Hallo Sybille!
Friedhelm schreibt:
Danke erst mal für die Reflexion oder Meditation über Dein
Verhalten. Aber niemand hat Dich gezwungen.
Sibylle schrieb:
*?* Darüber brauchte ich nicht großartig zu reflektieren oder zu
meditieren - warum ich mich verhalte, wie ich es tue, ist keine
Erkenntnis, die erst durch Dein Posting ausgelöst worden
wäre…
…und wieso gezwungen? Musst Du dazu gezwungen werden, über
Dich selber nachzudenken?
Friedhelm schreibt:
Tatsächlich werde ich oft gezwungen, über mich nachzudenken, mich auf mich selbst zu besinnen. Grundsätzlich geschieht dies immer, wenn ich einer offensichtlich falschen Wahrnehmung und einer falschen Erkenntnis aufsitze, z.B. einem Denkfehler, einem Traum, einer Halluzination, dann ist nämlich nicht das Wahrgenommene falsch, sondern ich liege falsch, wenn ich das fälschlich als richtig Erkannte für wirklich halte. Dann erst komme „ich“ ganz bewusst ins Spiel durch Selbstbesinnung.
Manche Barbaren versuchen bei anderen Menschen solche Selbstbesinnung durch Prügel und Strafe zu erreichen.
Sibylle schrieb:
*häh?*
unterliegen dagegen z.B. der Schwerkraft, wir bestehen aus ein
paar Kilo Chemikalien und ein paar Eimer Wasser, und dies
alles reagiert und verhält sich nach ganz normalen allgemeinen
physikalischen und chemischen Gesetzen, und nicht nach Deinem
Willen, verhält sich also heteronom.
Sibylle schrieb:
Aber mein Körper - also dieser Haufen chemikalischer
Verbindungen - ist doch nichts Fremdes, das mich bestimmt,
sondern ein, nicht unwesentlicher, Teil von mir…
Friedhelm schreibt:
Nun ja, heteronom d.h. fremdbestimmt reagiert Calcium, Magnesium, Eisen und H2O (d.h. alles Materielle) in Deinem Körper eben nicht nach Deinem autonomen Willen sondern wie es überall in der Natur – auf der Erde nicht anders als auch auf dem Mars - ebenfalls reagiert. Immanent bedeutet immer noch, dass es nicht nach Deinem Willen, sondern heteronom nach anderen Gesetzen funktioniert.
Friedhelm schreibt:
Gott nimmt Dich an die Hand und zeigt Dir den rechten Weg für
ein richtiges Verständnis.
Sibylle schrieb:
Ich laß mich aber nicht von einem imaginären Etwas an die Hand
nehmen - und es scheint ja auch nicht nur ein „richtiges
Verständnis“ zu geben.
Es gibt soviele unterschiedliche Verhaltenskodizes, die sich
alle auf Bibel und Gott berufen - ich kann nicht entscheiden,
wer von denen richtig liegt oder ob überhaupt einer, also halt
ich mich aus der Entscheidung raus und lebe nach der Prämisse:
„Denke selbst, Narr!“. Meine einzige Bedingung an alle ist es,
daß sie nicht versuchen, ihre Moral-Vorstellungen mir
aufzuzwingen.
Friedhelm schreibt:
Die Freiheit, selbst zu denken, solltest Du Dir auch nicht nehmen lassen!
OK, aber mir ging es ja darum: wie ist es möglich, (oder ist
es überhaupt möglich), daß der Mensch, der physisch nur aus
heteronom gesteuerten Mineralien besteht, selbst nach eigenem
Willen, also autonom und verantwortlich so oder so, richtig
oder falsch, gut oder böse handeln kann.
Sibylle schrieb:
Ich scheine es überhaupt nicht geschafft zu haben, Dir zu
erklären, was ich meine… ich versuch’s nochmal:
Wir bestehen zunächst einmal aus Materie. Die gehorcht den
physikalischen Spielregeln - das ist keine Fremdbestimmung, das
ist der Materie immanent, die Materie ist so.
Gut und Böse haben hier nichts zu suchen.
Wir sind Lebewesen. Als solche haben wir einen Satz
grundlegender Verhaltensweisen, die uns unabhängig von Kultur
das Überleben ermöglicht. Hunger ist ein Ausdruck einer ganz
grundlegenden Verhaltensweise, nämlich dem Körper Nahrung
zuzuführen, aber zum Beispiel auch unsere Neigung, uns unserem
Rudel anzupassen, damit wir nicht ausgeschlossen werden.
Und wieder ist es keine Fremdbestimung sondern den Lebewesen
immanent - wir sind so.
Gut und Böse spielen hier immernoch nicht mit.
Jetzt kommt erst unser Willen. Man kann ihn nicht isoliert
betrachten. Wir können nur innerhalb der durch Materie und
angeborenen Verhaltensweisen vorgegebenen Schranken ‚wollen‘.
Wir können z.B. nicht schweben wollen (wünschen können wir’s uns
schon). Das wir gegen unsere Instinkte Handeln können, ist
Folge/Zeichen unserer hohen Entwicklungsstufe - aber das ist
nicht so leicht, wie sich das anhört. Um gegen einen Instinkt
handeln zu können, müssen wir erstmal erkennen, daß da ein
Instinkt die Ursache für bestimmte Verhaltensweisen ist. Haben
wir erkannt, daß ein Instinkt unser Handeln steuert, können wir
etwas anderes wollen. Ob wir in unserem jeweiligen Wollen dem
Instinkt folgen, oder gegen ihn handeln wollen, hat aber
immer noch nichts mit Gut und Böse zu tun.
Da die Instinkte unsere Überlebensmechanismen sind, hat es
außerdem unangenehme Folgen, wenn man zu viele oder die falschen
Instinkte zu sehr unterdrückt (zu lange nicht-essen-wollen).
Hier „endet“ nun die „Natur des Menschen“. Das bisher
Geschriebene trifft auf alle Menschen der Welt zu, unabhängig,
wann und wo sie leb(t)en.
Aber jetzt kommen wir endlich zu Gut und Böse.
Daß wir die Fähigkeit haben, gegen den Instinkt zu handeln, hat
nicht nur Vorteile (rein biologisch: höhere Anpassungsfähigkeit
an unterschiedliche Umeltbedingungen), sondern auch Nachteile
(wenn der Instinkt nicht mehr die Unterordnung unter das
Alphatier oder den Zusammenhalt regelt - was dann?). Die
Menschen haben Kulturen entwickelt. Regelwerke, die beschreiben,
welche Verhaltensweisen das Überleben der jeweiligen Gruppe
Menschen ermöglichen. Sich an die Regeln zu halten ist „gut“,
sich gegen die Regeln zu verhalten ist „böse“.
Diese Regelwerke sind natürlich je nach Umwelt unterschiedlich -
in einer Ecke der Welt ist es sinnvoller einen bestimmten
Instinkt zu unterdrücken, in der anderen ist es sinnvoller, nach
diesem Instinkt zu handeln (Beispiel: Säuglingstötung durch
Mütter. Ist die Umwelt so beschaffen, daß Hungerzeiten nur
kurzfristig anhalten, ist es für das Überleben der Art günstig,
wenn Mütter den Säugling behalten und in Kauf nehmen, selbst
stark an Gewicht zu verlieren. Ist die Umwelt aber so, daß
Hungerzeiten in der Regel länger anhalten, ist es günstiger, den
Säugling zu töten und der Mutter so ein Überleben zu ermöglichen
und dann ein neues Kind zu bekommen.)
Welche Kombination von mit-dem-Instinkt und gegen-den-Instinkt
als „gut“ bezeichnet wird, ist von Kultur zu Kultur
unterschiedlich und da bin ich nun wieder angekommen, bei Deiner
Frage.
Gut und Böse sind nur auf Handlungen innerhalb des Kontextes
der jeweiligen Kultur sinnvoll anwendbar. Die „Natur des
Menschen“ ist aber genau der Teil, der außerhalb der Kultur
besteht (obwohl die Kulturen aus ihm erwachsen sind). Darum ist
es unsinnig / nicht sinnvoll / nicht möglich die Natur des
Menschen mit gut oder böse zu bewerten.
Ist es das Physische,
der Leib, das ihn zum Bösen tendieren läßt?
Wenn eine Kultur erfordert, daß zu viele oder die falschen
Instinkte unterdrückt werden, daß ist die Wahrscheinlichkeit,
daß viele Menschen den entsprechenden Regeln zuwiderzuhandeln
und somit innerhalb dieser Kultur „böse“ sind, höher. Z.B. sind
die Instinkte, die direkt das Überleben des Körpers steuern, die
stärksten - erfordert eine Kultur also ständig zu hungern,
werden mehr Menschen „böse“ handeln und doch essen. Insofern
kann „der Leib einen Menschen zum Bösen tendieren“ lassen -
jedoch ist da nicht der Leib böse…
Friedhelm schreibt:
Hallo, liebe Sibylle, ist ja schrecklich! Ich verstehe jetzt, worauf Du hinaus willst. Aber solcher Utilitarismus lässt mir die Haare zu Berge stehen; ein solches logisches Zweckdenken hat ein Gefälle in die schlimmste Barbarei, - ins Böse.
Beispiel: Sicher kennst Du den amerikanischen Film, wo die Menschen nach dem Tod nicht mehr beerdigt oder verbrannt, sondern direkt wieder zur Nahrung verarbeitet und zur Ernährung der Lebenden benutzt werden. Und in Notzeiten suchte man lebende Freiwillige, die man mit einem schönen Tod ködert. O-weh!
Im Gegensatz zu Dir würde ich diese utilitaristische Sichtweise und Entwicklung z.B. als böse bezeichnen.
Ein anderes Beispiel, das ich selbst erlebte: Ein „grüner“ Entwicklungshelfer erklärte mir in Afrika, dass es nicht sinnvoll wäre, ein etwas entlegenes Dorf mittels einer einfachen Wasserleitung mit Wasser zu versorgen, weil „die sich sonst sofort wie Kaninchen vermehren, und dann immer mehr Wasser wollen“.
Nach Deinem Welt- und Menschenverständnis könnte man dann auch den Kannibalismus wieder erlauben???
Ich selbst habe noch den Nationalsozialismus erlebt: Die bessere Rasse muß/darf die schlechtere Rasse auslöschen, töten, ebenso Geisteskranke, Schwule, Kriminelle, Andersdenkende.
Aber nun mal ernst, ich will Dir solche barbarischen Gedanken und Ziele auch nicht ernsthaft unterstellen.
Rein logisch und gesetzmäßig, so wie auch alles Materielle nach der von Dir sog. immanenten Gesetzmäßigkeit funktioniert die Materie. Und wenn man den Menschen und die menschliche Gemeinschaft derart, nämlich rein logisch nur als Materie sieht, dann gilt in der Tat „homo homini lupus“,
Aber was ist der Geist, das Denken? Was ist das Gewissen des Menschen, dass doch Macht hat über den materiellen Körper, einen freien Willen? Wieso und wie kann Materie dem Geist und Willen des Menschen gehorchen, wenn Du z.B. einfach den Arm hebst, - ohne damit gegen die Naturgesetze zu verstoßen? (Die war meine ursprüngliche Frage!!!) wie ist das überhaupt möglich?
Natürlich kann man ebenfalls Menschen auch rein logisch als Menschenmaterial wie Materie sehen und behandeln und berechnen. Man kann auch Menschen durch Terror und Erpressung zwingen, sich so oder so zu verhalten und dies mit Gottes Willen begründen, was Du völlig zurecht kritisierst und ablehnst. Dies ist eben nicht menschlich und von Gott gewollt, und mag es noch so logisch sein.
Über solchem Denken sollte stets die echte Frage nach Gott, der jeden Einzelnen liebt – oder doch zumindest das Gewissen stehen.
Ich wollte nur zeigen, das die Natur rein logisch – als Fressen und Gefressenwerden – eben nicht menschlich und nicht christlich ist, „liebe Deinen Mitmenschen wie Dich selbst!“ heißt es in der Bibel, und sich auch nach den (leider erst nur theoretisch) weltweit geltenden Menschenrechten verbietet, was Du sicher befürwortest.
Ganz herzlich
Friedhelm