Wie man sinnvolle Anliegen am besten diskreditiert
Hallo Carlos!
Diese Diskussion trägt altbekannte, typische Merkmale: Die Einsicht fällt vielen Leuten schwer, daß wir Verbrennungsprozesse in Wärmekraftmaschinen mit mehr technischem Know-how ablaufen lassen müssen, um den CO2-Ausstoß und den Bedarf an Primärenergieträgern zu verringern. Eine bewährte Methode, sich gegen diese Einsicht zu stemmen und die Diskussion in ganz andere Richtungen zu lenken, besteht darin, das Unabänderliche mit dem Namen einer Partei zu verknüpfen. Völlig unabhängig davon, wer ursprünglich sehr vernünftige Forderungen vertrat, z. B. Herr Töpfer oder Frau Merkel, reicht regelmäßig der Ruf T-R-I-T-T-I-N !, um auf Soziologen, Sozialpädagogen oder Taxifahrer zu kommen und den ursprünglichen Punkt der Diskussion als wirtschaftsfeindlich und weltfremd zu brandmarken.
Sachverstand ist entbehrlich bis hinderlich, solange man auf dem Klavier zu spielen versteht, je nach Situation laut „Grüne“ oder „Sozis“ zu rufen. Zuweilen ist es auch nützlich, „Holla, das ist aber ein Standpunkt der NPD“ in die Diskussion zu werfen und ein sinnvolles Anliegen totzutrampeln. Sollten sich wider Erwarten immer noch hartnäckige Regungen in Richtung Veränderung zeigen, legt man mit dem Einwurf „Ami-Bashing“ nach.
Mit solchen Methoden lassen sich die haarsträubendsten Behauptungen vertreten, weil ja eben andere Standpunkte z. B. von den Grünen postuliert werden und allein deshalb Unfug sein müssen. So sind sich tatsächlich einige Leute nicht zu schade, den Niedergang unserer Industrie an die Wand zu malen, falls an Stelle 100 Jahre alter Verfahren Hochtechnologie zum Einsatz kommen soll. Letztlich wird der Standpunkt vertreten, daß wir die Finger von F&E lassen sollten, lieber weiterhin nur Blech in immer neue Formen pressen und die besseren Technologien z. B. den Japanern überlassen sollten. Alles Ernstes wird behauptet, wir sollten lieber am Altbewährten festhalten, das jeder Depp irgendwo auf dem Globus absehbar ebenso gut, nur billiger zustande bekommt, weil wir sonst unsere Wettbewerbsfähigkeit einbüßten.
Falls die Holzhammermethode der Verknüpfung eines schlichten Sachzwangs mit bestimmten Parteien nicht auf Anhieb klappt, bedient man sich einer Verfeinerung, die eigentlich immer ankommt. Man läßt unterschwellig durchblicken, daß wir demnächst alle Fahrrad fahren oder uns bestenfalls mit engen Nuckelpinnen fortbewegen können, falls man wagt, irgendwas an bestehenden Verhältnissen zu ändern.
Natürlich ahnt jeder, der nicht total blind durch die Gegend stolpert, daß wir unseren Lebensgrundlagen mit der bisherigen Art des Umgangs mit der Natur vielleicht doch keinen Gefallen tun und daß „Made in Germany“ auf Dauer als einziges Verkaufsargument vielleicht doch nicht reicht und daß wir möglicherweise, eventuell, vielleicht, unter passenden Randbedingungen, wenn weltweit alle mitmachen, eines fernen Tages vorsichtige, aber möglichst überhaupt nicht spürbare Veränderungen des Verhaltens in Erwägung ziehen könnten. So ist seit 1994 in der Energieeinsparverordnung vom Energiepaß für neue Gebäude die Rede und von einer geplanten Erweiterung auf den Altbestand. Macht man sich heute auf der Seite des zuständigen Bundesbauministeriums schlau und sucht nach dem Stichwort „Energiepaß“ oder „Energieausweis“, findet man außer ein paar älteren Ankündigungen nicht viel. Da ist z. B. von der Absicht die Rede, den Energiepaß für den Altgebäudebestand im Sommer 2006 zu beschließen. Inzwischen haben wir Herbst 2006 und passiert ist gar nichts. Es geht ja auch nur um den größten Einzelposten mit einem Drittel des gesamten Primärenergieeinsatzes. Es geht ja auch nur darum, daß im Altgebäudebestand gegenüber zeitgemäß ausgestatteten Gebäuden das 5- bis 10-fache der Energie einfach verbraten wird. Es geht ja auch nur um ein Investitionsvolumen in 3stelliger Milliardenhöhe und damit um ein Wirtschaftsprogramm par excellence. Und es geht darum, den größten Einzelposten des CO2-Ausstoßes spürbar zu senken.
Was ich zum Ausdruck bringen will: Ein grundsätzliches physikalisches oder technisches Problem kann ich nicht entdecken, wenn es darum geht, Energieeinsatz und CO2-Ausstoß zu senken. Ich kann auch nicht erkennen, daß damit irgendwelche Einschränkungen der Mobilität oder des Komforts einher gehen. Ebenso kann ich nicht einmal entfernt das Risiko erkennen, daß damit auch nur ein einziger Arbeitsplatz in Gefahr geriete. Das Gegenteil ist der Fall. Es handelt sich in jedem Einzelfall um gewaltige Arbeitsbeschaffungs- und Wirtschaftsprogramme, die ganz nebenbei die Lebensqualität von uns allen verbessern, die Belastung der Umwelt verringern, uns unabhängiger von Energieträgerimporten machen und maßgeblich zur dauerhaften Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft beitragen. Einzig ein muffig-konservativer Geist und Angst vor jeglicher Veränderung hindern uns, die Chancen zu erkennen.
Gruß
Wolfgang