Hallo Marie,
ich bin Biologin mit dem Schwerpunkt Verhaltensforschung und arbeite seit gut 30 Jahren mit und für den Tierschutz. Nicht nur mit einem Verein, sondern europaweit mit vielen verschiedenen Organisationen. Meine Tiere stammen nahezu alle aus dem Tierschutz.
Resümierend kann ich sagen, dass es zwei Sorten von Tierschützern gibt: Diejenigen, die mit Sachverstand, klarem Kopf und einem realistischen Weltbild ihre Arbeit machen und diejenigen, die sich nur von ihren Emotionen leiten lassen und Argumenten grundsätzlich nicht zugänglich sind, wenn sie ein Tier in Not sehen (oder zu sehen glauben).
Letztere sind nach meiner Erfahrung häufig nicht in der Lage, dauerhaft in der selben Organisation zu agieren, weil sie im Umgang mit Menschen genauso emotional und unreflektiert sind, wie im Umgang mit Tieren. Wenn man länger mit den Strukturen im Tierschutz zu tun hat, erlebt man innerhalb vieler Vereinigungen dauerhaften Hickhack, Zickenkriege, Intrigen und Eifersüchteleien, dass an professionelles Arbeiten nicht zu denken ist.
Und ja: Es ist eine bestimmte Sorte Frauen, die hier schwerpunktmäßig vertreten ist. Sie brechen beim Anblick eines Kettenhundes in Tränen aus, scheuen sich aber nicht, dem Besitzer anzudrohen, ihn selbst an kurzer Kette verrecken zu lassen. Der Respekt vor dem Leben endet bei ihnen nämlich beim Tier. Und wer ein solches schlecht behandelt, hat in ihren Augen das Recht auf Achtung (und nicht selten auch Leben) verwirkt.Lebensumstände und andere Probleme interessieren sie einen feuchten Kehricht, denn in ihrem Herz ist nur Platz für Lassie. Anschließend wundern sie sich, warum der Besitzer nicht bereit ist, den Hund herauszugeben. Die Hardcore-Front klaut diesen dann in einer Nacht- und Nebelaktion und findet sich klasse dabei.
Die andere Sorte Tierschützer sieht einen Kettenhund in Not, betrachtet sich die allgemeinen Lebensumstände des Besitzers und weiß Bescheid über die Gepflogenheiten in der Region. Beim Besuch haben sie eine Laufleine im Gepäck und bieten dem Besitzer an, die Bedingungen für seinen Hund verbessern zu helfen. Sie wissen nämlich, dass es andernfalls keine zwei Wochen dauern würde, bevor der nächste Hund an der Kette hängt.
Die Erstgenannten begreifen nicht nur Zusammenhänge nicht, sie wollen sie überhaupt nicht sehen. Sie wollen nur möglichst viele „arme“ Tiere retten - koste es, was es wolle. Dass sie dabei das Tierleid in aller Regel noch vergrößern, wollen sie nicht wahrhaben.
Und wehe, irgendjemand hinterfragt dieses Handeln! Dann trifft ihn die geballte unkontrollierte Emotion meist mit voller Wucht
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Ich war vor vielen Jahren an einer Tötungsaktion in Rumänien beteiligt, in deren Zug Hunderte von halbwilden Straßenhunden eingeschläfert wurden, die eine ernsthafte Gefahr für die Bevölkerung darstellten. Der schwierigste Teil dieser Aktion war, einer Herde wildgewordener (deutscher) „Tierretter“ Herr zu werden, die die Tötung unbedingt verhindern und diese Hunde außer Landes bringen wollten. Völlig ohne jegliche Vorstellung von der Gefährlichkeit der Tiere, die den Teufel getan hätten, sich „mit ganz viel Liebe“ zu Streicheltieren zu entwickeln.
Diese rein emotionalen und gleichzeitig hirnlosen Aktionen findet man im Tierschutz leider zu Hauf. Die Präsentation von Tieren, in denen man deren „schreckliches Leid“ zum Aufhänger macht und gerne mal im selben Atemzug verspricht, dass der Hund „dankbar“ für sein neues Zuhause sein wird, ist Schmierentheater und zudem unseriös.
Stattdessen in der Vermittlung sachlich darauf hinzuweisen, dass das Tier nicht ausreichend sozialisiert ist, schlechte Erfahrungen gemacht hat und aus diesem Grund nicht einfach im Umgang sein wird, gekoppelt mit der Prognose, dass über gezielte Arbeit in bestimmten Bereichen gute Erfolge zu erreichen sind, ist deutlich ehrlicher. Einen bestimmten Typ Hundebesitzer in spe spricht man damit aber natürlich nicht an. Die wollen lieber ein Tier, das mit „ganz viel Liebe und Streicheleinheiten“ seine schreckliche Vergangenheit „vergessen“ kann.
Sorry, aber bei solchen Methoden kriege ich Brechreiz.
Schöne Grüße,
Jule