Dauerte etwas länger
Aber warum ist es nur Überzeugungen mit Glaubenshintergrund gelungen, die großen Gesetze der Menschheit wachzuhalten? In welcher menschlichen Gemeinschaft lebt der Grundsatz „Du sollst nicht töten“ „Du sollst nicht stehlen“ „Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“ - ohne Berufung auf religiöse Gebote?
Da irrst du gewaltig! Diese Gebote und die dazugehörigen Gesetze gelten in säkularen Staaten ohne göttliche Begründung. Und wo solche Gebote göttlich geboten sind, werden sich nicht besser befolgt.
Aber warum schafft es nur die Religion – soweit ich weiß - diese Notwendigkeiten ausreichend effektiv in den Völkern zu verankern?
Ich fürchte, dass du in diesem Punkt ein Informationsdefizit hast. Es sind nicht religiöse Gründe, die Gesetzen Gültigkeit verleihen. Und manche religiösen Gesetze sind gar nicht so human, wie man gemeinhin meint.
Das gilt vor allem für die Bibel, die ein gewaltiges Gewalt- und Rachepotential enthält. Was wird in dem Buch nicht gemordet, geschlachtet, gedroht und geflucht auf anders Denkenden und anders Glaubende.
Nur die äußerst selektive Lektüre kann zu dem Eindruck führen, dass die Bibel eine Humanisierende Wirkung haben könnte.
Wenn du dir die Zehn Gebote im Original anschaust, wirst du auf verblüffende Details stoßen. Sie sind weder göttlichen Ursprungs noch wirklich tauglich zur Begründung einer humanen Ethik.
Schau dir nur dies an:
Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.
Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation ; bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.
Die humanisierenden Bestimmungen werden durch – von den Kirchen meist unterdrückten Bestimmungen und verschwiegenen – auf fatalste Weise konterkariert. Da wird scheinbar Menschlichkeit gefordert, aber letztendlich gewaltig inhumane Folgerungen gezogen.
Wenn du das genauer wissen willst, lies ein paar Stellen ganz oder schau dir die Sache in dem Buch von
Franz Buggle
Denn sie wissen nicht, was sie glauben
Oder warum man redlicherweise nicht mehr Christ sein kann. Eine Streitschrift ISBN 3932710770 Buch anschauen
an.
Braucht die Menschheit Religion zur „Zähmung“ (der wilden Triebe, der unbegrenzbaren Bedürfnisse)? Und Glauben zum Trost (gegen die Trostlosigkeit des Todes)?
Gewiss nicht! Denn wenn du die Forderungen der Religionen, der christlichen zumal, anschaust, dann wirst du sehen, dass genau das Gegenteil gefordert wird.
Denn das Christentum fordert die schlimmsten Strafen für nicht der allgemein gültigen Ansichten zustimmende Personen.
Du prangerst die negativen Folgen der Religionen an, und ich stimme Dir umfassendst zu und habe keine Einwände. Aber kämen wir als Menschengesellschaft ohne Religionen zurecht?
Vielviel besser als ohne sie!
Unseren Lebenswandel nach den Grundsätzen der „Zehn Gebote des evolutionären Humanismus“ zu gestalten, den man auf der Seite:
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/ und dort weiter
kennen lernen kann, wäre für die Menschheit viel hilfreicher.
Auf die Bedeutung religiöser Überzeugungen, die Bedeutung des Glaubens für den einzelnen bin ich nicht eingegangen. Darin treten Dimensionen anderer Art auf - die der großen Mystiker, die besonderer spiritueller Erfahrungen, die nicht anfällig machen für Machtausübung von außen, nicht imstande sind, den Einzelnen zum Dulder oder Täter einer Tätergemeinschaft zuzuordnen, über solche Bereiche kann und will ich mich nicht äußern. Aber ich wollte doch hier zum Schluß darauf hinweisen.
Auch hier – verzeih – muss ich eine gewissen Blauäugigkeit konstatieren. Es sind nicht die großen Mystiker, die in Kirchen und gar im Staat den Ton angeben.
Meister Eckart wurde der Ketzerei bezichtigt, ich weiß von keiner Wirksamkeit Taulers oder Susos in der Kirche. Der Schuster Jakob Böhme ist eine periphere Erscheinung im Protestantismus. Und im Islam gar; wo siehst du heute, dass die Mystiker Hafis, Rumi auch nur den geringsten Einfluss in den Ländern des Islams hätten?
Ich bleibe daher bei der Ansicht, dass Religion und Religionen eine Krankheit der Menschheit sind. Und wenn ich sehe, wie man einen so absurden Begriff wie die „Erbsünde“ in hochwissenschaftlicher Weise darstellt und ihn so als wirklich akzeptable Denkmöglichkeit ausgibt, wie das hier im Brett geschehen, dann weiß ich auch, was ich von solchen „Wissenschaft“ zu halten habe.
Das ist nämlich das Schlimmste neben der verbreiteten Unwissenheit in Sachen Religion: die Schönrednerei, die Verharmlosung.
Neinnein, da ist mir Voltaires Aufforderung und Nietzsches Meinung dazu viel lieber.
Gruß Fritz.
Immer freue ich mich, Deine postings zu lesen und hoffe, das auch in Zukunft möglichst oft tun zu können. Auch wenn ich anderer Meinung bin als Du, ist mir Deine Art zu denken eine Freude.
Da stehst du aber doch wohl ziemlich allein da mit dieser Meinung.