Was ich gerne wissen, würde, wieso haltet Ihr kleinere Becken
für Tierquälerei in den meisten Fällen?
Wegen der schwankenden Wasserqualität, was ich schon
nachvollziehen konnte?
Das schon mal auf jeden Fall. Habe ich auch weiter oben geschrieben. In kleinen Aquarien hast du immer Ammoniak/Nitrit/Nitrat und einen schwankenden pH-Wert. Jede Fütterung und jeder Wasserwechsel ist wegen der kleinen Wassermenge ein krasser Eingriff in das chemische (Nicht-)Gleichgewicht des Beckens. In einem großen Aquarium mit moderatem Fischbesatz ist z.B. Nitrit/Nitrat mit einem Streifentest nie nachweisbar.
Dann könnte man ja ein wenig mit
häufigeren Wasserwechseln entgegensteuern (?).
Sicher, in gewisser Weise könnte man es machen. Aber die chemischen/ biologischen Schwankungen sind einfach eminent groß, weil jeder Eingriff die Chemie und Biologie komplett über den Haufen schmeist. Jede Fütterung ist bei einer kleinen Wassermenge eine Überdüngung, jeder Wasserwechsel kann das Säure-Base-Gleichgewicht einfach mal so um das 10 - 100fache (logarithmisch zum pH) ändern oder die Temperatur um mehrere Grad heben oder senken. Selbst das Einschalten des Lichtes kann in einem kleinen, stark bepflanzten Aquarium mit wiechem Wasser sämtliche Werte kippen. Die Pflanzen fangen mit der Photosynthese an und verbrauchen sofort das über Nacht angesammelte CO2, damit fällt der CaCO3-Puffer aus, das Säure-Base-Gleichgewicht läuft aus dem Ruder, aus Ammonium wird Ammoniak, die Fische hängen oben und japsen nach Luft… Je kleiner ein System ist, desto instabiler ist es, es ist einfach keine Pufferwirkung da. Und große Änderungen ihrer Umweltbedingungen mögen Lebewesen nun mal prinzipiell nicht sonderlich. Das kann man auch nicht verhindern.
Zum Glück sind die meisten Aquarienfische ziemlich gut abgehärtet, um das zumindest eine Weile zu überleben. Einige schaffen es sogar, sich unter diesen suboptimalen Bedingungen fortzupflanzen. Die meisten jedoch nicht.
Wegen der zu großen Nähe verschiedener Arten zueinander, die
zu Stress führt?
Das kommt drauf an. Wenn, dann eher wegen der Nähe der Individuen einer Art. Andere Arten verursachen meist weniger Stress, weil die Tiere verschiedener Arten ihr Verhalten gegenseitig weniger gut deuten können und sich dementsprechend auch weniger dafür interessieren. Mit ihresgleichen können sie mehr anfangen, Interaktion ist möglich und kann gegebenenfalls zu Stress führen. Bei revierbildenden Fischen ist das gut zu beobachten, aber da kann man in einem 50 Liter - Becken ohnehin nur ein Pärchen halten. Auf jeden Fall ist es wirklich so, dass Fische in einem großen Aquarium viel entspannter miteinander umgehen. Ich habe das selbst bei Orangesaumbuntbarschen beobachtet. In einem 160 Liter - Becken gab es da permanente Rangkämpfe und Raufereien (dafür sind sie ja verschrieen), kleine Fischlies, wie Neons wurden todsicher getötet. In einem 800 Liter - Becken leben sie absolut friedlich miteinander und bilden sogar einen kleinen Schwarm. Sie schließen persönliche Freundschaften mit Diskusbuntbarschen und lassen selbst Neonsalmler unbehelligt.
Bei Schwarmfischen dürfte es natürlich etwas anders sein, obwohl auch friedliche Salmler in zu kleiner Zahl (3 - 5 Exemplare) und zu kleinen Becken untereinander aggressiv werden können. Auch das habe ich schon bei Neons beobachtet. In einem großen Aquarium mit 20 - 25 Tieren passiert das nie.
Oder weil es so erscheinen mag, dass die Fische sich
eingesperrt fühlen? Aus dem selben Grunde, warum man auch Zoos
manchmal kaum ertragen kann?
Nicht dass sie sich „eingesperrt fühlen“, das ist dann wohl doch zu sehr vermenschlicht. Aber die natürlichen Bedürfnisse, in diesem Fall das Bewegungsbedürfnis, können in keinster Weise ausgelebt werden. Das führt nicht nur zu Stress, sondern auch zu körperlichen Problemen. Neons in einem 50 Liter-Becken zu halten, ist sicher wie Wohnungshaltung für einen Husky oder Bordercollie. Sie sind von natur aus darauf geeicht, größere Strecken in relativ starker Strömung zu schwimmen. Das können sie im Aquarium nicht tun, schon gar nicht auf 30 x 60 cm.
Ich will ja nicht sagen, dass man mit seinem Aquarium natürliche Verhältnisse schaffen soll, das geht ja gar nicht. Selbst ein 1000 Liter - Becken ist ausgegossen nur eine Pfütze, in der im Freiland kein Fisch leben könnte (außer Killies ^^). Aber man kann experimentell herausfinden, ob die Lebensumstände für das Wohlbefinden eines Fisches ausreichend sind. Dass ist dann der Fall, wenn er ein halbwegs natürliches Alter erreicht, nicht zu viele Anzeichen von Stress zeigt und sich auch mal fortpflanzt. Alles das ist nach meiner Beobachtung z.B. für südamerikanische Salmler in einem 50 Liter-Becken nicht gegeben. Bei anderen Fischen mag das anders sein. Man muss da differenzieren. Aber die meisten Fische zeigen in kleinen Aquarien Anzeichen von Stress und werden, gemessen an ihren Möglichkeiten, nicht sehr alt. Man erkennt das allerdings oft nur im Vergleich, wenn man die Fische mal in einer anderen Umgebung beobachtet hat. Wie gesagt - Neons werden in einem 800 Liter Becken durchaus 15 Jahre alt und jagen sich außerhalb der Paarung z.B. eben absolut nicht herum, nur in zu kleinen Becken tun sie das = Stress.
Das würde ich gerne wissen, um sachliche Informationen nicht
zu vernachlässigen und um diese von möglichen subjektiven
Einschätzungen zu trennen, deren Fundiertheit dann erst
überprüft gehört.
Alles gehört überprüft, nur muss man auch die Möglichkeiten dazu haben und einige biologische Kenntnisse. Z.B. würde ich bei Guppies die erfolgreiche Reproduktion nicht unbedingt als Zeichen für gute Hälterungsbedingungen ansehen. Die Embryonalentwicklung von Guppies läuft ja wie bei allen Lebendgebährenden im Mutterleib weitgehend abgekoppelt von den äußeren Bedingungen (Wasserwerte) ab, so dass diese sich selbst dann noch reproduzieren können, wenn die Eier laichender Fische totsicher zu Grunde gehen würden. All das muss man mit einbeziehen. Und natürlich Vergleichswerte zum natürlichen Lebensraum oder zumindest zur Haltung der Fische in viel größeren Becken haben. Da würde selbst so mancher Experte staunen, wenn der bösartige Raubfisch plötzlich ein Friedfisch wird…