Hi!
Werden wir uns angesichts der existentiellen Folgen langer
Arbeitslosigkeit überhaupt noch trauen, den Job zu wechseln?
Neue Herausforderungen anzunehmen und auch mal ein Risiko
einzugehen?
Oder wird der drohende Abgrund dazu führen, nie wieder einen
Jobwechsel zu wagen? Also fachlich auf der Stelle treten, nie
mehr etwas dazulernen oder die eigenen Grenzen austesten?
Unmotiviert seinen Job weitermachen, damit man bloß nicht
durchs soziale Netz fällt. Eine tolle Perspektive für den
Wirtschaftsstandort Deutschland.
Hartz IV ist nur ein Beweis mehr, wie hilflos die Verantwortlichen (Politker, Unternehmer, Gewerkschaften) beim Problem Arbeitslosigkeit sind. Man denkt sich was aus, verziert es mit einem schönen Namen und wundert sich anschließend, warum es nicht funktioniert.
Hartz IV wird die Arbeitslosigkeit nicht beseitigen. Im Gegenteil, die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe wird so manche Kommune in den finanziellen Untegang treiben.
Ähnlich unausgegoren die Forderung nach Einsatz von Langzeitarbeitslosen für besondere Aufgaben. Man mag dafür sein („Endlich tun die mal was“) oder dagegen („menschenunwürdig“). Nachgedacht - und vor allem gelernt - hat keiner. Wenn nun also Langzeitarbeitslose eingesetzt werden, um Bushaltestellen sauber zu scheuern oder zwangsgeräumte Wohnungen zu reinigen - was sagen eigentlich die Unternehmen dazu, die sich auf solche Aufgaben spezialisiert haben? Vor gar nicht allzu langer Zeit wurden im Osten Langzeitarbeitslose für Aufgaben wie „unser Dorf soll schöner werden“ herangezogen und haben Blumen gepflanzt, Rasen gemäht und Büsche gestutzt. Dummerweise konnten dadurch die örtlichen Gärtnereien ihren Laden zumachen.
Und zum leidigen Thema „Mehr arbeiten, damit’s billiger wird“ kommt ausgerechnet aus Dänemark, ein uns immer als Vorbild hingestelltes Land, ein Kommentar, den man sich an den Badezimmerspiegel pappen sollte:
"Der Däne Erik Jensen kann über die Debatte um längere Arbeitszeiten in Deutschland nach seinen Erfahrungen vor Ort nur lachen. «Bei den Deutschen wagt schon jetzt aus Angst vorm Chef und den Kollegen keiner, vor halb sieben nach Hause zu gehen, auch wenn nichts zu tun ist,» sagt der Computerexperte.
Jensen hat längere Zeit für ein dänisches Unternehmen in Süddeutschland gearbeitet. Daheim in Kopenhagen hat der Vater von vier Kindern keine Hemmungen, den Heimweg auch um halb vier anzutreten, wenn die Arbeit getan ist.
[…]
Dass die Auslagerung von Arbeitsplätzen durch die Rückkehr zu längeren Arbeitszeiten vergangener Jahrzehnte verhindert werden könne, sei auch aus Sicht der Arbeitgeber eine «sehr, sehr altmodische Auffassung von Konkurrenzfähigkeit»
[…]
Fast schon mitleidig kommentierte die linksliberale Zeitung «Information» die deutsche Debatte: «Das Schlimmste ist, dass das Ganze keinen Deut hilft.» Weil die Arbeit bei längeren Arbeitszeiten zwangsläufig auf weniger Arbeitnehmer verteilt werde, müsse die Arbeitslosigkeit steigen und damit die Kaufkraft der Verbraucher sinken. Das nütze den Unternehmen wenig: «Auch Arbeitgeber brauchen gut bezahlte Angestellte mit genug Freizeit zum Einkaufen, zum Anbau eines Wintergartens, für Wochenendferien, Kinobesuche und die Lektüre von Büchern.»"
Quelle: http://de.news.yahoo.com/040708/3/43w8y.html
Interessant ist auch die Aussage einer Studie der OECD, dass längere Arbeitszeiten negativ für die Produktivität im Unternehmen sind. Die Mitarbeiter glauben ständig, man hätte ja ausreichend Zeit. Wo kürzer gearbeitet wird, ist der Druck zu höherer Produktivität ungleich stärker. Sagt die OECD.
Quelle: http://de.news.yahoo.com/040708/3/43w5h.html
Auf eine Woche Urlaub verzichten, würde angeblich 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte Wirtschaftswachstum bringen und so 100.000 Arbeitsplätze schaffen. Klingt gut. Greift aber nicht. Denn ein Wirtschaftswachstum von 1,5 bis 2 Prozent wird allein durch Steigerung der Effektivität im Unternehmen erzeugt. Durch Rationalisierungen. Also durch Arbeitsplatzabbau.
Nicht längere Arbeitszeiten sind gefordert, sondern höhere Effizienz am Arbeitsplatz. Aber diese Forderung habe ich bisher von keinem Arbeitgeberverband gehört. Vermutlich, weil das Rückschlüsse auf das eigene Unternehmen zulassen würde. Dann lieber zu Mitteln greifen aus dem 19.Jahrhundert.
Grüße
Heinrich