Grundsatzfrage: ausführliche Antwort
Hallo,
Ist das Posting ernst gemeint oder führte womöglich am heißen Sonntag Abend der kühle Barkan Kiddush die virtuelle Feder?
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Es geht mitnichten um moralische Regelwerke, sondern um vom Staat zu ahndende Straftaten. Das sind im modernen europäischen Staatsverständnis seit dem 17. Jhd. zwei grundverschiedene Dinge. Der Staat hat die Bürger zu schützen, und nur, wo jemand durch sein Handeln die Integrität und Rechte anderer verletzt, greift er legitimerweise durch Strafverfolgung ein. Alle anderen Handlungen und Einstellungen, gleich, nach welchem moralischen Regelsystem, gehen den Staat explizit nichts an.
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Was vielleicht auch Marion etwas durcheinanderbringt:
Es gibt hier zwei verschiedene Rechtsgrundsätze: a) das Recht auf politisches Asyl, b) den Grundsatz, niemanden in ein Land abzuschieben oder auszuliefern, wenn ihm dort die Todesstrafe droht.
Anspruch auf politisches Asyl haben nur politisch Verfolgte, nicht Kriminelle.
D.h., der Drogendealer dürfte wegen der drohenden Todesstrafe nicht ausgeliefert werden. Das ist eine Besonderheit, die sich tatsächlich nur auf die Todesstrafe bezieht. In jedem anderen Fall geht das danach, ob mit dem betreffenden Staat ein Auslieferungs-Abkommen besteht.
Der anerkannte politisch Verfolgte dürfte aber auch dann nicht ausgeliefert werden, wenn ihm zu Hause „nur“ eine Haftstrafe oder auch nur Repressalien drohen, selbst wenn ansonsten ein Auslieferungs-Abkommen für Straftäter bestünde.
Man könnte unseren Fall also tatsächlich so aufgliedern: a) ist ihm Asyl zuzusprechen? b) darf er abgeschoben werden?
Du hast wahrscheinlich sogar recht: Das Urteil ist vermutlich wasserdicht, sowohl in der Ablehnung des Asylantrags als auch in der Frage der Abschiebung.
- Gleichwohl ist es im Hinblick auf die Menschenrechte skandalös.
„Kulturimperialismus“ ist das, was deine amerikanischen Freunde tun, wenn sie mit militärischen Mitteln in Mittelasien traditionelle Stammesherrschaft zurückdrängen und stattdessen versuchen, einen Präsidenten zu installieren.
Hier geht es um etwas ganz anderes, nämlich um Menschenrechte, und die sind, auch wenn erstmals in Amerika und Europa gesetzlich verankert, universell gültig, d.h., das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Meinungsfreiheit etc. haben die Menschen als solche, nicht als westlich Orientierte o.ä., und kein Staat hat das Recht, ihnen diese streitig zu machen.
- Menschenrechte, Sexualität, Natur.
Kerstin hat schon darauf hingewiesen: Auch wenn es (noch) nicht in den Kanon Art. 3.3 GG aufgenommen ist: Sexuelle Selbstbestimmung gehört zu den elementaren Menschenrechten (11 von 45 europäischen Ländern haben immerhin schon entsprechende Anti-Diskriminierungsgesetze).
Es gibt weder natürliche noch unnatürliche Sexualität. Sexualität ist ein genuin menschlich-kulturelles Phänomen. Tiere haben ein Gattungsverhalten, aber keine Sexualität.
Die Menschen, so wie sie sich kulturell entwickelt haben, verkümmern ohne eine erfüllende (und das heißt immer: selbstbestimmte, was denn sonst?) Sexualität. Jemandem zuzumuten, irgendwo zu leben, wo ihm dies bei Todesstrafe verwehrt ist, ist der blanke Zynismus, so, als würde jemand in die Wüste geschickt mit dem Hinweis, es bestehe keine Gefahr, er müsse sich nur das Trinken abgewöhnen.
Grüße
oranier