HalloCarlos,
Wenn wir nun die Akademiker rausrechnen, die sich mit so
nützlichen Schwerpunkten wie Kulturwissenschaften und
Sozialphilosophie beschäftigt haben, dürfte die Quote noch
etwas geringer ausfallen.
Die Wahl eines Studiums mit dem Ziel einen sichereren
Arbeitsplatz zu finden, kann böse nach hinten los gehen.
ich bezog mich nur auf die Arbeitslosenquote unter Akademikern. Jeder soll studieren, was er will, aber am Markt sind nun einmal einige Studienabschlüsse als andere. Wenn man also die arbeitslosen Exoten herausrechnet, liegt die ALQ unter Hochschulabsolventen noch einen Tacken niedriger.
Unternehmen
kommen in Bereichen nicht weiter, weil sie die passenden
Arbeitnehmer nicht finden.
Dann nimmt man halt einen Arbeitnehmer, der nicht exakt dem
Anforderungsprofil entspricht. Im IT-Bereich gibt es massig
von Spezialisten, die ihr Know-How nicht mitbrachten, sondern
im Job erlernten. In den USA geht sowas.
Wenn die Firmen Stellen ausschreiben, werden sie mit
Bewerbungen überhäuft. Wenn man dann nach der Sichtung von 300
Bewerbungen sagt, dass da nichts passendes dabei war, liegt
das Problem eher bei den Firmen.
Es kommt darauf an, was man sucht. Wenn man jemanden braucht, der sofort als Spezialist für französisches Vertragsrecht einsteigen soll, weil man dort eine Niederlassung aufmacht, bringt es nur wenig, einen Jungjuristen einzustellen, der sich erst einmal zwei Jahre einarbeiten muß.
Was mich hier häufig stört, ist die Selbstverständlichkeit,
mit der in diesem Forum, Menschen, die studiert haben und
beruflich hochqualifiziert und sehr erfolgreich sind, davon
ausgehen, dass alle anderen Menschen genauso erfolgreich sein
könnten, wenn sie nur wollten.
Christian, ist dir eigentlich klar, dass es Menschen gibt, die
kein Abitur haben? Nicht weil sie so faul oder unmotiviert
waren, sonden nicht intelligent genug. Ist dir eigentlich
klar, dass viele Menschen schon bei der
Einkommenssteuererklärung geistig überfordert sind?
Dazu muß man nicht mal besonders blöd sein. Aber im Ernst: Es geht nicht darum, daß man studieren muß oder daß das jeder kann. Es geht auch nicht darum, daß ich von jedem erwarte, sich innerhalb von Stunden in völlig neue Fachbereiche einzuarbeiten. Ich rede davon, daß man sich nicht darauf verlassen darf, daß das Wissen, das man braucht, um heute seine Arbeit zu machen, ausreicht und weder aufgefrischt noch ergänzt werden muß.
Zwei Beispiele: Mir wurde vorgestern eine Analyse eines IFRS (=internationale Rechnungslegungsvorschriften)-Konzernabschlußes vorgelegt. Dort schrieb die Analystin, daß die Zwischenzahlen per 30.09. ein zu gutes Bild von der Unternehmenslage zeichneten, weil dort die planmäßigen Abschreibungen auf Firmenwerte noch nicht enthalten seien. Dumm nur, daß seit 1.4.2004 Firmenwerte gar nicht mehr planmäßig abgeschrieben werden dürfen. Ich würde von niemandem verlangen, das zu wissen, der nicht mit der Materie zu tun hat. Von jemandem aber, der hin und wieder IFRS-Abschlüsse in die Hand bekommt, erwarte ich, daß er sich über die wichtigsten Änderungen, die bequem online verfügbar sind, wenn man sich keine Tageszeitungen oder Fachzeitschriften antun will, auf dem laufenden hält.
Zweites Beispiel: Ein ausgebildeter Fräser arbeitete 20 Jahre lang an konventionellen Maschinen und machte sich dann mit einem Kollegen selbständig. Es stellte sich heraus, daß die besagte Person niemals mit einer CNC-Maschine gearbeitet hatte (obwohl die bei seinem vorherigen Arbeitgeber rumstanden und auch nicht recht in Stimmung war, sich mit der Programmiersprache zu beschäftigen. Seine Tochter, die ab und an in dem Laden aushalf und die vorher noch nie mit der Thematik zu tun hatte, war nach kurzer Zeit in der Lage, die ersten Programme zu schreiben. Im Gottvertrauen darauf, daß immer Menschen da sein werden, die die entsprechenden Programme schreiben, hat er sich bis heute m.W. nicht mehr als Grundkenntnisse zugelegt. Mit Dummheit hat das nichts zu tun, dafür kenne ich den Menschen gut genug.
Aber was bedeutet Weiterbildung auf eigene Kosten effektiv?
Wenn die Entlassungswelle rollt, spielen andere Kriterien eine
wichtigere Rolle, als der eine oder andere belegte Kurs.
Bei der Bewerbung ist die Weiterbildung wiederum nur eine
Zeile im Lebenslauf (" In Eigeninitiative habe ich mich in
Japanische Importrichtlinien studiert.")
Und die kann entscheidend sein. Wie auch der Hinweis, daß man nebenbei noch ein Fernstudium belegt hatte, nicht nur fräsen kann sondern auch Grundkenntnisse bei der Dreherei hat oder sich mit dem Restaurieren von Büchern aus dem frühen 17. Jh. auskennt. All dies zeigt dem kundigen Leser, daß der Mensch nicht nur innnerhalb seines begrenzten Horzontes „sein Ding“ macht, sondern sich für andere Dinge interessiert und sich mit ihnen beschäftigt. Dies signalisiert, daß der Mitarbeiter viellecht auch mal andere Kollegen vertreten, Projekte organisieren oder Vorschläge zur Verbesserung der betrieblichen Abläufe machen kann. Und wer weiß, vielleicht helfen dererlei Aktivitäten dann auch mal, wenn es darum geht, die Mitarbeiter auszuwählen, die das Unternehmen leider verlassen müssen.
Deswegen behaupte folgendes:
1.) Es kann sich nicht jeder erfolgreich selbständig machen.
2.) Auch Weiterbildung auf eigene Kosten hilft nur im geringem
Maße den eigenen Job zu erhalten und einen neuen zu finden.
Bei 1. stimme ich Dir zu, obwohl ich nachwievor der Ansicht bin, daß es zu wenig Menschen versuchen, die es könnten. Punkt 2 sehe ich anders, wobei ich die Kostenfrage nicht als so entscheidend erachte. Viel Wissen gibt es kostenlos. Weiterbildung ist aber nicht nur das Zusammenraffen von Wissen sondern auch ein Zeichen für eine geistige Einstellung. Ich kenne Menschen, die mit 30 schon alt waren und jede Wissensaufnahme jenseits des Sportteils seit Jahren verweigern. Ich kenne aber auch Menschen, die bis ins höchste Alter immer interessiert und neugierig waren bzw. sind. Zumindest die Unterhaltungen mit der zweiten Gruppe sind spannender.
Gruß,
Christian