Hartz IV und Mindestlohn

Hallo

mir sind da heute interessante Zahlen gesagt worden.
In Dresden gibt es 36.000 HartIV Empfänger. Von den 36.000 gehen 26.000 arbeiten und sind sogenannte „Aufstocker“. Nur 10.000 sind reine HartzIV Bezieher.
Wäre ein Mindestlohn nicht längst überfällig? Oder ist das schon der Kombilohn versehen mit dem generellen Bürokratiewahn?
Wie ist eure Meinung dazu??

LG
Mikesch

P.S Mindestlohn definiere ich mal so: ausreichend sein Leben davon bestreiten zu können (nicht nur grad so überleben)und auch am gesellschaftlichen Leben teilhaben können

Hallo,

mir sind da heute interessante Zahlen gesagt worden.
In Dresden gibt es 36.000 HartIV Empfänger. Von den 36.000
gehen 26.000 arbeiten und sind sogenannte „Aufstocker“. Nur

Wo gehen sie denn arbeiten? Bei Land uns Kommunen?

Hallo,

Wäre ein Mindestlohn nicht längst überfällig?

ein Gedankenspiel: Jemand verdient derzeit unterhalb des einzuführenden Mindestlohns. Nun wird der Mindestlohn eingeführt. Welche Reaktion ist wahrscheinlicher:
a) Der Mitarbeiter wird entlassen, weil die durch den Mitarbeiter erbrachte Wertschöpfung unterhalb des Mindestlohnes ist?
b) Der Mitarbeiter wird zukünftig mit dem Mindestlohn bezahlt, auch wenn er die entsprechende Wertschöpfung nicht erbringt?

Nach meinen bescheidenen Erfahrungen zahlen Arbeitgeber nicht mehr, als sie an dem Mitarbeiter verdienen. Szenario a) ist also wahrscheinlicher. In der Konsequenz fällt der Arbeitsplatz also entweder weg oder er wird in den Bereich der Schwarzarbeit verlagert. Beides aus meiner Sicht wenig erstrebenswert.

Gruß,
Christian

zum Bsp. als Friseuse zu 3,62 brutto oder als Kraftfahrer für 6,10brutto das sind Tariflöhne. Oder im Wachschutzgewerbe für 4,25 brutto, oder als Gas Wasserinstallateur für grad mal 1000€s netto mit Frau und 2 Kindern (ein Bekannter von mir). Und nicht zu vergessen die modernen Sklavenvermittler, die Zeitarbeitsfirmen, da liegen hier die Bruttolöhne zwischen 5,10 und 6,20€s. Das liesse sich sicher noch weiter ausbauen. Selbst bei BMW in Leipzig sind mittlerweile viele von Zeitarbeitsfirmen und verdienen ca. 700-800€s, direkt bei BMW angestellte 1200 und drüber, kam vor kurzem mal im Fernsehen. Selbiges trifft in Dresden mittlerweile auch auf AMD & Co zu, dort gibt es fast keine Neueinstellungen mehr, sondern fast nur noch Zeitarbeiter

LG
Mikesch

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Hi,

andererseits ist es nach allen mir bekannten Quellen so, dass etwa in GB sehr gute Erfahrungen mit Mindestlöhnen gemacht wurden. In Frankreich wohl auch, aber darüber weiß ich zu wenig.

Viele Grüße
WoDi

Hallo,

andererseits ist es nach allen mir bekannten Quellen so, dass
etwa in GB sehr gute Erfahrungen mit Mindestlöhnen gemacht
wurden. In Frankreich wohl auch, aber darüber weiß ich zu
wenig.

die Erfahrungen sind nicht vergleichbar, weil in den genannten Ländern der Arbeitsmarkt völlig anders tickt - nicht zuletzt aufgrund der anderen staatlichen Regulierung und der etwas anderen Entwicklung der Wirtschaft insbesondere in Großbritannien.

In Frankreich hat man mitnichten nur gute Erfahrungen damit gemacht. Weil die Jugendarbeitslosigkeit stark anstieg, senkte man den Mindestlohn inzwischen wieder mehrfach ab.

Gruß,
Christian

Hallo, Christian

gibt es wissenschaftliche Arbeiten, in denen Wertschöpfungen für Tätigkeiten erfasst sind?

Nach meinen bescheidenen Erfahrungen zahlen Arbeitgeber nicht
mehr, als sie an dem Mitarbeiter verdienen.

Wenn das so wäre, dann müssten manche Mitarbeiter Minusgehälter bekommen.

http://www.juergengraesslin.com/index.php?seite=ster…

„Danach hat Jürgen Schrempp 50 Milliarden Euro in den Sand gesetzt und 44 Millionen Euro Gehalt kassiert.“

Gruß
karin

Hallo,

gibt es wissenschaftliche Arbeiten, in denen Wertschöpfungen
für Tätigkeiten erfasst sind?

weiß ich nicht und es ist mir auch egal. Es muß ja gar nicht mal sein, daß der Arbeitnehmer nicht die Wertschöpfung zzgl. gewünschtem Gewinn erbringt, es reicht, daß der Arbeitgeber den höheren Lohn nicht bezahlen will.

Nach meinen bescheidenen Erfahrungen zahlen Arbeitgeber nicht
mehr, als sie an dem Mitarbeiter verdienen.

Wenn das so wäre, dann müssten manche Mitarbeiter
Minusgehälter bekommen.

http://www.juergengraesslin.com/index.php?seite=ster…

„Danach hat Jürgen Schrempp 50 Milliarden Euro in den Sand
gesetzt und 44 Millionen Euro Gehalt kassiert.“

Und Du meinst, daß sich jeder Arbeitgeber auf ein solches Mißverhältnis einläßt? Hoffentlich nicht. Mal abgesehen davon, daß man über die genannten Zahlen (die vermutlich auch den Börsenwertverlust beeinhalten, die den Arbeitgeber nur eingeschränkt interessieren) diskutieren kann: Solche Beispiele sind für das Thema absolut ungeeignet.

Es geht bei den Mindestlöhnen nicht um die schwer zu klärende Frage, ob ein Management angemessen bezahlt wird, sondern darum, ob eine Friseurin 8 Euro pro Stunde verdienen und damit grob geschätzt 15 Euro pro Stunde kosten sollte, wenn ihre Tätigkeit dem Arbeitgeber einen geringeren Betrag einbringt. Das läßt sich deutlich leichter ausrechnen als die Differenz zwischen Nutzen und Kosten eines Managers und führt vor allem viel schneller zu Konsequenzen.

Gruß,
Christian

Mindestlohn
Hallo Christian,

Wäre ein Mindestlohn nicht längst überfällig?

ein Gedankenspiel: Jemand verdient derzeit unterhalb des
einzuführenden Mindestlohns. Nun wird der Mindestlohn
eingeführt. Welche Reaktion ist wahrscheinlicher:
a) Der Mitarbeiter wird entlassen, weil die durch den
Mitarbeiter erbrachte Wertschöpfung unterhalb des
Mindestlohnes ist?
b) Der Mitarbeiter wird zukünftig mit dem Mindestlohn bezahlt,
auch wenn er die entsprechende Wertschöpfung nicht erbringt?

Was bringen denn solchen mikroökonomischen Gedankenspielereien, die zwar in sich völlig korrekte Binsenweisheiten sind, aber Makro weit am Tor vorbeischießen?

Dein Gedankenspiel gilt für die Überlegung eines einzelnen Arbeitsnachfragers ceteris paribus, der Mindestlohn wird aber dem gesamten Arbeitsmarkt aufgepfropft, deshalb ceteris hochgradis imparibus:
er erhöht deshalb die Produktionskosten, erhöht das Lohnniveau, erhöht die Preise, … , senkt u.U. die Ausgaben des Staates für Sozialleistungen, ermöglicht dem Staat u.U. die Lohnnebenkosten zu senken, … , senkt damit die Produktionskosten und die Preise, stimuliert die Nachfrage, … die konkreten Auswirkungen sind sowieso schwer vorhersehbar, und wenn dann nur, wenn auch die Höhe des Mindestlohns im Verhältnis zum aktuellen Lohnniveau angegeben wird; jedenfalls sind sie gewiss hochkomplex und deshalb nicht so simpel durchspielbar.

Schon gewusst:
„There is legislation regarding minimum wage fixing in more than 90% of countries.“
http://www.ilo.org/public/english/protection/condtra…
… was freilich nur aussagt, dass der Mindestlohn als solcher nichts Besonderes ist, auch wenn er wahrscheinlich (schätze ich einfach mal, ich weiß es nicht) mindestens in der Hälfte dieser Länder bloß pro forma ist oder nur für einzelne Sektoren gilt.

M.E. gilt für den „Mindestlohn“ das gleiche wie für das hier immer wieder diskutierte „Bürgereinkommen“: (fast) alles hängt davon ab, in welcher Höhe im Vergleich zum Arbeitslohn er festgesetzt ist, und wie er finanziert wird, (fast) nichts vom Konzept selbst.

Viele Grüße
Franz

Hallo,

Was bringen denn solchen mikroökonomischen
Gedankenspielereien, die zwar in sich völlig korrekte
Binsenweisheiten sind, aber Makro weit am Tor vorbeischießen?

was bringen Überlegungen über die makroökonomischen Effekte, wenn diese die Summe der mikroökonomischen sind? Letzten Endes wird jeder Arbeitgeber, der zähneknirschend Löhne oberhalb der Wertschöpfung zzgl. Gewinn zahlt, entweder ein Kostenproblem haben (d.h. Auftragsverlust) oder ein Gewinnproblem (d.h. nicht adäquate Kapitalverzinsung) haben.

Natürlich kann man sich herbeiträumen, daß höhere Löhne gezahlt werden, die Binnennachfrage steigt und der allgemeine Reichtum einkehrt. Das funktioniert aber nur, wenn die Arbeitgeber unwirtschaftlich handeln und das passiert in Deutschland nur selten.

Gruß,
Christian

Ich denke mal, dass das Einsatzgebiet einer Mindestlohnregelung hauptsächlich der Dienstleistungssektor ist. Die Medienberichte über Dumping-Löhne beziehen sich auf Branchen wie Friseure, Objektschutz oder dem Hotel- und Gaststättengewerbe. Das Gegenargument der Kritiker eines Mindestlohns, nämlich das dieser zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohn-Ländern führen würde, ist auf Grund der Ortsgebundenheit der thematisierten Branchen nichtig. Es ist z.b. unwahrscheinlich, dass ein Friseur nach Polen übersiedelt, nur um seiner Angestellten zwei ,drei Euro weniger pro Stunde zahlen zu müssen. Des Weiteren lassen sich auch nicht die selben Preise wie in Deutschland realisieren.
Das Argument, dass dies womöglich die Schwarzarbeit fördert, ist bedenkenswert. Jedoch betrifft das nur Dienstleister, die eins, bis zwei Mitarbeiter haben, da eine Friseurkette oder ein Objektschutzdienstleister nicht einfach schwarz arbeiten können.

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Hi,

Was bringen denn solchen mikroökonomischen
Gedankenspielereien, die zwar in sich völlig korrekte
Binsenweisheiten sind, aber Makro weit am Tor vorbeischießen?

was bringen Überlegungen über die makroökonomischen Effekte,
wenn diese die Summe der mikroökonomischen sind?

das sind sie definitiv nicht!

Letzten Endes
wird jeder Arbeitgeber, der zähneknirschend Löhne oberhalb der
Wertschöpfung zzgl. Gewinn zahlt, entweder ein Kostenproblem
haben (d.h. Auftragsverlust) oder ein Gewinnproblem (d.h.
nicht adäquate Kapitalverzinsung) haben.

das habe ich doch mit keiner Silbe bestritten, sondern ich habe gesagt, dass das Thema „Mindestlohn“ viel komplexer ist als Deine Überlegung, weil er vielfältigste Rückwirkungen hat, die eben ganz gewiss nicht die Summe einzelner unternehmerischer Entscheidungen sind.

Natürlich kann man sich herbeiträumen, daß höhere Löhne
gezahlt werden, die Binnennachfrage steigt und der allgemeine
Reichtum einkehrt.

Nach Träumen war mir heute gar nicht, sondern nach Analysieren.

Mir ging es nur darum, dass Deine unternehmerische Binsenweisheit, nicht mehr Lohn zu zahlen als der Lohnempfänger reinbringt, nichts zum Thema Mindestlohn beitragen kann, denn solche Überlegungen stellen sich ständig, und der Mindestlohn ist qualitativ für die unternehmerische Entscheidung kein anderer constraint als ein Tarifabschluss, eine Steuer, Erhöhung von bestimmten Standards, Arbeitszeitveränderung, oder sonstwas dergleichen.

Viele Grüße
Franz

P.S.: die ewige Dann-gibts-aber-weniger-Beschäftigung-Keule langweilt mich allmählich furchtbar; und ich glaube langsam, genau um diese Keule immer schwingen zu können, wird heute die ganze ökonomische Diskussion so dümmlich immer mehr „verbetriebswirtschaftlicht“ …

http://homepage.univie.ac.at/robert.kunst/vgr04.pdf

Hallo,

P.S.: die ewige Dann-gibts-aber-weniger-Beschäftigung-Keule
langweilt mich allmählich furchtbar; und ich glaube langsam,
genau um diese Keule immer schwingen zu können, wird heute die
ganze ökonomische Diskussion so dümmlich immer mehr
„verbetriebswirtschaftlicht“ …

ich könnte behaupten, daß es mir leid tut, daß ich mich an der Praxis und nicht an theoretischen ökonomischen Überlegungen orientiere, aber das wäre gelogen.

http://homepage.univie.ac.at/robert.kunst/vgr04.pdf

Ich hatte heute auch wieder mal einen Kundenbetreuer am Telephon, der nach einer Kreditablehnung meine Urteilsfähigkeit in Frage stellte. Auf die Gegenfrage, ob er wirklich glaubte, daß ihn das argumentativ wirklich weiterbringt, erhielt ich keine Antwort. Mir ein Skript aus dem Grundstudium unter die Nase zu halten, fällt in etwa in die gleiche Kategorie. Soviel zum Thema Langeweile.

Gruß,
Christian

Hallo Christian,

ein letztes Mal:

Du hast auf meine Kritik hin nicht versucht zu begründen, wie weit man denn mit dieser totalsten aller Binsenweisheiten, dass Unternehmen nur dann Leute dauerhaft beschäftigen, wenn es sich für sie rentiert, das Thema Mindestlohn diskutieren kann - nämlich m.E. keinen Millimeter weit.

Und Du hast auch nicht stattdessen die Muße gehabt, die Beschäftigungs-Situation in den Ländern, die Mindestlöhne eingeführt haben, und deren Unternehmen bestimmt nach keinen anderen Kriterien beschäftigen als die hiesigen, anzuführen, um dadurch zu zeigen, dass die Einführung von Mindestlöhnen zu Beschäftigungsverlust und Schwarzarbeit führt, oder dass zwar dort nicht, aber zwingend in Deutschland, weil bei uns das und das anders ist, usw.

Stattdessen erzählst Du mir irgendwas aus Deiner Arbeit … lassen wirs ihns Plauderbrett verschieben?

P.S.: die ewige Dann-gibts-aber-weniger-Beschäftigung-Keule
langweilt mich allmählich furchtbar; und ich glaube langsam,
genau um diese Keule immer schwingen zu können, wird heute die
ganze ökonomische Diskussion so dümmlich immer mehr
„verbetriebswirtschaftlicht“ …

ich könnte behaupten, daß es mir leid tut, daß ich mich an der
Praxis und nicht an theoretischen ökonomischen Überlegungen
orientiere,

*an den Kopf lang*
Es geht nicht um Praxis oder Theorie, sondern einmal darum, wie der einzelne Unternehmer mit gegebenen Größen, also hier der Lohnhöhe, umgeht und darum wie ökonomische Größen beeinflusst werden durch staatliche Eingriffe in den Arbeitsmarkt, also hier durch die Festsetzung von Mindestlöhnen;
das sind zwei total verschiedene Paar Schuhe, und stehen garantiert nicht im Verhältnis von Praxis und Theorie zueinander!

http://homepage.univie.ac.at/robert.kunst/vgr04.pdf

Mir ein Skript aus
dem Grundstudium unter die Nase zu halten, fällt in etwa in
die gleiche Kategorie. Soviel zum Thema Langeweile.

Warst Du es nicht, der schrieb: „was bringen Überlegungen über die makroökonomischen Effekte, wenn diese die Summe der mikroökonomischen sind?“
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Da darf ich doch noch mit einem Link zur Ökonomie-Einführungsvorlesung antworten, bei dem auf S. 2 steht: „Wozu Makroökonomie und nicht nur Mikroökonomie? Das Ganze ist viel komplizierter als die Summe unabhängiger Teile. Es ist unmöglich, eine Volkswirtschaft zu beschreiben, indem man Modelle für alle Firmen und Personen und deren Wechselwirkungen erstellt“, ohne dass Dir deshalb gleich langweilig wird :wink:

Übrigens: Mein P.S. zur immer mehr verbreiteten Unsitte der „Verbetriebswirtschaflichung“ des Makroökonomischen war allgemeiner Natur, hat sich nicht auf Dich speziell bezogen, auch wenn es hier gut zutrifft.

Schönen Abend
Franz

Hallo Christian,

du hast mehrfachen Widerspruch erhalten und dem möchte ich mich anschließen.

1.) Was zahlen Arbeitgeber
Der Arbeitsmarkt unterliegt nicht den normalen Marktgesetzen und das weißt du. Die extrem niedrigen Tarife finden sich in den neuen Bundesländer. Die Arbeitgeber zahlen nicht deshalb so wenig, weil sich höhere Tarife nicht wirtschaftlich rentieren, sondern weil sie nicht mehr zahlen müssen. Damit können sie besonders günstig am Markt auftreten oder die Gewinne vergrößern.

2.) Subventionen
Mit der Aufstockung der Gehälter durch die Arge auf ALG2-Niveau haben wir so etwas wie einen Kombilohn und somit eine Subvention. Eine extreme Form haben wir mit 1€-Jobber, die nicht gesetzeskonform in Konkurrenz zur freien Wirtschaft eingesetzt werden. In Abwandlung eines bekannten Satzes kann man hier sagen, dass die Kosten sozialisiert werden, während die Gewinne privat bleiben.
Indirekte Subventionen, die ungesteuert an Firmen mit Nidriglöhne gehen, können wohl nicht dein Wohlwollen finden.

3.) Auswirkungen
Die Niedriglöhne werden häufig in Dienstleistungsbereich gezahlt. Wenn nun hier höhere Gehälter gezahlt werden, gehen dann die Leute seltener zum Friseur? Verzichten die Firmen auf Wachpersonal? Trinken die Leute weniger in den Kneipen, wenn das Bier 20 Cents mehr kostet?

Als Diesel im letzten Jahr besonders teuer war, fuhren dann weniger Laster auf den Straßen? Nein die Spediteure reichten die Kosten an den Kunden weiter oder reduzierten ihre Gewinnspannen.

Wenn es einen Mindestlohn gibt, werden die Anbieter nicht schließen, den der Bedarf besteht weiterhin. Sie werden auch nicht ihr Personal reduzieren. Wenn der Kunde bisher 2 Wachleute wollte, wird er auch weiterhin zwei Wachleute wollen. Und er wird sie auch bezahlen.

Wenn Firmen Leiharbeiter ordern, tun sie das nicht, weil diese günstiger wären, als fest angestellte Mitarbeiter, sondern weil zeitlich Bedarf besteht. Ein Mindestlohn wird an dem Prinzip nichts ändern.

Gruß
Carlos

Hallo!

Wäre ein Mindestlohn nicht längst überfällig?

ein Gedankenspiel: Jemand verdient derzeit unterhalb des
einzuführenden Mindestlohns. Nun wird der Mindestlohn
eingeführt. Welche Reaktion ist wahrscheinlicher:
a) Der Mitarbeiter wird entlassen, weil die durch den
Mitarbeiter erbrachte Wertschöpfung unterhalb des
Mindestlohnes ist?
b) Der Mitarbeiter wird zukünftig mit dem Mindestlohn bezahlt,
auch wenn er die entsprechende Wertschöpfung nicht erbringt?

Nach meinen bescheidenen Erfahrungen zahlen Arbeitgeber nicht
mehr, als sie an dem Mitarbeiter verdienen. Szenario a) ist
also wahrscheinlicher. In der Konsequenz fällt der
Arbeitsplatz also entweder weg oder er wird in den Bereich der
Schwarzarbeit verlagert. Beides aus meiner Sicht wenig
erstrebenswert.

Zitat aus SPON vom 15.04.2007

„Franz [einer der Wirtschaftsweisen; Anm. von mir] warnte in einem Zeitungsinterview vor der Einführung eines Mindestlohns. Stattdessen müsse man die unteren Löhne von drei oder vier Euro womöglich ‚noch einmal senken, damit mehr Stellen entstehen‘ , sagte er dem ‚Tagesspiegel‘.“

Zitat Ende.

(Hervorhebung von mir)

Ich habe hier mal vor vielen Monaten die Aussage getroffen, dass wir unsere Gehälter alle halbieren oder gar dritteln müssen (mit den entsprechenden Folgen für den Binnenmarkt), um weltweit konkurrenzfähig zu bleiben. Ich habe nicht geglaubt, dass dies so schnell eintritt.

Grüße
Heinrich

Hallo Christian,

was bringen Überlegungen über die makroökonomischen Effekte,
wenn diese die Summe der mikroökonomischen sind? Letzten Endes
wird jeder Arbeitgeber, der zähneknirschend Löhne oberhalb der
Wertschöpfung zzgl. Gewinn zahlt, entweder ein Kostenproblem
haben (d.h. Auftragsverlust) oder ein Gewinnproblem (d.h.
nicht adäquate Kapitalverzinsung) haben.

leider muss auch ich Dir hier widersprechen. Die Arbeitskosten werden nur zum Teil durch direkte Arbeinehmerentgelte beinflusst. Eine Erhöhung dieser Entgelte könnte selbstverständlich durch eine Absenkung der indirekten Entgelte (d.h. Sozialbeiträge etc.) soweit ausgeglichen werden, dass eine win-win-Situation entstünde.
Also alles eine Frage der Systemgestaltung, weswegen ich die vehemente Ablehnung nicht nachvollziehen kann.

Nebenbei: Das Argument „Wertschöpfung“ ist in manchen Branchen lächerlich. Hier wird schlicht die Notsituation der Menschen ausgenutzt, den Wert einer Tätigkeit sukzessive gegen 0 zu rechnen, einfach, weil es geht. (Sprich: Raumpflegergewerbe, Schlachtergewerbe etc.) Und zwar durch die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Endkonsumenten, der sich über Preisreduzierungen auf Kosten der Menschen freut (aber andererseits über steigende Sozialbeiträge schimpft).
Hier zieht bestenfalls das Argument der drohenden Schwarzarbeit (einfach weil es geht). Ansonsten ist das Einkommen, das hier gezahlt wird, rel. willkürlich in der Gestaltung und v.a. durch Arbeitgebermacht bzw. die jetzt vorhandenen Sozialsockel als Basis einer Arbeitsverweigerung gebildet.

Grüße
Jürgen

zum Bsp. als Friseuse zu 3,62 brutto oder als Kraftfahrer für
6,10brutto das sind Tariflöhne. Oder im Wachschutzgewerbe für
4,25 brutto, oder als Gas Wasserinstallateur für grad mal
1000€s netto mit Frau und 2 Kindern (ein Bekannter von
mir).

In diesem Fall sollte wirklich ein Mindestlohn her, denn scheinbar versuchen mal wieder einige wenige, sich das System zu nutze zu machen. Aber diese Menschen wird es immer geben. Beim Mindestlohn fällt natürlich H6 weg.

Warum kommen aber diese Menschen nicht hierher in den Westen? Soll doch der Osten am Geiz ersticken. Friseure werden auch hier gesucht.

Nach meinen bescheidenen Erfahrungen zahlen Arbeitgeber nicht
mehr, als sie an dem Mitarbeiter verdienen. Szenario a) ist
also wahrscheinlicher. In der Konsequenz fällt der
Arbeitsplatz also entweder weg oder er wird in den Bereich der
Schwarzarbeit verlagert. Beides aus meiner Sicht wenig
erstrebenswert.

Wirklich?
Ist ein Job wirklich erhaltenswert, wenn der zuwenig bezahlte Lohn via Sozialstaat z.L. aller ausgeglichen wird? Wenn jemand der 40 Stunden die Woche arbeitet immer noch zur ARGE rennen darf?

Wieso muss ein Haarschnitt hier für 9-14 Euro angeboten werden?
(Bei einem anderen Fiseur zahle ich 20 Euro, in der Schweiz sogar zwischen 50 und 70 CHF)

Ist das wirklich erhaltenswert?
Und wohin wandert dieser Frieseur ab, wenn er seinen Angestellten plötzlich einen Mindestlohn zahlen muss?

Gruss Ivo

Hallo Carlos,

1.) Was zahlen Arbeitgeber
Der Arbeitsmarkt unterliegt nicht den normalen Marktgesetzen
und das weißt du. Die extrem niedrigen Tarife finden sich in
den neuen Bundesländer. Die Arbeitgeber zahlen nicht deshalb
so wenig, weil sich höhere Tarife nicht wirtschaftlich
rentieren, sondern weil sie nicht mehr zahlen müssen. Damit
können sie besonders günstig am Markt auftreten oder die
Gewinne vergrößern.

und viele Arbeitgeber haben sich im Osten angesiedelt, weil die Löhne dort niedriger sind. Wie ich schon mehrfach erwähnte, drückten vor ein paar Jahren alle Unternehmen der Metallbranche alle verfügbaren Daumen, daß im ostdeutschen Tarifstreit die 35 Stunden-Woche durchgesetzt werden würde. Das war seinerzeit der wesentliche Wettbewerbsvorteil gegenüber den Unternehmen im Westen, genauso wie die niedrigen löhne im Osten ein Wettbewerbsvorteil sind.

Fällt dieser weg, hat das Konsequenzen. Entweder die Unternehmen ziehen weiter nach Osten oder zurück nach Westen, stellen die Tätigkeit ein usw. Einfach höhere Löhne zu zahlen und diese dann auf die Kunden umzulegen, ist nun einmal nicht ohne weiteres möglich, weil bspw. die Kaufkraft im Osten geringer ist und die Konkurrenz jenseits der Grenze lauert. Die Grenzen zu Polen sind nicht deshalb so gut besucht, weil die Gegend dort so schön ist, sondern weil dort vieles billiger ist. Das gilt für Friseurdienstleistungen genauso wie für Zahnprotesen oder neue Brüste.

2.) Subventionen
Mit der Aufstockung der Gehälter durch die Arge auf
ALG2-Niveau haben wir so etwas wie einen Kombilohn und somit
eine Subvention. Eine extreme Form haben wir mit 1€-Jobber,
die nicht gesetzeskonform in Konkurrenz zur freien Wirtschaft
eingesetzt werden. In Abwandlung eines bekannten Satzes kann
man hier sagen, dass die Kosten sozialisiert werden, während
die Gewinne privat bleiben.
Indirekte Subventionen, die ungesteuert an Firmen mit
Nidriglöhne gehen, können wohl nicht dein Wohlwollen finden.

Wenn wir den Standpunkt vertreten, daß bstimmte Dienstleistungen und Produkte in Deutschland erzeugt werden sollen, dann sind Kombilohnmodelle das Mittel der Wahl. Alternativ kann man auf die Produkte und die Arbeitsplätze verzichten.

3.) Auswirkungen
Die Niedriglöhne werden häufig in Dienstleistungsbereich
gezahlt. Wenn nun hier höhere Gehälter gezahlt werden, gehen
dann die Leute seltener zum Friseur? Verzichten die Firmen auf
Wachpersonal? Trinken die Leute weniger in den Kneipen, wenn
das Bier 20 Cents mehr kostet?

Genauso ist das. Ich bin ganz gut mit einem Friseur befreundet, der seit rd. 15 Jahren selbständig ist. Er berichtet davon, daß sich am Abstand zwischen den Friseurbesuchen und dem Umfang der nachgefragten Dienstleistung (also mit Fäbern oder ohne usw.) sehr gut die Konjunkturentwicklung ablesen läßt.

Was das Wachpersonal angeht gilt genau das gleiche: Wirds teurer, wird es weniger. Vor drei Wochen haben wir einen Eingang an unserem Gebäude geschlossen und damit Personal eingespart. Der zusätzliche Aufwand für die Mitarbeiter (Umwege) übersteigt mutmaßllich den eingesparten Betrag, aber da man im Zuge von Sparmaßnahmen die Kosten des an Dritte vergebenen Wachdienstes reduzieren wollte, nimmt man das offensichtlich in Kauf.

Für Reinigungspersonal gilt da gleiche. Wir haben bei www ein Mitglied, das in der Branche als Unternehmer tätig ist und mir diesen Sachverhalt schon mehrfach bestätigt hat.

Auch bei den Kneipen führen steigende Preise zur Abwanderung an Kioske oder Getränkemärkte.

Als Diesel im letzten Jahr besonders teuer war, fuhren dann
weniger Laster auf den Straßen? Nein die Spediteure reichten
die Kosten an den Kunden weiter oder reduzierten ihre
Gewinnspannen.

Und die ausländischen Wettbewerber montierten Zusatztanks an den LKW, um die höheren Preise in Deutschland zu umgehen.

Wenn Firmen Leiharbeiter ordern, tun sie das nicht, weil diese
günstiger wären, als fest angestellte Mitarbeiter, sondern
weil zeitlich Bedarf besteht.

Auch hier: Weil Zeitarbeitskräfte billiger sind und schneller wieder abgebaut werden können, als festangestellte Mitarbeiter. Das Beispiel Großbritannien wurde genannt. Dort funktioniert das Mindestlohnkonzept, weil einerseits die Wirtschaft seit Jahren ordentlich wächst, und weil Mitarbeiter schneller vor die Tür gesetzt werden können als in Deutschland.

Klar kann man Mindestlöhne einführen, aber das kann dann keine auf Deutschland beschränkte Einzelmaßnahme sein, sondern muß im Rahmen eines Gesamtkonzeptes passieren. Dummerweise sind dann einzelne Maßnahmen unpopulär, so daß am Ende ein Reförmchen überbleibt, daß mehr schadet als nutzt.

Gruß
Christian