Ist diese Traumatherapieform gut? (Vorgespräch Therapeutin)

Hi,

ich hatte heute mein 1. Vorgespräch bei einer Therapeutin.

Es verlief vielversprechend, auch wenn es bis 9 Monate dauern kann, bis es losgeht… -_-

Weil bei mir so viele Baustellen sind, soll ich nächste Woche nochmal wiederkommen…

Sie macht eine Therapie, bei der ich das traumatische Erlebnis aufschreiben soll, dann vorlesen soll und dann sehen wir weiter…

Mir macht das voll Angst.

Sie meinte, es gibt ja noch EMDR…die Methode bietet sie aber nicht an…

Ich weiß nicht was ich machen soll… es muss aber endlich alles raus…

Sie meinte auch, dass erst die Traumata bearbeitet werden müssen und dann geht es weiter…

Hatte jemand hier schon Erfahrungen mit dieser Therapieform?

Vielen Dank!

Lg norma

Was ist deine Therapieform?
Ein Link oder wenigstens ein Begriff dafür wäre hilfreich, denn aus dem Geschilderten geht das -zumindest für mich- nicht hervor.

Gruß
F.

Gute Frage :joy: ich glaube Verhaltenstherapie. Das frag ich sie nochmal beim nächsten Termin.

Das war heute so viel, da hab ich es wieder vergessen… -_-

Lg norma

DAS ist jedenfalls soweit keine Verhaltenstherapie.

Hi Norma!

Bei so vielen Baustellen ist es nicht ungewöhnlich, dass die Anamnese länger als eine Therapiesitzung dauert, also soweit alles normal.

Bei Traumatherapien muss heutzutage nicht mehr das Trauma minutiös aufgeschrieben und buchstäblich wiedererlebt werden, denn das kann unter Umständen zur Retraumatisierung führen.

Andererseits: Wenn du alles loswerden willst und dir zutraust, das durchzustehen, dann kann das für dich die richtige Vorgehensweise sein.

EMDR ist eine Methode, bei der die beiden Gehirnhälften in die Therapie mit einbezogen werden und die helfen soll, dass man die traumatischen Erlebnisse in sein Dasein integrieren kann. Du findest hier einen hilfreichen Link dazu.

Dass du ohne Bearbeitung deiner Traumata nicht weiterkommst ist nachvollziehbar, die Frage ist eben nur, wie weit müssen sie alle nochmal auf den Tisch - aber das entscheidest letztlich du selbst.

Meiner Meinung nach ist mit einem guten Therapeuten wie mit einem guten Lehrer: Nicht die Methode zählt, sondern die Therapeuten-Persönlichkeit. Wenn die Chemie stimmt ist schon ganz viel gewonnen.

Du weißt, dass ich dir ganz viel Glück und Erfolg wünsche?!!!

Gruß, Diva

Richtig, sie meinte auch, dass wir zuerst an die Traumata ranmüssen und dann (ich glaube verhaltenstherapeutisch) weiter arbeiten können. :wink:

Sie hat gesagt, vieles würde dann schon mal wegfallen an Stress und die Depressionen werden weniger und ich habe viel mehr Energie für das Leben, den Alltag. Weil ich nicht mehr mit den Intrusionen, Flashbacks, Körperempfindungen, Anspannungszuständen zu tun habe…

Wenn es so klappt, wäre ich der glücklichste Mensch der Welt. :wink: (das sage ich selbst)

Lg nj

Jap dankeschön. :wink::wink::wink:

Da fällt mir noch etwas ein. Ich habe sie gefragt, ob es durch das Erzählen “schlimmer“ werden kann. (Retraumatisierung)

Die Therapeutin meinte, dass ich das schlimmste ja sozusagen überstanden habe und lebe und dass es nicht schlimmer werden kann…

Aber ich habe echt Bedenken wegen einer möglichen Retraumatisierung… hmmm

Durch die Trennung ist einiges ausgetauscht und ich wurde dann retraumatisiert und hatte wieder stärkere Probleme…

EMDR hört sich auch gut an.

Lg norma

Bei allem Vorbehalt, dass man so etwas normalerweise nicht macht aus der Ferne. Ich möchte dir von dieser Methode dringend abraten!

Deine Bedenken wegen einer möglichen Retraumatisierung treffen den Kern des Problems. Ich halte es für unverantwortlich von einer ambulanten (!) Therapeutin, derartiges vorzuschlagen! Der Hinweis, das alles ja vorbei sei, ist in diesem Zusammenhang schon gefährlicher Zynismus. Eines deiner Probleme ist ja, dass du in Phasen kommst, wo du das nicht oder nur sehr schwer auseinanderhalten kannst, was Vergangenheit und jetzt ist, weil die Vergangenheit so massiv hochspült. Das ist typische Traumafolge und nicht, um dem vorzubeugen, etwa ein Versagen deinerseits. Es ist Aufgabe einer Therapie, daran zu arbeiten. Es ist wahrlich nicht sinnvoll, eine Fähigkeit jetzt vorauszusetzen, die du gar nicht mal hast im Augenblick! Im Übrigen ist bei dir gar nicht alles vorbei, du steckst, das ist Teil des Problems, noch mittendrin! Wenn die Therapeutin das nicht mitbekommen hat, kann das daran liegen, dass nicht ausreichend Anamnese gemacht wurde. Nur dann ist das erst recht ein Grund, nicht vorschnell Standard x Lösungen rauszuhauen.

Diese Methode ist bizarr! Sie kann eventuell funktionieren bei einem Monotrauma wie einem Autounfall. Wobei auch das unter Umständen so schwer ist, dass der Betreffende das in einer bestimmten Phase nicht kann und retraumatisiert wird.

Vor dem Hintergrund, dass jede Retraumatisierung eine Traumatisierung ist und weiter, tiefer schädigt! Wie will denn die Therapeuten verhindern, dass du retraumatisiert wirst, und wie will sie den Folgen begegnen? Du hast dauerhaft mit schweren Depressionen zu tun und ein Kind zu versorgen!

Auch EMDR löst übrigens so per se dein Problem nicht! Das ist keine Zaubertechnik. Die Methode ist gut bei Monotraumata. Sie ist weniger bis gar nicht geeignet bei sequenzieller Traumatisierung, wiederholten Traumata. Wenn überhaupt, dann ist das nur eine Technik, die eingebettet sein muss in ein Gesamtkonzept einer Therapie, in deren Rahmen EMDR dann nur ein kleiner Baustein ist.

Das Problem ist das bereits beschriebene: Auch durch EMDR wird das Trauma aktualisiert. Wenn nicht vernünftige, sehr konkrete Maßnahmen eingebaut werden, dass die Patientin das nicht mit nach Hause nimmt und mit den Folgen akut alleine ist, dann kann das sehr gefährlich werden. Ein Skill-Köfferchen zu packen ist da ein wichtiger Baustein. Bei deiner Biographie reicht das aber nicht.

Du bist für derlei Maßnahme überhaupt nicht stabil genug. Ich würde an deiner Stelle darauf achten, dass erste Handlungsschritte mit einem Therapeuten sind, dass du erst einmal dich und dein Umfeld stabilisierst. Wobei dazu auch gehört, über die Beziehung zu deinem Ex und deiner Mutter zu reden. Du hast noch Kontakt. Das muss bei jeder Therapie berücksichtigt werden! Der Kontakt kann möglicherweise schädlich sein, auf der anderen Seite bestehen gewisse Abhängigkeiten, die man vielleicht nicht ignorieren kann. Das ist nichts fürs Netz, das muss man sich sehr konkret anschauen.

Wichtig ist auch bevor man an irgendeine Form der Konfrontation geht, dass du ausreichend Stabilisierungstechniken kennst und ein Notfallnetz hast. Dazu gehört als alleinerziehende Mutter auch, dass für den Notfall jemand da ist, zu dem du deine Tochter bringen kannst. Hier sind im Notfall wohl weder die Mutter noch der Ex die richtige Person, weil von denen kritische Einflüsse ausgehen können, die du in so einer Situation nicht gebrauchen kannst.

Der dritte wichtige Bereich vor einer Konfrontation ist das Vertrauensverhältnis zum/r Therapeuten/in. So etwas kann und darf erst passieren, wenn ein Vertrauensverhältnis aufgebaut ist. Das passiert nicht von heut auf morgen. Das geht nicht in zwei, drei Gesprächen! Ihr müsst euch erst kennenlernen. Finger weg von einem Therapeuten, der das ignoriert und gleich loslegen will. - Ohne zu wissen, ob das für diese Therapeutin gilt. Das ist eine allgemeine Aussage.

Die Aussage, dass ihr erst einmal an die Traumata ranmüsst, ist jedenfalls definitiv falsch! Sie widerspricht elementar den Grundregeln von Traumatherapie! Hier die (Patientenversion) der Leitlinien für die Posttraumatische Belastungsstörung. Sie ist Orientierungsrahmen oder sollte es sein, unabhängig davon mit welcher Methode und mit welchen Techniken gearbeitet wird. Lies dir das mal durch, es ist anspruchsvoll, aber ich glaube, dass du das meiste verstehen wirst.
Leitlinie PTBS Patientenversion

Ich finde sehr gut, dass du auf dich achtest! Dein Gefühl, dass du auf dich aufpassen musst und dass eine Therapie auch schädigen kann, wenn sie nicht richtig läuft, ist richtig und gut. Du solltest so etwas unbedingt ansprechen und nicht für dich behalten. Der Therapeut muss darauf reagieren. Sollte er solche Befürchtungen wegwischen, bagatellisieren, ggf. sogar sich darüber lustig machen, auch das gibt es, Finger weg.

Der Beitrag hier enthält mehrere energische Positionen, mit denen man eigentlich aus der Distanz vorsichtig sein muss. Allerdings geht es hier wirklich um sehr ernste Gefahren und leider ist es so, dass es viele Traumatherapeuten gibt, welche die selbst gegebene Bezeichnung entweder gar nicht verdienen oder nicht die Kompetenz haben, an schwere Traumafolgen ranzugehen. Die Selbsteinsicht, dass das so ist, haben viele leider nicht.

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Noch ein wichtiger Nachtrag:

Wie sieht es bei dir mit Suizidalität aus? War / ist das ein Problem und wenn ja, wie häufig ist es?

Du hast Wort für Wort mit deinem Artikel recht, aber glaubst denn, dass in Deutschland so eine Therapie kassenfinanziert angeboten wird?

Kann natürlich schon sein, aber so viel Pech, an eine komplett irre gewordene Therapeutin zu geraten, hat das ausgerechnet Norma?

Ich könnte mir vorstellen, dass Norma eben durchaus korrekt Teilelemente/Teilsätze aus dem Erstgespräch hier wiedergibt, die diese Therapie aber in dieser selektiven Darstellung in einem schrägen Licht erscheinen lassen. Vielleicht hofft sie insgeheim ja sogar, dass wir ihr hier „dringend abraten“. Aber das ist schon reine Spekulation von mir, die nicht sinnvoll ist.

Sehr schwierig. Ich halte mich hier tendentiell raus. Abraten möchte ich jedenfalls von nichts, kann aber gut nachvollziehen, dass du das getan hast.

Gruß
F.

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Selbstverständlich und das nicht nur in Deutschland. Traumatherapie ist nichts Geschütztes. Um „Traumatherapie“ durchzuführen, brauche ich nicht einmal approbierter Psychotherapeut zu sein! Natürlich ist das dein keine kassenfinanzierte Leistung. Was glaubst du aber, wie viele Patienten vor lauter Verzweiflung, keinen Therapieplatz zu bekommen, selbst für so eine Therapie bei jemandem kräftig hinblättern, der eigentlich nicht qualifiziert ist.

Selbst wenn man einen approbierten Psychotherapeuten hat, sind viele davon überzeugt, auch Psychotherapie für Traumapatienten anbieten zu können. Ist ja schließlich nichts besondereres, wie eine Depression ja auch zum Repertoire gehört.

Was die Methoden und Techniken angeht, bin ich auf genügend Tagungen und Symposien gewesen, übrigens auch immer wieder mit Beteiligung österreichischer und schweizer Therapeuten. Da ist man zum Teil ja sogar stolz darauf, „eigene Techniken“ entwickelt zu haben. So etwas wird auch genauso stolz im Internet publik gemacht.

Schriftliche Konfrontation gehört als Technik u.a. zur kognitiven Therapie und ist damit auch Bestandteil der Kognitiven Verhaltenstherapie, damit bist du bei einem kassenfinanzierten Verfahren. Mehr überprüft keiner, was die Methodik angeht.

Was die „komplett irre Therapeutin“ angeht: Beschäftige dich mal mit der Diskussion Konfrontation vs. Stabilisierung und das speziell im ambulanten Bereich. Das Problem, dass es viele dieser „irren Therapeuten“ gibt, die ziemlich leichtfertig mit diesem Thema umgehen, ist eigentlich bekannt. Ich habe mehr als einmal erlebt, dass ein Plenum auf die Barrikaden gegangen ist, weil der Dozent locker erzählt hat, wie locker man damit umgeht. Notfalls kann man sich vom Patienten ja unterschreiben lassen, dass er sich nichts antut…

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Übrigens: Ich habe mehr inhaltlich abgeraten, als in persona. Es ist bis dahin durchaus plausibel, was Norma erzählt hat. Sollte es nicht stimmen bzw. sie bestimmte Dinge anders aufgefasst haben, was ja auch gut möglich ist, ändert das aber nichts daran, dass die Dinge, die sie beschrieben hat, sehr gefährlich wären.

Das ist also eine Warnung völlig unabhängig von einer konkreten Therapeutin. Nicht umsonst habe ich auf die Leitlinie verwiesen.

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Alles gut, ich danke euch.

Ich werde sehen, was das nächste Vorgespräch bringt.

Meine alte Therapeutin hatte sich nie ans Eingemachte gewagt, ebenso wenig die Ärzte / Therapeuten in der Tagesklinik…
Weil ich nie ausreichend stabil war / bin.

Ich wurde aber auch dort gefragt, was denn das Schlimmste in meinem Leben war usw…Ich konnte es nicht sagen und es wurde als nicht kooperativ gewertet.

Ich habe schon viel Mist erleben müssen.

Bin auch echt verzweifelt langsam. Ich würde mich gerne selbst behandeln… aber es geht ja nicht.

Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu warten.

Akute Suizidalität ist nicht vorhanden. Ein Glück nicht mehr. Gedanken gibt es, aber ich kann mich von diesen Distanzieren. Aber manchmal sind diese Anspannungen und Magenschmerzen kaum zu ertragen.

Ich habe aber schon das Bedürfen alles rauszulassen…endlich…auch wenn es mir Angst macht…

Sie verwies ja auch auf die Emdr-Methode und dass sie mir, andere Therapeuten empfehlen kann, da sie selbst dies nicht anbietet…

Aber vor einer Retraumatisierung habe ich echt Angst…

Ich spreche es das nächste Mal noch einmal an, um zu schauen wie sie reagiert…bzw. argumentiert.

Lg norma

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Das Fettmarkierte ist der springende Punkt, den nur Norma aufklären kann.

Bei einer kassenfinanzierte Therapie bei einem approbierten Therapeuten kann man in Deutschland aber sehr sicher sein, dass der die Grundlagen psychotherapeutischen Tuns halbwegs beherrscht.
Gott sei Dank ist das so, weil diese Grundvertrauen auch wichtig ist. Der Gang zum Therapeuten wäre sonst noch viel schwieriger.

Und hier, bei den Kritikpunkten, die du völlig richtig anführst, geht es eben nicht um irgendwelche spezifisch traumatherapeutischen Feinheiten, sondern um die Grundlagen von Psychotherapie.

Kein approbierter Psychotherapeut, selbst wenn er gar keine Ahnung von Traumabehandlungen hat (was auch schon verwunderlich wäre), würde ernsthaft das traumatische Geschehen wiederbeleben ohne Vertrauensverhältnis und ohne Stabilisierungsphase vorher, denn dann hätte er generell von Psychotherapie überhaupt keine Ahnung (mehr).

Es mag immer mal wieder einen Durchgeknallten (oder auch z.B. Erkrankte wie meinen Gruppenlehrtherapeuten, der an Parkinson erkrankt ist, das aber selbst aus Krankheitsgründen nicht mehr richtig einschätzen konnte) geben, der die basics nicht mehr drauf hat.
Der macht das dann vielleicht schon, und es kann dauern bis der aus dem Verkehr gezogen ist.
Das ist Pech, aber halt ein sehr seltenes Pech.

Ich möchte davor warnen, dieses Grundvertrauen in die Psychotherapie (eigentlich in den deutschen Staat und das Kassensystem, die die Rahmenbedingungen dafür schaffen) zu erschüttern. Potentielle Patienten haben es eh schon schwer genug, den Schritt in die Psychotherapie zu wagen und Hoffnung in Psychotherapie zu setzen.

Ja, richtig.
Wenn das einigermaßen korrekt angewandt wird, ist das aber auch okay.
Gerade die CBT ist „evidenzbasiert“ wie kein anderes Psychotherapieverfahren.

Darum kann ich mir ja eben vorstellen, dass Norma vielleicht solche Informationen im Erstgespräch (das jeden Patienten überfordert!) erhalten hat, aber vielleicht in ihrem Wunsch nach schneller Verbesserung ihrer Lage nicht so recht in die Zeitstruktur des Therapieplans eingeordnet hat.
Ich spekuliere, wohlgemerkt.

Ich bin ja selbst auf genug Kongressen und Seminaren und weiß, dass da oft Dinge zum Kopfschütteln erzählt werden. Ich hab aber nicht einen einzigen Kollegen in Verdacht, die grundlegendesten basics nicht drauf zu haben, also „irre“ zu sein.

Dieses „sich vom Patienten unterschreiben lassen“ schützt übrigens kein bisschen davor, bei einem Suizid belangt zu werden. Ein Psychotherapeut muss aus rechtlicher Sicht Suizidalität erkennen, ansprechen und u.U. etwas unternehmen. Das muss er unbedingt dokumentieren.
Ob der Patient irgendwas unterschreibt oder nicht, ist sowas von unerheblich. Dieses sich-unterschreiben-lassen kann dagegen einen therapeutischen Nutzen haben, und wird v.a. von den Verhaltenstherapeuten gern gemacht. Dass darüber lapidar und zynisch gesprochen wird, sicher, das wirds genauso geben wie leichtfertigen Umgang damit.

Gruß
F.

Das stimmt so leider überhaupt nicht. Einerseits gibt es zahlreiche, in Traumatherapie nicht qualifizierte Psychotherapeuten, denen die besondere Gefahr einer Retraumatisierung durch Konfrontation gar nicht bewusst ist. Ein Beispiel dafür ist der Biographieansatz von Analytikern und Tiefenspsychologen. Es gehört zur Anamnesephase, dass viele Psychotherapeuten, vom Patienten eine Biografie zu fordern, teilweise mit der Aufforderung, besonders belastende Ereignisse genauer zu schildern. Dieses Problem ist durchaus bekannt! Nicht umsonst wird zum Beispiel im Rahmen der Leitliniendiskussion immer wieder eindringlich davor gewarnt.

Auch bezüglich des Vertrauensverhältnisses besteht ein Bruch. Einerseits ist zwar Bestandteil der Ausbildung, auf ein Vertrauensverhältnis hinzuweisen, dass sich erst entwickeln muss. Aber es gibt so gut wie keine Hinweise darauf, wie das zu geschehen hat und welche Rolle der Psychotherapeut dabei spielt. Auf der anderen Seite ist in den Köpfen oder eher im Bauch vieler Psychotherapeuten die Erwartungshaltung, dass Vertrauen eine Bringschuld des Patienten ist. Dem entsprechen übrigens auch noch einige Berufsordnungen, in denen nicht die Verantwortung des Therapeuten in dem Zusammenhang erwähnt wird. Genauso, wie übrigens nicht vorgesehen ist, sich zu verhalten, was das Vertrauen des Psychotherapeuten in den Patienten angeht.

Es wird in Therapien also munter losgelegt, lange bevor es zu so einem Vertrauensverhältnis gekommen ist. Viele Therapeuten überprüfen nicht einmal, wie der Stand des Vertrauens ist, sondern gehen einfach davon aus als Selbstverständlichkeit und / oder mit der Annahme, dass der Patient sich schon meldet, wenn dem anders ist.

Noch einmal zurück zum Ausgangspunkt: Findet Konfrontation ohne vorherige Stabilisierung und ohne ausreichendes Notfall-Netz statt. Zwei wichtige Ansätze, dass dem nicht so ist: Wenn man die Diskussion Konfrontation vs. Stabilisierung liest, findet man genügend Beispiele, in denen Verfechter der frühen Konfrontation mit genau dem Pulverfass offen „spielen“, von dem du meinst, das gäbe es nicht. Lies die Fallberichte.
Zum Zweiten: Unterhalte dich mal mit Menschen, die in der Telefonseelsorge oder in Krisendiensten arbeiten. Das sind die Menschen, bei denen dekompensierte Patienten landen. Akutabteilungen von Psychiatrien wären auch ein Ansatzpunkt für die Recherche. Es sind keine superseltenen Einzelfälle. Sie werden nur nicht systematisch erfasst.

Das liegt unter anderem an einem Argument, das du hier auch ins Felde führst: Man darf nicht darüber reden, weil man damit das Vertrauen der Menschen in Psychotherapie gefährden könnte. Das ist ungefähr genauso naiv wie die 4-jährige, die sich auf den Spielplatz stellt, die Hände vor das Gesicht hält und „such mich“ ruft.

Die (potenziellen) Patienten wissen um die Gefahr oder ahnen sie. Lies einschlägige Foren! Wie glaubst du, fördert man nun das Vertrauen: In dem man das Problem tabuisiert, bagatellisiert, verleugnet und diejenigen brandmarkt, die darüber reden? Oder meinst du nicht, es wäre sinnvoller zu sagen: Wir wissen, dass dieses Problem besteht, es ist ernst zu nehmen und wir haben x, y und z getan, dem zu begegnen und arbeiten daran, das zu verbessern.

Das hat übrigens wirklich gar nichts damit zu tun, eine Methode wie die CBT anzugreifen! Auch das ist eine - entschuldige - blöde Reflexreaktion, die man oft liest, wenn es um die seltenen Diskussion über dieses Problem geht. Zum einen geht es hier um ein sehr spezielles Problem, das den weit überwiegenden Teil der Psychotherapiepatienten überhaupt nicht betrifft. Alleine das schließt schon aus, einen Rückschluss auf ein ganzes Verfahren zu ziehen! Und dann geht es nicht einmal primär um CBT! Ich hatte das extra dazu geschrieben. Schriftliche Konfrontation gibt es nicht exklusiv in CBT, umgekehrt wenden die meisten Traumatherapeuten, die mit CBT arbeiten, schriftliche Konfrontation NICHT an!

Pauschal ist die Aussage, „wenn das einigermaßen korrekt angewandt wird, ist das aber auch okay“ sträflich fahrlässig. Du billigst damit schon „einigermaßen korrekt“ als völlig ausreichend und „okay“ ebenso. Angesichts des Risikos ist diese Einschätzung unangemessen. Zumal schriftliche Konfrontation selbst mit aktiv hergestelltem angemessenen Rahmen überhaupt nur für einen kleinen Teil von traumatisierten Patienten in Frage kommt. Das sind die Patienten, bei denen man bei gutem sozialem Umfeld davon ausgehen kann, das sie hohe Wahrscheinlichkeit haben, auch ohne professionelle Hilfe ihr Trauma zu bewältigen.

Doch mal hierzu eine Ergänzung:
Dass ein Suizidvertrag keinesfalls ausreichend ist, akuter Suizidalität zu begegnen und die Unterschrift juristisch nahezu irrelevant ist, darüber sind wir uns einig. Dass ein solcher Vertrag, der auch mündlich sein kann, dennoch einen therapeutischen Nutzen haben kann, ist von mir auch nicht in Abrede gestellt.

Hier rede ich aber über die Fälle, in denen tatsächlich die Haltung vertreten wird, dass der Psychotherapeut damit seinen Job gemacht hat. Dass das nicht ein persönlicher Eindruck von mir ist, dafür spricht die Reaktion der anderen Psychotherapeuten, die bei diesen Vorträgen und Podiumsdiskussionen heftig reingegrätscht sind.

Es ging mir um die Grundlagen der Psychotherapie.
In denen sind auch deine „in Traumatherapie nicht qualifizierte Psychotherapeuten“ fraglos qualifiziert.

Über Sinn und Unsinn von Traumatherapie, und über die (Un)Sitte, dass sich einige Psychotherapeuten das ungeschützte Label „Traumatherapeut“ anhängen ohne über eine entsprechende Weiterbildung zu haben, kann man lang diskutieren.

Das ist hinten und vorne nicht mein Argument.
Mein Argument war auf das Grundvertrauen bezogen, dass ich mir in Deutschland als potentieller Patient sehr sicher sein kann, einen qualifizierten Psychotherapeuten vor mir zu haben, der die Grundlagen seines Tuns beherrscht, wenn ich zu einem kassenfinanzierten Psychotherapeuten gehen.

Dass das ganze Psychiatrie- und Psychotherapiesystem viele Mängel hat, dass Fehler passieren, dass Psychotherapie Schaden anrichten kann und sowieso Nebenwirkungen hat, dass es um die Fehlerkultur nicht überall gut steht usw. All das ist richtig und von mir unbestritten. Dass ist aber eine andere Ebene als die „Grundebene“, von der ich spreche.
Und ich denke, das muss auch komplexer diskutiert werden als du es hier anführst.

Ja, das tu ich, weil ich glaube, dass nicht mehr als „einigermaßen korrekt“ sinnvoll zu haben ist. Wer an diesem Punkt mehr Korrektheit will, verliert an anderen Punkten Qualität.
Darum muss man solche Diskussionen eben in aller Komplexität führen und nicht nur, so nehme ich dich hier wahr, wild um sich hauen.
„Korrekt genug“ wäre der bessere Begriff als „einigermaßen korrekt“ gewesen. Da revidiere ich mich.

Gruß
F.

@asteiner

Da sprichst du mir aus der Seele mit dem Vertrauen. Also ich bauch ganz, ganz lange um zu vertrauen… eigentlich zu lange…

In 2 Therapien wurde mir das zum Verhängnis. Einmal.mit einer Traumatherapeutin, die sich beklagte, warum ich nichts sage, weil sie mir doch nur helfen will… :confused:

Und das Schlimmste habe ich in.der Tagesklinik erlebt. Die Oberärztin wurde regelrecht wütend. Sie meinte auch, wenn ich nichts aus meiner Therapiezeit mache,ist das mein Problem… ich hatte mir gerade mühsam eine Vertrauenbasis zur ebenfalls dort arbeitenden, sehr einfühlsamen Therapeutin erarbeitet, aber der Oberärztin ging es nicht “schnell“ genug. Weil es mir immernoch sehr schlecht ging.

Dabei war es für mich zu dem Zeitpunkt schon eine Leistung überhaupt dort zu sein und mich mit Menschen zu umgeben. Ich steckte tief in meinem Trauma durch meinen Exmann…

Es ist schwer und langsam zweifel ich an mir selbst…

Ich habe jetzt bei der neuen Therapeutin das Gefühl, sie will mich gar nicht. Ich habe nochmal angerufen,sprach aufs Band um einen Termin zu verschieben und sie rief nicht zurück.

Als ich sie dann erreichte, hat sie irgendwie gezögert und brauchte ungelogen 5 Minuten um mir einen neuen Termin zu geben. -_-

Am Telefon meinte sie noch es dauert ein halbes Jahr, bis die Therapie losgeht und als sie mich gesehen hat,meinte sie es dauert ca. ein dreiviertel Jahr… :confused::confused::confused:

Dann meinte ich noch zu ihr, ich fühle mich nicht wie eine Borderlinerin und sie meinte:“aha, da haben sie Probleme die Diagnose anzunehmen!“

Dann erzählte ich von Dissoziationen und sie fragte,wie das ist. Ich konnte es nicht so wirklich erklären, sagte alles ist weit weg. Ich glaube sie weiß überhaupt nichts und mag mich nicht, weil ich Borderlinerin bin. -_-

Lg norma

Ja, aber was soll einer dazu sagen können, der nicht dabei war?
Offensichtlich haben seine Kollegen deutlich reagiert, das zeigt doch, dass das eher ein Ausnahmefall denn die Regel ist.

Keine Ahnung, was den auf dem Kongress geritten haben könnte.

Zumal diese Anti-Suizid-Verträge ja eigentlich nicht mal primär auf Suizidverhinderung zielen, sondern wohl hauptsächlich der „Auslagerung“ des Themas dienen sollen, damit trotz bestehender Suizidalität dennoch therapeutisch gearbeitet werden kann. Bei manchen Patienten ist die Suizidalität halt so permanent vorhanden, dass sich die Therapie sonst ständig nur darum (im Kreis) drehen würde.

Der Kollege wäre also weder juristisch noch therapeutisch aus der Nummer mit dem „unterschreiben lassen“. Von daher eine sehr schräge Aussage, die ohne Kontext für mich völlig unverstehbar ist.

Gruß
F.

Ich finde gut, dass du das beim nächsten Mal ansprechen willst. Sehr hilfreich ist, wenn du dir die Fragen und Stichworte, die dir durch den Kopf gehen, aufschreibst. Es ist, übrigens selbst für völlig gesunde Menschen, sehr schwer, aktiver Gesprächspartner zu sein und gleichzeitig eine Liste aus dem Kopf abzuarbeiten. Das gilt erst recht, wenn es um einen selbst geht.

Es ist gut, dass die Suizidalität nicht akut ist und du schaffst, dich davon zu distanzieren. Aber: Suizidalität ist absolute Kontraindikation für Konfrontation! Das steht übrigens auch in den Leitlinien. Hast du das Thema Suizidalität angesprochen bzw. bist du gefragt worden? Das ist sehr wichtig und du solltest es nicht unterschlagen, auch wenn dir das unangenehm ist.
Es ist keinesfalls Feigheit oder zu wenig Pack-an-Haltung, wenn deine alte Therapeutin und die Ärzte / Therapeuten in der Tagesklinik eine Konfrontation bisher abgelehnt haben! Es spricht alles dafür, dass das berechtigte Vorsicht ist.

Möglicherweise ist die Situation bei dir so, dass eine Konfrontation im ambulanten Rahmen überhaupt nicht in Frage kommt. Das ist bei schwerer Traumatisierung mit Kindheitserfahrung keine Seltenheit! Es wäre dann Aufgabe der ambulanten Therapie, einen stationären Aufenthalt gut möglich vorzubereiten und nach einer stationären Konfrontation die dringend erforderliche Nachbereitung zu übernehmen.

Du merkst vielleicht: Die Frage, ob man mit schriftlicher Konfrontation oder EMDR arbeitet, ist also viel, viel zu früh gestellt! Das, was dich vielmehr interessieren sollte, ist zum jetzigen Zeitpunkt zum Thema Konfrontation eigentlich nur, ob die Therapeutin mit verschiedenen Methoden arbeitet und wenn ja mit welchen.

Hier wäre übrigens für dich auch hilfreich zu wissen, was du bereits kennengelernt hast und mit was du gut klargekommen bist. Kannst du gut visualisieren, mit Bildern im Kopf arbeiten? Bei schwerer Traumatisierung haben sich imaginative Verfahren bewährt. Katathym Imaginative Psychotherapie oder Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie. Bei Luise Reddemann findest du übrigens auch gute Selbsthilfebücher nicht nur zur Überbrückung. Wenn du Erfahrungen gemacht hast, helfen diese dir auch schon, die Suche etwas einzugrenzen. Das gilt auch für negative Erfahrungen.

Ich möchte dir auch noch eine weitere Stelle empfehlen, die dir vielleicht besser helfen kann, als man hier in einem solchen Forum tun kann. Der Ethikverein bietet Menschen wie dir eine Beratung an und hilft in besonders schwierigen Fällen auch bei der Suche nach einem Therapeuten.
https://ethikverein.de