Hallo Carlos,
1.) Was zahlen Arbeitgeber
Der Arbeitsmarkt unterliegt nicht den normalen Marktgesetzen
und das weißt du. Die extrem niedrigen Tarife finden sich in
den neuen Bundesländer. Die Arbeitgeber zahlen nicht deshalb
so wenig, weil sich höhere Tarife nicht wirtschaftlich
rentieren, sondern weil sie nicht mehr zahlen müssen. Damit
können sie besonders günstig am Markt auftreten oder die
Gewinne vergrößern.
und viele Arbeitgeber haben sich im Osten angesiedelt, weil die Löhne dort niedriger sind. Wie ich schon mehrfach erwähnte, drückten vor ein paar Jahren alle Unternehmen der Metallbranche alle verfügbaren Daumen, daß im ostdeutschen Tarifstreit die 35 Stunden-Woche durchgesetzt werden würde. Das war seinerzeit der wesentliche Wettbewerbsvorteil gegenüber den Unternehmen im Westen, genauso wie die niedrigen löhne im Osten ein Wettbewerbsvorteil sind.
Fällt dieser weg, hat das Konsequenzen. Entweder die Unternehmen ziehen weiter nach Osten oder zurück nach Westen, stellen die Tätigkeit ein usw. Einfach höhere Löhne zu zahlen und diese dann auf die Kunden umzulegen, ist nun einmal nicht ohne weiteres möglich, weil bspw. die Kaufkraft im Osten geringer ist und die Konkurrenz jenseits der Grenze lauert. Die Grenzen zu Polen sind nicht deshalb so gut besucht, weil die Gegend dort so schön ist, sondern weil dort vieles billiger ist. Das gilt für Friseurdienstleistungen genauso wie für Zahnprotesen oder neue Brüste.
2.) Subventionen
Mit der Aufstockung der Gehälter durch die Arge auf
ALG2-Niveau haben wir so etwas wie einen Kombilohn und somit
eine Subvention. Eine extreme Form haben wir mit 1€-Jobber,
die nicht gesetzeskonform in Konkurrenz zur freien Wirtschaft
eingesetzt werden. In Abwandlung eines bekannten Satzes kann
man hier sagen, dass die Kosten sozialisiert werden, während
die Gewinne privat bleiben.
Indirekte Subventionen, die ungesteuert an Firmen mit
Nidriglöhne gehen, können wohl nicht dein Wohlwollen finden.
Wenn wir den Standpunkt vertreten, daß bstimmte Dienstleistungen und Produkte in Deutschland erzeugt werden sollen, dann sind Kombilohnmodelle das Mittel der Wahl. Alternativ kann man auf die Produkte und die Arbeitsplätze verzichten.
3.) Auswirkungen
Die Niedriglöhne werden häufig in Dienstleistungsbereich
gezahlt. Wenn nun hier höhere Gehälter gezahlt werden, gehen
dann die Leute seltener zum Friseur? Verzichten die Firmen auf
Wachpersonal? Trinken die Leute weniger in den Kneipen, wenn
das Bier 20 Cents mehr kostet?
Genauso ist das. Ich bin ganz gut mit einem Friseur befreundet, der seit rd. 15 Jahren selbständig ist. Er berichtet davon, daß sich am Abstand zwischen den Friseurbesuchen und dem Umfang der nachgefragten Dienstleistung (also mit Fäbern oder ohne usw.) sehr gut die Konjunkturentwicklung ablesen läßt.
Was das Wachpersonal angeht gilt genau das gleiche: Wirds teurer, wird es weniger. Vor drei Wochen haben wir einen Eingang an unserem Gebäude geschlossen und damit Personal eingespart. Der zusätzliche Aufwand für die Mitarbeiter (Umwege) übersteigt mutmaßllich den eingesparten Betrag, aber da man im Zuge von Sparmaßnahmen die Kosten des an Dritte vergebenen Wachdienstes reduzieren wollte, nimmt man das offensichtlich in Kauf.
Für Reinigungspersonal gilt da gleiche. Wir haben bei www ein Mitglied, das in der Branche als Unternehmer tätig ist und mir diesen Sachverhalt schon mehrfach bestätigt hat.
Auch bei den Kneipen führen steigende Preise zur Abwanderung an Kioske oder Getränkemärkte.
Als Diesel im letzten Jahr besonders teuer war, fuhren dann
weniger Laster auf den Straßen? Nein die Spediteure reichten
die Kosten an den Kunden weiter oder reduzierten ihre
Gewinnspannen.
Und die ausländischen Wettbewerber montierten Zusatztanks an den LKW, um die höheren Preise in Deutschland zu umgehen.
Wenn Firmen Leiharbeiter ordern, tun sie das nicht, weil diese
günstiger wären, als fest angestellte Mitarbeiter, sondern
weil zeitlich Bedarf besteht.
Auch hier: Weil Zeitarbeitskräfte billiger sind und schneller wieder abgebaut werden können, als festangestellte Mitarbeiter. Das Beispiel Großbritannien wurde genannt. Dort funktioniert das Mindestlohnkonzept, weil einerseits die Wirtschaft seit Jahren ordentlich wächst, und weil Mitarbeiter schneller vor die Tür gesetzt werden können als in Deutschland.
Klar kann man Mindestlöhne einführen, aber das kann dann keine auf Deutschland beschränkte Einzelmaßnahme sein, sondern muß im Rahmen eines Gesamtkonzeptes passieren. Dummerweise sind dann einzelne Maßnahmen unpopulär, so daß am Ende ein Reförmchen überbleibt, daß mehr schadet als nutzt.
Gruß
Christian