „Steigbügelhalter“ für die Nazis war er damit ebenso wie die Konservativen, die die Republik und Demokratie der Weimarer Republik bekämpft haben und dann doch von den Nazis hingerichtet wurden. Lese dazu Kurt Sontheimers „Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik“. Auch frage ich mich, wie das „einfache Volk“ denn denken und handeln soll, wenn die Führungseliten so reden wie Dibelius vor der Machtübernahme. Heidegger z.B. gehört auch in diese Kategorie.

Gruß, Stucki