Gleitzeit in der Schule

Hallo,

gerade wird ja wieder über Sommer/Winterzeit und deren Abschaffung diskutiert.
In vielen Bürojobs gibt es Gleitzeit, weil man die Arbeit mehr oder weniger eigenverantwortlich einteilen kann.

Wenn Leute gleichzeitig an einer Aufgabe arbeiten müssen (z.B. im Bau, ) oder eine bestimmte Anzahl von Arbeitern anwesend sein muss (Schichtbetrieb, Schule), dann ist die Gleitzeit schwieriger zu realisieren.

Gibt es irgendwo Ideen oder sogar Tests, die nicht nur auf „eigenständiges Arbeiten“ (=Lehrerkosten senken) aufbauen?

Hat schon jemand in der Stundenplangestaltung bei Parallelklassen versucht ähnlich wie Sprachliche/Naturwissenschaftliche Züge Langschläfer/Frühaufsteher-Züge einzurichten?
Es gäbe sicherlich auch Lehrer, die gerne in den Langschläferzüge unterrichten würden. (z.B. Unterrichtsbeginn Langschläfer=Große Pause der Frühaufsteher)

Gruss, Marco

Gleitzeit in der Schule ?

Das nannte man früher „Schwänzen“

:smile:

Hast du dich mal mit der Problematik des Stundenplan erstellens auseinandergesetzt und was da so alles mit rein spielt?

Ein Lehrer unterrichtet ja nicht nur eine Klasse den ganzen Tag.
Es müssen also Fachlehrer, Fachräume, Busfahrzeiten, Pausenzeiten uvm. ineinander greifen.

Keine Chance

Hi,

Ich krieg hier grad beim Lesen des Vorschlages Schnappatmung. Es dauert auch mit Computer mehrere Tage, mehrere Dutzend Lehrer so zu verteilen, dass alle Fächer, Kurse und Aufsichten abgedeckt sind und trotz Elternzeit, Altersteilzeit und Behinderungen niemand zu viel Plus- oder Minusstunden macht. Das war nur der Anfang. Und dann müsstest du noch fast alles doppelt stattfinden lassen, um die Langschläfer unter den Lehrern mit denen unter den Schülern zu kombinieren, das gleiche für die Frühaufsteher. Bedeutet doppelt so viele Lehrer und jede Menge zusätzliche Klassenräume, Schulneubauten. Der Bildungsetat platzt.

Die Franzi

Zunächst einmal gibt es durchaus schon Schulen, die später anfangen, oder zumindest den Kernunterricht aus den ersten Stunden raus halten, und durch die Wahl von sonstigen Kursen einen späteren Beginn ermöglichen. Ich habe vor einigen Monaten hierzu eine sehr gut gemachte Doku verfolgt, die diverse wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesem Thema ebenso darstellte, wie eben auch entsprechende Beispiele der Umsetzung. Und der Tenor hier war vollkommen eindeutig:

Gerade in der Pubertät sind insbesondere Jungen massiv nachteilig vom frühen Unterrichtsbeginn betroffen. Es gab da sehr anschauliche Grafiken inwieweit Kinder und Jugendliche - getrennt nach Geschlecht - in welchem Alter besonders aufnahmebereit sind, und wann nicht. Und dies nicht nur aufgrund von „Befindlichkeitsfragen“, sondern auch schön nachgewiesen am Melatoninspiegel. D.h. ausgerechnet in der Phase, in der es schulisch „um die Wurst geht“, und damit die Weichen für die weitere Laufbahn in Bildung und Beruf gestellt werden, würde sich ein späterer Unterrichtsbeginn sehr positiv auf die Schüler auswirken, denn bis zum Höhepunkt mit 20 Jahren verschiebt sich die „innere Uhr“ von Kindern massiv nach hinten, bis sie dann wieder langsam zurückgedreht wird.

Insoweit sind die Albträume von Lehrern, die mit der Stundenplan-Erstellung beschäftigt sind, zwar in Bezug auf den mit solchen Systemen verbundenen Aufwand verständlich. Allerdings sollte man sich schon fragen, was hier wichtiger ist bzw. ob sich der zusätzliche Aufwand nicht als gute Investition in die Bildung durchaus rechnet?

Ein paar interessante Hintergründe zum Thema für diejenigen, die nur schon mal prophylaktisch über zusätzlichen Aufwand in der Stundenplanerstellung klagen:



Hi,

Was du beschreibst hat nur halb mit der Frage zu tun.
Wenn, wie von dir vorgeschlagen, einfach alles eine Stunde später anfängt, entsteht kein zusätzliches Problem für die Stundenplaner.
Wenn man versuchen würde, wahlweise so zu positionieren, dass die Langschläfer unter Schülern und Lehrern eben länger schlafen können, dann schon. Und das war ja die Frage des UP - ob man den Stundenplan nicht so bauen könnte, dass man den Langschläfer UND Frühaufsteher auf beiden Seiten gerecht werden könnte.
Unter einem späteren Unterrichtsbeginn würden vermutlich die Frühaufsteher leiden, denn alles würde sich in Richtung ihrer zubettgehzeit verschieben, ohne dass die zusätzliche Zeit morgens einen vernünftigen Ersatz bietet.

Die Franzi

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Hallo,

ja, ich bin ganz dafür Schule später anfangen zu lassen (wie das in vielen Ländern eh’ der Fall ist), die einzigen Probleme, die hier - wenigstens bei Grundschülern - anfallen sind die Vereinbarkeit mit den Arbeitszeiten der Eltern (aber Eltern, die arbeiten, müssen ja sowieso einen Balanceakt vollführen, wenn sie versuchen müssen, Schule, Betreuung, Hobbys der Kinder mit ihrer Arbeitszeit unter einen Hut zu bringen).

Aber: die Schule später anfangen zu lassen, hat nichts mit Gleitzeit in der Schule zu tun. Das wäre ein paar andere Stiefel. Da würde es sich schon eher anbieten, zumindest in Ballungszentren, Früh- und Spätschulen (später anfangende Schulen, nicht Abendschulen) in Nachbarscchaft anzubieten.

Grüße
Siboniwe

Wenn man ungefähr die Hälfte der Schüler ohne Klagen fünfmal die Woche vier Stunden „Nachmittagsunterricht“ reindrücken kann, und die andere Hälfte um halb Acht anfangen lässt, dann sind in den ersten zwei oder vier Stunden (je nachdem, wie extrem man die beiden Blöcke (Langschläfer und Frühaufsteher) auseinanderziehen will) nur die Hälfte der Räume belegt, insbesondere die Fachräume könnte man dann viel effizienter nutzen.

Das ist jetzt nur ein Vorteil für die Planung, die mir einfällt. Vielleicht gibt es noch mehr?

Durch Einführen von „Nachmittagsklassen“ könnte man vielleicht sogar Geld sparen, indem man weniger Klassenzimmer braucht.

Wie wärs mit Samstagsunterricht? Wenn man für die Nachmittagsklassen sechs mal die Woche vier Stunden nachmittags unterrichtet, kommt man schon auf 24 Stunden. Fangen wir schon an, wenn die anderen gehen (also eigentlich in der Mittagspause), dann haben wir eine Mittags und vier Nachmittagsstunden, macht fünf. Fünf Stunden a Montag bis Samstag ergibt wie fünf mal sechs vormittagsstunden jeweils 30 Stunden.

Kapazität der Schule verdoppelt!

Gruss, Marco

Hallo,

eine Vereinfachtung, um dir die Problematik ein kleines bisschen nahezubringen.

Lehrer A unterrichtet Deutsch und Englisch.
Lehrer B unterrichtet Französisch und Englisch.
Lehrer C unterrichtet Deutsch und Geschichte.

Fällt einer dieser Lehrer aus (Versetzung, Krankheit, Rente, …), wird er nicht automatisch mit jemandem mit den gleichen Fächerkombinationen ersetzt.

Es geht ja bei Lerchen/Eulen nicht unbedingt darum, Unterricht für die eine Gruppe um vier Stunden zu verschieben. Eine etwas spätere Anfangszeit (z.B. 9 Uhr) wäre für beide Gruppen machbar und meiner Meinung nach dienlich.
Bei einem Gleitzeitsystem sehe ich zudem noch mehr die Schüler-Freizeit in Gefahr, wie sie derzeit schon ist, gerade was Sportvereine etc. betrifft. Zumal auch die Spät-Schüler noch Zeit für Hausaufgaben finden müssen (und die dann sicher nicht morgens vor der Schule machen).

Grüße
Siboniwe

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Hi Marco,

und jetzt nimm mal diese drei Lehrer und versorge mit ihnen vier Klassen. Zwei haben 4 Std Englisch und 5 Stunden Deutsch, eine Stunde Geschichte und zwei Stunden Französisch. Die anderen beiden haben 5 Std Deutsch, 5 Std Englisch, kein Geschichte und 2 Std Französisch. Alle sind Abschlussklassen. Keiner der Lehrer darf mehr als 23 Stunden in der Woche haben (das kostet Geld) und Lehrer c darf kein Minus machen, weil er eine Behinderung hat. Außerdem sollten Deutsch- und Englischlehrer nicht mehr als 2 Abschlussklassen haben, damit sie die Abikorrekturen schaffen.

Viel Spaß.

die Franzi

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Wenn man das streng nimmt, ist natürlich die Aufteilung in Vormittags- und Nachmittagszüge eine zusätzliche Anforderung. Wenn man aber andersrum so „weiche“ Anforderungen wie „möglichst wenig Nachmittagsunterricht“ fallen lassen könnte, dürfte es doch zwei gegenläufige Effekte geben: Der eine macht die Planung schwerer, der andere leichter, oder? Oder bist Du auf diesen Erleichterungseffekt gar nicht eingegangen, weil er in der Praxis der Stundenplanerstellung nur einen geringen oder gar keinen Effekt spielt?

Geh mal auf meinen anderen Aspekt ein. Wann machen Schüler mit Nachmittagsschule Hausaufgaben?

Grüße
Siboniwe

Hi,

nochmal, das sorgt für mehr Lehrerstunden, mehr Klassen und vielleicht auch mehr Räume. Außerdem findet mind. 60% meiner Arbeit (ich bin Lehrerin) nicht im Klassenzimmer, sondern am Schreibtisch statt - Korrigieren, Unterricht entwerfen inklusive Unterrichtsmaterialien entwerfen. Das geht nur zu Hause, in der Schule kopiere ich zB einen Klassensatz des Arbeitsblattes, das ich zu Hause erstellt oder herausgesucht habe. Zu hause sind auch die meisten Bücher mit Materialien, die ich für Schüler kopiere oder sonst verwende Zu Hause habe ich auch die Möglichkeit, zwischen dem zweiten und dritten Aufsatz zum gleichen Thema mit den gleichen Fehlern und gleichen Argumenten in die Küche zu gehen und mir Kaffee zu holen, Abendessen zu kochen, eine Pause mit Fernsehen oder Wäsche bügeln einzulegen. Wobei Bügeln und Wohnung putzen in korrekturintensiven Zeiten ausfällt.
Wenn mir jemand einen Stundenplan anbietet, der 10 Uhr anfängt und 16 oder 17 Uhr aufhört, mit Löchern dazwischen, weil ich ja nicht alles unterrichten kann… ich sage dir, da gäbe es Tote. Unser Stundenplaner hat mir grad über die Schulter geschaut und bei dem Lesen deines Vorschlags Pickel gekriegt.
Wenn ich alles das, was ich zu Hause mache, an der Schule erledigen sollte, bräuchte ich ein eigenes Büro (ok, zwei Lehrer in einem geht auch, aber jeder mit PC und Tisch und Stuhl) mit Bücherregal, PC und Fenster. Im Moment haben wir zwei große Lehrerzimmer und ein halbes Dutzend Fachkabinette für Lehrer. Ungestörtes Arbeiten, wie es mein Beruf erfordert, ist unter den jetzigen Bedingungen nicht möglich. Und da die Stundenplaner welber Lehrer sind, überlegen die keine Sekunde, ob sie lieber ihre ganze "Frei"zeit auch noch an der Schule verbringen oer ein paar Tage länger Stundenplan bauen.

die Franzi

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Hi Siboniwe,

sorry, ich dachte, das wäre offensichtlich.
Die Langschläfer müssen halt abends arbeiten, wenn sie morgens schlafen wollen. Den Morgen verschlafen, abends frei geht natürlich nicht.

Gruss, Marco

Und wie soll das funktionieren? Ernsthaft jetzt? Abends findet auch bei Teenagern das soziale Leben statt. Da trifft man sich, geht ins Kino, geht zum Sport, hängt ab … das lässt sich nicht alles auf das Wochenende verschieben.

Selbst WENN die jungen Leute bis um 21 Uhr Hausaufgaben machten und sich dann um ihre anderen Dinge kümmerten, glaube ich nicht, dass viele Eltern das mitmachen würden.

Aber das ist nur ein kleiner Aspekt unter vielen, warum ich einen so nach hinten verschobenen Schultag für in der Praxis nicht machbar halte.

Grüße
Siboniwe

Es gibt durchaus Länder, die ihre Schulen ganztägig in einem entsprechenden Modell mit Vor- und Nachmittagsklassen nutzen. AFAIR z.B. Brasilien. In der Tat ist es eigentlich nicht einzusehen, dass wir gerade die Grundschulen nur fünf Stunden am Tag mit voller Schülerzahl nutzen, und die Räume dann den Rest des Tages leer stehen. Man könnte in einer halb so großen Schule mit einem entsprechenden Modell die selbe Zahl Kinder unterrichten.

Den freien Samstag halte ich hingegen für eine gute Errungenschaft. Den gab es zu meiner Schulzeit noch nicht, bzw. ganz am Ende in Form eines einzigen freien Samstags pro Monat. Die langen Wochenenden sind wertvolle Familienzeit, die man nicht wieder abschaffen sollte.

Warum denn nicht? Ist doch einfach eine Frage der Gewöhnung. Die Hausaufgaben müssen für den nächsten Schultag fertig sein. Klar, dass man die nachmittags macht, wenn man am nächsten Vormittag wieder Schule hat. Ebenso klar, dass man die Vormittags macht, wenn man am Nachmittag davor und danach Schule hat. Es gibt durchaus Länder die ihre Schulen doppelt nutzen, und bei denen genau dies funktioniert.

Wie kommst Du nur darauf, dass man nicht in der Lage ist, morgens statt bis z.B. 06:30 bis 08:00 zu schlafen, und dann keine Zeit mehr hätte bis z.B. zum Schulbeginn 13:00 noch Hausaufgaben zu machen? Und wenn man am Nachmittag Schule hat, dann muss die noch lange nicht bis spät in den Abend gehen, sondern lässt durchaus noch genug Zeit für soziales Leben. Nochmal: Es gibt Länder, die dies erfolgreich praktizieren.

Wer sagt denn, dass man den Lehrern bei so einem Modell nicht durchaus auch gerecht werden kann? Wenn man es hinbekommt, einen Stundenplan für die Schüler so zu gestalten, dass er in einem flexibleren Modell ohne große Nachteile funktioniert, bedeutet dies doch nicht zwingend, dass auf der anderen Seite dann die Lehrer den Nachteil haben müssen.

In der von mir bereits angesprochenen Doku wurde u.a. auch eine Schule in Deutschland vorgestellt, die ein moderneres und flexibleres Zeitmodell eingeführt hatte. Da hörte man aber von den befragten Lehrern keine großen Beschwerden, dass sie jetzt hierunter leiden würden. Man kann durchaus auch beiden Seiten gerecht werden.

Ich habe keineswegs nur die Verschiebung des gesamten Unterrichts angesprochen, sondern auch andere Modelle, für die es durchaus auch schon positive Beispiele gibt, die sowohl Schülern als auch Lehrern gerecht werden.