Ich bin zu schnell genervt

Hi ihr Lieben,

seit längerem Versuche ich schon daran zu arbeiten aber es funktioniert einfach nicht.

Ich bin von allem so schnell genervt. Total grundlos in den meisten Fällen. Vor allem bei Geräuschen fällt mir das sehr stark auf. Zum Beispiel wenn mein Freund etwas lauter schnauft bzw. beim Atmen durch die Nase etwas pfeifft.
Oder auch wenn die Vögel so laut und eintönig zwitschern. Immer nur dieses hohe Fiepen… das macht mich wahnsinnig. Tickende Uhren sind sowieso der Horror…

Aber auch was Bewegungen angeht ist es nicht viel besser. Wenn ich Fernseh schaue und ich im Augenwinkel sehe wie mein Freund mit den Füßen wackelt…

…oder wenn Leute in der S-Bahn schmatzend Kaugummi kauen. Ich könnte noch einige Dinge aufzählen.

Auf jeden Fall war ich was sowas angeht schon immer sehr reizbar. Es kommen nur ständig neue Sachen dazu die mich nerven. Und das macht den Alltag nicht leicht. Ich bin ständig gereizt und genervt und einfach nur zickig. Was kann ich nur tun???

Bitte bitte, wenn es jemandem ähnlich geht, der vielleicht eine Lösung hat, helft mir!!!

Viele Grüße
Ichelle

PS: Kommt mir bitte nicht mit Hormonen oder ob ich schwanger bin… ich glaub nicht dass ich seit Jahren schwanger bin :wink:

Hallo Ichelle,

ich kenn deine Situation etwas denke ich. Allerdings nicht ganz so schlimm. Ich bin sehr ungeduldig und geräuschempfindlich. Daher nerven mich sogar die Musikfetzen die man aus manchem Kopfhörer mitbekommt in der Bahn. Oder das Gepiepe eines besessenen SMSschreibers, Handtaschen-WII-Spielers oder Gespräche über (wie ich meine) völlig blödsinnige Themen, am besten noch in Proldeutsch a la Guckstdualdäkonkredweissdu… Da könnte ich manchmal im Geiste zum Amokläufer werden.

Ich habe aber festgestellt dass ich nur dann so genervt bin, wenn ich einfach ausgebrannt bin. Je mehr Leute mich jeden Tag auf der Straße, am Telefon, im Supermarkt, in der Bahn und überhaupt überall nerven, desto dringender brauche ich frei.

Der zweite Punkt ist bei mir dass ich dann empfindlich reagiere, wenn irgendetwas an mir nagt. Mich eine Situation, eine Entscheidung, ein Gespräch unzufrieden macht. Ich merke ich stehe vor einem Tor und sehe kein Schloß, keine Tür, keinen Weg drumherum und habe keine Idee wie ich das Tor öffneb kann - bildlich gesprochen. Das kann beruflich, familiär, sonstwas sein. Unzufriedenheit mit einer Situation oder Entscheidung die mir in dem Moment die Luft abdreht und sich bei mir in Ungeduld und Angespanntheit äussert. Da kann es gut passieren dass ich schon das Fußballkicken der Nachbarskinder mörderisch störend, als Freiheitsberaubung meiner Ruhe und als prinzipiellen Angriff auf meine Menschenwürde empfinde. Meißtens liegen aber die Gründe für meine Unruhe und Unzufriedenheit wo ganz anders.

Um herauszufinden wieso ich mich von lapidaren Dingen gestört fühle, versuche ich herauszufinden wie ich mich fühle, in welche Richtung meine Wut geht und was ich als Erleichterung empfinden würde. Einfach drüber reden, mal drüber nachdenken bevor man den Fußball der Nachbarskinder meuchelt, sozusagen.

Ich weiß es ist kein konkreter Rat, aber vielleicht hilft es dir totzdem.

Grüsse
Helena

Zwei Tips
Hi Ichelle.

Zum einen wäre eine Beschäftigung mit Yoga anzuraten, einfach nur, um mehr innere Ruhe zu finden, ohne irgendwelchen Theoriekram drumherum. Atemübungen und das Einhalten symmetrischer Positionen zentrieren den Geist und bringen ihn zur Ruhe.

Zum andern klingt deine Beschreibung interessant über das rein Psychologische hinaus. Mir ist persönlich jemand bekannt, der eine sehr ungewöhnliche Empfindlichkeit (fast schon eine Allergie) gegen auch die leisesten Geräusche hat, und das, obwohl er selbst gerne sehr laute Geräusche produziert (krankhafter Radau). Ich führe das auf zwei Schlaganfälle zurück, die er hinter sich hat. Sein Problem ist also vermutlich ein neurologisches.

Es bliebe also rein theoretisch zu überlegen, ob deiner Empfindlichkeit mehr als nur Psychologisches (Stress) zugrunde liegt. Wenn sich durch andere Maßnahmen nichts bessert, könnte ein Gespräch mit einem Neurologen vielleicht nicht schaden. Vielleicht ist das Phänomen ja in der Neurologie bekannt, keine Ahnung. Allerdings bitte nie irgendwelche Pharmaka einnehmen!!

Gruß Horst

Hallo,
Ich kenne ähnliche Phänomene bei mir auch, wenn ich total überfordert und reizüberflutet bin.

Vielleicht ist es bei dir ähnlich? Stress im Beruf, Freund, Kinder (?), dauernd klingelndes Handy, hohe Ansprüche an dich selbst…

Mein Tipp, vielleicht etwas ungewöhnlich: Nimm 1 Woche Urlaub (oder lass dich krankschreiben) miete dir ein Zimmer in irgendeiner Landpension mitten in der Natur,(am Meer ist auch toll, aber es muss wirklich einsam sein!) natürlich ohne Fernseher, nimm kein Handy mit, und mache einfach nichts. Faulenze, wandern, vielleicht lesen, Tagebuchschreiben. Das ist für manche eine Extremerfahrung, aber ich denke, danach siehst du klarer!

Viele Glück!

Danke für die Tipps und eure Antworten,

leider ist es bei mir eben ein Dauerzustand. Ich könnte deshalb nicht sagen dass ich nur momentan ausgebrannt bin oder in der Arbeit etc. zu viel Stress habe. Es war bei mir schon immer so, es steigert sich nur mit der Zeit.

Den Stress mache ich mir durch das, was mich alles nervt eigentlich nur selbst. Mein Freund ist ein so lieber Mensch, genauso wie meine nette Kollegin mit Heuschnupfen… trotzdem möchte ich den beiden am liebsten Röhrchen in die Nase stecken damit die Luft besser durch geht. Das hält mich nicht nur davon ab mich auf die Arbeit zu konzentrieren sondern eben auch meinen Feierabend mit meinem Freund zu genießen.

Ich weiß einfach nicht woran es liegt, dass mich solche Dinge so schnell nerven.

Yoga hab ich mir auch schon überlegt. Sollte ich auf jeden Fall probieren.

Viele Grüße
Ichelle

Hallo Ichelle

Es gibt die sogenannt Hochsensiblen. Das ist in letzter Zeit zwar etwas zu einer Modeselbstdiagnose geworden, aber Tatsache ist nun mal, dass es Menschen gibt, die deutlich sensibler auf Reize jeglicher Art reagieren und darum dauernd mit Reizüberflutung zu kämpfen haben.

Schau dich mal auf http://www.zartbesaitet.net/ um, und dort insbesondere im Forum. Einiges wird dir vermutlich bekannt vorkommen, und Tipps und Tricks zum Entspannen oder um sich besser abzuschirmen sind auch vorhanden.

Gruss
Ursula

Hyperakusis?
Hi Ichelle.

Unten teilst du in einer Antwort mit, dass du „immer schon“ das Problem hattest. Ich empfehle dir daher, ärztliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Eine Recherche meinerseits ergab, dass es eine Krankheit namens Hyperakusis gibt, die möglicherweise (ich betone: möglicherweise) dein Problem verursacht. Hier zwei Links:

http://www.audiva.de/Audiva/fileadmin/downloads/ATA/…

Zitat:

"Das Hören ist eine besonders empfindliche Sinneswahrnehmung. Die Lautstärkeempfindung unterliegt großen individuellen Schwankungsbreiten. Geräuschüberempfindlichkeit ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen, das für sich allein oder in Kombination mit anderen Störungen der Hörwahrnehmung auftritt. Sie kann erheblichen Leidensdruck entfalten.

Wir unterscheiden drei Formen der Geräuschüberempfindlichkeit. Bei manchen Kindern kommen Hyperakusis und auditive Hypersensibilität gleichzeitig vor.

  1. Hyperakusis:

Als Hyperakusis wird ein pathologisch gesteigertes Hörempfinden bezeichnet.

Hyperakusis ist eine subjektiv wahrgenommene Unlustempfindung, die als Absenkung der
Schmerz- oder Unbehaglichkeitsschwelle in der Tonaudiometrie erfaßt werden kann."

http://www.schoen-kliniken.de/ptp/kkh/gra/faz/tinnit…

Zitat:

"Diagnostik der Hyperakusis

Die Geräuschüberempfindlichkeit ist eine häufige Begleiterscheinung/Folgeerkrankung bei Hörstörungen unterschiedlicher Art.
Voraussetzung für eine differenzierte Behandlung ist eine gründliche Diagnostik, die zu Beginn des Aufenthaltes in unserer Klinik erfolgt. Diese schließt eine HNO-Untersuchung, audiologische Untersuchung und allgemein körperliche klinische Diagnostik ein. Zur Erfassung der Folgeerscheinungen, wie auch zur Feststellung psychischer Begleiterkrankungen, wird eine umfassende psychologische Diagnostik im Rahmen regelmäßiger psychotherapeutischer Gespräche durchgeführt."

Eine Reihe von Ideen sind hier ja schon geäußert worden. An Entspannungsübungen - Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training - hätte ich jetzt auch gedacht, wobei ich da kürzlich der Methode von Kabat-Zinn begegnet bin, die sich auf die Methode der „Achtsamkeit“ (ein ursprünglich buddhistisches Konzept) stützt. Es mag zunächst paradox erscheinen, einem Menschen, der sich von den Reizen aus der Umwelt überwältigt fühlt, diese ganz bewusst „zuzulassen“. Aber ich vermute, dass Dein Problem vor allem etwas mit der Bewertung der störenden Reize zu tun hat und nicht mit deren sensorischer Intensität. Der „achtsame“ Mensch bemüht sich um eine wertungsfreie Haltung und um ein Leben im Hier und Jetzt. Möglicherweise hat Dein geradezu krampfhafter Versuch, die unerwünschten Wahrnehmungen auszublenden, den genau entgegengesetzten Effekt - Du beachtest diese „Störreize“ mehr und mehr.

Übrigens würde ich, auch wenn organische Ursachen nicht wirklich wahrscheinlich sind, zu einer neurologischen Abklärung raten. Das Problem liegt ja nicht in einem einzelnen Sinnessystem begründet (deswegen kann es auch keine Hyperakusis sein), sondern hat etwas mit der Verstärkung bzw. Abschwächung (grundsätzliche Leistungen unserer Aufmerksamkeit) von Reizen zu tun. Wenn ich mich nicht irre, laufen (fast?) alle Verarbeitungsstränge sensorischer Information über die Kerne des Thalamus. Vielleicht liegt das Problem irgendwo dort begründet.

Gruß
Arbeyterson