Gotteslästerung

Der freiheitliche, demokratische, soziale und rechtsstaatliche Gedanke ist für mich der stärkste (!) Halt, festgelegt z.B. im Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. :-}

Was ist daran lästerlich?

guvo

Da hier wiederholt Zweifel an der Meldung laut wurden bzw. der Verdacht geäußert wurde, es handle sich um eine Zeitungsente, hier etwas zur Klarstellung. Gegenstand ist der sog.‚Gotteslästerungsparagraph‘ §166 StGB:

_Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören._

Wenn ein Gericht darüber urteilt, ob eine Straftat nach §166 StGB vorliegt, muss es mithin prüfen
1.) ob der Straftatbestand einer öffentlichen Beschimpfung / Beschimpfung durch Schriften i.S.v. §11 Abs.3 StGB vorliegt
2.) ob der beschimpfte Gegenstand durch die Norm §166 StGB geschützt ist (ob es sich also um ein religiöses / weltanschauliches Bekenntnis, eine Kirche usw. handelt).
3.) ob die Beschimpfung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

90% der Strafanträge sind in der Praxis regelmäßig am letzten Kriterium gescheitert(*), das bei der Novellierung des §166 StGB im Jahre 1969 eingeführt wurde. Seither hat es nicht an Versuchen gefehlt, diese Liberalisierung wieder rückgängig zu machen. Der am weitesten gediehene Versuch war der einschlägige Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes, der u.a. von den Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, Wolfgang Bosbach, Volker Kauder und Rupert Scholz für die Fraktion der CDU/CSU eingebracht wurde (erste Lesung 08.02.2001).

Es wird wohl nicht überraschen, das diese Iniative - die freilich folgenlos blieb - die wohlwollende Zustimmung des Diözesanrates allgemein und des Kardinals Meisner im speziellen fand. Auch die EKD sprach sich in Person ihres Vertreters Oberkirchenrat Joachim Gaertner für die geplante Änderung aus.

Der aktuelle Vorstoß wurde schon im Juni 2006 öffentlichkeitswirksam vorbereitet - die schon genannten Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber anlässlich der Fernsehserie ‚Popetown‘. Dieses ‚laute Nachdenken‘ soll nun konkrete Form annehmen - ob erneut in Form einer Gesetzesinitiative der CDU/CSU-Fraktion im Bundesttag oder über den Bunderat ist wohl noch offen. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sind jedenfalls heute andere als 2001 - dies an die Adresse derer, die das ganze als folgenloses Sommerlochlochgeschwätz einschätzen.

Mit einer Streichung des Straftatbestandes der Störung des öffentlichen Friedens hätten wir dann aus dem §166 StGB wieder das gemacht, was er schon einmal war - einen echten Gotteslästerungsparagraphen, nicht nur eine Strafrechtsbestimmung, die den öffentlichen Frieden schützt. Damit wären wir ein Stück weit wieder da, wo so manche in diesem Land wieder hinwollen - vor 1969. Mindestens.

Freundliche Grüße,
Ralf

(*)Anmerkung: laut Angabe des Nürnberger Generalstaatsanwaltes Roland Helgerth (2001 vom Abgeordneten Norbeit Geis zitiert) werden 90 % der Anklagen nach §166 StGB eingestellt, weil keine Störung des öffentlichen Friedens nachgewiesen werden kann.

Hallo,
aber ist das nicht genau das Problem? Was genau ist die Gotteslästerung, die unter Strafe gestellt werden soll?
Bei welchen Äußerungen oder Handlungen wird der öffentliche Friede gestört?
Darf ich dann noch öffentlich kundtun, dass es keinen Gott gibt?
Immerhin ist das Blasphemie und könnte den öffentlichen Frieden stören.

Ich kenne viele Christen und Muslime, die kein Problem mit besagter Theateraufführung hatten. Ohne vermeidlicher Anschlagsdrohung (die hat es nie gegeben) wäre das Stück auch nicht in den Mittelpunkt des medialen Interesses gerutscht und damit überhaupt Diskussionspunkt der Öffentlichkeit geworden. Immerhin lief das Theaterstück schon einige Zeit.

Was mich wirklich interessieren würde, wäre die Frage, wann Meinungsfreiheit auffhört und die Gotteslästerung beginnt.
Das zu fassen, ist wohl mehr als nur schwer.

Und nur nebenbei, ich denke darauf wollte Gernot hinaus. Es gibt Äußerungen und Handlungen Gläubiger, die den Nichtglauben eines Atheisten beleidigen. Müsste das dann nicht ebenfalls bestraft werden?
Und auch hier wäre wieder die Frage, welche Äßerungen und Handlungen unter diesen Aspekt fallen sollte und dürften.

LG
Anna

Hallo,
aber ist das nicht genau das Problem? Was genau ist die
Gotteslästerung, die unter Strafe gestellt werden soll?
Bei welchen Äußerungen oder Handlungen wird der öffentliche
Friede gestört?
Darf ich dann noch öffentlich kundtun, dass es keinen Gott
gibt?
Immerhin ist das Blasphemie und könnte den öffentlichen
Frieden stören.

Das hängt davon ab, in welchem Umfeld es geschieht. Grundsätzlich würde ich bei dieser Aussage nicht davon ausgehen, daß sie eigens dem Zweck dient, den christlichen oder einen anderen Glauben zu beschmutzen. Für Einzelfallentscheidungen sind wie bei allen Gesetzen die Gerichte zuständig.

Ich kenne viele Christen und Muslime, die kein Problem mit
besagter Theateraufführung hatten. Ohne vermeidlicher
Anschlagsdrohung (die hat es nie gegeben) wäre das Stück auch
nicht in den Mittelpunkt des medialen Interesses gerutscht und
damit überhaupt Diskussionspunkt der Öffentlichkeit geworden.
Immerhin lief das Theaterstück schon einige Zeit.

Eine öffentliche Diskussion wird immer durch Einzelfälle angeregt, die auf irgendeinem Weg publik werden

Was mich wirklich interessieren würde, wäre die Frage, wann
Meinungsfreiheit auffhört und die Gotteslästerung beginnt.
Das zu fassen, ist wohl mehr als nur schwer.

Für die Klärung dieser Fragen gibt es Rechtsgelehrte.

Und nur nebenbei, ich denke darauf wollte Gernot hinaus. Es
gibt Äußerungen und Handlungen Gläubiger, die den Nichtglauben
eines Atheisten beleidigen. Müsste das dann nicht ebenfalls
bestraft werden?
Und auch hier wäre wieder die Frage, welche Äßerungen und
Handlungen unter diesen Aspekt fallen sollte und dürften.

Das kommt wie im umgekehrten Fall darauf an, ob die Handlung zu diesem Zweck erfolgt oder es nur ein Nebeneffekt ist.

Grüße
Ostlandreiter

Ergänzung

Dieses ‚laute
Nachdenken‘ soll nun konkrete Form annehmen - ob erneut in
Form einer Gesetzesinitiative der CDU/CSU-Fraktion im
Bundesttag oder über den Bunderat ist wohl noch offen.

Die Rubrik ‚Panorama‘ gehört zu den Teilen des Spiegel, deren Lektüre ich vernachlässige oder mir relativ spät antue. Gerade eben war es so weit.

Laut Spiegel vom Montag jedenfalls hat die bayerische Justizministerin Beate Merk einen Gesetzesvorschlag erarbeiten lassen, der z.Z. mit der bayerischen Landesregierung abgestimmt wird. Danach soll er als Bundesratsinitiative in den Bundestag eingebracht werden.

Merks Entwurf sieht vor, den Straftatbestand der Störung des öffentlichen Friedens als erfüllt anzusehen, wenn Äußerungen „das Vertrauen der Betroffenen in die Achtung ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung beeinträchtigen oder bei Dritten die Bereitschaft zu Intoleranz“ gegenüber Religion fördern kann.

Wenn das durchgeht - das müssen sich wohl vor allem die Islamkritiker hier im Brett auf Einiges gefasst machen. Und die MODs darauf achten, dass sie sich nicht durch zu große Lässigkeit der Begünstigung von Straftaten schuldig machen … Na denn man Prost - sind die noch bei Trost?

Ralf

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… ungeahnte Möglichkeiten

Wenn das durchgeht - das müssen sich wohl vor allem die
Islamkritiker hier im Brett auf Einiges gefasst machen.

Nicht nur das. Es gibt dann endlich auch eine Handhabe gegen böse Karikaturisten, Kabarettisten und Päpste. Und vielleicht sogar gegen Gegner von Kreuzen in den Schulen - und gegen Gegner von Kopftüchern in den Schulen.

Können Buddhisten und Taoisten eigentlich auch einen Gotteslästerungsparagraphen für sich in Anspruch nehmen? *g*

Und die MODs darauf achten, dass sie sich nicht durch zu große
Lässigkeit der Begünstigung von Straftaten schuldig machen …

Ja, ich sehe auch schwarz für sie - und für so manche User *lach*

Na denn man Prost - sind die noch bei Trost?

Bayern ist halt in der Pflicht. „Wir sind“ schließlich „Papst“ …

Gruß

Metapher

Ps: Danke für die sorgfältige Recherche oben.

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Hallo,

nein - er muß sein en Glauben nicht aufgeben. Es reicht schon, wenn er akzeptiert, daß es außer seiner Meinung auch andere Meinungen geben kann.
Das hat für mich mit den Rechten von Minderheiten gar nichts zu tun Abgesehen davon, daß es da auch genügend Sticherleien gibt, die deswegen noch lange nicht den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen.
Wenn ich deutlich mache, daß mir die Symbole einer bestimmten Religion nichts bedeuten - dann ist das noch lange keine Aussage gegen die Gläubigen und schon gar nicht ein Aufruf zur Augrenzung, Diskriminierung oder gar zum Mord. Man muß da schon die Kirche im Dorf lassen - die wirklich überzogenen Reaktionen kamen in all diesen Fällen nämlich immer als Retourkutschen von der anderen Seite.
Ich sage ja nicht, daß ich da alle Dinge für richtig halte - ich persünlich finde es niveaulos und taktlos. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß es einfach eine Auseinandersetzung auf einem Gebiet ist, auf dem man durchaus verschiedener Meinung sein kann und die deshalb auch erlaubt sein muß. Und das gilt um so mehr, wenn man dann die zum Teil völlig überzogenen Reaktionen der Gegenseite betrachtet, die eigentlich dem Kritiker dann erst beweisen, wie recht er mit seinen Vorwürfen hatte.

Im Übrigen: Wie es in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus. Und da ist festzustellen, daß ein Nichtgläubiger bzw. Andersgläubiger in fast jeder religion nur ein Mensch zweiter Klasse ist. Das wird so verkündet auf den Kanzeln, das steht in den heligen Schriften, das steckt ganz tief drin in jeder Religion. Die anderen sind die Verdammten und die Bösen.
Wieso muß ich das hinnehmen, ohne genau so laut meine Meinung zur Religion sagen zu dürfen? Ist das keine Diskriminierung? Für meine Begriffe wird es höchste Zeit, daß die Auseinandersetzung endlich mit Waffengleichheit geführt wird und daß sich niemand mehr einfach so pauschal hinter dem Grundsatz der Religionsfreiheit verstecken kann. Wenn Benedikt der evangelischen kirche das Recht abspricht , eine Kirche zu sein, dann muß ich ihm auch sagen können, daß er damit in meinen Augen ein arrogantes und selbstherrliches Arschloch ist. Das mag dann für einen guten Katholiken einer Beleidigung gleichkommen - aber es ist nichts anders als die Reaktion auf die Rede des alten Herren in Rom, der sich anmaßt, über andere zu urteilen. Und kein Mensch würde sich in ganz Europa über Mohammed aufregen, wenn es nicht Geistliche gäbe, die in seinem Namen zur Gewalt und zum Krieg aufrufen. Da muß dann eine Antwort auch erlaubt sein.

Gernot Geyer

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