Warum kehren wir nicht sofort zum Althochdeutsch zurück?
Nun übertreib mal nicht. 
Nunja, Althochdeutsch ist ein großer Schritt. Aber wenn du schon darauf pochst, eine fremde Sprache solle bitte die Wörter wieder zurück in hunderte von Jahren alte Frühformen zurückbiegen, nur weil die umgebenden Sprachen das Wort bei der Entlehnung/Übernahme damals nicht so verändert haben, dann solltest du das doch konsequenterweise auch vom Deutschen fordern, oder?
Du könntest mit Fremdwörtern anfangen und z.B deren „richtige“ (deiner Logik zufolge [du und Logik würde mich ähnlich überraschen wie dich eine hilfreiche Antwort von Helena, glaube ich]) Pluralformen benutzen statt unseren „falschen“ deutschen Pluralformen. Anfangen kannst du bei Wörtern wie Annorak (wir deutschen Idioten haben die eigentlich richtige Endung -q dort total verstümmelt), Computer, Puma, Sirup, Pizza, Tomate, Schokolade (bei den beiden letzten Wörter haben wir dummen Deutschen das -tl am Wortende auch irgendwie abgeändert!). Auch in unserer eigenen Muttersprache sind wir nicht besser, so darf doch der korrekte Plural von „Weib“ nicht „Weiber“ sein, das wäre ja falsch, denn im Mittelhochdeutschen, was ja gar nicht so lange her ist, hieß es noch wîp > wîp (oder schrieb man es mit -b?), also muss es „Da kommen zwei Weib.“ heißen, wenn man mal die unschöne Falschaussprache des î als „ei“ durchgehen lassen möchte.
Oder möchtest du auch andere Sprachen noch kritisieren? Auf Englisch sagt man „bird“, das ist etymologisch aus „brid(d)“ entstanden, und völlig sinnlos haben da i und d ihre Plätze getauscht. Also ist das Wort automatisch falsch. Vielleicht solltest du also anfangen, „brid“ zu sagen… hier liegt ja sogar ein sehr ähnlicher Fall wie bei „cocodrilo“ vor, nur dass es leider keine Kognate (pardon, cognata!) in anderen germanischen Sprachen dazu gibt.
Im Französischen kann man einiges an der falschen Aussprache machen: die sind ja eh zu faul zum Reden. Da sollte man wieder so sprechen, wie man’s schreibt und die ganzen abgeschliffenen Formen, wie z.B. die fehlerhafte (Nicht)aussprache der Konjugationsendung 3. Person Singular (z.B. „jouent“ als [ʒu]) wieder zurückformen auf [ʒuɛnt], wie’s sicher mal hieß.
Das waren jetzt nur ein paar kleine Vorschläge, und auch nicht so krasse, wie zum Althochdeutschen zurückzukehren. Steckte eine konsequente Intention hinter deinem Willen, eine falsche/veraltete Form des Wortes für Krokodil im Spanischen zu benutzen, lägen meine Vorschläge oben auch nicht fern.
Nee, ernsthaft. Es ist eher ein Zufall, dass es uns bei „cocodrilo“ so auffällt. Ich habe es damals, als ich darauf stieß, auch erstmal für einen Druckfehler gehalten, aber sowas passiert in den Sprachen der Welt eben. Warum auch immer. Ich dachte danach, dass es vllt. keine Wörter gibt, die mit „cr-“ anfangen (so wie im Spanischen auch der verbotene Konsonantencluster „sp-“ und „st-“ aufgelöst wurde indem ein „e-“ vorangestellt wurde — theoretisch ja auch falsch, weil die meisten romanischen Sprachen sowas nicht machen), aber es gibt Wörter wie „cráneo“ (Schädel)… keine Ahnung, warum grad bei diesem Wort das passierte. Beim Wort für „Orchester“ fehlt im Spanischen auch ein r. Und das mit Algerien kannte ich auch noch nicht. So ist Sprache nun einmal. Sprache dient in erster Linie der Kommunikation zwischen den Sprechern, und die kennen das Wort eben als „cocodrilo“. Übrigens scheint es im Mittellateinischen schon „cocodrillus“ geheißen zu haben, und da alles geht auf die griechischen Wörter „kroke“ + „drilos“ (= Kieselwurm) zurück. Wenn das der Fall ist, ist „Krokodil“ genauso falsch wie „cocodrilo“, da bei beiden Varianten irgendwo ein r fehlt.
Aber weder „Krokodil“ noch „cocodrilo“ sind objektiv falsch, weil beides schon seit Jahrhunderten die Standardvarianten im Deutschen und im Spanischen sind. Muttersprachler kennen die Worte nur so. Sprachpuristen könnten englischen Einfluss wittern, wenn man plötzlich „crocodilo“ einführen würde, oder sie halten dich einfach für unwissend, wenn du die eindeutig falsche Variante benutzt. Denn *crocodilo ist wie gesagt kein richtiges Spanisch.
Sieh dir übrigens mal folgendes Ngrams-Ergebnis an:
http://books.google.com/ngrams/graph?content=crocodi…
Da sieht man, das die falsche/alte Form „crocodilo“ seit etwa 150 Jahren kaum verwendet wird und auch vorher selten auftrat. Es treten einige blaue Spitzen vor 1860 auf, das kann aber an der spärlichen Textquellenlage in jener Zeit liegen, oder aber es sind Textstellen dabei, die nicht genau auf Spanisch sind. Also statistische Artefakte. Aber du siehst, dass „cocodrilo“ konsequent das häufigere Wort war (bis auf die eine Spitze kurz vor 1780, die ebenfalls wie ein Artefakt aussieht). Müsste man mal genauer untersuchen.
Noch viel klarer sieht die Sache bei „Argelia“ vs. *Algeria aus:
http://books.google.com/ngrams/graph?content=Argelia…
da tritt die im Spanischen falsche Form auch kaum auf, die wenigen Hits könnten auf ein paar fremdsprachliche Formen (z.B. die Erwähnung des englischen Namens irgendwo in Klammern) zurückzuführen sein.
Auch bei „orquesta“ vs. *orquestra sieht es so aus:
http://books.google.com/ngrams/graph?content=orquest…
Da hat man nur ganz am Anfang etwas Unklarheit, aber die heutige Form hat sich da wohl schnell rausgebildet.
Da muss man also nicht den Sprechern Dummheit unterstellen, es hatte wohl seine Gründe, dass sich früh schon abweichende Formen gebildet haben, das kann an einer leichteren Aussprache liegen, an Anpassung an bereits bekannte Wörter (Analogie) oder sonstwas… keine Ahnung, ich kann kaum SPanisch. Durch solche scheinbar willkürlichen Änderungen und verselbstständigte Fehler ist die spanische Sprache ja überhaupt erst entstanden. Wie übrigens auch jede andere Sprache der Welt auch.
Ich sehe keinen Grund, *crocodilo und *Algeria und *orquestra zu sagen, die Formen sind unüblich und standardsprachlich inkorrekt. Es sagt ja auch keiner „Bert“ statt „Brett“, nur weil es in den meisten (allen?) germanischen Sprachen und im Proto-Germanischen sowas wie „bord“ (und dergleichen) hieß. Stell dir vor, ein Spanier korrigiert dich beim Sprechen und sagt dir lächelnd, dass „Brett“ falsch sei, „Bord“ oder „Bert“ (such dir was aus) müsse es heißen, so ist’s ja auch im Niederländischen, Dänischen, Englischen, Gotischen der Fall. Du konterst mit dem Duden und der Antwort: „Nee nee, bei uns sagt man ‚Brett‘, das hieß schon immer so und steht auch im [alten] Duden.“, worauf er den Kopf schüttelt und abwinkt mit der Behauptung, die Deutschen wissen nicht, wie man richtig spricht.
Würdest du ihm Recht geben und sagen: „Oh stimmt, das wusste ich nicht! Ich werde ab sofort immer Bord/Bert/Bort sagen, Brett ist natürlich falsch!“, oder eher „Pfff, was für eine absurde Begründung, wir sind doch keine Skandinavier und erst recht keine Engländer! Das Deutsche ist eben eine Sprache für sich.“?
Ich denke, gerade Letzteres ist die Situation, in der du dich befindest, nur umgekehrt. Oder nicht?
Grüße,