Protopsychologie
Hallo,
Wieso aber kann man eine Gesamtheit der Welt nur metaphorisch
als organische erfassen?
„Metaphorisch“ heißt doch „bildlich“ gesehen, „übertragen“,
oder? Ist sie, die „Welt“, denn keine organische Einheit?
das Verständnis der Welt als Einheit trägt eine systemtheoretischen Gedanken an die Welt heran, der in der Welt selbst nicht enthalten ist bzw. zumindest nicht beweisbar existiert.
Ist „gegeben“ (sein oder haben) und „verfügen“, wie du es
auseinanderhälst, nicht nur eine verschiedene
Schwerpunktsetzung?
Ja, das ist es, aber nicht „nur“, sondern sehr wesentlich, denn hier ist die Frage nach dem wissenschaftlich richtigen Zugang zur „Welt“ berührt, und je nachdem welchen Zugang ich wähle (zur Wahl stehen u. a. Axiomatik, Positivismus und Konstruktivismus), komme ich zu verschiedenen Ergebnissen.
Verstehe ich dich richtig, daß Seele nicht Gegenstand der
(„unspekulativen“) Philosophie sein kann, obwohl doch die
Philosophie sich mit den wesentlichen (und darunter nicht nur
`naturwissenschaftlich-meßbaren´) Fragen des Lebens befaßt,
Seele ist als qualitative Eigenschaft schon lange kein Gegenstand der Philosophie mehr, weil der Begriff, so wie er vorwissenschaftlich in der Regel verstanden wird, nicht eindeutig und mit viel historischem Balast beladen ist.
und „Seele“ doch eigentlich das ist, was allem Lebendigen der
Welt, unter anderem auch Mensch und Tier und auch Pflanzenwelt
gemein ist?
In dieser Ausdrucksweise ersetzt du mit dem Begriff „Seele“ nur das Wort „Leben“ - und damit ist nichts gewonnen.
Erscheinungsformen derselben, wie die „Geschichte“ und die
„Sprache“, zum Beispiel. Sind die aber nicht so etwas wie
„Entfaltungsräume“ der menschlichen Seele? Und gibt es hier
nicht auch materiell wirkende Quellen?
Sie sind auch Formen des Lebens, wofür brauchst du den Seelenbegriff?
Vielleicht kannst du helfen, die meiner Ansicht nach
unnatürliche unobjektive und auch unsubjektive Spalte zwischen
„Metaphysik“ und „Proto(?)Physik“ zu untersuchen und
gewisserweise dieses „Loch (Leck) zu(mindest zuzu)stopfen“?
Die Philosophie der Psychologie heißt als Wissenschaftstheorie in der Tat „Protopsychologie“. Dirk Hartmann hat über die Probleme der Psychologie als Wissenschaft in Marburg 1997 eine Habilitationsschrift verfasst mit dem Titel „Protopsychologie, Kulturalismus, Leib-Seele-Problem und die Grundbegriffe der Psychologie“, die unter dem Titel „Philosophische Grundlagen der Psychologie“ in der „Wissenschaftlichen Buchgesellschaft“ ein Jahr später erschienen ist.
Das wissenschaftstheoretische Programm des Konstruktivismus der sog. Erlanger Schule hat eine ganze Reihe von Protowissenschaften hervorgebracht: Protologik, Protomathematik, Protophysik etc. - und dieses Programm hat inzwischen auch die Psychologie erreicht.
Das soll (nicht nur „onomato“)poetisch klingen - wer kann die
„kreaktivierende“ aber auch „singulierende“ (materielle)
Wirkung der „geistigen Dinge“ bezweifeln?!
Die „Philosophie des Geistes“ ist seit einiger Zeit eine ganz eigene Disziplin innerhalb der Philosophie. Deine Frage lässt sich nicht in einem Satz beantworten. Der Ausdruck „geistige Dinge“ aber weist in die falsche Richtung, denn es handelt sich nicht um „Dinge“ und auch nicht um Abbilder von Nerven - wie die Neurophilosophie gelegentlich behauptet -, sondern die Sache ist erheblich komplizierter. Insgesamt haben wir immer noch zuwenig Antworten und zu viele Fragen in der Sache. Die häufig zu hörende Behauptung, wir würden durch die Ergebnisse der Naturwissenschaften hier der Sache immer näher kommen, ist grundsätzlich nicht falsch, verkennt jedoch, dass mittels der Naturwissenschaft eben nur naturwissenschaftliche Fragen gelöst werden können - und das sind nicht alle Fragen.
Herzliche Grüße
Thomas Miller