Irgendwer muss es den Kindern ja so beigebracht haben

Hallo,

ich arbeite an einer Grundschule und beobachte wie immer mehr Kinder sprachlich verwahrlosen. Da es mittlerweile kein Kind mehr gibt, das sich anders ausdrückt, zweifle ich langsam an mir selbst.

Die Silbe da- wird bei vielen Adverbien einfach weggelassen. Z. B.

  • Im Vergleich ist das nichts gegen.
  • Da habe ich nichts von.

Und wenn ein Kind in der Pause Süßigkeiten isst, fragen andere so und lassen „haben“ weg:
Kann ich auch eins?

Ist das noch richtig? Da sträubt sich in mir alles.

Viele Grüße,
Christoph

Das nennt sich „Umgangssprache“, die sich häufig durch Verkürzung der Hochsprache ausdrückt.

Ich kann mich noch an meine Kindheit erinnern - in der Schule und mit Freunden habe ich Dialekt geredet, mit meinen Eltern konnte ich aber auch korrektes Hochdeutsch sprechen (bzw. meine Eltern haben mich immer wieder mal korrigiert und gesagt: sprich bitte ordentlich) :sunglasses:.

Beatrix

Nein, das geht aber fei gar nicht!

Dito. Ich kämpfe dagegen an. Wenn mich ein Kind so fragt, frage ich zurück: „Was? Machen? Wegwerfen? …“ Und meistens kommt dann schon ein mehr oder weniger genervtes „haben“ oder „essen“ :wink:
Aber vielen (jungen) Eltern ist das egal. Die reden teilweise selbst so. „Ist doch eh klar, was gemeint ist“. Ja, der ersten Generation schon. Irgendwann geht es in den allgemeinen Sprachgebrauch über, und irgendwann steht die Regel im Lehrbuch… vielleicht eine ganz normale Entwicklung?
Wir reden heute auch nicht mehr so wie noch vor 50 Jahren, und ein Brief aus der Zeit liest sich irgendwie komisch. Manche Wörter kennt bzw. benutzt heute kein Mensch mehr.

Ich kenne allerdings eine Mutter aus eher „bildungsferner Schicht“, die Wert auf korrekte Sätze legt. Das macht doch Hoffnung :relieved: :wink:

Gruß,

Kannitverstan

Das ist normale Umgangssprache und ich gehe schwer davon aus, dass du in der Grundschule nicht viel anders gesprochen hast - dich allerdings wie die meisten Menschen nicht daran erinnern kannst.

Ich kann dir gar nicht sagen wie oft ich meine Kinder bitte noch das korrekte Verb an ihre Fragen anzuhängen :slight_smile: mit wenig Erfolg.

„fei“ eines der interessantesten Wörter überhaupt, was bedeutet es denn?

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„fei“ verstärkt die Aussage, verleiht ihr Nachdruck.
Im Schwäbischen kennt das jeder. „Du bisch jetz’ aber mol fei still“ ist energischer als derselbe Satz ohne „fei“.

Zum Thema: Die deutsche Sprache ist in sich unlogisch und hat sich stets im Alltag gewandelt. Die „Pälzer“ und Saarländer kennen sowieso keine Endungen von Verben („gestern han ich Schnecken 'gess“; ‚s Marie hat sich ‚s Knie uffg’schla‘ un wie am Spieß gekrisch‘" etc.) und selbst im TV sind solche Sätze gebräuchlich wie „Das macht doch kein Sinn“, was nach strenger Deutschprüfung gleich mehrfach falsches Deutsch ist.

Ich bin übrigens spanischer Abstammung. Dort findet man ähnliche Veränderungen der „Gebrauchssprache“.

Vermutlich so etwas wie „wirklich“. Hat eine die Aussage bekräftigende Bedeutung.

Der hört mir fei gar nicht zu!
Das ist fei der beste Film, den ich je gesehen habe.
Das haben wir fei schon immer so gemacht.

Wird wohl von den Bayern und Schwaben benutzt, gibts bei uns in Sachsen aber auch.

Hallo,

lustige Geschichte: wir sprachen neulich in Gegenwart meiner Eltern darüber, daß unsere Große ständig das Verb „haben“ wegläßt. Da warf meine Mutter ein, daß das bei mir und meinen Freunden damals (also als wir im Grundschulalter waren) genauso waren. Das scheint also kein spezifisches Problem der aktuellen Kindergeneration zu sein. Das fällt also wie das Sprechen und Kauen mit vollem bzw. offenem Mund idealerweise unter die Dinge, die sich bei vielen oder wenigstens den eigenen Kindern irgendwann auswachsen.

Gruß
C.

Später (also wenn die Kinder „groß“ sind) wirst Du merken, dass es doch erfolgreich war!

LG Beatrix

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Zu deiner Beruhigung: Der allgemeine Sprachverfall wird schon seit Jahrhunderten von den jeweils älteren beklagt - ähnlich wie wie der Sittenverfall…
„Kann ich auch eins?!“ war auch für mich als Kind gang und gäbe.
Beachte außerdem 2 Dinge:
Umgangssprache ist immer anders als Schriftsprache.
Sprache verändert sich ständig, das ist eine ihrer faszinierenden Seiten, gegen die man nciht ankämpfen sollte.

Sei deinen Kindern / Schüler ein gutes Vorbild, aber korrigiere sie nicht ständig. Damit fährst du am besten.

Wenn du deine Kinder / Schüler sensibilisieren willst, sammle mal mit ihnen, auf wie viele verschiedene Arten man die gleiche Sache sagen kann. Das kann auch ein unterhaltsames Spiel sein.

Zu deinem Beispiel:
Kann ich auch eins?
Darf ich auch eins?
Darf ich auch ein Bonbon haben?
Darf ich bitte eins?
Kann ich bitte ein Bonbon?
Gibst du mir eins?
Gib mit bitte ein Bonbon.
Bonbon her!
Würdest du die Güte haben, mir einen Bonbon abzutreten…
usw usw

Davon gehe ich aus :slight_smile: ich sehe an meiner großen Tochter, dass sich viele schlechte Angewohnheiten so nach und nach ausgewachsen haben und seit dem sehen wir auch die wunderlichen Anwandlungen unserer jüngeren Tochter mit mehr Gelassenheit.

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Hallo,
kleines Beispiel:
Meine Tochter besucht eine Förderschule und erarbeitet sich ganze Sätze sehr hart. Für ihre Mühe wird sie sehr gelobt.
Zu Hause verfällt sie aber gerne in eine saloppe Sprache, untermalt mit Gesten.
Grundsätzlich verstehe ich, was sie möchte.
Aber manchmal muss ich mich echt blöd stellen und erkläre : " Mit mir muss man in ganzen Sätzen und deutlich sprechen".
Und siehe an: Es geht auch schöner!
Natürlich muss ich Rücksicht darauf nehmen, dass es für sie anstrengender als für ein gesundes Kind ist und ihr Schultag lang ist.
Ich weiß nicht, inwiefern Grundschüler heute noch gerne Bücher lesen.
Meine ältere Tochter war eine richtige Leseratte und konnte sich auffällig gut ausdrücken.
Ich bin überzeugt, dass Lesen die Sprache positiv beeinflusst.
Aber wenn zu Hause kein Wert auf ganze Sätze legt, warum sollten Kids es tun, wenn sie dennoch verstanden werden? :thinking:
LG, Mao

bon = gut
Darf ich auch ein Gutsle haben?
gut fuer die Zaehne
.
Solange nur die Sprache leidet, gehts noch. Wenns spaeter mal ganz wichtig wird, uebernimmt Englisch, deutsche Forschungsartikel, Vorlesungssprache in Paris, Geschaeftsdeutsch Beak-Even, Ebit
.
Schlimmer sind die Logikfehler
unter Nachbarn
Koennen Sie mir bitte ein Stueck Butter leihen, die Geschaefte haben schon zu.
Leihen = dasselbe zurueckgeben, nicht ein anderes aehnliches
.
Staendig fehlen wird Rechnen, zB die "Prozent"reihe sollte man intus haben, 50, 33, 25, 20, 17, 14, 12, 11 (1/7 =14%) gerne auch eine Dezimalstelle genauer, oder wieviel bleibt wenn man 3x 50 Prozent abzieht = 12,5% jeweils vom Rst die Haelfte. Sowas fehlt jahrzehntelang und immer wieder mal.
Sprache laesst sich oft im naechsten Satz ausbuegeln, wenn man merkt, der andere hat mich nicht verstanden.
Gruss Helmut

Hallo,

ich habe nichts gegen Zweisprachigkeit bei Kindern (Dialekt + Hochsprache), aber was bitte ist am Dialekt „unordentlich“?

Grüße
Siboniwe

PS: Umgangssprache ist nicht Dialekt. Beides hat eine Daseinsberichtigung, aber es ist beileibe nicht das gleiche.

Hallo,

„Das macht Sinn“ ist korrektes Deutsch. Schon bei Lessing (Gotthold Ephraim) kann es nachgewiesen werden. Nur weil irgendwelche Leute, die nur bedingt Ahnung von Sprache habne, sich zu Sprachwächtern aufwerfen (damit meine ich nicht dich, sondern Leute, die damit Geld verdienen, indem sie Kolumnen und Bücher schreiben), werden solche Unwahrheiten überall verbreitet.

Solltest du dich auf die fehlende Akkusativendung von „keinen“ bezogen haben, dann hast du recht. Aber mehrfach falsch ist es nicht.

Grüße
Sibonwie

So wie „ich persoenlich“

Hallo,

schlimmer finde ich Besserwisser, die von der Sprache Logik einfordern (außer im Scherz), aber Sprache ist kein logisches Konstrukt und Wörter können mehrfache Bedeutungen haben. Kein Mensch erwartet, dass er dasselbe (sic!) Stück Butter zurückbekommen wird, wie sehr sich das zurückgebrachte Stück Butter dem „geliehenen“ gleichen wird, ist unterschiedlich. Dennoch ist die Formulierung: „Können Sie mir ein Stück Butter geben, ich werde Ihnen bei Gelegenheit ein vergleichbares Stück zurückbringen.“ doch ziemlich korinthenkackerisch, oder?

Grüße
Siboniwe

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Dagegen ist sprachlich und rechtlich nichts einzuwenden. Leihe ist die unentgeltliche, bestimmungsgemäße Nutzung und Rückgabe des gleichen oder - bei Unmöglichkeit - gleichartigen Gegenstandes.

Moin,

Da habe ich nichts von.

das ist spätestens ab Hannover gebräuchlich, also dem Dialekt geschuldet. „Da nich für“ hört man durchaus von (Theater-)Schauspielern, die das Sprechen noch gelernt haben. Und „Kann ich auch eins“ sagt man zB in Südostwestfalen.

Gruß
Ralf