Argumentation und Polemik
Hallo Peet,
Darüber haben wir uns schon unterhalten, nicht wahr? 
ich erinnere mich gut. 
Sind antiken Philosophen auch keine Philosophen, nur weil sie
keinen Titel Dr.phil. wie wir haben?
Nein, das habe ich auch nicht gesagt, ja sogar mehrfach bestritten - es wäre auch absurd. Denn dann müsste man nicht nur die antiken Autoren ausschließen, sondern auch etwa Nietzsche, der ja bekanntermaßen auch keinen Dr. gehabt hat.
Und sind wir mehr Philosophen, weil wir den Titel tragen? 
Noch einmal: Wir sind Philosophen, weil wir auf eine gewisse Art und Weise - die durchaus unterschiedlich sein kann - Fragen stellen und argumentieren.
Die Fragestellung kann durchaus implizit sein (wie etwa bei Nietzsche häufig). Marx ist nicht deswegen Philosoph, weil er einen Titel hatte, sondern er ist Philosoph aufgrund seiner Fragestellungen und seiner Argumentationen. Auch Konfuzius und Laotse sind Philosophen, allerdings weniger aufgrund ihrer Argumentationen, sondern aufgrund ihrer Fragestellungen.
Die Fragestellungen von Lenin sind in der Hauptsache politische Fragestellungen. Da, wo sie naturphilosophische Fragen betreffen, sind sie argumentativ so schwach, dass ich große Bedenken habe, sie „philosophisch“ zu nennen. Gleichwohl hat Lenin natürlich seinen Platz in der Philosophie - das habe ich ja nicht bestritten -, gleichwohl ist er dadurch noch nicht Philosoph im eigentlichen Sinn.
Wenn das so wäre, dann wären etwa auch Vogt, Moleschott, Ostwald oder Darwin, Haeckel und Einstein Philosophen. Wenn man diese zum Teil durchaus verdienten Forscher als Philosophen bezeichnen wollte, dann müsste man sie aufgrund ihrer begrenzten Fragestellungen bzw. ihrer begrenzten Argumentationen im Bereich der Populärphilosophie einordnen. Zweifellos sind auch manche ihrer Fragestellungen und manche ihrer Argumentationen philosophisch, aber es ist bei diesen Denkern nie die Hauptsache. So auch bei Lenin.
Dein Argument bezüglich des Opium-Zitats hat natürlich Gewicht, da du - im Gegensatz zu mir - die russische Sprache beherrschst.
Ich kenne in der Tat nur die Übersetzung, und wenn diese Übersetzung nicht auf Lenin selbst zurückgeht, dann müsste man nachsehen, wer denn für diese Umdeutung verantwortlich ist. Im Zweifel würde ich da wieder auf Engels (oder seinen Umkreis) tippen, denn das kann man belegen, dass die andere Umdeutung, die ich nannte, von Engels stammt.
… keine gute Polemik …
Eine Anmerkung zum Begriff „Polemik“ noch. Der Begriff scheint mir gelegentlich missbraucht, als bedeute er „Argument“. Das ist mitnichten der Fall. Diese Vermischung von Philosophie und Rhetorik hat zwar auch antike Wurzeln, geht in ihrer heutigen Verwendung aber ebenfalls auf das späte 19. Jahrhundert zurück und wird auch nur im ML-Umfeld verwendet. Mir kommt es nicht darauf an zu polemisieren. Wenn Lenin persönlich als Schöpfer dieses unsäglichen Zitats in Frage kommt, bin ich der Erste, der das zurücknimmt. Das ändert freilich nichts an meiner Beurteilung seiner Argumente.
Marx … Novalis …
Diese Frage finde ich wiederum hochinteressant. Ich kenne diese These schon, habe ihr nur noch nicht intensiv nachgehen können (einfach weil es so viele interessante Fragestellungen gibt).
Herzliche Grüße
Thomas