Jüdische Vorfahren im Mittelalter?

Hallo,

also es ist so. Ich habe ferngesehen, und zwar zwei Reportagen. In der ersten wurde jemand vorgestellt, der professionell Ahnenforschung betreibt, d.h. er schaut in alle Archive und konnte so bei einer Familie herausfinden, dass sie um 1500 bekannte Bierbrauer waren.

Im zweiten Bericht ging es um Juden in Polen. Und zwar sind von denen nach dem 2. WK der überwiegende Teil ausgewandert, und die anderen sagten niemandem mehr, dass sie Juden waren - oft nicht einmal den eigenen Kindern. Nur durch Zufall haben es die Kinder Jahrzehnte später erfahren.

Ich denke mir nun, so etwas hätte doch auch im Mittelalter passieren können - dass jemand nach außen hin den Anschein erwecken möchte, nicht jüdisch zu sein, und dass nicht einmal die eigenen Kinder Bescheid wissen. Nur wären diese Kinder im Mittelalter vielleicht später nicht mehr draufgekommen, weil die Eltern viel früher gestorben wären, und weil sie schriftliche Aufzeichnungen weder zur Verfügung gehabt hätten noch hätten lesen können.

Andererseits sind die Kinder einer jüdischen Mutter ja ebenfalls jüdisch. Kommt es darauf an, ob sie das wissen oder nicht? Oder könnte es rein theoretisch sein, dass man auf der Suche nach seinen Vorfahren feststellt, dass im Mittelalter eine Jüdin dabei war und daher die Nachfahren ebenfalls jüdisch sind?

Ich hoffe, man kann meinen Gedankengang nachvollziehen.

Schöne Grüße

Petra

Ich hoffe, man kann meinen Gedankengang nachvollziehen.

Tach Petra,

naja, etwas üge hat es schon gemacht.

Die Frage, ob jemand von einer jüdischen Mutter stammt und mithin Jude ist, erhebt sich nur, wenn er seiner (jüdischen!) Gemeinde nachweisen muss, dass er Jude ist. Ansonsten ist es vollkommen egal.

Und ob man im MA irgendwo eine jüdische Vorfahrin hatte, lässt sich - in manchen Fällen, aber da fragst Du besser im Biologie- oder Medizinbrett nach - mit Hilfe der DNS klären. In der „Jüdischen Allgemeinen Zeitung“ kannst Du entspechende Anzeigen finden.

Im Übrigen dürfte es im MA sehr schwierig gewesen sein, seine Zugehörigkeit zum Judentun zu verschleiern: Das gesamte Leben war sehr viel öffentlicher als heute, der gesellschaftliche Status wurde - durch sehr viele Details, die hier aufzuführen zu weit führen würde - öffentlich bekannt gemacht und beglaubigt. Und niemand hätte es den Kindern von Juden erlaubt, sich plötzlich als Nichtjuden zu bezeichnen.

Selbst getaufte Juden und ihre Kinder wurden noch lange mit Argwohn betrachtet.

Gruß - Rolf

Hallo !

Jeder ist das, was er sein will!!

mfgConrad

Hallo,

Ich hoffe, man kann meinen Gedankengang nachvollziehen.

Eher nicht. (ich weiß, das war aus Petras Posting)

Die Frage, ob jemand von einer jüdischen Mutter stammt und
mithin Jude ist, erhebt sich nur, wenn er seiner (jüdischen!)
Gemeinde nachweisen muss, dass er Jude ist. Ansonsten ist es
vollkommen egal.

In der Tat. Im Gegenteil finde ich da kommt sogar beinah ein Geschmäckle rein.

Und ob man im MA irgendwo eine jüdische Vorfahrin hatte, lässt
sich - in manchen Fällen, aber da fragst Du besser im
Biologie- oder Medizinbrett nach - mit Hilfe der DNS klären.

Naja, auch das ist ja nicht wirklich alltagstauglich, denn abgesehenvom medizinischen und dem Vergleichs-DNA, zu dem ich zuwenig weiß, was nützt es mir, wenn ich wüsste, dass meine Ururururgroßmutter Jüdin war - denn ich müsste ja die weibliche Erbfolge zu mir verfolgen, sonst stimmt es ja auch wieder nicht.

Gruß
Elke

Jeder ist das, was er sein will!!

Oder sein darf.

Gruß
Torsten

Hallo,

Und ob man im MA irgendwo eine jüdische Vorfahrin hatte, lässt
sich - in manchen Fällen, aber da fragst Du besser im
Biologie- oder Medizinbrett nach - mit Hilfe der DNS klären.

diese ‚Tests‘ können allenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit belegen.

Naja, auch das ist ja nicht wirklich alltagstauglich, denn
abgesehenvom medizinischen und dem Vergleichs-DNA, zu dem ich
zuwenig weiß, was nützt es mir, wenn ich wüsste, dass meine
Ururururgroßmutter Jüdin war - denn ich müsste ja die
weibliche Erbfolge zu mir verfolgen, sonst stimmt es ja auch
wieder nicht.

Gerade dies geschieht durch die Analyse der mitochondrialen DNS - sie wird ausschließlich in weiblicher Linie vererbt. Nur hast Du natürlich von Deiner Ururururgroßmutter keine Vergleichsprobe. Du kannst lediglich bei Deiner eigenen DNS untersuchen lassen, ob sich bei einem Abgleich mit einer genetischen Datenbank überdurchschnittlich häufig jüdische Verwandte finden lassen. So etwas wird kommerziell angeboten - da die Datenbasis jedoch ziemlich klein ist, ist die Zuverlässigkeit eines solchen Tests kaum höher, als eine jüdische Abstammung durch Erstellung eines Horoskops herauszufinden.

Ein wenig besser sind die Aussichten bei Untersuchung des (in männlicher Linie vererbten) Y-Chromosoms. Hier gibt es den sog. ‚Cohen modal haplotype‘, bei dessen Vorliegen eine genetische Abkunft von der jüdischen Untergruppe der Kohanim als wahrscheinlich gilt. Diese These ist allerdings nicht unumstritten - und der Haplotyp betrifft eben nur speziell Kohanim, nicht Juden generell.

Generell steckt die Untersuchung von Abstammungsgruppen und ihren diversen Verwandschaftsverhältnissen über genetische Haplotypen noch in den Kinderschuhen, zeigt aber schon einige interessante Ergebnisse (http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?..).

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Petra,
ich verstehe den Sinn der eingebrachten Problematik nicht

Andererseits sind die Kinder einer jüdischen Mutter ja
ebenfalls jüdisch. Kommt es darauf an, ob sie das wissen
oder nicht?
Oder könnte es rein theoretisch sein, dass man
auf der Suche nach seinen Vorfahren feststellt, dass im
Mittelalter eine Jüdin dabei war und daher die Nachfahren
ebenfalls jüdisch sind?

Wäre es ein „Auszeichnung“ oder ein „Mangel“ semitische Vorfahren zu
haben ?
Das Völkergemisch (Mittel-)Europa hat auch teils deutliche Spuren
von Hunnen, Arabern , natürlich Goten, Alemannen usw. welche
unter dem Oberbegriff „Germanen“ zusammengefaßt sind.

Wäre ein Vorfahre von Dir z.Bsp. im 1500. Jahrhundert reiner Semit
(Jude) so wäre in Dir u.U nur ein Bruchteil von 1/1000000 bis
1/100000000 !!! dieses genetischen Erbes vorhanden je nach Dichte
der Generation-Folge.(hier im Beispiel nur 20 bzw. 27 Generationen)
Vielleicht bist Du dann mehr Hunne oder Araber als dies.
Die Frage stellt sich auch, inwieweit und ob es unter den als Juden
bezeichneten trotz gewählter oder auferzwungener Isolierung
in Mitteleuropa noch wirkliche Semiten gab oder gibt.

Gut, die meisten sind sich nicht über die Größenordnung im klaren
die solche Betrachtungen anstellen , aber ich hoffe dies gibt Dir
zu denken und Du schmeißt Deine Frage schnell in den Papierkorb.
Gruß VIKTOR

Hallo Ralf,

danke für die Erklärung.
Für mich wird das Anliegen in dem UP dadurch aber nicht wirklich nachvollziehbarer, d.h. was man mit dieser Information anfangenwürde/sollte.

Gruß
Elke

Hallo Ralf,

Ein wenig besser sind die Aussichten bei Untersuchung des (in
männlicher Linie vererbten) Y-Chromosoms. Hier gibt es den
sog. ‚Cohen modal haplotype‘, bei dessen Vorliegen eine
genetische Abkunft von der jüdischen Untergruppe der Kohanim
als wahrscheinlich gilt. Diese These ist allerdings nicht
unumstritten - und der Haplotyp betrifft eben nur speziell
Kohanim, nicht Juden generell.

Da wird mir ja unheimlich, das klingt wie Star Trek, wo man einmal kurz einen Tricorder in den Raum hält und sofort weiß, wer da in den letzen paar Jahren so vorbeigelaufen ist … Hilfe!

Aber die Frage war nun weniger, ob man noch irgendwie biologisch jüdische Vorfahren nachweisen könnte, sondern eher, ob die Nachkommen dann heute noch als Juden gelten würden. Ich weiß es nicht. Sind alle Nachkommen einer jüdischen Mutter für alle Zeiten Juden? Oder „verjährt“ die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk irgendwann?

Natürlich stelle ich meine Frage auch wieder ausgerechnet an einem Feiertag … typisch. Nächstes Mal schaue ich vorher nach :wink:

Schöne Grüße

Petra

Hallo Viktor,

ich verstehe den Sinn der eingebrachten Problematik nicht

Das merke ich nicht.

ich hoffe dies gibt Dir
zu denken und Du schmeißt Deine Frage schnell in den
Papierkorb.

Aha, und warum sollte ich? Ist es in deinen Augen etwas Schlechtes, jüdisch zu sein?

Wäre es ein „Auszeichnung“ oder ein „Mangel“ semitische
Vorfahren zu haben ?

Tja, das liegt ganz im Auge des Betrachters. Mehr möchte ich an dieseer Stelle gar nicht dazu sagen :wink:

Schöne Grüße

Petra

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Hallo Petra.

Andererseits sind die Kinder einer jüdischen Mutter ja
ebenfalls jüdisch. Kommt es darauf an, ob sie das wissen
oder nicht?

Nein, dieses spielt für den Status keine Rolle. Allerdings ist dieses die jüdisch-religiöse Sicht darauf. Für andere gilt hier wohl meist eher, wie diejenigen sich selber gesehen haben.

Oder könnte es rein theoretisch sein, dass man
auf der Suche nach seinen Vorfahren feststellt, dass im
Mittelalter eine Jüdin dabei war und daher die Nachfahren
ebenfalls jüdisch sind?

Das ist eine recht komplizierte Frage, welche vor einem Rabbinatsgericht zu prüfen wäre. Aber in solch soweit zurück reichenden Fällen, wird meistens entschieden, dass die Person nicht jüdisch ist. Selbst schon bei zwei, drei Generationen wird hier ein vollständiger Gijur (Übertritt zum Judentum) angeraten, um diese Frage zu klären.

Gruss,
Eli

Hallo Eli,

Das ist eine recht komplizierte Frage, welche vor einem
Rabbinatsgericht zu prüfen wäre. Aber in solch soweit zurück
reichenden Fällen, wird meistens entschieden, dass die Person
nicht jüdisch ist. Selbst schon bei zwei, drei Generationen
wird hier ein vollständiger Gijur (Übertritt zum Judentum)
angeraten, um diese Frage zu klären.

Och … schade.

Naja, nicht dass ich irgendwelche jüdischen Vorfahren entdeckt hätte. Ich hatte halt nur diese Idee. Manchmal hat man solche seltsamen Ideen. Wer weiß, vielleicht finde ich ja wirklich welche, wenn ich mal ein bisschen suche …

Meine Schwester hat mal angefangen mit der „Ahnenforschung“. Morgen sehe ich sie, da muss ich sie mal fragen, was der neueste Stand ist.

Aber warum ist das so, dass die Nachfahren dann plötzlich nicht mehr als jüdisch betrachtet werden, nur weil ein paar Generationen dazwischenliegen? Widerspricht sich das nicht mit der Aussage, dass die Kinder einer jüdischen Mutter ebenfalls Juden sind? Oder muss man sich da noch ein „meistens“ dazudenken?

Schöne Grüße

Petra

Zuckmayer
„Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor - seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant - das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt - und - und der der Goethe, der kam aus demselben topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald und - ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt - wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein - das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel. Das ist Rasse. seien Sie stolz darauf, Hartmann - und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Abtritt. Prost.“

Carl Zuckmayer, Des Teufels General

Hi

Hat das vielleicht was mit der Erziehung zu tun?

Ich weiß vom Islam, dass es dort diese Heiratsreglung gibt (Vater kann heiraten was schriftgelehrt ist, Mutter nur einen Muslim) weil der das letzte Wort bei der Erziehung hat.

Ist es hier vielleicht so, dass die Mutter ja hauptsächlich für die Erziehung und damit auch religiöse Bildung der Kinder zuständig ist? Und wenn die Nachkommen das über einige Generationen hinweg nicht erfahren könnte ja fraglich sein, wie sehr sie dem jüdischen Glauben eigentlich verbunden sind, selbst wenn sie erblinig jüdisch wären.

Ist da was dran?

lg
Kate

Hallo Eli!FRAGE:„Mein Großvater verheiratete meine Mama mit einem Juden.Diese Ehe ging in Brüche.“
Als sie einen -Nichtjuden-ehelichte,verstieß mein Großvater meine Mama für viele Jahre,ehe es zu einer Wiederversöhung kam.Wenn wir zum Opa auf Besuch geladen waren,bekamen wir stets koschere Speisen.Er trug immer so ein rundes Käppchen auf dem Kopf.Er verbot uns ein gewisses Zimmer nicht zu betreten.Die Älteste meiner Schwestern übertrat das Verbot.Erst daheim fragten wir sie neugierig was sie gesehen hat.
Mama,sagte oft zu uns:„Es gibt ein -GEHEIMNIS- aber sie könne es uns nicht sagen“!Wir waren noch sehr jung,als unsere Mama starb.Sie sang Lieder deren Sprache wir nicht verstanden.Erst nach meiner Israelreise wußte ich das es hebräische Lieder waren,die mit den Casseten die ich mir kaufte übereinstimmmtem (lt.Titelangaben).Wir Geschwister fragen uns dennoch immer wieder,ob wir jüdische Wurzeln haben.(Hier ist aber wenig Platz zum schreiben!)Liebe Grüße Lisa

sondern eher,
ob die Nachkommen dann heute noch als Juden gelten würden. Ich
weiß es nicht. Sind alle Nachkommen einer jüdischen Mutter für
alle Zeiten Juden? Oder „verjährt“ die Zugehörigkeit zum
jüdischen Volk irgendwann?

Liebe Petra,

die Frage, ob jemand als Kind einer jüdischen Mutter Jude oder Jüdin ist, stellt sich nur im jüdischen Zusammenhang , also nur dann wenn dieser Nachkomme Mitglied einer jüdischen Gemeinde werden will.
Sonst ist diese Frage vollkommen unwichtig.
Die Frage des Jüdisch-Seins ist sehr schwierig zu beantworten, weil hier mindestens zwei Ebenen durcheinander gehen: die genetische und die religiöse. Im Idealfall fallen sie beide zusammen; falls sie das nicht tun, gibt es Arbeit für das Rabbinatsgericht, wie Eli schon schrieb.

Gruß - Rolf

Hi Conrad

Jeder ist das, was er sein will!!

Eben leider nicht. Leider ist es nicht so einfach.
Wir möchten es uns so einfach machen. Da kommt dann das dabei heraus, was C.G. Jung mit der „Persona“ bezeichnete.
Und unser „Schatten“ wird dann möglicherweise um so aktiver in der Tiefe…
Gruß,
Branden

Hallo Petra

Im zweiten Bericht ging es um Juden in Polen.

Ich kann dich da gut verstehen. Mich treibt auch eine ähnliche Frage um. Meine Urgroßmutter war Polin und ich würde sehr gerne wissen, ob sie Jüdin ist. Habe schon (auch dank der Hilfe hier im Ahnen-Brett) einiges erfahren und einige Vorfahren gesichtet, aber diese eigentliche Frage nicht beantworten können.
Es grüßt dich
Branden

Hi Gandalf,

mein Lieblingszitat von Zuckmayer. Ich habe das mal „verbraten“, als ich in einem Theaterworkshop an einem Stück über Südafrika mitgearbeitet hab (die Ahnenreihe einer südafrikanischen „Coloured“). Meinen Söhnen hab ich das auch mit auf den Weg gegeben.

Gruß
Elke

Jüdischer Vater
Hallo Lisa
wichtig ist weniger, ob der Vater Jude ist/war, sondern lediglich, ob die Mutter es ist/war. Je nach Beit Din geht höchstens ein Giur schneller, wenn man einen jüdischen Vater, aber keine jüdische Mutter hat.
Gruß
Fini