@Viktor:Fühlst du dich ‚auf den Schlips getreten‘?
Hallo Viktor,
ich wollte dir nicht zunahe treten.
Aber es ist doch nun mal so, der Konflikt, um Gott oder Nicht-Gott läuft in erster Linie zwischen Intellektuellen und Nicht-Intellektuellen, manchmal auch zwischen Intellektuellen untereinander, aber eigentlich nie zwischen Nicht-Intellektuellen untereinander.
Es gibt doch den Witz aus der ehemaligen Sowjetunion, wo eine alte Kolchosebäurin zu Gott betet, er möge für eine gute Ernte sorgen. Der Parteifunktionär aus der Stadt sagt daraufhin zu ihr: „Wie oft soll ich dir noch erklären, es gibt keinen Gott.“ „Ich weiss“, sagt daraufin die alte Bäurin, „wenn es aber, was Gott verhüten möge, es doch einen Gott gibt?“
Die christliche Sekte der Amish-People, die überwiegend in Amerika beheimatet ist, lehnt Bildung über das achte Schujahr hinaus u.a. deshalb ab, weil ihrer Auffassung nach Bildung jeder Art, auch höhere Mathematik z.B., Menschen „hochmütig“ werden lasse. Wo ja auch was dran ist. Wessen Schuldbildung nur aus Lesen, Schreiben und einfachem Rechnen besteht und wer danach nur körperlich arbeitet und höchstens mal in der Bibel (oder, in anderen Kulturen: in der Tora oder im Koran) liest, der wird wohl nie auf die Idee kommen, an der Existenz Gottes bzw. an seinem jeweiligen heiligen Buch zu zweifeln.
Über Kants „Gottesbeweis“ sagte Heinrich Heine:
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Nach der Tragödie kommt die Farce. Immanuel Kant hat bis hier den unerbittlichen Philosophen traziert, er hat den Himmel gestürmt, er hat die ganze Besatzung über die Klinge springen lassen, der Oberherr der Welt schwimmt unbewiesen in seinem Blute, es gibt jetzt keine Allbarmherzigkeit mehr, keine Vatergüte, keine jenseitige Belohnung für diesseitige Enthaltsamkeit, die Unsterblichkeit der Seele liegt in ihren letzten Zügen - das röchelt, das stöhnt - und der alte Lampe (Kants Diener) steht dabei mit seinem Regenschirm unterm Arm, als betrübter Zuschauer, und Angstschweiß und Tränen rinnen ihm vom Gesicht. Da erbarmt sich Immanuel Kant und zeigt, daß er nicht bloß ein großer Philosoph, sondern auch ein guter Mensch ist, und er überlegt, und halb gutmütig und halb ironisch spricht er: „der alte Lampe muß einen Gott haben, sonst kann der arme Mensch nicht glücklich sein - der Mensch soll aber auf der Welt glücklich sein - das sagt die praktische vernunft - meinetwegen - so mag auch die praktische Vernunft die Existenz Gottes verbürgen“. In Folge dieses Arguments unterscheidet Kant zwischen der theoretischen Vernunft und der praktischen Vernunft, und mit dieser, wie mit einem Zauberstäbchen, belebte er wieder den Leichnam des Deismus, den die theoretische Vernunft getötet.
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http://www.gegenstandpunkt.com/mszarx/phil/kant/gott…
D.h. Kants alter, langjähriger Diener Lampe repräsentiert hier die „einfachen, nicht-intellektuellen Menschen“, die ohne den Glauben an Gott nicht leben können.
Zur Gretchenfrage steht bei Wikipedia:
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Goethe stellt an dieser Stelle mit Gretchen und Faust zwei Entwürfe einander gegenüber: Zum einen das Mädchen aus einfachen traditionsbestimmten Verhältnissen, das den Glauben an Gott und kirchliche Religiosität als Zentrum auch des eigenen Selbstverständnisses übernommen hat; zum anderen der gelehrte Heinrich Faust, der im Sinne neuzeitlicher Subjektivität auch die überlieferte Religion in Frage stellt, und argumentiert, er könne die gleichen Gefühle für das Gute, Schöne und Anständige haben wie Gretchen. Diese Werte müssten aber nicht unbedingt von der Kanzel gepredigt werden, um beherzigt zu werden.
(…)_
http://de.wikipedia.org/wiki/Gretchenfrage
Hier ist es, wie gesagt, das Gretchen, welches die „einfachen, nicht-intellektuellen Menschen“ verkörpert.
Das heisst nicht, dass es nicht auch Intellektuelle gibt, die gläubig sind, der hochgebildete Joseph Ratzinger, besser bekannt als der gegenwärtige Papst Benedikt XVI., gilt ja durchaus als ein besonders „intellektueller Papst“, mehr noch als sein Vorgänger Johannes Paul II. Auch andere Intellektuelle wie Heiner Geissler oder Eugen Drewermann sind ja bekanntlich gottgläubig - wenn auch nicht unbedingt immer kirchengläubig.
Meine Frage aber war, ob es dennoch nicht so ist, dass explizit atheistische oder agnostische Weltanschauungen wenn, dann eher Intellektuelle haben und Nicht-Intellektuelle weniger.
Ich sage nicht unbedingt, dass es so ist, ich frage, ob mein Eindruck richtig ist. Ich lasse mich ja gerne eines Besseren belehren.
Jasper.
Gruß Jasper.