Geld und Moral
Hi.
Meine Kernfrage , ob bei (zu vielen?)
wirtschaftlichen/unternehmerischen (ich rede hier nicht vom
Mittelstand, sondern von der „Macht des Geldes“)
Entscheidungen die Gewinnaussichten unbedingt immer
einen so hohen Stellenwert haben müssen, bleibt bestehen.
-> Rendite, Geschäfte, Geld um jeden Preis?
Um jeden Preis schon mal nicht, da wir feste moralische und gesellschaftliche Regeln haben, die bestimmte „Preise“ ausschließen (auch wenn sich nicht immer dran gehalten wird). Darunter zählen Betrug, Raub, Erpressung etc., die sich in Gesetzen manifesteiren.
Alle anderen Geschäfte sind per se erlaubt. Manche Geschäfte aber tangieren die Moral, die jedoch bei jedem Menschen und in jeder Gesellschaft anders aufgefaßt wird. Sicherlich gibt es in diesem Bereich wieder Schwerpunkte. So dürften mehr Menschen ein Problem damit haben, wenn ein Kinderheim für einen Golfplatz gesprengt wird, als wenn eine Bank bspw. den Ankauf von Leopard II-Panzern für die Bundeswehr vorfinanziert. Erst recht echauffiert sich die Volkesseele, wenn der Regenwald ruiniert wird und deswegen steigt ja nicht nur Greenpeace der WestLB aufs Dach sondern auch der Bierkonsum in Deutschland, wenn G. Jauch für Krombacher und den Regenwald-Euro wirbt.
Wo das gesellschaftliche Ziel Gewinne zu machen (und es ist ein gesesllchaftliches Ziel, weil nur Gewinne Arbeitsplätze schaffen) durch die Moral eingeschränkt werden sollte, ist nicht allgemeingültig festzustellen. Klar, wenn sich BILD und Konsorten wieder mal einen Fall rausgreifen, fällt es den Deutschen leichter, Stellung zu beziehen. Man läßt in Deutschland halt gerne mal vordenken und eine fertige Moralmahlzeit ist außerdem schneller verdaut als ein eigener Gedanke.
Jeder, der Entscheidungen trifft, trifft diese innerhalb seiner eigenen Vorstellung von Moral und Anstand. Ein Mittelständändler würde niemals aufgrund einer kurzfristigen Auftragsdelle Personal entlassen, das er später wieder mühsam wieder einkaufen muß. Hier führt meist noch der Eigentümer die Geschäfte, so daß er es auch auf seine Kappe nehmen kann, wenn er mal ein Jahr weniger verdient.
In den großen Kapitalgesellschaften führt die Geschäftsleitung die Geschäfte, wofür sie weder haftet noch die langfristigen Folgen tragen muß. Wenn ein Vertrag ausgelaufen ist, bekommt der entsprechende Mensch einen neuen oder kann sich aus einer Vielzahl von neuen Angeboten eines aussuchen. Wird er vorzeitig vor die Tür gesetzt, wird sein Vertrag in finanzieller dennoch erfüllt: Geldsegen.
Im Gegenzug erfüllt er die Forderungen der Gesellschafter nach möglichst hoher Rendite – auch wenn er u.U. der einzige ist, der diese Forderungen so gehört hat. Die Folge ist klar: Es wird nach kurzfristigen Renditemöglichkeiten gesucht. Inwieweit man sich da dann noch von moralischen Aspekten leiten läßt, hängt einerseits von der Persönlichkeit und andererseits vom Rest des Unternehmens ab. Z.B. davon, ob im Umfeld der Geschäftsleitung noch Menschen vorhanden sind, die einerseits ausgeprägtere Vorstellungen von Moral haben und andererseits Mut und Gelegenheit haben, diese Vorstellungen auch der Geschäftsleitung zu vermitteln.
Was ich damit sagen will: Das ganze läßt sich nicht über einen Kamm scheren, denn jedes Unternehmen tickt anders. Um auf die Pipeline zurückzukommen: Ich will mich nicht übermäßig lang über die Kreditprozesse in Banken auslassen, aber man kann davon ausgehen, daß an dem Geschäft bis zur Entscheidungsfindung gut 20 Leute beteiligt waren. Seltsamerweise vergessen viele Bankmenschen bei Beginn des Arbeitstags, daß sie auch um die Arbeit herum ein Leben haben. Jedem Menschen ist klar, daß Pipeline im Urwald tendenziell Sauerei bedeuten kann. Wenn die Leute ins Geschäft kommen, wird eine Pipeline schnell zu einem großen Zahlenwust mit Zahlungsströmen und Renditeerwartungen. Daß in so einem Fall jemandem einfällt, daß es da noch andere Aspekte gibt, ist selten. Ich hatte mal einen Kollegen, der sich standhaft weigerte, Kredite an ein Rüstungsunternehmen zu vergeben. Im konkreten Fall war das eigentlich unsinnig, aber generell sind Überzeugungstäter selten. Das liegt gar nicht mal daran, daß alle nur an ihren jährlichen Bonus denken, sondern die einen den Auftrag haben, möglichst jedes geschäft zu machen und die anderen nur aufs Risiko schauen. Für moralische Überlegungen gibt es normalerweise kein Kästchen auf dem Organigramm und so macht jeder, wie ihm geheißen.
Im übrigen sei Dir versichert, daß an solchen Projekten erfahrungsgemäß sowieso kaum eine der beteiligten Banken was verdient. Verblüffend, ist aber so.
Nur konmt dann häufig DAS „durchschlagende“ Argument. Wenn wir
es nicht machen tut es ein anderer. ( Anm.:…und der verdient
dann das Geld, das uns sonst durch die Lappen geht!)
Ob das ein durchschlagendes Argument ist, weiß ich nicht, aber die Aussage entspricht den Tatsachen. Allein in Deutschland gibt es rd. 3000 Kreditinstitute. Bei solchen Geschäften wie der Pipelinefinanzierung werden in der Regel zig Banken angesprochen und wer nicht mitmachen will, macht halt nicht mit. Damit wird aber das Projekt an sich nicht blockiert.
Ohne etwas unterstellen zu wollen!!
Aber wo es um sehr viel Geld geht, habe ich grundsätzlich
große Zweifel, wie neutral neutrale Gutachten sind. Dazu
reicht mein Vertrauen ins Gute vom Menschen nicht. Auch nicht
bei Umweltschutzorganisationen!
Das bleibt Dir überlassen. Wer Gutachten nicht glaubt, kann das Geschäft gleich stillegen. Das Knowhow und die Kapazitäten sind schlicht und ergreifend nicht vorhanden, um jeden Piep durch die Bankmenschen selbst überprüfen zu lassen.
Noch ein paar Punkte in Kürze:
- Bei der Kreditvergabe kommt der Kunde üblicherweise nicht
mit dem Hinweis: „Die Pipeline wird den ganzen Regenwald
versauen“ oder „ich werde mit dem Wagen morgen meine
Schwiegermutter überfahren“. Das soll nicht heißen, daß man
sich bei der Kreditvergabe keine Gedanken machen soll, aber
das heißt auch nicht, daß die Bank schuld daran ist, wenn der
Kreditnehmer mit dem finanzierten Gegenstand Mist baut. Wenn
eine Bank ein Flugzeug finanziert, das anschließend in
Hochhäuser fliegt, kommt auch keiner auf den Gedanken, die
Bank zur Verantwortung zu ziehen. Bei Pipelines klappt das
vorzüglich, jedenfalls in der öffentlichen Meinung.
Auch da hast du recht. Obschon du hier verteidigst, aber keine
Stellung zur Sache nimmst.
Was sollte ich denn zur Sache sagen? Ich kenne das Geschäft nicht genau genug, um beurteilen zu können, was an möglichen Problemen vorher bekannt war oder was nicht. Generell kann ich nur schwerlich im Vorfeld beurteilen, was der Kreditnehmer mit dem Geld anfängt. Ich kann in begrenzter Weise kontrollieren, wofür es ausgegeben wird, aber was danach passiert, entzieht sich solange meiner Kenntnis, bis das Kind in den Brunnen fällt.
- Bei jedem zweiten größeren Bauprojekt kommen Menschen ums
Leben. Beim Gotthardtunnels waren es 19 und bei der Golden
Gate Bridge um die 40. Was hat die Bank damit zu tun, die das
Projekt finanziert hat? Für den Arbeitsschutz sind andere
verantwortlich.
Du bist wirklich überaus kreativ, wenn es darum geht die
Banken zu „verteidigen“
*freundlich grinsend*
Das hat doch nichts damit zu tun, daß ich die Banken verteidige. Einerseits habe ich dazu grundsätzlich keinen Anlaß – auch wenn sich das jetzt gerade so anhärt – und andererseits gibt die Bank das Geld für ein Projekt, nicht mehr. Wenn ich Dir den Bau einer eigenen Hütte finanziere und dabei ein Arbeiter im Suff in den Zementmischer fällt, mögen einige dafür können (Vorarbeiter, Kioskbesitzer, Kollegen). Die Bank ganz sicher nicht.
Gruß,
Christian