Bei allem Vorbehalt, dass man so etwas normalerweise nicht macht aus der Ferne. Ich möchte dir von dieser Methode dringend abraten!
Deine Bedenken wegen einer möglichen Retraumatisierung treffen den Kern des Problems. Ich halte es für unverantwortlich von einer ambulanten (!) Therapeutin, derartiges vorzuschlagen! Der Hinweis, das alles ja vorbei sei, ist in diesem Zusammenhang schon gefährlicher Zynismus. Eines deiner Probleme ist ja, dass du in Phasen kommst, wo du das nicht oder nur sehr schwer auseinanderhalten kannst, was Vergangenheit und jetzt ist, weil die Vergangenheit so massiv hochspült. Das ist typische Traumafolge und nicht, um dem vorzubeugen, etwa ein Versagen deinerseits. Es ist Aufgabe einer Therapie, daran zu arbeiten. Es ist wahrlich nicht sinnvoll, eine Fähigkeit jetzt vorauszusetzen, die du gar nicht mal hast im Augenblick! Im Übrigen ist bei dir gar nicht alles vorbei, du steckst, das ist Teil des Problems, noch mittendrin! Wenn die Therapeutin das nicht mitbekommen hat, kann das daran liegen, dass nicht ausreichend Anamnese gemacht wurde. Nur dann ist das erst recht ein Grund, nicht vorschnell Standard x Lösungen rauszuhauen.
Diese Methode ist bizarr! Sie kann eventuell funktionieren bei einem Monotrauma wie einem Autounfall. Wobei auch das unter Umständen so schwer ist, dass der Betreffende das in einer bestimmten Phase nicht kann und retraumatisiert wird.
Vor dem Hintergrund, dass jede Retraumatisierung eine Traumatisierung ist und weiter, tiefer schädigt! Wie will denn die Therapeuten verhindern, dass du retraumatisiert wirst, und wie will sie den Folgen begegnen? Du hast dauerhaft mit schweren Depressionen zu tun und ein Kind zu versorgen!
Auch EMDR löst übrigens so per se dein Problem nicht! Das ist keine Zaubertechnik. Die Methode ist gut bei Monotraumata. Sie ist weniger bis gar nicht geeignet bei sequenzieller Traumatisierung, wiederholten Traumata. Wenn überhaupt, dann ist das nur eine Technik, die eingebettet sein muss in ein Gesamtkonzept einer Therapie, in deren Rahmen EMDR dann nur ein kleiner Baustein ist.
Das Problem ist das bereits beschriebene: Auch durch EMDR wird das Trauma aktualisiert. Wenn nicht vernünftige, sehr konkrete Maßnahmen eingebaut werden, dass die Patientin das nicht mit nach Hause nimmt und mit den Folgen akut alleine ist, dann kann das sehr gefährlich werden. Ein Skill-Köfferchen zu packen ist da ein wichtiger Baustein. Bei deiner Biographie reicht das aber nicht.
Du bist für derlei Maßnahme überhaupt nicht stabil genug. Ich würde an deiner Stelle darauf achten, dass erste Handlungsschritte mit einem Therapeuten sind, dass du erst einmal dich und dein Umfeld stabilisierst. Wobei dazu auch gehört, über die Beziehung zu deinem Ex und deiner Mutter zu reden. Du hast noch Kontakt. Das muss bei jeder Therapie berücksichtigt werden! Der Kontakt kann möglicherweise schädlich sein, auf der anderen Seite bestehen gewisse Abhängigkeiten, die man vielleicht nicht ignorieren kann. Das ist nichts fürs Netz, das muss man sich sehr konkret anschauen.
Wichtig ist auch bevor man an irgendeine Form der Konfrontation geht, dass du ausreichend Stabilisierungstechniken kennst und ein Notfallnetz hast. Dazu gehört als alleinerziehende Mutter auch, dass für den Notfall jemand da ist, zu dem du deine Tochter bringen kannst. Hier sind im Notfall wohl weder die Mutter noch der Ex die richtige Person, weil von denen kritische Einflüsse ausgehen können, die du in so einer Situation nicht gebrauchen kannst.
Der dritte wichtige Bereich vor einer Konfrontation ist das Vertrauensverhältnis zum/r Therapeuten/in. So etwas kann und darf erst passieren, wenn ein Vertrauensverhältnis aufgebaut ist. Das passiert nicht von heut auf morgen. Das geht nicht in zwei, drei Gesprächen! Ihr müsst euch erst kennenlernen. Finger weg von einem Therapeuten, der das ignoriert und gleich loslegen will. - Ohne zu wissen, ob das für diese Therapeutin gilt. Das ist eine allgemeine Aussage.
Die Aussage, dass ihr erst einmal an die Traumata ranmüsst, ist jedenfalls definitiv falsch! Sie widerspricht elementar den Grundregeln von Traumatherapie! Hier die (Patientenversion) der Leitlinien für die Posttraumatische Belastungsstörung. Sie ist Orientierungsrahmen oder sollte es sein, unabhängig davon mit welcher Methode und mit welchen Techniken gearbeitet wird. Lies dir das mal durch, es ist anspruchsvoll, aber ich glaube, dass du das meiste verstehen wirst.
Leitlinie PTBS Patientenversion
Ich finde sehr gut, dass du auf dich achtest! Dein Gefühl, dass du auf dich aufpassen musst und dass eine Therapie auch schädigen kann, wenn sie nicht richtig läuft, ist richtig und gut. Du solltest so etwas unbedingt ansprechen und nicht für dich behalten. Der Therapeut muss darauf reagieren. Sollte er solche Befürchtungen wegwischen, bagatellisieren, ggf. sogar sich darüber lustig machen, auch das gibt es, Finger weg.
Der Beitrag hier enthält mehrere energische Positionen, mit denen man eigentlich aus der Distanz vorsichtig sein muss. Allerdings geht es hier wirklich um sehr ernste Gefahren und leider ist es so, dass es viele Traumatherapeuten gibt, welche die selbst gegebene Bezeichnung entweder gar nicht verdienen oder nicht die Kompetenz haben, an schwere Traumafolgen ranzugehen. Die Selbsteinsicht, dass das so ist, haben viele leider nicht.