Ist Taubers Vorschlag 'verfassungsfeindlich'

Servus,

Taubers Vorschlag ist wohl allen bekannt. Falls nicht:
Möglichkeiten im Kampf gegen rechte Hetze, so Tauber weiter, biete etwa der bislang nicht genutzte Artikel 18 des Grundgesetzes. Dort stehe, dass derjenige entscheidende Grundrechte wie Freiheit der Meinungsäußerung, Pressefreiheit, Lehrfreiheit oder Versammlungsfreiheit verwirken könne, „der diese Grundrechte ‚zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht‘“.

(Der Spiegel bezieht sich auf einen Kommentar Taubers in der Welt, der sich aber hinter einer Paywall verbirgt.)

In einer Reaktion darauf bezeichnete Alice Weidel das Ganze als ‚verfassungsfeindlich‘:

„Das ist ein Vorschlag repressiver Systeme und Diktaturen“, sagte Weidel der Deutschen Presse-Agentur. Der CDU-Politiker habe wohl schon genau definiert, „wen er dann für sich als demokratiefeindlich einschätzt“. Die AfD-Bundestagsabgeordnete erklärte: „Taubers Forderung ist aus meiner Sicht klar verfassungsfeindlich.“

Zu Orientierung hier auch der Artikel des GG, auf den sich Tauber bezieht:

Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.

Daher meine Frage: Wie kann der Verweis auf einen Artikel des GG „verfassungsfeindlich“ sein?

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Wenn man diesen Artikel des GG zum Beispiel falsch auslegt und missbraucht.

Nun ja, Frau Weidel eben …

Man kann sicherlich über Sinn und Zweck des Art. 18 diskutieren. Auch eine Forderung nach entsprechender GG-Änderung (Streichung Art. 18) wäre legitim.
Allerdings eine gültige Verfassungsbestimmung als „verfassungsfeindlich“ zu bezeichnen, das hat schon was.
Frau Weidel übersieht natürlich galant, daß das gesamte Grundgesetz ein System von zum Teil widerstreitenden Rechten ist, die in jedem Einzelfall gegeneinander abgewogen werden müssen. Und Art. 18 ist nun mal Bestandteil dieses ständig neu auszutarierenden Systems und somit auch nichts dem Rest des GGs gegenüber völlig Fremdes.

Aber um so was zu wissen, müßte man sich zumindest mal oberflächlich mit dem GG als Gesamtes beschäftigt haben und das GG nicht nur unter dem Gesichtspunkt lesen, welches Häppchen des GG einem gerade zufällig in den Kram passt.

&Tschüß
Wolfgang

Wie genau hat Tauber das deiner Meinung nach getan?

Ich stehe hier völlig neutral da, ich wollte nur anmerken, dass das ein Grund sein könnte, warum ein Verweis auf das GG verfassungsfeindlich sein kann. Es ist ja alles eine Frage der Formulierungen drum herum und welche Aussagen dazu getroffen werden. Sätze anders auslegen, als sie gemeint waren, ist ja in der Politik auch schon vorgekommen.

„Der Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär im Verteidigungsministerium hatte mit Blick auf die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke dafür plädiert, Verfassungsfeinden bestimmte Grundrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu entziehen.“ so die Frankfurter Allgemeine

Ich kann mir vorstellen, dass Frau Weidel das GG so auslegt, das ja jeder Mensch das Recht auf eine freie Meinung hat, ob man dem zustimmt oder nicht ist dann wohl jedem selbst überlassen.

Ok, dann habe ich dich falsch verstanden. In dem Thread hier geht es mir aber ganz konkret um Taubers Aussage und Weidels Behauptung. Meine Frage nach der Verfassungsfeindlichkeit ist in diesem Kontext zu verstehen. Das im GG ausdrücklich erwähnte BVerfG will Tauber ja afaik nicht aushebeln. Wie gesagt fehlt mir leider der Zugang zur Primärquelle.

Das kann Frau Weidel schon so machen, aber wie ich oben zitiert habe, sieht das GG selbst in Artikel 18 auch einen möglichen Entzug bestimmter Rechte vor.

Hm wie gesagt, ich kann’s auch nicht verstehen. Ich überlege nur, was sie sich dabei vielleicht gedacht haben könnte. Alles eine Frage der Auslegung in der Politik.

Und bekanntlich hat Artikel 5 GG ja von vorneherein Einschränkungen.

Gegen einen Gedankenaustausch spricht ja auch nichts :wink:

EDIT: Ich habe einen bösen Fehler gemacht, mein Einwand ist falsch! Alles ab hier bitte ignorieren!

Nö.
Art 79, Absatz 3 GG:

Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

Insbesondere stelle ich mir gerade vor, was Frau Weidel denn davon halten würde, wenn das BVerfG einem Asylbewerber, der vielleicht sogar tatsächlich asylberechtigt ist, das Asylrecht absprechen würde, wenn dieser einen politisch oder religiös motivierten Anschlag ausgeübt hätte.

Würde sie dann auch noch von „verfassungsfeindlich“ reden?

Verfassungsfeindlich wäre der Missbrauch des Art.18. Ich erwarte nicht, dass einer der Senate des BVerfG eine missbräuchliche Anwendung beschließen würde.
Man beachte die Rechtsprechung des BVerfG im Verbotsverfahren zur NPD.

Frau Weidel möchte sich und Ihre Partei vermutlich ganz gerne als Opfer darstellen. Ich sehe das als das übliche Trallala auf der politischen Bühne an.

Artikel 1 und 20, nicht Artikel 1 bis 20.

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Das ist natürlich blanker Unsinn. Herr Tauber bzw. der Generalbundesanwalt (oder wer halt das Initiativrecht hat) kann selbstverständlich jeden vor das Verfassungsgericht schleifen lassen, der hinreichend verdächtig ist.
Ist schließlich schon ein paar mal passiert:


Der Sinn ergibt sich logischerweise aus den Lehren der Weimarer Republik.
Gruß
rakete

Du hast Recht und ich schäme mich.

Warum sagt Weidel dann so etwas? Kennt sie das GG nicht? Versteht sie es nicht? Oder lügt sie einfach bewusst, um dem politischen Gegner zu schaden? Immerhin bringt sie Tauber mit Diktaturen in Verbindung und könnte damit wieder eine extreme Reaktion auslösen.

Entweder hat sie sich geirrt , versprochen oder auf die Dummheit der Deutschen Presseagentur vertraut. Eine einfache Nachfrage hätte die Sache doch sofort geklärt.
Gruß
rakete

Dann wäre sie also entweder zu faul das GG zu lesen oder zu dumm es zu verstehen? Und den Irrtum wollte sie dann später halt einfach nicht auflösen?

Wo genau denn? Als sie Tauber in die Nähe von Diktaturen stellte? Oder beim Wort ‚verfassungsfeindlich‘ selber? Was wollte sie da wohl anderes sagen? Und auch hier wollte sie das Missverständnis nachher einfach nicht auflösen?

Es ist nicht die Aufgabe der APA Politiker daran zu hindern, Lügen unters Volk zu bringen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du einer der ersten wärst, die in so einem Fall von ‚Zensur‘ o.ä. reden würdest.

Wie oben angedeutet hätte Weidel jederzeit auf einen Irrtum oder Versprecher hinweisen können. Das hätte die Sache sofort geklärt, wenn es denn einer Klärung bedurft hätte. So wie ich es sehe, war das eine klar kalkulierte Lüge Weidels, die bei Personen, die eh schon ‚denen da oben‘ bei jeder Gelegenheit misstrauen, auf fruchtbaren Boden fallen dürfte. Wo das hinführen kann, haben wir ja erst kürzlich gesehen.

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Nach wenn schon.Obwohl es eine sehr seltsame Lüge wäre. Eine gute Lüge versteckt ein gewöhnlicher Politiker zwischen zwei Wahrheiten. Denk an die Rentenlüge, die Facharbeiterlüge und,und,und.