Das nützt alles nichts, wenn diese Organisationsstruktur auf
keine Infrastruktur zurückgreifen kann, weil alles zerstört
ist.
Man hatte jahrelang Zeit eine Infrastruktur aufzubauen. Hätte es adäquate Planungen im Vorfeld gegeben - und man wußte seit jeher daß dieses ein Hurrican-gefährdetes Gebiet ist sowie daß NO unter dem Level des Wasserspiegels liegt - stünde man jetzt nicht ganz so schlimm vor dem Chaos. Noch dazu gab es auch ein paar Tage Vorlaufzeit, abgesehen von generellen Notfällplänen hatte man in diesem Fall auch noch Zeit auf die konkrete Situation zu reagieren. Ich habe hier http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarticl… schon lang und breit geschrieben wie man eine Evakuierung im Optimalfall organisiert.
Du machst Dir immer noch nicht klar, wie groß das Ausmaß
der Zerstörung ist. Das betroffene Gebiet ist riesig.
Zerstörte Häuser sind das eine. Überschwemmungen das andere. Sicherlich ist ein hinweggefegtes Haus für einen Betroffenen persönlich eine Katastrophe und klar ist auch daß es eine Krise darstellt wenn so massenweise Leute davon betroffen sind.
Die wirkliche Gefahr und das echte Chaos liegen aber in überschwemmten Gebieten - und die sind keineswegs so riesig groß, sondern das wären relativ überschaubare Gebiete gewesen.
Ansonsten ist der maßgebliche Faktor für das Ausmaß nicht so sehr die betroffene Fläche, sondern die Anzahl an betroffenen Menschen. Und abgesehen von den Städten gibt’s da auch viele sehr schwach besiedelte Gebiete, die zwar innerhalb des betroffenen Areals liegen, im Hinblick auf die dort lebenden Menschen aber völlig unspektakulär sind.
In viele
Gebiete kommen die Helfer gar nicht rein, weil die
Verkehrswege zerstört sind und die Hubschrauber, die man dafür
benötigen würde, werden erst einmal für die Rettung von
Überlebenden benötigt. Es gibt Städte mit ehemals zigtausend
Einwohnern, in denen fast alle Gebäude zerstört sind. Es
müssen also Notunterkünfte für hunderttausende gebaut werden,
in denen die Betroffenen voraussichtlich die nächsten drei bis
vier Monate verbringen werden. In den zerstörten Städten muß
jetzt erst einmal eine Infrastruktur aufgebaut werden, um die
Hilfs- und Aufräumarbeiten überhaupot zu ermöglichen. Dabei
muß man diese Infrastruktur auch noch gegen Plünderer schützen
usw.
Wie ich schon im anderen Posting (siehe Link) erklärt habe rächen da sehr viele Versäumnisse im Vorfeld. Es ist schon klar daß man solche riesigen Katastrophen nicht so einfach mit links bewältigt, aber man kann sie eben doch etwas mehr oder etwas weniger geschickt managen.
Vieles von der schlimmen Eigendynamik, die jetzt sichtbar wird, ist aber nicht auf die Gefährlichkeit des Ereignisses an sich, sondern eine offensichtlich unzureichende Vorbereitung zurückzuführen.
Ich kenne mich im deutschen Katastrophenschutz aus und dort ist man sich darüber im Klaren daß ein hoch entwickeltes Land wie unseres - und auch die Amis - extrem abhängig ist von Infrastrukturen und Energieversorgung. Man weiß daß Katastrophen immer Chaosphasen haben, die unvermeidlich sind und nur langsam geordnet werden können, man weiß um die Gefahr von Plünderungen. Man weiß daß sich Betroffene nicht tagelang brav in ein Stadion setzen und abwarten bis sie irgendwann gehen dürfen, sondern sehr schnell unruhig werden, rebellieren und sich auf eigene Faust an die Lösung irgendwelcher Aufgaben geben werden - wenn man sie nicht kanalisiert.
Neben den rein technischen Planungen werden auch solche Überlegungen in die Planung einbezogen und man führt von der Bundeswehr über das THW, Hilfsorganisationen und Rettungsdienste, Polizei, Strom- und Wasserversorger bis hin zu Lebensmittellieferanten alle notwendigen Helfer koordiniert zusammen. In diesem Fall muß man sagen: da hat der deutsche Bürokratismus seine Vorteile, denn auch da ist bis in Kleinigkeiten hinein alles geregelt, was man regeln kann
Das sind die Probleme, vor denen die Amerikaner jetzt stehen
und wenn sie keine durchdachten Notfallpläne und
Führungsstrukturen hätten, dann wäre alles noch viel
schlimmer. Das Problem besteht darin, daß sich weder die
Betroffenen, noch der Hurrikan an diese Notfallpläne gehalten
hat, so daß man jetzt improvisieren muß.
Soweit darf es aber nicht kommen. Es ist inakzeptabel wenn sich Leute nicht an Pläne halten. Sowas bringt das ganze System zum Absturz. In solchen Krisen funktioniert es nur wenn ein eher militärischer Führungsstil gepflegt wird, da kann man die üblichen Freiheiten nicht im gewohnten Maße aufrecht erhalten.
Das dürfte im Wesentlichen an der Berichterstattung liegen,
die hauptsächlich aus den betroffenen Gebieten selbst erfolgt,
in denen sich nach den Notfallplänen eigentlich niemand mehr
aufhalten dürfte.
Warum sind dann noch Leute da? Es ist in dem momentanen Chaos natürlich viel schwieriger den Mob in den Griff zu kriegen als wenn man da schon vorher generalstabsmäßig durchgegriffen hätte. Ich kann auch nicht das Argument nachvollziehen daß man vorher nicht wußte wie schlimm es wird und deswegen zurückhaltend war - man hat eine Großstadt evakuieren wollen, das ist ja kein Pappenstiel, man wußte also schon daß es äußerst heftig werden wird.
Daß dort immer noch Menschen auf Hilfe
warten ist eine Abweichung von dieser Planung, auf die jetzt
mit improvisierten Mitteln reagiert werden muß. Daß das
stellenweise zu chaotischen Zuständen führt, ist nicht zu
vermeiden und daß die Presse bevorzugt über solche Probleme
berichtet ist auch nichts neues.
Aber die Presse berichtet eben auch Dinge, die nicht entschuldbar sind. Ich habe z. B. in dem anderen Artikel über das evakuierte Krankenhaus im Super Dome berichtet - sowas „geht nicht“, dafür gibt es auch in der Katastrophe keine Begründung.
Mit solchen Katastrophen gibt es nicht viel Erfahrung. Bisher
ist die USA nur von einem Hurrikan dieser Stärke (das war
Hurrikan „Andrew“ im Jahr 1992) getroffen worden. So wie es
jetzt aussieht, ist man damals noch mit einem blauen Auge
davon gekommen. Die Zerstörungen sind diesmal viel schlimmer.
„Katrina“ scheint der schlimmste Hurrikan in der Geschichte
der USA gewesen zu sein.
Es gab diverse Erdbeben in aller Welt, die ein ähnliches Katastrophen-Szenarium geboten haben, es gab erst vor einem guten halben Jahr den Tsunami. Die Amis treiben sich im Irak und Afghanistan herum und schaffen es dort auch eine riesige Logistik im Feindesland aufzubauen. Klar, mit anderen Vorlaufzeiten. Aber es ist nicht so als hätte man niemals Erfahrungen mit Katastrophen riesigen Ausmaßes sammeln können. Die Amis waren auch immer mit dabei und haben geholfen, sie wissen also eigentlich was los ist.
9/11 ist inzwischen 4 Jahre her, es hätte auch davor schon Planungen für Großschadenslagen geben müssen, aber seit man durch den Terror sensibilisiert ist hätte es erst Recht ausreichende Planungen, ausreichende Logistik, geben müssen. Vieles wirkt allerdings so als sei es damit nicht weit her.