Grenzen zwischen sich und anderen erkennen

Hallo,

Ich versuche, das Verhalten einer mir nahestehenden Person zu verstehen. Diese Person, nennen wir sie Max, zeigt folgendes Verhalten:

Max ist eine sehr kontaktfreudige Person, welche keine Schwierigkeiten hat, Leute anzusprechen oder Konversation zu machen. Die Avancen von Max wirken jedoch oftmals fast offensiv und es entsteht das Gefühl von fehlender Abgrenzung und Missachtung der Privatsphäre des anderen. Dies sowohl körperlich, als auch geistig.

So spricht Max z.B. verschiedene Leute, welche er gerne mag, wiederholt auf ein Thema an, welches ihn selber momentan selber betrifft. Auch wenn die Angesprochenen schon beim ersten Mal klar kommuniziert haben, dass das Thema für sie (momentan) nicht aktuell ist (z.B. Kinderwunsch), kommt er immer wieder darauf zurück. Dies irritiert natürlich die Leute: Sie fühlen sich bedrängt.

Max duzt auch prinzipiell die meisten Leute, auch wenn es nicht angemessen wäre (Z.B. die Verkäuferin im Kleiderladen).

Er versucht meistens künstlich eine Nähe herzustellen, welche so aus der sozialen Situation nicht gegeben und oftmals auch gar nicht erwünscht ist. Er verhält sich gegenüber einer fremden/neu-kennengelernten Person wie ein ‚alter Kumpel‘.

Erstaunlicherweise merkt Max nicht, dass er so den Leuten auf die Füsse tritt und ist dann erstaunt, dass die Leute auf Abstand gehen, bzw. Probleme mit ihm haben. Er meint dann, dass man ihn halt so akzeptieren muss, wie er ist. Ich habe nicht das Gefühl, dass er wirklich parat ist, darüber zu reflektieren.

Ich denke, dass er ein Abgrenzungsproblem von sich selber zu seiner Umwelt hat. Und nun frage ich mich:

a) Wie entsteht so etwas? Ist das frühkindlich bedingt? z.B. durch eine fehlende Ablösung von der Mutter oder dem Vater? Oder kann das auch noch nachträglich entstehen?

b) Wie kann man so etwas heilen? Bzw. wie kann man dieser Person helfen, seine eigenen Grenzen, und diejenigen von anderen Leuten besser wahrzunehmen?

Ich danke für alle Lösungsansätze oder auch nur Gedankenanregungen.

Liebe Grüsse und ein gutes, neues Jahr!!

coco

narzißtische Grenzziehungsprobleme
Hi coco,

problematisches, soziale Spielregeln unterwanderndes Verhalten sowie Unverträglichkeiten des kommunikativen Verhaltens sind allgemein Anlässe, eine Persönlichkeitstörung zu vermuten.

Probleme mit Grenzziehung, Grenzüberschreitung, allgemein eine chaotische Nähe-Distanz-Regulierung ist eines der Merkmale besonders der „narzißtischgestörten“ Persönlichkeit: Unangemssen übersteigert einvernehmendes Verhalten, Verschmelzungs-, und oft Symbiose-Versuche gehören ebenso dazu, wie radikale, affektgeladene (auch verbal-aggressive) Distanzierung von (besonders auch nahestehenden) Personen aus völlig nichtigen Anlässen. Oft findet sich beides zugleich in einer Person vereinigt - und dann oft im spontanen Wechsel (eine Verwandtschaft mit dem Bordeline-Typus ist in dieser Hinsicht durchaus vorhanden).

Zugrunde liegt eine sehr stark ausgeprägte Angst, nicht anerkannt zu sein, Angst, nicht „dabei“ zu sein. Daher (wie in deiner Beschreibung) das Bedürfnis, in den anderen geradzu (verbal) hineinzukriechen. Das wird von anderen dann als Überrolltwerden empfunden.

Mit Personen, bei denen die Gefahr gewittert wird, daß sie sich nicht einvernehmen lassen, also solche, die z.B. offene Kritik äußern, oder dem Verschmelzunggebaren Einhalt gebieten, wird dann oft radikal der Kontakt abgebrochen. Das geschieht aber nicht aus Feindseligkeit, sondern es ist eine sozusagen der Verlassensangst vorbeugende Maßnahme.

Mangelnde Kritikfähigkeit (wie du sie bei der beschriebenen Person vermutlich auch finden wirst) gehört daher ebenso dazu wie eine Neigung zu einer Alles-oder-Nichts-Ideologie. Und oft zeigt sich, daß solche Menschen leider mehr und mehr vereinsamen - schuld waren dann aber immer die anderen, die sich ihnen halt nicht angepaßt haben. Wie sich in vielen Selbstdarstellungen solcher Menschen höheren Alters zeigt, leiden sie aber nicht darunter: Die Trauer um selbstverursachte Verluste wird erfolgreich verdrängt und wandelt sich in verbale Abwertung.

Es fehlt also völlig ein „gesundes“ Nähe-Distanz-Verhalten. Ja, und diese Eigenschaften scheinen weitgehend ihre Anlagen in den frühesten Phasen der Biographie zu haben. Sie gelten daher als sehr schwer therapierbar. Das ist aber eh problematisch, weil sie sich (wie die meisten Persönlichkeitsstörungen) nicht als therapiebedürftig empfinden: Das Problem liegt ja nicht bei ihnen, sondern bei den anderen, die nicht so wollten, wie sie.

Gruß
Metapher

Hallo Metapher,

Deiner Antwort stimme ich ohne Einschränkung zu. Ich möchte nur einen kleinen Aspekt ergänzen:

(eine
Verwandtschaft mit dem Bordeline-Typus ist in dieser Hinsicht
durchaus vorhanden).

Das sehe ich auch so. Überhaupt sehe ich eine ziemlich große Überschneidung zwischen den „Symptomen“ der Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen, auch mit Antisozialer PS. Eine US-amerikanische Wissenschaftlerin - Barbara Oakley - spricht in ihrem Buch „Evil Genes: Why Rome Fell, Hitler Rose, Enron Failed, and My Sister Stole My Mother’s Boyfriend“ deshalb von „Borderpathen“. Ich habe das Buch zwar erst kürzlich erhalten und daher noch nicht gelesen, aber die Autorin sieht das Charakteristische an diesem Persönlichkeitstypus u.a. darin, daß die betreffenden Personen zwar -wie Borderliner - heftige, emotionale Reaktionen haben, sie diese, aber vollkommen abstellen können, wenn es die Situation erfordert, sprich die emotionalen Ausfälle ihnen zum Nachteil gereichen.

Oakley bezeichnet den Charakter dieser Personen mit einem Wort, das man sonst aus ethisch-religiösen Diskussionen kennt: „böse“. Und ich muß sagen, daß, wenn man solche Personen kennt bzw. kennengelernt hat, durchaus begreifen kann, was Religionen wie die christliche dazu veranlaßt hat, von den natürlichen wie übernatürlichen Gegenspielern Gottes zu sprechen. In der Tat gibt es solche Personen wie die beschriebenen, die die Anwesenheit eines Priesters im gleichen Raum nicht ertragen können, weil Priester für genau das Gegenteil stehen, was diese Personen sind, und weil es diesen Personen offensichtlich tatsächlich extrem unangenehm ist, so unangenehm, daß sie Reaktionen zeigen, wie man sie aus bestimmten Filmen kennt.

Beste Grüße

3 Like

Hi,

da gebe ich Dir grundsätzlich Recht. Es ist doch allerdings sehr erstaunlich, dass eine Person die um jeden Preis geliebt und anerkannt sein möchte, durch ihr Verhalten bisweilen genau das Gegenteil erzielt.
Ich vermute, dass es individuell verschieden ist, wie jeamand glaubt, sich verhalten zu müssen, um beliebt zu sein. Da gibt es wohl sehr viele Möglichkeiten. Außerdem sollte man erwarten, dass eine solche Person das jeweilige Feedback analysiert und bewertet um dann sein Verhalten gegebenenfalls anzupassen, um sein Ziel zu erreichen.

Was sagst Du dazu?

LG Rolo

Hallo Metapher,

Danke für deine Beschreibung. Ich kann Max darin sehr gut erkennen. Ich habe mich etwas in das Thema Narzissmus eingelesen und auch dabei einige interessante Hinweise gefunden, allerdings auch Dinge, die bei Max nicht zutreffend sind (oder ich so noch nicht erlebt habe). So ist Max z.B. durchaus fähig, sich selber und auch anderen gegenüber Fehler einzugestehen und daraus zu lernen. Ebenfalls fehlt ein ausgeprägter Grössenwahn.

Wie könnte man jetzt so etwas einordnen? Als Teil-Narzissmus? Oder nur als schwach ausgeprägten Narzissmus? Oder genereller als Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen?

Liebe Grüsse,
coco

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hi, Coco

jedes Verhalten verfolgt bestimmte Ziele (Motivation). Niemand tut etwas ohne Grund.

Was die persönlichen Ziele von Max sind und wie Max glaubt, diese erreichen zu können, hängt davon ab, welche Erfahrungen Max in seinem bisherigen Leben gemacht hat und vor allem, welche Schlussfolgerungen er aus diesen Erfahrungen gezogen hat.

Es ist so willkürlich, weil von vielen Faktoren abhängig, zu welchem Werte- und Glaubenssystem ein Mensch im Laufe seines Lebens kommt. Wäre Max in einer anderen Stadt mit einem anderen sozialen Umfeld aufgewachsen oder noch krasser in der Sahel Zone oder in Jordanien, hätte er ganz andere Erfahrungen gemacht und wäre wahrscheinlich zu einem ganz anderen Werte- und Glaubenssystem gekommen. Er hätte wahrscheinlich andere persönliche Ziele und auch die Art und Weise, wie er glauben würde, diese Ziele erreichen zu können, wäre eine andere.

Es ist meiner Meinung nach sehr schwierig, das Verhalten eines anderen Menschen von außen richtig zu bewerten oder zu beurteilen, da der Beobachter mit einer anderen „Software“ arbeitet, als der Beobachtete. Woher soll man denn genau wissen, was für Max diese oder jene Handlung bedeutet und was er sich wirklich dabei denkt? Das Werte- und Glaubenssystem von Max ist einmalig. Jeder Beobachter seines Verhaltens hat ein anderes Wertesystem und kann nur mit diesem das Verhalten von Max bewerten, nicht aber mit Max´ Wertesystem.
Die Methode „Was würde ich mir denken, wenn ich mich so verhalten würde wie Max“ ist daher nicht geeignet, weil sie das Verhalten von Max nicht erklären kann.

LG Rolo

Hallo Coco
Ich fand Metaphers Ausführungen ebenfalls sehr gut, hätte Max’ Verhalten ebenfalls auf eine der sogenannten f r ü h e n Persönlichkeitsstörungen zurückgeführt, war mir allerdings unsicher, ob er hierbei tatsächlich am ehesten der narzisstischen Persönlichkeitsstörung zuzurechnen sei. Die „frühen“ Störungen lassen sich ja grob in drei Hauptströmungen unterteilen: a) schizoide, b) narzisstische und c) borderline-Persönlichkeitsstörung (Extreme wie die antisoziale Persönlichkeitsstörung will ich jetzt mal nicht extra aufführen, weil das jetzt nicht weiterführen würde).

allerdings auch Dinge, die bei Max nicht zutreffend
sind (oder ich so noch nicht erlebt habe). So ist Max z.B.
durchaus fähig, sich selber und auch anderen gegenüber Fehler
einzugestehen und daraus zu lernen. Ebenfalls fehlt ein
ausgeprägter Grössenwahn.

Wie könnte man jetzt so etwas einordnen? Als Teil-Narzissmus?
Oder nur als schwach ausgeprägten Narzissmus? Oder genereller
als Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen?

Solange man es nicht genauer diagnostizieren kann, würde man sich mit dem „Verdacht auf eine frühe Persönlichkeitsstörung“ zufrieden geben; man würde hier (wie schon vorgedacht) natürlich auch bedenken, dass es zwischen der (breit gefächerten und nicht notwendigerweise besonders pathologischen) schizoiden Störung und der borderline-Pers.Störung liegen könnte.
Mit der schizoiden wäre Max „gut bedient“, weil sehr viele, auch sehr erfolgreiche, Menschen so eine Basis besitzen. Viele Professoren z.B. sind schizoid akzentuierte Intellektuelle. Das geht gut zusammen und ist nichts Ehrenrühriges.
Bei der borderline-Persön.-Störung hätte er allerdings (gesellschaftlich berachtet) etwas schlechtere Karten. Diese Struktur könnte ihm höchstens auf höchster Star-Ebene (Schauspieler, Rockmusiker) etwas nützen. :wink:
Es grüßt dich
Branden

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Hallo Branden,

Auch dir mein bester Dank! Ich habe mir die Beschreibungen von der schizoiden und der borderline-Persönlichkeitsstörung angeschaut, konnte Max aber in keiner wirklich erkennen. Wahrscheinlich ist die Aussage „Verdacht auf eine frühe Persönlichkeitsstörung“ erstmals hinreichend.

Was mich interessieren würde: Solche Persönlichkeitsstörungen scheinen tatsächlich in der frühen Kindheit bedingt zu sein (soweit ich über Max Kindheit/Familie Bescheid weiss, wäre das auch nicht weiter verwunderlich). Ist es sinnvoll, eine solche Person direkt auf einen solchen Sachverhalt anzusprechen (natürlich mit der nötigen Rücksichtnahme)? Oder wäre es besser, die Person die ganze Sache „selbst entdecken“ zu lassen, in dem man immer wieder mal notwendige Infos einstreut?

Liebe Grüsse,
coco

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Grenzziehungsprobleme
Hi aiwendil,

danke für die Zustimmung.

Überhaupt sehe ich eine ziemlich große Überschneidung zwischen den „Symptomen“ der Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen, auch mit Antisozialer PS.

Auch das sehe ich so. Immer mehr kommt auch bei mir Zweifel an der Cluster-Separation in der ICD und im DSM auf. Zwar ist die antisoziale PS deutlich häufiger in niedrigeren IQ-Bereichen zu finden, aber sogar das gesamte Cluster C (mit „selbstunsicher“, „abhängig“, „passiv-aggressiv“ und „zwanghaft“) scheint mir immer weniger deutlich von Cluster B trennbar. Die Variationen innerhalb der einzelnen „nominierten“ PS sind größer, als die zwischen den PS und auch zwischen den Gruppierungen.

Danke aber besonders für diesen Wink mit dem Zaunpfahl:

Barbara Oakley: „Evil Genes: Why Rome Fell, Hitler Rose, Enron Failed, and My Sister Stole My Mother’s Boyfriend“

Nicht nur wegen des sophisticated Titels ist es schon in meine überschwappende to-do-Liste (*stöhn*) aufgenommen.

… daß die betreffenden Personen zwar -wie Borderliner - heftige, emotionale Reaktionen haben, sie diese, aber vollkommen abstellen können

Yepp. Das ist tatsächlich eines der durchgängigen Merkmale: Die heftige, auch tiefe Emotionalität, und die zugleich vorhandene Fähigkeit, diese zeitweilig oder auch längerweilig komplett ausschalten zu können.

Oakley bezeichnet den Charakter dieser Personen mit einem Wort, das man sonst aus ethisch-religiösen Diskussionen kennt:„böse“.

Da ist natürlich Vorsicht geboten. Obgleich ja der Gegensatz „heilig-böse“ gerade bei Borderlinern und Narzißten sozusagen auf der Flagge steht. Und der Erfinder der „Achse des Bösen“ ist ja auch geradezu ein Bilderbuchexemplar davon.

Beste Grüße zurück
Metapher

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Warum?
Hallo coco,

Ist es sinnvoll, eine solche
Person direkt auf einen solchen Sachverhalt anzusprechen
(natürlich mit der nötigen Rücksichtnahme)? Oder wäre es
besser, die Person die ganze Sache „selbst entdecken“ zu
lassen, in dem man immer wieder mal notwendige Infos
einstreut?

Was ich mich immer wieder hier frage: Warum soll ein Mensch, der nicht unglücklich ist (zumindest schreibst Du explizit nichts davon) sein Verhalten ändern? Damit er danach vielleicht unglücklich, aber wenigstens „normal“ (aus wessen Sicht) ist?

Oder geht es nicht eher darum, dass Du(!) ein Problem mit seinem Verhalten hast, es Dir auf die Nerven geht und Du ihn deswegen - unter Vorschürzen eines Helfersyndroms - ändern willst, weil dies Dir einfacher erscheint, als Deine Einstellung zu seinem Verhalten zu ändern?

Nebenbei: Was würde er eigentlich schreiben? Über sich? Oder vielleicht noch interessanter: Über Dich?

Grüße
Jürgen

2 Like

hallo jürgen,

über meine genauen gründe möchte ich mich hier nicht auslassen. grundsätzlich sind sie jedoch egoistischer natur - wie alles, was wir tun oder lassen! hier das helfersyndrom auffahren zu wollen, wäre weder glaubhaft noch zielführend.

ich fände es ebenfalls spannend, zu erfahren, was diese person über sich selber (und von mir aus auch über mich) schreiben würde! dies würde allerdings eine konfrontation mit der thematik bedingen. und darüber bin ich mir noch nicht im klaren.

liebe grüsse,
coco

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Merkmale and all that
Hi coco,

Ich habe mich etwas in das Thema Narzissmus eingelesen

etwas Weiteres findest du ja auch im hiesigen FAQ:920

So ist Max z.B. durchaus fähig, sich selber und auch anderen gegenüber Fehler einzugestehen und daraus zu lernen. Ebenfalls fehlt ein ausgeprägter Grössenwahn.

Das ist ja das, worüber ich unten mit aiwendil austauschte: Das sind die Probleme, die es analog auch in der biologischen Klassifizierung von Spezies unter einer Gattung gibt, wenn man derartig überkomplexe Dinge wie „Persönlichkeitsstrukturen“ in ein Kategoriensystem mit endlichen Merkmalsgruppen einsortieren will:

Bei einem einzelnen Menschen, auch wenn er die „Färbung“ von PSt aufweist, treffen niemals nur die einen oder anderen Merkmale zu und andere nicht. Deshalb sind es ja auch nur „Merkmale“, also solche, die besonders auffallen können, aber nicht müssen. Und andere auffallende Dinge können derweil in eine ganz andere Kategorie gehören.

So auch die „Größenphantasien“ bei der NPS. Die zeigen sich keineswegs immer. Sie können sich sogar gegenteilig zeigen in dem, was ihnen zugrundeliegt: In Minderwertgikeitsgefühlen, zumindest -ängsten. Größenpahtasien zeigen sich sowieso nur selten als solche. Viemehr meist durch krasse Abwertung anderer, speziell bereits „aussortierter“ Personen.

Aber sie können auch ganz fehlen. Es ist jedenfalls unmöglich, auf der Basis trotz deiner Darstellung rudimentärer Beschreibung eine fremde Person „einzuordnen“, auch wenn einiges charakteristisch sein mag. Mir widerstrebt das sowieso. Deshalb spreche ich lieber von (ggf. „narzißtischen“ oder „borderline“ oder „dependenten“ oder „passiv-aggressiven“) Persönlichkeits-„Typen“ oder -„Charakteren“. Es sind mehr „flavors“ als eindeutige Merkmale - abgesehen davon, daß diese auch extrem situatonsabhängig in Erscheinung treten, was auch zu berücksichtigen ist: Jeder von uns kann in entsprechenden Situationen aktuell jedes Merkmal jeder Persönlichkeitsstörung zeigen, ohne, daß das bereits diagnostisch oder gar therapeutisch relevant wäre.

Auch daß sich solche Charaktere ausschließlich aus sog. „frühen Störungen“ herausbilden, bezweifle ich persönlich sehr stark, da ich eine große Menge von Biografien umständehalber kenne. Das sind alles keine 1:1-Gewißheiten.

Wie könnte man jetzt so etwas einordnen?

Am besten gar nicht. Dein Umgang mit ihm sollte von deinen Interessen abhängen und nicht von einem Klassifizierungsschema, das dir darüberhinaus auch noch fremd ist. Deine ggf. Konflikt mit ihm bzw. seinem Verhalten werden um keinen Deut einfacher zu handhaben, wenn du für bestimmte Eigenschaften eine standardisierte Bezeichnung hast.

Gruß
Metapher

4 Like

Sophokles
Hi Rolo,

Es ist doch allerdings
sehr erstaunlich, dass eine Person die um jeden Preis geliebt
und anerkannt sein möchte, durch ihr Verhalten bisweilen genau
das Gegenteil erzielt.

„Ungeheuer ist Vieles, doch nichts ungeheurer als der Mensch“
wußte bereits Sophokles.

Das ist ja gerade das Interessante und Spannende am Umgang mit Menschen, daß sie in ihren Eigenschaften und Verhaltensweise so oft den Satz vom Widerspruch derartig nonchalant in die Tonne kloppen können.

Nicht nur die von Pascal so genannte „logique du coeur“, sondern auch menschliches Erleben und Verhalten entzieht sich weitgehend der formalen zweiwertigen Logik, die Widersprüchliches und Ambilvalentes der Nichtexistenz anheim geben will.

Außerdem sollte man
erwarten, dass eine solche Person das jeweilige Feedback
analysiert und bewertet um dann sein Verhalten gegebenenfalls
anzupassen, um sein Ziel zu erreichen.

Daß das nicht immer der Fall ist, ist der Anlaß, weshalb in der Persönlichkeitspsychologie bzw. Psychotherapie der Begriff der „Persönlichkeitsstörung“ überhaupt notwendig wurde.

Gruß
Metapher

3 Like

hi metapher,

Wie könnte man jetzt so etwas einordnen?

Am besten gar nicht. Dein Umgang mit ihm sollte von deinen
Interessen abhängen und nicht von einem
Klassifizierungsschema, das dir darüberhinaus auch noch fremd
ist. Deine ggf. Konflikt mit ihm bzw. seinem Verhalten werden
um keinen Deut einfacher zu handhaben, wenn du für bestimmte
Eigenschaften eine standardisierte Bezeichnung hast.

da magst du recht haben. ein starres einordnen bringt sicherlich nichts. allerdings hat mir die beschäftigung mit dem thema und den klassifizierungen einiges an verständnis oder vielleicht auch ein mehr an toleranz der person gegenüber gebracht. dinge die man benennen kann, oder wenigestens in die nähe von begriffen rücken kann, sind vielleicht trotzdem einfacher zu handhaben, als „frei-herumfliegende“ dinge.

danke also vielmals für die ausführungen!

liebe grüsse,
coco

Hi Coco

Ist es sinnvoll, eine solche
Person direkt auf einen solchen Sachverhalt anzusprechen
(natürlich mit der nötigen Rücksichtnahme)?

Nein, ich denke, mit so einer Diagnose kann der-damit-Konfrontierte zunächst mal emotional garnichts anfangen. Selbst wenn er vom Fach wäre, würde es wahrscheinlich als aggressiv empfunden werden. Und der Laie kann noch weniger damit umgehen. Das sollte man also tunlichst vermeiden.

Oder wäre es
besser, die Person die ganze Sache „selbst entdecken“ zu
lassen, in dem man immer wieder mal notwendige Infos
einstreut?

Auch das ist in praxi wahrscheinlch zum Scheitern verurteilt, weil ja mit Recht schon gesagt wurde, dass die Menschen mit frühen Persönlichkeitsstörungen meist weniger an Symptomen leiden, sondern eben durch ihr Verhalten anderen Menschen egenüber auffallen. Sie haben also weniger Motivation, da etwas zu ändern und projezieren bei Kommunkationsproblemen entstehenden Ärger eher auf Außenobjekte (also die Anderen) als -wie der leidende Neurotiker das „gerne“ tut- sich an die eigene Nase zu fassen.
Es wurde ja schon erläutert - diese Menschen haben schlechtere Karten in punkto Veränderung. Manchmal merken sie aber doch irgendwann, dass etwas mit ihnen nicht ganz stimmt und begeben sich -günstigenfalls- in Therapie.
Gruß,
Branden

Liebe Grüsse,
coco

Hallo Coco
Ich fand Metaphers Ausführungen ebenfalls sehr gut, hätte Max’
Verhalten ebenfalls auf eine der sogenannten f r ü h e n
Persönlichkeitsstörungen zurückgeführt, war mir allerdings
unsicher, ob er hierbei tatsächlich am ehesten der
narzisstischen Persönlichkeitsstörung zuzurechnen sei. Die
„frühen“ Störungen lassen sich ja grob in drei Hauptströmungen
unterteilen: a) schizoide, b) narzisstische und c)
borderline-Persönlichkeitsstörung (Extreme wie die antisoziale
Persönlichkeitsstörung will ich jetzt mal nicht extra
aufführen, weil das jetzt nicht weiterführen würde).

allerdings auch Dinge, die bei Max nicht zutreffend
sind (oder ich so noch nicht erlebt habe). So ist Max z.B.
durchaus fähig, sich selber und auch anderen gegenüber Fehler
einzugestehen und daraus zu lernen. Ebenfalls fehlt ein
ausgeprägter Grössenwahn.

Wie könnte man jetzt so etwas einordnen? Als Teil-Narzissmus?
Oder nur als schwach ausgeprägten Narzissmus? Oder genereller
als Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen?

Solange man es nicht genauer diagnostizieren kann, würde man
sich mit dem „Verdacht auf eine frühe Persönlichkeitsstörung“
zufrieden geben; man würde hier (wie schon vorgedacht)
natürlich auch bedenken, dass es zwischen der (breit
gefächerten und nicht notwendigerweise besonders
pathologischen) schizoiden Störung und der
borderline-Pers.Störung liegen könnte.
Mit der schizoiden wäre Max „gut bedient“, weil sehr viele,
auch sehr erfolgreiche, Menschen so eine Basis besitzen. Viele
Professoren z.B. sind schizoid akzentuierte Intellektuelle.
Das geht gut zusammen und ist nichts Ehrenrühriges.
Bei der borderline-Persön.-Störung hätte er allerdings
(gesellschaftlich berachtet) etwas schlechtere Karten. Diese
Struktur könnte ihm höchstens auf höchster Star-Ebene
(Schauspieler, Rockmusiker) etwas nützen. :wink:
Es grüßt dich
Branden

Hi ihr beiden

Barbara Oakley: „Evil Genes: Why Rome Fell, Hitler Rose, Enron Failed, and My Sister Stole My Mother’s Boyfriend“

Klingt in der Tat spannend. Ist das Buch schon ins Deutsche übersetzt worden?
Gruß,
Branden

Tyrannen der Weltgeschichte und des Alltags
Hi Branden,

ISBN 978-3827420299 Buch anschauen
und
ISBN 978-1591026655 Buch anschauen

Gruß
Metapher

1 Like

Vielen Dank, Metapher!
*

Den Tel Avivern wird das nachgesagt… dort würde er also kaum auffallen.
A

hallo coco,

das blöde dürfte sein, dass seine Motive vermutlich durchaus verständlich (und im Kern sehr ähnlich zu den Motiven von uns allen) wären. Alleine die Mittel der Zielerreichung dürften „unnormal“, also abweichend von einem wie auch immer gearteten Durchschnitt sein.

Ich möchte auch gar nicht Deine Motive im einzelnen kennenlernen (warum auch), ich sehe mich nur im Spiegel. Ich bin z.B. auch ein sicher im Verhalten nicht ganz „normaler“ Mensch und habe durchaus dann und wann meinen gesteigerten Spass daran, in Organisationen anzuecken. Und ich erlebe es durchaus bei mehr oder weniger wohlmeinenden Menschen, dass sie mein Verhalten korrigieren wollen (gerne z.B. durch Chefs oder bei eben den Menschen, bei denen ich anecke). Immer mit dem Satz, dass ich mir das Leben doch nicht so schwermachen solle …

Das witzige dabei ist, dass die einzigen, die in diesem Moment aus meiner Sicht ein schweres Leben haben, sie selber sind, was die Wirkung dieses Tipps irgendwie vermindert.:wink:

Und deswegen habe ich es schon lange aufgegeben, bei anderen Menschen Änderungen herbeiführen zu wollen, wenn ich nicht den Eindruck habe, dass sie unter ihrem „Problem“ leiden.
Ich bemühe mich dann eher, die Stärken des Menschen zu identifizieren und diese zu verstärken und Situationen zu vermeiden, die unangenehm für mich(!) sind:wink:

Grüße
Jürgen

1 Like